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Schweizerisches Zivilgesetzbuch
Erläuterungen
zum
Vorentwurf
des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
Zweite, durch Verweisungen auf das Zivilgesetzbuch und etliche Beilagen ergänzte Ausgabe
Zweiter Band
Sachenrecht und Text des Vorentwurfes vom 15. November 1900
Bern Buchdruckerei Büchler & Co.
1914



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Das Sachenrecht
Dem Sachenrecht ist in den schweizerischen Kantonen eine eigentümliche Entwicklung zuteil geworden. Während des Mittel­alters war es mit hundertfältigen lokalen Gewohnheiten zu einer überaus reichen Ausgestaltung gelangt und hatte in den Statutarrechten eine oft in die feinsten Einzelheiten eindringende Aufzeich­nung und Feststellung erhalten. Bis in das sechzehnte und das siebzehnte Jahrhundert hinein weisen die Stadt- und Landrechte, die Amts- und Herrschaftsordnungen, die Talrechte und Landbücher eine Mannigfaltigkeit in der Behandlung der verschiedenen Be­ziehungen zu Grund und Boden auf, die der grossen Bedeutung der sachenrechtlichen Verhältnisse für diese frühere Kulturperiode vollkommen entspricht. Mit dem Ende des sechzehnten Jahr­hunderts und im Laufe des siebzehnten beginnt dann aber diese Fruchtbarkeit zusehends zu schwinden. Die alten Institute, die sich aus den grundherrschaftlichen Beziehungen überhaupt und namentlich aus den verschiedenen Formen der bäuerlichen Leihe entwickelt hatten, wurden in ihrem alten Bestande zwar weiter geführt, blieben aber, bei der veränderten Grundlage im allgemein­bürgerlichen Rechte, das jetzt zur Entwicklung gelangte, ihrer selbständigen Entwicklungsfähigkeit und eigentlichen Lebenskraft beraubt. Die frühere Anlage von Kapital auf Grund und Boden verlor im Wechsel der Zeit gleichfalls ihren alten Charakter. Und wie nun vollends gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts die allgemeine Ordnung im Übergang zur Neuzeit sich grundsätzlich von all den überlieferten Feudalverhältnissen abgewendet hat und das bisherige System der bäuerlichen Wirtschaft und der ver­schiedenartigen, altüberkommenen Gemeinschaftsverhältnisse bald mehr, bald weniger ausschliesslich durch die Einzelwirtschaft er­setzt worden ist, da gingen die alten sachenrechtlichen Institute ihres Inhaltes verlustig und wurden als überlebte Einrichtungen, ja als gefährliche Erinnerungen an ehemalige Unfreiheit und Ab­hängigkeit beiseite geschafft und von der modernen Rechtsordnung



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in Acht und Bann getan. So musste es dann kommen, dass, wäh­rend das alte eheliche Güterrecht und das überlieferte Erbrecht mit wenig Ausnahmen in die neue Zeit hinübergerettet werden konnten, in fast allen Kantonen die sachenrechtlichen Einrichtungen der früheren Wirtschaftsperiode in grossem Umfange verloren gegangen sind.
Die kantonale Gesetzgebung des neunzehnten Jahrhunderts sah sich dem gegenüber vor die grosse Aufgabe gestellt, das Sachenrecht zu einem guten Teil neu zu ordnen. Und in einem Gebiet hat sie diese Arbeit mit reichem Erfolge durchgeführt, näm­lich in bezug auf die Einrichtungen des Grundpfandrechtes. Hier vermochte man in verhältnismässig grosser Ausdehnung der alten Überlieferung Schätze zu entnehmen, die auch für die Gegenwart noch ihren Wert behalten hatten. Die alten Gülten und Schuld­briefe stellten eine wirtschaftliche Macht dar, der gegenüber eine völlige Umwälzung des Grundpfandrechtes weder ratsam, noch überhaupt möglich war. Nur wenige Kantone haben hierin das alte Recht in der neuzeitlichen Entwicklung gar nicht mehr berück­sichtigt, wie dies etwa von Genf, von Basel, von Wallis, Neuen­burg und Graubünden zu sagen ist. Alle andern verblieben in grösserem oder kleinerem Umfange bei den alten Anschauungen, denen sie eine mehr oder weniger gelungene, den modernen Ver­hältnissen angepasste Gestalt zu geben versuchten.
Schwieriger schon war die Aufgabe mit Hinsicht auf die alt­überlieferten immobiliarrechtlichen Formen. Zwar behielt auch da eine ganze Reihe von Kantonen das alte Fertigungsrecht bei, allein zumeist doch nur dem Namen nach. Die Aufgabe der Be­hörde wurde, auch da, wo man zur Beibehaltung der überlieferten Einrichtungen entschlossen war, nicht mehr mit den gleichen Augen angesehen wie früher. Die Fertigungsformen verblassten je länger desto mehr, und was übrig blieb, verdiente oftmals kaum mehr den Namen des alten Institutes.
Im Gebiete des Eigentums und der dinglichen Rechte an fremden Grundstücken arbeitete sodann die moderne Gesetzgebung unter Ablehnung der alten Einrichtungen vorwiegend mit den ge­meinrechtlichen Begriffen, ohne sich allzusehr daran zu stossen, dass diese Begriffe nicht für die vorliegenden Verhältnisse zur Ausbildung gebracht, sondern unter andern Voraussetzungen ge­schaffen worden waren. Es traten ein Eigentums- und ein Dienstbarkeitsbegriff in der Gesetzgebung auf, die sich zu den alten Überlieferungen, oft ohne dass ihre Verschiedenheit vollständig erkannt wurde, in starken Gegensatz stellten. Das Sachenrecht erhielt dabei vielfach eine fremdartig und vorwiegend abstrakt



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gehaltene Ordnung und verlor den unmittelbaren Zusammenhang mit den Anschauungen des Volkes. Nur wenigen kantonalen Gesetzgebungen ist es gelungen, auf diesem Gebiete in dem Gewande der modernen Gesetzgebung im wesentlichen den alten Geist bei­zubehalten, wie dies vor allem vom Sachenrecht der Glarner Kodi­fikation zu sagen ist. Die meisten Kantone gelangten nur zu einer spärlichen Nachbildung der gemeinrechtlichen oder nach andern fremden Vorbildern formulierten Lehre. Mit einigen Dutzend Ar­tikeln oder Satzungen liessen sie es an der Ordnung der sachen­rechtlichen Institute genug sein, die denn auch in Wirklichkeit ihre lebendige Existenz erst in der Praxis auf Grund der nach wie vor eben doch vorhandenen überlieferten Anschauungen und Bedürfnisse erfahren haben. Mehrere Kantone liessen es bei diesen Umständen überhaupt bleiben, die Kodifikation auf das Sachenrecht auszudehnen. Nidwalden machte mit einem an das alte Recht sich möglichst anschliessenden Entwurf einen Versuch, der über die Arbeit Deschwandens hinaus nicht weitergeführt worden ist. Thurgau verzichtete darauf, das Sachenrecht im allgemeinen gesetz­geberisch zu ordnen. Mit den Kantonen, die überhaupt nicht kodi­fiziert haben, sind es nicht weniger als zehn Kantone oder Halb­kantone, die kein kodifiziertes Sachenrecht erhalten haben. Bei den andern aber ist, infolge des engern Anschlusses an die gemeinrechtliche Doktrin und an die durch die wissenschaftliche Lehre ihrer Zeit bestimmten ausländischen Vorbilder, mehr als auf andern Gebieten eine Gruppierung wahrzunehmen, die diese Nach­ahmung vollständig wiederspiegelt: Gruppe des Code civil français mit Genf, Berner Jura, Waadt, Wallis, Freiburg, Neuenburg und Tessin; Gruppe des österreichischen Gesetzbuches mit Bern, Luzern, Solothurn und Aargau, Gruppe des zürcherischen Gesetz­ buches mit Zürich, Schaffhausen, Graubünden, Zug und Glarus, wobei aber Tessin und Freiburg sich teilweise an das Berner System angelehnt haben, während Aargau in grösserem Umfange die gleichen Wege wie Zürich gegangen ist.
An diesen Stand des kantonalen Sachenrechtes müssen wir uns von vornherein erinnern, wenn wir die Aufgabe klar erfassen wollen, die auf dem Gebiete des Sachenrechtes der Vereinheitlichung des schweizerischen Rechtes zugewiesen sein muss. Ein grosser Teil des Landes soll damit überhaupt erst ein ausführlicheres, kodi­fiziertes Sachenrecht erhalten. In diesen Landesgegenden, wie aber auch in grossem Umfange in andern, steht die Bundesgesetz­gebung alten Gebräuchen, lokalen oder weit verbreiteten Gewohn­heiten gegenüber, die nach ihrem innern Gehalte in erheblichem Umfange ganz gewiss einen berechtigten Anspruch darauf erheben



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dürfen, auch durch den Bundesgesetzgeber anerkannt zu werden. In anderen Beziehungen handelt es sich dagegen um doktrinelle Umschreibungen, die mit veränderter wissenschaftlicher Lehre ihre Grundlage verloren haben und durch neue, dem gegenwärtigen Stande der Doktrin entsprechende Formulierungen ersetzt sein wollen. Wieder in andern Richtungen zeigen sich uns Lücken in der Ausgestaltung der Institute, die bei der mangelhaften Ent­wicklung der Gesetzgebung auf diesem Gebiete unausgefüllt ge­blieben sind und nach Ergänzungen verlangen, bei deren Vornahme man mit voller innerer Berechtigung sich der Einrichtungen von ehedem erinnern darf. Sind diese doch oftmals der modernen Ent­wicklung nur deshalb zum Opfer gefallen, weil sie mit den alten feudalen Verhältnissen in ihrer äussern Gestalt verknüpft gewesen waren, so dass man ohne Not mit diesen auch jene gebrochen hat. Endlich verlangt das moderne Leben nach den seinem ge­steigerten Verkehr entsprechenden Formen. Es darf erwarten, dass, wie seinerzeit im Obligationenrecht, so nun auch auf dem Gebiete der sachenrechtlichen Institute der Rechtsordnung jene Entwicklung nicht länger vorenthalten werde, die anderswo bereits in grösseren Gebieten siegreich zum gesetzgeberischen Abschluss gebracht worden ist.
Überblicken wir die damit gegebenen Richtungen der anzu­strebenden Bundesgesetzgebung, so werden wir nicht fehl gehen, wenn wir ganz allgemein als deren Zielpunkte folgende Momente bezeichnen:
1.   In erster Linie handelt es sich um eine Vervollständigung der sachenrechtlichen Ordnung gegenüber den kantonalen Rechten, wobei vor allem mitzuerwägen sein wird, in welchem Umfange bei dieser Ordnung mit Rücksicht auf das überlieferte Recht in der Bundeskodifikation auch weiterhin den kantonalen Einrichtungen freier Spielraum gewährt werden darf, in welchem Umfange also die Weiterexistenz kantonalen Sachenrechtes sich mit einer richtigen Auflassung der gesetzgeberischen Aufgaben des Bundes verträgt.
2.   Sodann wird es einer genauen Prüfung bedürfen, inwieweit die alten Institute auf dem Boden der Bundesgesetzgebung weiter geführt werden können, mit welchen Mitteln es gelingen möchte, vielleicht gerade das wieder zu beleben, was vielen Ortes durch eine doktrinelle Gesetzgebung seitens der Kantone im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts ohne zureichende Gründe verdrängt oder wenigstens missachtet und nicht weiter gebildet worden ist. Dabei kann es ein schönes und wertvolles Ziel der Bundesgesetzgebung bilden, mit solchen Mitteln die sachenrechtliche Ordnung dem volkstümlichen Rechtsbewusstsein wieder näher zu bringen



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und den nicht erloschenen, tief eingewurzelten Anschauungen einer früheren Zeit in neuer Gestalt Ausdruck zu verschaffen.
3. Endlich aber wird es zu der Aufgabe der Bundesgesetz­gebung gehören, die sachenrechtlichen Institute mit der Genauig­keit auszurüsten und in die sicheren Formen zu kleiden, deren das gesteigerte Verkehrsleben unserer Zeit bedarf.
Nach diesen drei Richtungen ist von manchen Kantonen auch in der modernen Gesetzgebung viel getan worden. Wo dies vor­liegt, darf erwartet werden, dass die sachenrechtliche Kodifikation des Bundes im Vergleich zu solchen kantonalen Ordnungen in keinem Falle einen Rückschritt bedeute. Daneben aber muss man es sich wohl vergegenwärtigen, dass die Ordnung des einheitlichen Rechtes gerade auf dem Gebiete des Sachenrechtes Vorteile dar­bietet, die auch die beste kantonale Gesetzgebung infolge des engen Geltungsgebietes, in dem sie sich bewegt, und des unver­meidlichen Gegensatzes zu den andern kantonalen Rechten dem Verkehr niemals zu verschaffen vermöchte.
Aller näheren Betrachtung der sachenrechtlichen Ordnung des Entwurfes voraus, haben wir die Stellung, die der Entwurf zu diesen drei Fragen eingenommen hat, im folgenden näher darzu­legen.
1. Der Umfang, in dem von den kantonalen Kodifikationen das Sachenrecht zur Darstellung gebracht worden ist, erklärt sich aus der doktrinellen Grundlage oder dem Vorbilde, nach denen sie sich gerichtet haben. So behandeln die romanischen Rechte mit dem Code civil français, dem sie nachgeahmt sind, in dem zweiten Buche unter der Überschrift „Des biens et des différentes modifications de la propriété" die verschiedenen Arten von Sachen, das Eigentum, den Niessbrauch, das Gebrauchsrecht, das Wohn­recht und die Grunddienstbarkeiten, nach den Lehren der zu jener Zeit herrschenden Doktrin, während sie das Pfandrecht in das dritte Buch, „Des différentes manières dont on acquiert la propriété" verweisen. Genf hat durch wiederholte spezialgesetz­geberische Erlasse diese Ordnung ergänzt, Waadt, gleichfalls auf dem Wege der Spezialgesetzgebung, das Grundbuch eingeführt und das Hypothekarrecht umgestaltet. Freiburg und Tessin haben bei ihrer Einteilung wesentliche Elemente des Systems des österrei­chischen Gesetzbuches aufgenommen, ohne jedoch materiell über den Rahmen des Code hinauszugehen. Bern sodann und, seinem Beispiele folgend, Luzern sprechen unter dem Hauptstück „Von den dinglichen Rechten" über den Besitz, das Eigentum, die Dienstbarkeiten und das Pfandrecht, während sie das Fertigungs­wesen, das Wasserrecht u. a. der Spezialgesetzgebung zugewiesen



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haben. Solothurn folgt einer ähnlichen Gruppierung, zieht aber auch die Grund- und Hypothekenbücher in den Rahmen der Kodi­fikation. Aargau dagegen schliesst sich wieder enger an die Dar­stellung des bernischen Rechtes an. Die Ersitzung behandeln Bern, Luzern und Aargau unter den persönlichen Rechten oder im Obligationenrecht, während Solothurn sie zu den einzelnen sachenrechtlichen Instituten verweist. Hier überall blickt ziemlich unverändert die Grundlage durch, die das österreichische bürgerliche Gesetzbuch in der damals herrschenden Dogmatik gefunden hatte. Vollständiger als in allen diesen Gesetzen ist das Sachenrecht im privatrechtlichen Gesetzbuch von Zürich und dann mit getreuer Nachbildung desselben auch in Schaffhausen geordnet. Die Ab­schnitte des sachenrechtlichen Teiles behandeln hier: Die Sachen im allgemeinen, das Eigentum, die Regalien und die aus ihnen hergeleiteten Gerechtigkeiten (Rechte an Gewässern usw.), die Dienstbarkeiten, die Reallasten, das Pfandrecht an Liegenschaften und das Pfandrecht an beweglichen Sachen. Als nahezu ebenso vollständig erweist sich das Privatrecht von Graubünden, sowie auch, mit veränderter Ausdrucksweise, dasjenige von Glarus, während Zug sich der Einteilung des Berner Rechtes genähert hat. Dass die übrigen Kantone das Sachenrecht nur in einzelnen Spezial­gesetzen geordnet haben, ist bereits angeführt worden.
Es konnte nicht zweifelhaft sein, dass der Entwurf sich gegen­über diesen Kodifikationen dem Systeme der grösseren Vollständig­keit anzuschliessen hatte. Nicht nur ergab sich dies aus den Erwägungen, auf die wir schon in der Einleitung der Erläute­rungen, (1) hingewiesen haben, sondern es erschien auch als geboten, weil die Beschränkungen des bisherigen kantonalen Rechtes sich doch nur als die Folge einer für uns nicht mehr bestehenden wissenschaftlichen Einengung auf die Doktrin des Gemeinen Rechtes darstellen, während die Interessen des gesamten Landes eine reichere Ausgestaltung unzweifelhaft verlangen. So ergab sich für uns in dem Titel über das Eigentum eine eingehendere Berück­sichtigung der verschiedenen Bodenverhältnisse in den einzelnen Landesgegenden. Dem Titel über die Dienstbarkeiten wurde eine Darstellung der Grundlasten angefügt und bei den Dienstbarkeiten selber deren Ausgestaltung in den modernen Verhältnissen sorgsam verfolgt und geordnet. Beim Pfandrecht wurde das Grundpfand in seinen einzelnen Funktionen geordnet, und unter dem Fahrnis­pfand erfuhren die verschiedenen, in den kantonalen Rechten zer­streut behandelten oder der ungeregelten Übung überlassenen
(') Bd. I, S. 8 ff.



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Ähnlich verhält es sich mit dem Bergrecht, wenngleich hier freilich nicht dieselbe Vermehrung der Bedeutung des Institutes die Gesetzgebung zur Tätigkeit anspornt, sondern im allgemeinen die Verhältnisse eine Weiterführung des bisherigen Rechtes sehr wohl gestatten würden. Allein wir haben eben in unseren Kantonen ein solches Recht vielfach überhaupt nicht und betrachten schon aus diesem Grunde den Bund als dazu berufen, die gleiche Lücke auch im Gebiete des Bergrechtes auszufüllen, wie betreffend das Wasserrecht. (1)
Kein Grund ist endlich vorhanden, die Ordnung der Formen des Sachenrechtes nicht mit in die sachenrechtliche Kodifikation hineinzuziehen. Wir werden später sehen, aus welchen Gesichts­punkten dabei der Besitz und das Grundbuch in eine nähere Beziehung gebracht werden. Schliesst man den Besitz nicht aus dem Rahmen der Kodifikation aus, — und seit der Gesetzgebung des Code und seiner Nachahmungen ist dies nicht mehr getan worden, — so hat man keine Veranlassung, abgesehen von den ergänzenden Ausführungsvorschriften, nicht auch das Grundbuch nach dem Bei­spiele Solothurns als einen Teil des Sachenrechtes zur Ordnung zu bringen.
Nun ist aber allerdings doch nicht das ganze Sachenrecht im Sinne der Doktrin in den Entwurf aufgenommen worden. So fehlt einmal, entgegen dem Beispiel einer Reihe kantonaler Gesetz­bücher, ein Abschnitt über die Sachen im allgemeinen. Allerdings werden einige Seiten dieser Lehre mit etlichen Vorschriften gestreift oder geradezu festgelegt, wie betreffend den Gegenstand des Grund­eigentums (Art. 658) (2) und des Fahrniseigentums (Art. 706), (3) sowie betreffend die Bestandteile und die Zugehör der Sachen, (Art. 645 bis 648). (4) Die Eigenschaften der Sachen aber, ihre Einteilung nach der an ihnen geübten oder möglichen rechtlichen Herrschaft u. a., sind in dem Entwurfe nirgends geregelt. Mass­gebend war für dieses Vorgehen die Stellung, die der Entwurf zur wissenschaftlichen Lehre überhaupt eingenommen hat. Es ist hierauf, gerade mit Hinsicht auf die Eigenschaften der Sachen, bereits in der Einleitung zu den Erläuterungen hingewiesen worden. (5) Des fernem sind auch weggelassen alle jene sachenrechtlichen Lehren, die, in bestrittener doktrineller Eingliederung, in der modernen Spezialgesetzgebung eine verhältnismässig ausführ­liche Ordnung erfahren haben, gerade deshalb aber, weil im Flusse
(1) Auch das Bergrecht ist, gleich dem Wasserrecht, im Gesetze weg­gelassen. Vgl. immerhin ZGB 655, Ziff. 2 u. 3, 664, 943, Zif. 2 u. 3, Schl.t. 56. (2) ZGB 655. (3) ZGB 713. (4) ZGB 642 bis 645. (5) Bd. I, S. 19 f.



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der Entwicklung begriffen, besser auch fernerhin der Spezialgesetzgebung überwiesen bleiben. So ist dies im Verhältnis zu den Bundes­gesetzen sachenrechtlichen Inhaltes geschehen: betreffend das Post­regal (1894), (1) die Expropriation (1850), die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen (1874), den Transport auf Eisenbahnen (1893), das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst (1883), die Erfindungspatente (1888 und 1893), (2) die gewerblichen Muster und Modelle (1888, revid. 1900), den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken (1890). Man braucht an diese Gesetze nur zu erinnern, um deutlich darzutun, dass sie samt und sonders in Berücksichtigung ihrer in der modernen Entwicklung schwankenden Ausgestaltung jener Gruppe von Nebengesetzen zugewiesen werden müssen, von denen in der Einleitung zu den Erläuterungen die Rede ist.
Weitaus wichtiger, als diese Beschränkung im Inhalt des Sachenrechts ist jedoch die andere, die wir noch anzuführen haben: die Zuweisung einzelner Materien an das kantonale Recht.
Solche Zuweisungen finden sich unter verschiedenen Gesichts­ punkten in den Entwurf aufgenommen. Sie erfolgen in den einen Fällen wegen des Zusammenhanges der betreffenden Materien mit dem öffentlichen Rechte und können dann unter Umständen auch eine Verweisung auf das öffentliche Recht des Bundes in sich schliessen. So ist dies für folgende Bestimmungen zu sagen:
Vorbehalt der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Grund­eigentums (Art. 698), (3) Zuweisung des neu gebildeten Landes an die Kantone (Art. 661), (4) Vorbehalt des Enteignungsrechtes von Bund und Kantonen (Art. 668), (5) Vorbehalt der öffentlich-rechtlichen Vor­schriften zum Schutze von Personen und Eigentum (Art. 679), (6) Verbot der Aufhebung oder Abänderung von Beschränkungen öffent­lich-rechtlichen Charakters (Art. 680), (7) Beschränkungen des kanto­nalen Rechtes betr. die Verfolgung von Tieren (Art. 696), (8) Vor­behalt kantonaler Bestimmungen über die Ableitung von Quellen (Art. 700), (9) Vorbehalt des kantonalen Rechtes betreffend die Geltung der öffentlich-rechtlichen Grundlasten ohne Eintragung in das Grundbuch (Art. 7771, (10) Vorbehalt von Vorschriften der Kan­tone betreffend die Verpfändung von öffentlichem Grund und Boden, von Almenden oder Alpen, die sich im Eigentum von Körperschaften befinden, die dem kantonalen Rechte unterstellt sind (Art. 790, vgl.
(1) Nunmehr BG vom 5. April 1910 betreffend das schweiz. Postwesen. (2) Nunmehr BG v. 21. Juni 1907. (8) ZGB 702 u. 703. (4) ZGB 659. (6) ZGB 666. (6) Vgl. ZGB 679, wo sich dieser Vorbehalt nicht mehr findet. Er ist ersetzt durch ZGB 6. (7) ZGB 680. (8) Vgl. ZGB 700, wo diese Beschrän­kung nicht mehr erwähnt wird. (9) Vgl. ZGB 705. (10) ZGB 784, Abs. 1.



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Art. 109), (1) Vorbehalt des Zwangsenteignungsrechtes der Kantone und des Bundes betreffend die Wirkung der Expropriation auf das Grundpfand (Art. 794), (2) Nichtnotwendigkeit der Eintragung der gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechtes aus öffentlich­rechtlichen oder für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen Verhältnissen (Art. 822), (3) Vorbehalt einer Schätzung der Grund­stücke nach kantonalem Recht bei der Belastung mit Schuld­briefen und Zulassung einer Belastungsgrenze (Art. 827), (4) Ord­nung der Schätzung bei der Errichtung von Gülten nach kanto­nalem Recht (Art. 830), (5) Kontrolle der Ablösung von Serien­titeln (Art. 863), (6) Ordnung der Formen der Fahrnisverschreibung (Art. 886), (7) Ordnung des Versatzpfandes (Art. 890, 896)(8) nach kantonalem Recht, während die Ordnung für die Pfandbriefe den Vorschriften des Bundes unterstellt ist (Art. 902 ff.), (9) Vor­behalt von Bestimmungen betreffend die Aneignung von herren­losen und den allgemeinen Gebrauch öffentlicher Sachen (Art. 917), (10) Regalität von Jagd und Fischerei, von Wasserkräften und Berg­werken, die Ausbeutung von öffentlichen Sachen (Art. 920), Ver­leihung der Wasserrechte (Art. 922, 929, 940, 943 u. a.) und der Bergwerke (Art. 945, 949, 959, 960 u. a.),(11) Vorbehalt kanto­naler Vorschriften betreffend die Eintragung dinglicher Rechte an Grundstücken, die dem kantonalen Rechte unterstellt bleiben (Art. 992),(12) Führung des Wasserrechtskatasters durch die Kantone (Art. 994), (13) Einrichtung der Grundbuchämter (Art, 997). (14) Der Zusammenhang mit dem öffentlichen Recht, sei es dem Behörden­organismus oder den Vorschriften der öffentlichen Ordnung, sind hier überall klar zu erkennen. Hat schon im Obligationenrecht diese Verbindung mit dem öffentlichen Rechte vielfach zu der aus­drücklichen Anerkennung oder dem Vorbehalt des kantonalen Rechtes geführt (vgl. Schweiz. PR III, S. 667 ff.), so ist natürlich im Sachenrecht hierzu noch weit mehr Veranlassung gegeben.
Andern Charakters sind sodann die Vorbehalte des kantonalen Rechtes in einer zweiten Gruppe von Fällen. Die sachenrechtlichen Verhältnisse haben in gar vielen Beziehungen einen rein lokalen
(1) ZGB 796, Abs. I, vgl. 59. (2) ZGB 801, Abs. 2. (3) ZGB 836. (4) ZGB 843. (5) ZGB 848, Abs. 3. (6) ZGB 882, Abs. 2. (7) Vgl. ZGB 885 betreffend Viehverpfändung. (8) ZGB 907 u. 915. (9) Vgl. ZGB 916 bis 918 ff., wo die Entscheidung über die Ausgabe von Pfandbriefen bis auf weiteres den Kan­tonen überlassen ist. (10) Vgl. nun ZGB 664. (11) Der ganze Abschnitt von Art. 920, 922 ff. (Wasserrechte), 944 ff. (Bergwerke), ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden, vgl. S. 10, Anm. 1. (12) ZGB 949, Abs. 2. (13) Die Bestimmung ist der Spezialgesetzgebung zugewiesen. Vgl. S. 10, Anm. 1. (14) ZGB 953.



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Charakter. Sie sind in manchen Dingen aus den Übungen im engen genossenschaftlichen Leben einer Nachbarschaft heraus­ gewachsen. Die Allgemeinheit hat kein oder doch nur ein ver­schwindend kleines Interesse daran, in diesen Fällen eine ein­heitliche Ordnung zu schaffen. Schon die kantonalen Gesetze haben in diesen Verhältnissen häufig auf den Ortsgebrauch, die Ortsübung hingewiesen (vgl. Schweiz. PR I, S. 62). Um so mehr muss der Bundesgesetzgeber dazu gelangen, in solchen Beziehungen das Recht bei dem Bestande und der Entwicklung zu belassen, die seinem Wesen entsprechen. Könnte doch die Bundesgesetzgebung, wenn sie anders verfahren wollte, offenbar in allen diesen Fällen nur höchst mangelhaft und mit Aufwand eines ganz unverhältnis­mässigen Apparates von Ordnungsvorschriften die Verhältnisse in irgend zweckmässiger Weise einer einheitlichen Regel unter­werfen. Aus solchen Gesichtspunkten hat der Entwurf bald das kantonale Recht und bald die Übung und den Ortsgebrauch, in der Meinung, dass damit nicht nur das derzeit geltende Recht gewahrt, sondern auch die Weiterentwicklung auf diesen Grund­lagen gesichert sein solle, namentlich in folgenden Beziehungen vorbehalten:
Vorbehalt der üblichen Auffassung in betreff der Bestimmung der Bestandteile, der Früchte und der Zugehör einer Sache (Art. 645, 646, 647), (1) Umschreibung der nachbarrechtlichen Beschränkung in der Bewirtschaftung eines Grundstückes (Art. 684), (2) Fest­setzung von Abständen unter Nachbarn betreffend Grabungen und Bauten (Art. 685), (3) und betreffend Anpflanzungen (Art. 687), (4) Vorbehalt der kantonalen Wegrechte (Art. 691), (5) Vorbehalt be­treffend den Zutritt zu Wald und Weideland (Art. 695), (6) sowie betreffend den Gebrauch von Brunnen und Quellen zum Wasser­ holen usw. (Art. 703), (7) Bestimmung des Inhaltes der Wegrechte auf Grund von Dienstbarkeit (Art. 733). (8)
Auch hier wird sich der Vorbehalt überall aus der Natur der Verhältnisse leicht erklären. Das Verhältnis zwischen der Übung und dem Ortsgebrauch einerseits und dem kantonalen Rechte ander­seits ist dabei so aufzufassen, dass das kantonale Recht der Übung und dem Ortsgebrauch in vielen Fällen Ausdruck gibt, dass aber, insoweit eine solche Beziehung nicht vorliegt, Übung und Orts­gebrauch, wo auf sie verwiesen ist, unmittelbar als rechtliche Ord­nung anerkannt werden müssen. (9)
(1)  ZGB 642, 643, 644. (2) ZGB 684, Abs. 2. (3) ZGB 686. (4) ZGB 688. (5) ZGB 695. (6) Vgl. ZGB 699, Abs. 1 u. 2. (7) ZGB 709. (8) ZGB 740. (9) Vgl. ZGB 5, Abs. 2.



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2. Wie die systematische Anordnung und die Vollständigkeit der sachenrechtlichen Ordnung, so steht auch die Art der Aus­gestaltung der Institute in den kantonalen Rechten ganz vorherr­schend unter dem Einfluss der Doktrinen, die gerade zurzeit der Aufstellung des Gesetzes vorgeherrscht haben. Freilich war die Macht der Überlieferung und der volkstümlichen Rechtsauffassung doch gelegentlich kräftig genug, um in irgend einer Beziehung die Gewalt der doktrinellen Vorbilder zu brechen und sich, wenn auch im Rahmen und im Gewande der als Grundlage genommenen Dok­trin, bald in geringfügigeren und bald in sehr wichtigen Dingen Anerkennung zu verschaffen. Die Beispiele hierfür sind zahlreich. Es sei nur an die Behandlung des Besitzes erinnert, die doktrinell zwar nach dem Vorbild des römischen Rechtes erfolgt ist, aber doch unter Anfügung von Ausnahmen oder irgend welchen spe­ziellen Ausgestaltungen, die mit dem alt überlieferten mittelalter­lichen Besitzesrecht (der Gewere) übereinstimmen (vgl. z. B. Schweiz. PR IV, S. 712 f.), oder an die Ausdehnung des Begriffes der Grunddienstbarkeit, die uns namentlich in der Gruppe des Berner Gesetzbuches, in einer Beziehung aber auch in dem zürche­rischen Privatrecht und seinen Nachahmungen begegnet (vgl. Schweiz. PR III, S. 340 ff.). Diesen Erscheinungen gegenüber musste es eine Aufgabe der Vereinheitlichung des Sachenrechtes bilden, die überlieferten Einrichtungen von jeder ihrem Wesen nicht ange­messenen doktrinellen Schranke zu befreien. Anstatt auf die gemein­rechtliche Grundlage konnte für diese aus den früheren Zeiten überlieferten Institute auf das in der neuesten Zeit so sehr ver­tiefte Verständnis des einheimischen Rechtes Bezug genommen werden. Freiere Bewegung charakterisiert diese Wandlung, in deren Folge auch die Gesetzgebung den Rechtseinrichtungen, die nicht auf dem Boden des römischen Rechtes gewachsen sind, eine gerechtere Würdigung zuzuwenden vermag, als dies früher der Fall gewesen ist. Den Begriffen kann auf dieser Grundlage die Gestalt verliehen werden, deren sie im modernen Verkehrsleben bedürfen. Es sei hier nur hingewiesen auf das Gesamteigentum (Art. 655 ff.), (1) die Umschreibung des Eigentums an Grundstücken (Art. 669), (2) das Baurecht (Art. 676), (3) und überhaupt die Ord­nung der Bauten auf fremdem Grundstück (Art. 673 ff.), (4) das Quellen- und Brunnenrecht (Art. 699 ff.),(5) den Gegenstand des Fahrniseigentums (Art. 706), (6) die Umschreibung der Grunddienst­barkeit (Art. 723), (7) die Ausdehnung der Gebrauchsrechte
(1) ZGB 6.52 ff. (2) ZGB 667. (3) ZGB 676. (4) ZGB 671 ff. (5) ZGB 704 ff. (6) ZGB 713. (7) ZGB 730.



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(Art. 774). (1) Weiter erwähnen wir die Art der Belastung des Grundstückes durch das Grundpfand (Art. 804 ff.), (2) die gesetz­lichen Pfandrechte (Art. 822 ff.), (3) die Emission von grundpfändlich gesicherten Anleihen (Art. 854 ff.), (4) die Pfandbriefe (Art. 902 ff.), (5) die Wasserrechte (Art. 922 ff.) (6) und dann namentlich die gesamte Besitzeslehre (Art. 961 ff.)(7) und das Grundbuch (Art. 984 ff.). (8) Dass dabei aber doch gegenüber dem geltenden Recht zum Zwecke der Erreichung wünschenswerter Freiheit der Bewegung nicht einseitig an die Anschauungen und Lehren des Deutschen Privatrechtes angeknüpft, sondern auch das Gemeine Recht berücksichtigt worden ist, sobald die Bedürfnisse ein solches Vorgehen zu rechtfertigen schienen, mag die Wieder­einführung der Mobiliarhypothek dartun, die im Entwurf mit einer gewissen Einschränkung (Art. 884 ff.)(9) in Vorschlag ge­bracht wird.
Verwandt mit dieser Ausgestaltung der Rechtsinstitute nach den modernen Bedürfnissen ist dann aber noch ein anderes. Häufig besitzt die geltende Rechtsordnung in irgend einer Beziehung über­haupt nicht das Institut, dessen sie zu einem durchaus lebendigen Zwecke bedürftig wäre. Oder sie hat es besessen und ist seiner verlustig gegangen aus Mangel an Pflege des Einheimischen oder des Verständnisses für die von der herrschenden Wissenschaft oft so einseitig gewürdigten oder grundlos missachteten Gebilde. Da durfte und musste die Vereinheitlichung sich, wie wir bereits hervor­gehoben haben, auf die guten alten Überlieferungen besinnen, es war ihre Pflicht, die noch vorhandenen Trümmer zusammenzulesen und ihnen für die Gegenwart die so wünschenswerte Wieder­herstellung zu verschaffen. Zwar konnte es niemand einfallen, ein Institut, nur weil es früher bestanden hat und heute vielleicht noch da und dort im Absterben begriffen sich vorfindet, also nur um der geschichtlichen Pietät willen in den Entwurf eines künf­tigen Rechtes aufzunehmen. Das moderne kodifizierte Recht ist keine „mittelalterliche Sammlung", es hat der neuen Zeit zu dienen und ihr sich anzupassen. So ist beispielsweise das Zugrecht, das früher allgemein verbreitet war und heute noch in einigen kanto­nalen Rechten angetroffen wird (vgl. Schweiz. PR III, S. 265 ff.), gewiss mit vollem Recht in den Entwurf nicht aufgenommen worden. Es hat sich überlebt und kann höchstens noch in Gestalt eines
(1) ZGB 781. (2) ZGB 813 ff. (3) ZGB 836 ff. (4) ZGB 875 ff., Ausgabe von Anleihenstiteln mit Grnndpfandrecht. (5) ZGB 916 ff., vgl. oben S. 12, Anm. 9. (6) Vgl. oben S. 12, Anm. 11, und Schl.t. 56. (7) ZGB 919 ff. (8) ZGB 942 ff. (9) Die Neuerung ist in das Gesetz nicht aufgenommen, vgl. einzig ZGB 885.



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dinglich wirkenden, auf Vertrag oder vertragähnlichem Verhältnis beruhenden Vorkaufsrechtes in das künftige Recht hinüber kommen. (1) Allein anders steht es mit den Rechtseinrichtungen, die bis heute noch sich ihre volle Lebenskraft bewahrt und ihre Bedeutung für das Verkehrsleben erhalten haben. Diesen galt es, wo sie durch ungerechtfertigte doktrinelle Strömungen um ihre Anerkennung gebracht worden waren oder keine ihrer Bedeutung entsprechende Weiterentwicklung erfahren hatten, wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen. Konnte man doch sicher sein, damit in besonderem Grade für die Volkstümlichkeit der künftigen Rechtsordnung tätig zu sein. Aus diesen Erwägungen hat der Entwurf sich zur Auf­nahme der Grundlast entschlossen, die zurzeit nur noch in drei oder vier Kantonen als ein der Parteiverfügung zu Gebote stehen­des Rechtsinstitut anerkannt ist, die aber doch, wie wir später zeigen werden, gerade in unserer Zeit ganz enorme Dienste zu leisten vermag. Hat sie der Zusammenhang mit den Feudallasten seinerzeit um die Anerkennung gebracht, und ist sie von dem gemeinrechtlichen Doktrinarismus verkannt worden, so wird es Aufgabe einer vorurteilsfreien Gesetzgebung sein, sie wieder in ihr Recht einzusetzen. Das gleiche ist, wenn auch mit anderer geschichtlicher Grundlage und günstigerer Beziehung zum gelten­den Recht von der Gült zu sagen. Die moderne Hypothek führt auf die Anschauungen der mittelalterlichen Bodenbelastung zurück, und es erweist sich die Gült in ihrer modernisierten Gestalt als der unmittelbare Ausdruck für die Selbständigkeit der Boden­belastung im Verkehr mit Grundpfandtiteln.
Endlich durfte nicht übersehen werden, dass gerade in unsern Bodenverhältnissen der Grund zu manch eigenartigen Vorkomm­nissen gegeben ist, die von der Rechtsordnung nicht unbeachtet gelassen werden dürfen. Dahin rechnen wir zum Teil die Vor­schriften über die Quellen und die Wasserrechte, auf die schon in anderem Zusammenhang hingewiesen ist, die Ordnung der Boden­verschiebungen (Art. 661 f.)(2) u. a. m.
Man erkennt aus dieser kurzen Zusammenstellung, wie sehr gerade das Sachenrecht dazu berufen erscheint, einen eigenartigen, dem Lande und seinen Überlieferungen entsprechenden Charakter anzunehmen. Oft war man bishin geneigt, dies abzulehnen und wie in bezug auf das Obligationenrecht auch für das Sachenrecht eine unnationale, allgemeinrechtliche Ausgestaltung für der Natur der Verhältnisse entsprechend zu halten. Mag diese Auffassung
(1) Vgl. ZGB 681 ff., spez. 682. (2) ZGB 659 f.



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allerdings für das Obligationenrecht eine grosse Berechtigung haben — wenngleich auch auf diesem Gebiete, mehr als man gewöhnlich glaubt, die nationale Auffassung beachtet zu werden verdient, es sei nur an den Dienstvertrag und an die Ausdehnung der schützen­ den Formvorschriften erinnert — so ist doch jedenfalls im Sachen­recht ein Kern gegeben, der von jeher national gewesen ist und auch künftighin national zu bleiben verdient. Dies haben auch die kantonalen Gesetzgebungen, wenn nicht überall, so doch in grossem Umfang auf dem Gebiete des Grundpfandes erkannt und gewürdigt. Auf diese nationale Kraft der sachenrechtlichen Ordnung ist es zurückzuführen, wenn die Nachahmungen des franzö­sischen und die Gruppe des Berner Rechtes, gerade so wie im ehelichen Güterrecht und im gesetzlichen Erbrecht, auch im Hypo­thekarrecht sich nicht von ihren Vorbildern haben bestimmen lassen, sondern der Überlieferung treu geblieben sind (Schweiz. PR I, S. 52, 54). Das einheitliche schweizerische Recht kann keine bessere Wahl treffen, als sich in der Ausgestaltung des Sachenrechtes von den gleichen Grundauffassungen leiten zu lassen.
3. Das Sachenrecht hat den dinglichen Rechten jene genaue Abgrenzung und zuverlässige Erkennbarkeit zu verschaffen, die für den Verkehr mit ihnen zur Herstellung der Rechtssicherheit und zugleich der Beweglichkeit, die für die Mehrzahl derselben zum eigentlichen Lebenselement gehören, unerlässlich sind. Weit mehr als auf andern Rechtsgebieten bedarf es hier einer einfach gehal­tenen, klaren, leicht und unverzüglich wahrnehmbaren Ordnung. Die Fälle sind hier häufig, wo, und wäre es auch auf Kosten der Billigkeit, eine sichere Rechtslage oder Ordnung überhaupt für den Verkehr als das wesentliche betrachtet wird, wobei es im übrigen den Beteiligten überlassen werden darf, sich mit der starren Regel nach ihren Verhältnissen abzufinden. Aus diesem Grunde muss es sich auf den sachenrechtlichen Gebieten vor allem um eine mög­lichst klare und knappe Gesetzesredaktion handeln. Umschrei­bungen, wie sie namentlich im Familienrecht nicht zu umgehen waren, wie die allgemeinen Formeln in bezug auf die persönlichen Verhältnisse der Ehegatten und der Eltern und Kinder, oder die Anfechtungsgründe und Scheidungsgründe im Eherecht, finden im Sachenrecht keine Rechtfertigung. Was dort als eigentlich selbst­verständlich gelten muss, das Vorwalten der Betrachtung des ein­zelnen Falles, die Betonung der Würdigung der Umstände, die Hervorhebung der Notwendigkeit, den Verhältnissen eines jeden Tatbestandes für sich gerecht zu werden, das tritt für das Sachen­recht zumeist zurück. Es hätte keinen Sinn, die Anfechtungs- oder
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Scheidungsgründe oder die Rechte und Pflichten unter Ehegatten so zu bestimmen, dass, wenn auch auf Kosten des materiellen Rechtes, ein jeder Fall sofort und leicht entschieden werden könnte. Wer das Familienrecht unter solche Anforderungen stellt, der trägt kommerzielle Gesichtspunkte in ein Gebiet hinein, wo sie nicht hin gehören. Nur in bezug auf die Haftungsverhältnisse und die Dispositionsbefugnisse Dritten gegenüber sind auch für das Familien­recht ähnliche Erwägungen am Platze, wie auf dem Gebiete des Verkehrsrechtes überhaupt. Beim Sachenrecht dagegen waltet dieses fast ausschliesslich vor, es muss eine Ordnung geschaffen werden, die klare Umschreibungen gibt, wo der Richter die Ver­hältnisse nicht erst noch in alle Einzelheiten hinein zu untersuchen und nach seinem Ermessen zu würdigen hat, sondern wo er, wie jeder Beteiligte, möglichst dem Gesetzestexte selber klar zu ent­nehmen vermag, dass mit einer bestimmten Voraussetzung unweiger­lich diese oder jene Rechtsfolge zu verknüpfen ist.
Doch bleibt dabei noch eines zu beachten. Dieses Vorwalten des Bedürfnisses nach klaren, wenn auch auf Kosten des mate­riellen Rechtes gegebenen Umschreibungen ist doch auch auf sachenrechtlichem Boden nur da gerechtfertigt, wo es sich um die Festsetzung dessen handelt, womit der Verkehr operiert. Wenn dagegen eine andere Frage zu entscheiden ist, wenn der Konflikt der Interessen bereits im konkreten Falle vorliegt und sich die Frage bloss so stellt, wie das einmal begangene Unrecht oder wenigstens die einmal eingetretene Verwirrung am richtigsten zur Ausgleichung gebracht werde, da vermag auch im Sachenrecht die Billigkeit in grossem Umfange zu Worte zu kommen. Wie im Obligationenrecht bei der Festsetzung der Schadenersatzbeträge, wenn die Pflicht zur Ersatzleistung einmal gegeben ist, das richter­liche Ermessen mit ganz besonderer Berechtigung angerufen wird, so auch bei gewissen Fällen im Sachenrecht. Aus diesem Gesichts­punkte verstösst es durchaus nicht gegen die für das Sachenrecht postulierte Klarheit und Bestimmtheit der Ordnung, wenn auch hier gelegentlich auf das Ermessen des Richters oder die Billigkeit ver­wiesen wird. Dabei kann es dann nach dem Gegenstande des Sachenrechtes nicht nur die Festsetzung eines Schadensbetrages sein, was derart unbestimmt gelassen ist, sondern auch die Zu­weisung von Eigentum oder die Begründung eines beschränkten dinglichen Rechtes. Es sei diesfalls verwiesen auf Art. 674 betreffend die Ersatzleistungen bei Bauten auf fremdem Grund­stück, (1) Art. 675 betreffend die Folgen des Überbaues,(2) Art. 689
(1) ZGB 672 u. 673. (2) ZGB 674.



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betreffend die Ausgleichung bei der Durchleitungspflicht, (1) Art. 697 betreffend Abwehr von Gefahr und Schaden, (2) Art. 715 betreffend den Finderlohn, (3) Art. 720 betreffend die Folgen der Verbindung und Vermischung, (4) Art. 825 betreffend den Schutz der Bauunter­nehmer und Handwerker, (5) Art. 941 und 953 betreffend die Ent­schädigung bei der Entziehung von Wasserrechten oder von Berg­werken. (6)
In diesen und ähnlichen Fällen wird auch der sachenrecht­lichen Ordnung es nicht vorenthalten werden dürfen, dass sie sich der Billigkeit oder der Würdigung des einzelnen Falles anpassen darf, und wenn dabei auf das richterliche Ermessen verwiesen wird, so hat nicht der Gesetzgeber seine Pflicht, Ordnung zu schaffen, auf den Richter abgeladen, sondern er hat mit bestimmter Festlegung der Fälle, wo der Richter dieses Ermessen besitzen muss, dem materiellen Rechte das Gebiet gewahrt, auf dem die Starrheit formalen Rechtes ein Unsinn wäre. Es mag ja allerdings Fälle von richterlicher Willkür geben, die dann auf dieser Grund­lage nicht von vornherein als unmöglich erscheinen, allein mehr als die richterliche Willkür würden wir in solchen Fragen die Willkür des Gesetzgebers für verderblich erachten.
Die grösste Bestimmtheit in der Festsetzung der dinglichen Rechte vermöchte nun aber doch nicht dasjenige zu leisten, was das Verkehrsleben von der sachenrechtlichen Ordnung in unserer Zeit erwarten darf und muss, wenn sie nicht noch durch ein weiteres Moment ergänzt würde, das in den Formvorschriften uns entgegentritt. Man hat es zeitweise versucht, sich dieser Formen zu entledigen, man hat in Nachbildung des Gemeinen Rechtes bei uns wie anderswo das Wagnis unternommen und die lästigen Formen, wie sie in einer früheren Zeit, allerdings zum Teil unter anderem Gesichtspunkte und mit andern Zielen, geschaffen worden waren, beseitigt. Allein die Versuche sind missglückt, und überall ist man zu jenen Überlegungen zurückgekehrt, nach denen in der formalen Ausgestaltung des Sachenrechtes der wesentlichste Träger einer sicheren Begründung der dinglichen Rechte und eines zuver­lässigen Verkehrs mit solchen erblickt wird. Die Natur der Ver­hältnisse selber verlangt nach dieser Ergänzung des materiellen Rechtes. Die Beziehungen zu den Sachen sind äusserlich in häu­figen Fällen nicht wahrnehmbar, oder die äussere Erscheinung des rechtlichen Verhältnisses zur Sache steht gar oft mit der materiell
(1) ZGB 691 bis 693. (2) ZGB 701. (3) ZGB 722, Abs. 2, wo die Be­grenzung auf ein Zwanzigstel weggefallen ist. (4) ZGB 727. (5) ZGB 839 ff. (6) Diese Bestimmungen sind weggefallen, vgl. oben S. 12, Anm. 11, n. S. 10, Anm. 1.



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gegebenen in Widerspruch und wird daher leicht zu einer Quelle von unabsichtlicher oder gar arglistig gewollter Täuschung. Wer eine Sache in der Hand hält, oder wer sich als Herr eines Grund­stückes gebärdet, der erscheint in dem Verkehr als der Berech­tigte und geniesst demzufolge den ganzen Vorteil, den das Besitz­tum nach seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Seite zu ver­schaffen vermag. Steht aber das wirkliche Verhältnis mit diesem Anschein von Recht in Widerspruch — und es muss dann doch im Rechtsverkehr dem wahren vor dem scheinbaren Verhältnis der Vorzug gegeben werden —, so entsteht daraus eine Unsicherheit, unter der auch derjenige zu leiden hat, der mit dem Schein zu­gleich das wirkliche Bestehen seines Rechtes geltend zu machen vermöchte. Diese gefährliche Unsicherheit soll die Rechtsordnung beseitigen, und sie löst diese Aufgabe, indem sie Formen schafft, die das äussere Verhältnis mit dem inneren für den Verkehr in Einklang setzen, oder die das Rechtsverhältnis für jeden, der in gutem Glauben an ein solches herantritt, äusserlich wahrnehmbar und rechtlich zuverlässig machen.
Dabei besteht aber nach der Natur der Sache ein Unterschied zwischen der Ordnung für die Fahrnis und für die Grundstücke. Im Mobiliarverkehr darf man es unternehmen, einfach die äussere Herrschaft über die Sache, den Besitz, zur sachenrechtlichen Form zu erheben. Wer Besitzer ist, der stellt sich als Herr der Sache dar, und als solcher soll er sich demzufolge auch gegenüber jedem gutgläubigen Dritten gebärden können, ohne dass diesem Dritten das materielle Verhältnis zu seinem Schaden entgegengehalten werden kann. Der Besitz genügt zur Legitimation über die Sache, er ist die Form des dinglichen Rechtes an der Fahrnis. Anders dagegen bei den Grundstücken. Hier vermag der Besitz nicht die gleiche Bedeutung zu erlangen, weil tatsächlich seine Ausübung doch nur immer eine, äusserlich genommen, verhältnismässig unbedeutende Seite der Herrschaft auszumachen vermag. Was will es sagen, auf einem Grundstück zu stehen, in einem Hause zu wohnen, im Vergleich zu der Herrschaft, die der Besitzer über eine bewegliche Sache ausübt, der sie weggeben, wegwerfen, verändern, zerstören kann, indes der Besitzer des Grundstückes nur die Nutzung aus­übt und seine Herrschaft in der Ausschliessung anderer betätigt, oder höchstens etwa noch als tatsächlicher Besitzer die Oberfläche seines Besitztums etwelchen Veränderungen zu unterwerfen vermag. Ganz anders als bei Mobilien muss daher bei Immobilien der Ver­kehr mit dem Umstande rechnen, dass durch den Besitz oder die tatsächliche Nutzung an der Sache das Recht eben doch noch nicht äusserlich oder formell zur Darstellung gebracht sein kann,



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und wenn dann doch das Postulat der äusseren Wahrnehmbarmachung der dinglichen Rechte aufrecht erhalten werden will, so erscheint diese nur dadurch möglich, dass besondere Formen geschaffen werden, in denen die dinglichen Rechte den Sinnen in bezug auf die Grundstücke erkennbar gemacht werden. Die Form ist es alsdann, die das Recht konstituiert. Wer die Form für sich geltend machen kann, der darf von jedem gutgläubigen Dritten als der eigentlich Berechtigte anerkannt werden. Als solche immobiliarrechtliche Form kann man sich irgendwelche öffentliche behördliche Akte, oder Anzeichen auf dem Grundstück selber oder die Eintragung in öffentliche Bücher denken. Immer wird sich mit der Form der doppelte Zweck verbinden : einerseits die Konsti­tuierung des dinglichen Rechtes am Grundstück und anderseits die für jedermann zuverlässig gegebene Wahrnehmbarkeit des dinglichen Rechtes.
Nach diesen beiden Richtungen hat sich in unserem Immo­biliarsachenrecht seit mittelalterlichen Zeiten die Fertigung als Form des dinglichen Rechtes ausgebildet. Was neben ihr an Formen vorhanden ist, trägt ausnahmslos ein neueres Datum. Mit der Fertigung hat demnach auch das zu vereinheitlichende Recht bei der Herstellung der Formen des Immobiliarrechtes in erster Linie sich auseinanderzusetzen, während mit bezug auf die Fahrnis der Besitz in seiner alten Funktion erhalten werden kann und nur dieser Funktion gemäss grundsätzlich auszugestalten ist. Beim Besitz bedarf es hierbei einer Mitwirkung irgend einer Behörde nicht. Nur in den Rechtsverhältnissen, in denen im Gegensatz zu der gewählten Grundlage aus übermächtigen Bedürfnissen des praktischen Lebens ein dingliches Recht auch ohne Besitz an der Fahrnis anerkannt werden will, da wird man es nicht vermeiden können, auch für die Fahrnis eine Instanz zu schaffen, mit deren Hilfe durch ein Publizitätsorgan das einzelne, bestimmte dingliche Recht äusserlich wahrnehmbar gemacht zu werden vermag. Wir begegnen dieser Einrichtung im Entwurf in Gestalt der Fahrnisverschreibung (Art. 886). (1) Bei den Formen des Immobiliarrechtes kann dagegen die amtliche Hilfe zur regelmässigen Formbestellung nicht entbehrt werden, und Frage ist nur, in welchem Umfang diese amtliche Tätigkeit, oder die einfache äussere Form der Ein­tragung in ein öffentliches Buch, zur formal wirkenden Herstellung der dinglichen Rechte erhoben werden könne. Was unter dem Namen Fertigung bei uns überliefert ist, wendet sich bald mehr dem ersteren Momente, der amtlichen Tätigkeit, und bald mehr
(1) In das Gesetz nicht aufgenommen, vgl. S. 15, Anm. 9.



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dem letzteren, dem Bucheintrage zu, so dass mit der Fertigung nicht ein überliefertes Institut von bestimmt abgeklärter Gestalt einfach in das zu vereinheitlichende Recht hinübergenommen werden kann. Vielmehr ist die Funktion der Fertigung als Form genau zu prüfen und dann für den Entwurf dasjenige Formsystem zu wählen, das den modernen Verhältnissen und Bedürfnissen am meisten zu entsprechen vermag.
Die Fertigung verfolgt in den kantonalen Rechten verschiedene Zwecke. Vgl. Schweiz. PR III, S. 45 ff.
In erster Linie soll dafür Sorge getragen werden, dass nur auf Grund eines wirklichen, nach allen Erfordernissen der Rechts­ordnung gültig abgeschlossenen und dem Inhalt nach in guten Treuen beabsichtigten Vertragsgeschäftes die dingliche Wirkung hergestellt werde, dass also die Übertragung oder Belastung des Grundeigentums nur stattfinde auf Grund des unzweifelhaft er­klärten Willens des Eigentümers des betreffenden Grundstückes, und nur wenn der dem Rechtsverhältnis seiner Natur nach inne­wohnende Zweck beabsichtigt ist und nicht eine für dritte Per­sonen schädliche Nebenwirkung in Frage steht. Daraus erklärt sich die Pflicht der Fertigungsbehörde, das Geschäft von Amts wegen auf das Vorhandensein der allgemeinen Erfordernisse und der Realität des Vertragswillens zu prüfen. Doch wird, wer dieses Mittel mit den Zwecken, denen es dienen soll, zusammenhält, bald finden, dass diese Prüfung von Amts wegen leicht einen für die Parteien unnötig vexatorischen Charakter annehmen kann. Durch das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung, das wir aller ding­lichen Verfügung über Immobilien auf Grund eines Rechtsge­schäftes voranstellen möchten, wird, in Verbindung mit der Kon­trolle des Grundbuchverwalters, ohnedies ein Teil dieser Prüfung, der notwendigste und zugleich unverfänglichste, ersetzt, so dass man sich unschwer damit wird abfinden können, wenn der Entwurf eine solche amtliche Prüfung nicht vorgesehen hat. Man darf darauf rechnen, dass diese Anordnungen vollkommen ausreichen. Sie leisten mit dem Grundbuch an Klarheit und Übersichtlichkeit des Geschäftes mehr als die Fertigung in der meistenteils über­lieferten Form, und auch die Fürsorge für die Parteien bleibt in ihrer wichtigsten Beziehung, in dem Zwang, sich Folgen und Tragweite des Geschäftes deutlich genug vorzustellen, um den Akt mit der öffentlichen Urkunde aufsetzen lassen zu können, genügend gewahrt. Nur den simulierten Geschäften vermag diese Anordnung nicht ohne weiteres so beizukommen, wie die manchenortes noch übliche, altvaterische Prüfung durch die Fertigungs­behörde. Allein diesem Mangel kann gegenübergestellt werden,



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dass es Sache des materiellen Rechtes ist, durch hinreichende Vor­aussetzungen, wie betreffend die Ablösung von Belastungen, etwa bedrohte Rechte zu schützen, und wo das mit Festsetzung be­stimmter Formen und Fristen geschieht, vermag auch in dieser Richtung der Vorschlag des Entwurfes eine genügende Sicherheit zu bieten. Überdies sind in den modernen Immobiliarformen ganz allgemein die früher häufigen Kautelen zum Schutz namentlich der Gläubigerrechte gegen Scheingeschäfte, die sie in ihren Ansprüchen verkürzen könnten, wie mit dem Verbot der Abzahlung der Hypo­thek aus fremden Mitteln usw., nahezu vollständig verschwunden und ersetzt durch Vorschriften, die den Beteiligten eine grössere Freiheit und eine gesteigerte Beweglichkeit im Immobiliarverkehr verschaffen.
In zweiter Linie beabsichtigt die Fertigung über die Eigen­tums- und Belastungsverhältnisse eine Kontrolle im öffentlichen Interesse herzustellen, wobei zu sagen ist, dass dieser Zweck dem Privatrecht fern liegt und jedenfalls eben so gut, wenn nicht besser, durch andere Einrichtungen, wie namentlich das Grundbuch, erreicht werden kann, so dass unter diesem Gesichtspunkt die Beibehaltung der überlieferten Fertigungsvorschriften jedenfalls nicht als geboten erscheint.
In dritter Linie dient die Fertigung, namentlich in ihrer neuem Ausbildung, der Publizität wenigstens in dem Sinne, dass alle dinglichen Rechte, speziell die Grundpfänder, zur Entstehung der Fertigung bedürfen, so dass man sich also darauf verlassen kann, dass, was nicht gefertigt ist, auch nicht als dingliches Recht besteht. Darin liegt nun unbestreitbar für alle Dritte ein vorzüglicher Rechtsschutz, indem sie bei der Begründung von Rechtsverhältnissen zu dem Eigentümer unbedingt damit rechnen können, dass nur diejenigen dinglichen Lasten auf dessen Grundstück ruhen, die durch Fertigung publik gemacht worden sind. Der Zweck der Fertigung verdient also in dieser Richtung, namentlich auch bei Berücksichtigung der modernen Verkehrsverhältnisse, wo ein entfernt wohnender Gläubiger in die Lage kommen kann, auf weitabliegende Grundstücke sein Geld zu geben, volle Anerkennung. Es fragt sich nur, genügt die Fertigung diesem Zweck, oder gibt es nicht Einrichtungen, die ihr vorzu­ziehen wären.
Bei der Prüfung dieser Frage sei zunächst ganz davon abge­sehen, dass die Fertigung, auch wo sie besteht, nicht für alle dinglichen Lasten gilt. Denn Sache des materiellen Rechtes ist es, soweit dies um allgemeiner Interessen willen erforderlich erscheint, die dinglichen Rechte der Publizität zu unterwerfen. Immerhin



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zeigt es sich hier dann gerade, dass die Fertigung, wenn sie für alle dinglichen Belastungen verlangt wird, in einer Art funktioniert, die eigentlich ihrem ganzen Wesen zuwider ist, nämlich nicht als ein behördlicher Akt, der die Begründung des Rechts fertig macht, sondern eben nur als eine Publizitätsform. Noch deutlicher tritt uns dies beim Eigentumserwerb aus Erbrecht oder ehelichem Güterrecht entgegen. Die Fertigung besteht hier, wo sie auch für diese Ver­hältnisse verlangt wird, nur in einer Form, der der ganze Fertigungs­apparat keineswegs angepasst ist.
Wichtiger ist ein weiteres Bedenken. Die Fertigung besteht in einem behördlichen Akt, der allerdings öffentlich ist, indem jedermann der Verhandlung, wenigstens im Sinne des ursprüng­lichen Fertigungsrechtes, beiwohnen kann. Allein diese Publizität ist ihrer Natur nach sehr beschränkt und höchst mangelhaft. Wird ein Protokoll über die Fertigungsakte geführt, so kann der Inter­essierte allerdings auch späterhin aus diesem ersehen, welche Ver­hältnisse über ein bestimmtes Grundstück durch Fertigung dingliche Existenz angenommen haben. Aber wie mühsam ist eine solche Nachschau in den chronologisch geführten Protokollen und wie unzuverlässig, selbst wenn sie mit Hilfe eines Beamten, der mit der Sache vertraut ist, vorgenommen wird. Besteht dagegen die Fertigung des Grundpfandes, wie das in einigen kantonalen Rechten der Fall ist, in der Ausstellung eines urkundlichen Titels für den Gläubiger, so ist mit dieser Form zwar für diesen und den spätem Erwerber die Publizität gewahrt, während dritte Personen, wie etwa solche, die nachgehende Pfandrechte auf demselben Grund­stück erwerben wollen, die Urkunde gar nicht zu Gesicht bekommen, sondern auf die Protokolle angewiesen sind, die in diesen Fällen nicht einmal für die Existenz der dinglichen Rechte eine mass­gebende Bedeutung besitzen. Man hat denn auch in den Fertigungs­rechten meistenortes schon lange eingesehen, dass mit den blossen Fertigungsprotokollen oder Urkundenverzeichnissen dem Postulat der Publizität der dinglichen Rechte nicht hinreichend gedient ist. Man hat zu Verbesserungen gegriffen und Hilfsbücher eingeführt, wie Liegenschaftsregister und Personenregister, die aber dann immer wieder den Mangel aufweisen, dass sie die Rechtskraft nicht aus­machen, so dass bei einem Fehler in den Einträgen dieser Register der Interessierte sich nicht auf deren Wortlaut zu berufen vermag. Oder man hat die Protokolle der Fertigungsbehörde mit einer Rechtskraft ausgerüstet, die sonst dem behördlichen Fertigungs­akt zukommt, so dass eigentlich der Protokolleintrag zum ent­scheidenden Fertigungsmoment geworden ist, eine Massregel, die das Unzuverlässigerer Protokolle in einer Richtung beseitigt,



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indem man sich auf sie verlassen kann, in der andern Richtung aber die Umständlichkeit der Nachschlagung usw. ganz und gar weiter bestehen lässt. Oder endlich hat man die Fertigungsakte nicht chronologisch, sondern nach Liegenschaften zu protokollieren begonnen, und damit die Nachschau erleichtert und, wenn auch nicht die Zuverlässigkeit, so doch die Übersichtlichkeit merklich gehoben.
Beim Überblick dieser Modifikationen der Fertigung erkennt man, dass jede dieser Neuerungen in bestimmter Weise der Publi­zität dient, keine für sich aber genügend wirksam ist. Vereinigt man aber sie alle, so entsteht daraus ein Institut, das der Ferti­gung sehr wenig mehr verwandt ist, oder wenigstens zur Fertigung als etwas Neues hinzutritt. Schon die Fertigungsrechte bezeichnen die Protokolle der Fertigungen häufig als „Grundbuch". Einige derselben, wie Solothurn und Schwyz, fügen der Fertigung geradezu das wirkliche Grundbuch an. Erscheint es da nicht als das ein­fachste und empfehlenswerteste, an die Stelle der Fertigung eben das Grundbuch zu setzen ? Nach allen Erfahrungen und nach den Beobachtungen, die man in den Kantonen mit der Entwicklung der Fertigungseinrichtungen gemacht hat, kann es nicht zweifelhaft sein, dass nach der Richtung der Publizität der dinglichen Rechte nur das eigentliche Grundbuch der öffentlichen Ordnung genügend entspricht. Dieses erst bringt eine Darstellung der einzelnen Liegen­schaften, bei der jedes einzelne Grundstück sein eigenes Blatt erhält, auf welches alle dinglichen Rechte in dem Sinne eingetragen sind, dass sie erst durch den Eintrag als dingliche Rechte begründet werden. Die Fertigung neben dem Grundbuch beizubehalten scheint uns die Publizität nicht zu gebieten, und da sie aus den andern in der Fertigung; wie wir gesehen haben, liegenden Zwecken gleichfalls nicht mehr beibehalten zu werden verdient, so gelangen wir zu dem Ergebnis, dass die öffentliche Ordnung, so sehr sie in der überlieferten Fertigung einen verhältnismässig kräftigen Ausdruck gefunden, doch nach den heute für das Sachenrecht massgebenden Erwägungen bei einer Neuordnung mit Recht dem Grundbuch den Vorzug gibt. Die Kantone haben denn auch sozusagen ausnahmslos in ihren Vernehmlassungen auf das Memorial vom 17. November 1893 sich für die Einführung des Grundbuches ausgesprochen, einige (Graubünden, Zürich, Bern) wenigstens beim Grundpfand die Ersetzung der Fertigungsvorschriften durch das Grundbuch als wünschenswert bezeichnet.
Wird hiernach im allgemeinen das Grundbuch dazu berufen sein, in der wesentlichsten Funktion, nämlich in der Publizität, die alte Fertigung zu ersetzen, — während in den andern, mehr neben-



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sächlichen Funktionen auf andere Weise für sie ein genügender Ersatz geschaffen werden kann —, so rechtfertigt sich dessen Einführung noch aus zwei ganz besonderen Erwägungen. Einmal wird dadurch der Zusammenhang der dinglichen Rechte am Grund­stück unter sich in viel klarerer und zuverlässigerer Weise festge­stellt, als dies ohne Grundbuch überhaupt möglich ist. Alle die Rang­verhältnisse unter den verschiedenen Belastungen, die Beziehung des beschränkten dinglichen Rechtes zum Eigentum und das Ver­hältnis zum körperlichen Bestand des Grundstückes selbst erhalten eine Abklärung, die mit der Fertigung unmöglich gegeben werden kann. Im fernem wird das Verhältnis der dinglichen Belastung zur persönlichen Gebundenheit durch das Grundbuch viel treffender dar­gestellt und damit die Grundlage für eine Wirkung geschaffen, die bishin bei der Fertigung nur in höchst mangelhafter Weise mit der Publizität verknüpft werden konnte. Auf der Grundlage des Grund­buches kann nämlich nicht nur die Wirkung hergestellt werden, von der wir schon bishin gesprochen haben, die Bedeutung, dass nur dasjenige dinglich wirksam ist, was gefertigt oder also im Grundbuch eingetragen ist, sondern es vereinigt sich mit der Grundbucheintragung auch die Wirkung, dass was im Grundbuch eingetragen ist, unter Vorbehalt eines Anfechtungsrechtes bei bösem Glauben, oder also im Verhältnis zu gutgläubigen Dritten, unabhängig von der materiellen Unterlage des Geschäftes und dessen Rechtsbeständigkeit, dinglich wirksam ist. Die Fertigung heilt in der Regel die Mängel des materiellen Geschäftes nicht, der Dritte, auch wenn er sich in gutem Glauben befindet, kann sich auf sie nicht unbedingt verlassen. Anders dagegen beim Eintrag in das Grundbuch, das in dieser Beziehung namentlich für Eigentum und Grundpfand einen erfreulichen Fortschritt bedeutet, indem erst durch diesen Schutz des gutgläubigen Erwerbes dem Verkehr mit Grundstücken und mit Grundpfandtiteln jene Sicherheit und Beweg­lichkeit verliehen wird, die wir im Interesse des Immobiliarverkehrs in einer künftigen Gestaltung des Sachenrechtes nur mit schweren Opfern unverwirklicht lassen würden.
Die gemeinrechtliche Formlosigkeit der Errichtung dinglicher Rechte an Grundstücken kann mit den Grundbucheinrichtungen des modernen Rechtes gar nicht verglichen werden. Sie dient einem allzu beschränkten Zweck und ist allzu unsicher, als dass man sich im modernen Verkehrsleben ihrer weiterhin mit Erfolg bedienen könnte. Ebensowenig kann das französische Inskriptions- ­und Transskriptionssystem auf eine Nachahmung rechnen, und zwar unseres Erachtens auch nicht in der Form, die mit wesentlichen Verbesserungen gegenüber dem überlieferten Recht die Vernehm-



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lassung von Waadt in Vorschlag gebracht hat. Ist es doch, im Lichte der modernen Entwicklung betrachtet, kaum etwas anderes als ein praktisch wenig bewährter Versuch, auf der gemeinrecht­lichen Grundlage eine Form aufzubauen, die an Sicherheit der Wirkung die Fertigung niemals erreicht hat und an Klarheit und Übersichtlichkeit von dieser übertreffen worden ist. Diese beiden Systeme, das gemeinrechtliche und das französischrechtliche, müssen vor dem Grundbuch noch weit mehr zurückstehen als die Fertigung, so dass es keiner weitern Ausführungen darüber bedarf, weshalb sie nicht in den Entwurf aufgenommen worden sind.
Das ganze Sachenrecht zerfällt in dem Entwurfe in drei Abteilungen: Das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte, Besitz und Grundbuch. Diese Anordnung empfiehlt sich aus Er­wägungen, die sich zum Teil aus dem schon Gesagten ergeben, gleichwohl aber hier noch einer nähern Ausführung bedürfen.
In der Ordnung des Sachenrechtes lassen sich die Vorschriften über die materiellen Institute und über deren formale Gestalt oder deren äussere Erscheinung unterscheiden. Zu den letztern sind, wie wir bereits entwickelt haben, die Ordnung der Grundbücher und des Besitzes zu rechnen, so dass diese beiden Materien zu einer Ab­teilung in zwei Titeln vereinigt werden können. Die gesamten übrigen Vorschriften bilden demgegenüber eine grosse Abteilung des materiellen Rechtes, die aber nach ihrem Inhalt zwei Haupt­richtungen aufweist, das Eigentum und die an fremden Sachen bestehenden dinglichen Rechte. Es besteht kein Interesse, diese zwei grossen Materien unter einer Bezeichnung zu vereinigen, man darf unbedenklich die beiden Abteilungen des materiellen Rechts der Abteilung über Besitz und Grundbuch zur Seite stellen. Das wichtigere und grundlegende nehmen wir voran, das Eigen­tum, und stellen die Formvorschriften an den Schluss. Die zweite Abteilung trägt die Bezeichnung „Beschränkte dingliche Rechte", die der üblichen Zusammenfassung unter der Bezeichnung „Rechte an fremder Sache" vorgezogen wird, weil nach der modernen Ausgestaltung einzelner hierher gehöriger Institute auch an der eigenen Sache die Last oder Gereclitigkeit bestehen kann. Andere zusammenfassende Bezeichnungen, an die zu denken gewesen wäre, wie Einzelrechte oder Sonderrechte, stossen auf andere Bedenken, indem man sich unter Einzelrecht allzuleicht ein blosses singuläres Recht, wie es z. B. in dem Pfandrecht nicht gefunden werden kann, vorstellen würde, das Sonderrecht aber den Gegensatz zu einem Gemeinschaftsrecht andeutet und somit das Verhältnis zum Eigentum nicht richtig charakterisieren würde. Die beschränkten



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dinglichen Rechte dagegen verweisen auf das ausschlaggebende Moment: den Gegensatz zum vollen Recht im Eigentum. Sie um­fassen alle die Erscheinungen des Sachenrechtes ausserhalb des Eigentums, dingliche Lasten sowohl als dingliche Gerechtigkeiten, die der Eigentümer über die Grenzen seines Eigentums hinaus und zwar nicht als Nachbarrecht, sondern als eigene, in dem Wesen des Eigentums durchaus nicht begründete Berechtigungen haben kann. In der dritten Abteilung haben wir die Bezeichnung: Besitz und Grundbuch derjenigen eines zusammenfassenden Titels, wie Formen des Sachenrechts, weil diesem oder ähnlichem die allgemeine Verständlichkeit abgehen würde, vorgezogen.
Im gesamten Sachenrecht musste es sich sodann fragen, inwie­fern nicht dem so wichtigen Gegensatz zwischen den beweglichen und den unbeweglichen Sachen in der Systematik eine Berück­sichtigung zu teil werden sollte. Nicht ohne Vorgang wäre es gewesen, geradezu durchgreifend zu scheiden, d. h. ein Immobiliar- und ein Mobiliarsachenrecht zu bilden. Es liegt auch vor Augen, dass die innere Verwandtschaft der Immobiliarinstitute, wie sie namentlich durch das Grundbuch zusammengehalten werden, bei einem solchen Verfahren viel deutlicher als sonst zum Ausdruck hätte kommen können. Allein bei näheren Überlegungen und Ver­suchen glaubten wir zu entdecken, dass die Ordnung der Gesetzes­vorschriften bei einer solchen Zweiteilung nichts gewinnen würde. Das Gemeinsame des Immobiliarsachenrechts kommt in dem Ab­schnitt über das Grundbuch am deutlichsten und auch genügend zum Ausdruck. Die materiellen Institute verlangen zum Teil wie die Nutzungsrechte die Scheidung in Immobiliar- und Mobiliarrecht durchaus nicht, andere Institute wie die Grunddienstbarkeiten und Grundlasten beziehen sich ohnedies nur auf Grund und Boden. Sonach schien es uns besser zu sein, auf den Gegensatz der Un­beweglichkeit und Beweglichkeit erst bei den einzelnen Instituten einzutreten und also in dem Abschnitt über das Eigentum neben einer Anzahl gemeinsamer Vorschriften, erster Titel, in zwei weiteren Titeln von dem Grundeigentum und dem Fahrniseigentum zu handeln. Ebenso stellen wir bei den dinglichen Lasten neben die Dienstbarkeiten und die Grundlasten das Grundpfand und das Fahrnispfand, und zwar hier, ohne gemeinsame oder allgemeine Vorschriften vorauszuschicken. Beim Eigentum hielten wir ein anderes Verfahren für angezeigt, um nicht die allgemeinen, so wichtigen Regeln vom Eigentum überhaupt bloss bei der einen Eigentumsart, dem Grundeigentum, entwickeln und das Fahrnis­eigentum dann demgemäss nur als eine Art von Anhang behandeln zu müssen. Denn es würde doch in keiner Weise den in dem mo-



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dernen Verkehrsleben gegebenen Verhältnissen entsprochen haben, das Mobiliareigentum nur als etwas Nebensächliches dem Grund­eigentum als der Hauptsache anzureihen. Gemeinsame Vorschriften dagegen beim Pfandrecht werden deshalb nicht nötig, weil hier das Gemeinsame einer einlässlichen Regelung überhaupt nicht be­darf und leicht bei der einen und andern Pfandart angeführt werden kann. Den Schluss der Abteilung von den beschränkten dinglichen Rechten bilden die Vorschriften über die Rechte an herrenlosen und öffentlichen Sachen. (1)
Nach dieser Ordnung zählt das Sachenrecht neun Titel und umfasst bei fortlaufender Zählung der Titel durch das ganze Zivil­gesetzbuch den Abschnitt vom achtzehnten bis und mit dem sechs­undzwanzigsten Titel. (2) Dabei finden die Titel des materiellen Rechts ihre Ergänzung in den Vorschriften über Besitz und Grund­buch. Allerdings bezieht sich der Besitz vorzugsweise auf das Mobiliareigentum, das Grundbuch auf das Grundeigentum. Ferner enthält die Ordnung des Grundbuches manche administrative Einzel­heit, die sich nur auf die Durchführung der Form und nicht auf das materielle Recht bezieht. Es wäre auch denkbar gewesen, die beiden Materien im Anschluss an das Eigentum zu ordnen und bei den beschränkten dinglichen Rechten hierauf oder auf die Spezialgesetzgebung zu verweisen. Allein die Darstellung des Eigentums scheint uns durchaus nicht darunter zu leiden, dass die besondere Stellung von Besitz und Grundbuch in der angedeuteten Weise durchgeführt worden ist. Man kann sich höchstens fragen, ob nicht vielleicht wenigstens beim Fahrniseigentum eine Ergänzung am Platze wäre durch Einfügung von Bestimmungen über die materiell-rechtliche Wirkung des Besitzes oder die Eigentumswirkungen in der Form des Besitzesschutzes. (3)
Die systematische Anordnung innerhalb der einzelnen Abtei­lungen werden wir bei deren Betrachtung näher zu rechtfertigen haben.
Wir haben in der Einleitung zu unseren Erläuterungen bereits die Gründe angegeben, aus denen das Sachenrecht mit dem Obli­gationenrecht in die zweite Hälfte des Zivilgesetzbuches verwiesen, von der Umschreibung der Sache an sich aber und ihrer Eigen­schaften in einem allgemeinen Teil Umgang genommen worden ist. (4)
(1) Diese Vorschriften sind nicht in das Gesetz aufgenommen worden, vgl. oben S. 12, Anm. 11. (2) Das Sachenrecht des ZGB umfasst die Titel 18 bis 25, indem der 24. Titel des Entwurfes nicht aufgenommen worden ist. Siehe die vorige Anmerkung. (3) Dies ist zum Teil geschehen, vgl. ZGB 714 bis 717 mit VorE 707. (4) Vgl. Bd. I, S. 21 ff.



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Dem Sachenrecht im ganzen aber muss doch ein Begriff der Sache zugrunde liegen, der das gleichmässige Objekt der dinglichen Rechte ausmacht und die verschiedenen Institute zu einem Ganzen zusam­menhält. Es konnte dabei auch nicht zweifelhaft sein, dass nicht der Begriff des Vermögenswertes, des „bien" der französischen Rechtssprache, und ebensowenig der Begriff des Rechtsobjektes, im Gegensatz zum Rechtssubjekt, wie in der Berner Gruppe, in unserem Entwurfe den Begriff der Sache ausmachen könne, sondern die körperliche Sache als ein der rechtlichen Herrschaft unter­werfbarer und abgrenzbarer Naturkörper, wie dies in der moder­nen Doktrin und in der Zürcher Gruppe uns ganz vorherrschend entgegentritt. Vergl. Schweiz. PR III, S. 8 ff. Der Entwurf gibt dieser Auffassung mit aller wünschenswerten Deutlichkeit Ausdruck mit der Bestimmung des Gegenstandes des Grundeigentums und des Fahrniseigentums. Vergl. Art. 658 und 706. (1) Im Fahrnis­eigentum allerdings mit einer Ausdehnung auf die Naturkräfte, die wir bei der Betrachtung der Gegenstände, an denen Fahrniseigen­tum bestehen kann, näher rechtfertigen werden. Allein es war dann doch nicht zu verkennen, dass in mancher Hinsicht der Be­griff der Sache im Interesse der Vereinfachung der Ordnung weiter gefasst werden musste, wenigstens in der Art, dass der Entwurf keinen Anstand nehmen durfte, auch diejenigen Institute dem Sachenrechte einzuverleiben, deren Gegenstand zwar Rechte bilden, die aber in ihrer ganzen Ausgestaltung den eigentlich an den körperlichen Sachen gedachten Beziehungen als dinglichen Rechten nachgebildet sind. So tritt dies uns entgegen in betreff des Gegen­standes der Nutzniessung in Art. 738 (2) betreffend die Nutzniessung an Rechten oder an einem ganzen Vermögen. Ferner in bezug auf das Pfandrecht an Forderungen und andern Rechten, Art. 878 ff., (3) wo dann sogar in Art. 883, (4) in Nachbildung der französischen Sprachweise, geradezu von einem Eigentümer einer Forderung die Rede ist, eine Ausdrucksweise, die wir aber nicht beizubehalten wünschen, wenngleich sie das Verhältnis an sich juristisch deut­lich wiedergibt.
So kann also allerdings gesagt werden, dass das Sachenrecht des Entwurfes mit zwei verschiedenen Sachbegriffen operiere: Sache ist einerseits der körperliche Gegenstand und andrerseits dann doch auch wieder der Vermögenswert, das Recht, die Forderung. Allein das Verhältnis ist eben so zu denken, dass diese Einbezieh­ung der Rechte als eine Ausnahme erscheint, als eine Ausdehnung
(1) ZGB 655 u. 713. (2) ZGB 745. (3) ZGB 899 ff. (4) Das Gesetz kennt diesen Ausdruck nicht, vgl. ZGB 906.



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der sachenrechtlichen Begriffe auf Dinge, denen sie eigentlich nicht zukommen. Im Besitz tritt uns dies in Art. 961, Abs. 2(1), deutlich in der Weise entgegen, dass das weitere als Ausnahme der Regel angefügt wird. Es handelt sich um eine analoge An­wendung der sachenrechtlichen Vorschriften auf Fälle, die eigent­lich nicht sachenrechtlich sind. Die gemeinrechtliche Rechtssprache würde hier von der „utiliter" stattfindenden Ausdehnung in der Anwendung eines Institutes sprechen. Gewiss ist es nicht not­wendig, dass dieses Verhältnis in dem Gesetzestexte selber überall Ausdruck finde oder gar durch eine systematische Anordnung wiedergegeben werde. Die Ordnung bleibt einfacher, ohne im mindesten an Klarheit einzubüssen, wenn wir diese Ausdehnung schlechtweg wie die grundlegende Regel selber behandeln und im übrigen die ganze Unterscheidung auf das Gebiet der Doktrin verweisen.
(1) ZGB 919, Abs. 2.



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Erste Abteilung.
Das Eigentum.
1. Die allgemeinen Grundlagen.
Die Gesetzgebung hat in alter und neuer Zeit dem Eigentum als einer Macht gegenüber gestanden, die mit dem gleichen Recht von der Rechtsordnung anerkannt zu werden verlangt, wie die Persönlichkeit des Menschen. Sobald nur an eine gesellschaftliche Ordnung gedacht wird, so ist auch der Begriff des Eigentums gegeben. Mein und Dein sind die unmittelbaren Äusserungen des Rechtes überhaupt. In der Bestimmung dessen, was ein jeder sein eigen nennen darf, liegt neben der Anerkennung der Persön­lichkeit die bedeutendste Ordnung des gesellschaftlichen Lebens überhaupt, eine Persönlichkeit ohne die Mitgabe der Herrschaft über Vermögenswerte würde sich als einen Gedanken ohne Inhalt darstellen. Erst in den Beziehungen, die zu den Werten des ge­sellschaftlichen Zusammenlebens gegeben sind, erhält die Person im Rechtssinn ihr Wesen. Das Eigentum ist eine der aus dem Be­griff des Rechtes selber abzuleitenden Folgerungen vom Wesen des Rechtes. Nichtsdestoweniger stellt sich die Aufgabe der Gesetz­gebung dem Eigentume gegenüber als schwierig und verantwortungs­voll dar. Bildet das Eigentum auch einen wesentlichen und not­wendigen Faktor des kulturellen Lebens, so ist es doch einer sehr verschiedenen Regelung fähig. Nach drei Seiten verlangt es nach der ordnenden Hand des Gesetzgebers.
Erstens muss es seine begriffliche Feststellung erfahren im Verhältnis zu den andern Herrschaftsbeziehungen, die für das Rechtssubjekt in der Rechtsordnung gegeben sind. Es steht im Gegensatz zu der persönlichen Herrschaft des einen Rechtssubjektes über das andere. Es verlangt nach einer Unterscheidung gegen­über den anderweitigen Beziehungen, die zu den Sachen gegeben sein können.



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Zweitens ruft es einer näheren Ausgestaltung im Verhältnis der in ihm selbst gegebenen Rechte und Pflichten zu denen anderer Eigentümer, einer Abgrenzung, die einerseits der zwingenden, öffentlich-rechtlichen Regel des Zusammenlebens überhaupt ange­hört, anderseits aber der Ordnung zugewiesen werden muss, die, jeder beliebigen Modifikation zugänglich, sich aus dem Zusammen­leben der Menschen und aus der nebeneinander gestellten Existenz verschiedener Eigentumsgebiete von jeher ergeben hat.
Drittens ist anzuerkennen, dass das Eigentum einerseits vor Angriffen in seinem Bestande geschützt, anderseits aber auch als für den Verkehr tauglich eingerichtet werden muss. Schutz des Eigentümers, Verkehrssicherung und Verkehrserleichterungen ver­einigen sich, um das Eigentum in seinem kulturellen Werte zu erhöhen. Selbstzweck ist das Eigentum ebenso wenig als irgend eine andere Institution der Gesellschaft. Es hat dem Zusammen­leben zu dienen und unterliegt der Würdigung, die überhaupt an das Recht herantritt, wenn von dessen innerer Berechtigung für das Dasein der menschlichen Gemeinschaft die Rede ist. Allein diese Würdigung kann nicht die Existenz des Eigentumsbegriffes an sich beschlagen, sondern immer nur dessen Ausgestaltung durch das jeweils geltende oder zu schaffende bürgerliche Recht.
An sich ist der Eigentumsbegriff in seiner logischen Bedeutung für alle Gegenstände des Eigentums notwendig der gleiche. Ob ein beweglicher Gegenstand oder ein Grundstück in Frage stehe, kann für die Existenz des Eigentums keinen Unterschied aus­machen. Allein sobald auf die Abgrenzung gegenüber andern Herrschaftsäusserungen oder auf den Schutz und auf die Ausge­staltung des Eigentums für den Verkehr eingetreten wird, kann von einer Gleichbehandlung des beweglichen und des unbeweglichen Gutes nicht mehr die Rede sein. Die Grundstücke stehen unter sich in einem ganz anderen Zusammenhange, als dies bei beweglichen Sachen wahrgenommen wird. Die Abgrenzung der Herrschaft er­hält bei jenen eine Bedeutung, die nach der Natur der Sache bei den Mobilien gar niemals vorhanden sein kann. Schon die Natur der Gegenstände an sich verlangt mithin nach einer verschiedenen rechtlichen Behandlung der beiden Sachgebiete. Ebenso ist es mit dem Verkehr, der bei den beweglichen Sachen einen ganz anderen Charakter annimmt, als bei den unbeweglichen. Ohne schwere Be­nachteiligung der Interessen auf der einen oder der anderen Seite lassen sich daher nach diesen beiden Richtungen die Grundstücke und die beweglichen Sachen niemals den gleichen Rechtsvorschriften unterstellen. Sonach rechtfertigt sich also für die Ordnung des




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Eigentums eine Dreiteilung. In erster Linie muss anerkannt werden, dass das Eigentum auf einer gemeinsamen Grundlage für alle Eigentumsobjekte beruht, und aus der Gemeinsamkeit des Begriffes ergeben sich auch einige wichtige gemeinsame Äusserungen der Eigentumsherrschaft. Alle diese Vorschriften verweisen wir in einen ersten Abschnitt, unter die allgemeinen Vorschriften über das Eigentum. Dagegen muss alsdann alles weitere für die Grund­stücke und die beweglichen Sachen getrennt zur Ordnung ge­langen. Der zweite und dritte Abschnitt handeln daher von dem Grnndeigentum und dem Fahrniseigentum in getrennter Darstel­lung. Doch verfolgt die Ordnung des Eigentums auch bei dieser Anordnung selbstverständlich in den beiden letzteren Abschnitten die gleichen Grundgedanken und hat sich nur den verschiedenen Verhältnissen für Mobilien und Immobilien äusserlich anzupassen. Es wird sich daher empfehlen, zunächst diesen Grundlagen noch einige zusammenfassende Betrachtungen zuzuwenden.
1. Eine Sache sein eigen nennen, heisst in der Rechtsord­nung, über sie von Rechts wegen nach Belieben verfügen können, insoweit dadurch nicht in die Rechte anderer oder die öffentliche Ordnung eingegriffen wird. Eine vollkommene oder unbeschränkte Herrschaft über die Sache ist nicht gegeben, wenigstens nicht tatsächlich im Rahmen der gesamten Rechtslage, sondern nur begrifflich, dem Gedanken nach, als eine Herrschaft, die von der Rechtsordnung anerkannt wird, soweit sich nicht besondere Aus­nahmen aus anderen rechtlichen Beziehungen oder Gesichtspunkten ergeben. Kein anderes Recht an der Sache bildet diesen begriff­lich abgerundeten Herrschaftskreis, alle andern, auch wenn sie ohne besondere Verpflichtung allen gegenüber Geltung haben und mithin dinglichen Charakter besitzen, stellen nur ein bestimmtes, durch ihren Begriff gegebenes Stück der Herrschaft dar. Der Begriff des Eigentums allein geht auf die volle Verfügungsbefugnis. Dies gilt für bewegliche und unbewegliche Sachen, wogegen aller­dings die möglichen Beschränkungen für die beiden Gebiete sehr verschieden gestaltet sind.
Die Verfügungsbefugnis des Eigentümers schliesst verschiedene Möglichkeiten in sich. Sie gibt das Recht, die Sache zu besitzen, die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben, diese also auch von jedem Unberechtigten herauszuverlangen. Sie verleiht das Recht, die Sache zu gebrauchen und zu verbrauchen, so lange damit nicht in fremde Rechte eingegriffen wird. Dass aber dabei nicht nur die Rechtssphäre der Anderen gewahrt, sondern auch der befugte Gebrauch sich in den Schranken der durch die gute Treue gebotenen Schonung der Interessen der Andern halten soll,



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entspringt einer alt überlieferten Auffassung, die auf eine all­gemeine Anerkennung durch das einheitliche Recht rechnen darf. Man sprach diesfalls früher, mit Bezug auf eine bestimmte Schranke dieses Charakters, von dem Verbot des Neidbaues, man bezeich­nete diesen als unzulässig. Der Entwurf untersagt allgemein den Gebrauch des Eigentums, der offenbar einzig zu dem Zwecke er­folgt, Andern Schaden zuzufügen. Allerdings wird man dieser Be­stimmung (Art. 644, Abs. 2) (1) die Regel entgegenhalten, dass wer nur sein Recht ausübt, einen Andern überhaupt nicht schädigen könne, was vom Eigentümer, der nur von seinem Eigentum einen ihm gerade beliebigen Gebrauch mache, ganz besonders gelte. Allein das Eigentum darf trotz der begrifflich vollkommenen Herr­schaft, die es verschafft, doch nicht als losgelöst von der gesamten Rechtsordnung aufgefasst werden. Es steht nicht über der Rechts­ordnung, sondern in derselben. Es darf also auch durch die Er­wägung eingeschränkt werden, dass eben die Rechtsinstitute nicht dazu da sind, einander zu schädigen, sondern einem jeden sein Recht zuzusichern, und ein Recht in einem der Rechtsordnung feindlichen Interesse gibt es überhaupt nicht, ein solches anzuerkennen, würde das Recht in das Gegenteil von dem verwandeln, was es sein will, eine Sicherung und ein Schutz für die einer solchen Sorge und Pflege für würdig erachteten Güter. Auch daran darf man kein Bedenken nehmen, dass der Eigentümer es sich unter Umstän­den bei der erwähnten Vorschrift des Entwurfes gefallen lassen muss, dass eine Untersuchung darüber vorgenommen werde, ob er von seinem Rechte den erlaubten Gebrauch gemacht habe oder nicht. Denn den Schutz seines Rechtes kann doch jedermann nur dann verlangen, wenn er damit etwas rechtlich Erlaubtes bean­sprucht, die Gewährung der Möglichkeit aber, den Richter auch da anzurufen, wo das durch die Rechtsordnung gewollte Moment, das rechtliche Interesse, gar nicht vorhanden ist, das geht über den Schutz eines jeden Rechtes und also auch des Eigentums hinaus. Die Herrschaft des Eigentümers bezieht sich in der ange­gebenen Umgrenzung auf die ganze Sache. Allein was bildet diese Sache, was gehört zu ihr, woraus besteht sie? Für die Regel sind diese Fragen von keinem besonderen praktischen Belang. Allein es gibt Fälle, wo dem nicht so ist, und für diese muss eine Abgrenzung gegeben werden, die begrifflich für mobile und immobile Eigentumsobjekte auf die gleiche Weise bestimmt werden kann. Bestandteil und Zugehör sind in dieser Verbindung
(1) Die Bestimmung findet sich im Gesetz in der allgemeinen Vorschrift des Art. 2, Abs. 2. Siehe Erläuterungen Bd. I, S. 11, Anm. 2.



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zu nennen. Der Bestandteil gehört zum Bestande der Sache sel­ber, die Zugehör schliesst sich ihr nur an für den wirtschaftlichen Gebrauch. Die Früchte aber erscheinen zwar, äusserlich betrachtet, als Bestandteile der Sache, haben aber doch eine eigene Stellung vermöge ihrer Bedeutung, nicht Bestandteil zu bleiben, sondern einem besonderen rechtlichen Schicksal zu folgen. Die Abgrenzung der Rechte Anderer bereitet für die Früchte weniger begriffliche als gelegentlich praktische Schwierigkeiten, die bei der Bestim­mung des Umfanges des Eigentumsobjektes nach einer näheren rechtlichen Ordnung verlangen.
Innerhalb des Eigentumsbegriffes bietet sich nun aber noch eine Frage von besonderer Schwierigkeit dar. Das Eigentum ist begrifflich das gleiche, ob eine physische oder eine juristische Person der Eigentümer sei. Es ist auch begrifflich das gleiche, wie in diesen Fällen, wenn es mehreren Personen zugleich zu­steht. Und doch wird in dem letzteren Falle ein Element in das Verhältnis hineingetragen, das auf das dingliche Verhältnis zur Sache Einfluss besitzt und in irgend einer Weise rechtlich geord­net werden muss. An sich wird freilich das gemeinsame Eigentum mehrerer auf einer Grundlage beruhen, die ihre Existenz ausser­halb des dinglichen Eigentumsverhältnisses besitzt, in der Gesell­schaft, die unter den Beteiligten besteht, in der Gemeinderschaft, in der ehelichen Gemeinschaft oder in einer zufälligen Verbindung. Allein das Eigentumsverhältnis ist in diesen Fällen doch an sich und losgelöst von der jeweils gegebenen Voraussetzung der beson­deren Ordnung bedürftig. Jenes anderweitige, vorausgesetzte Ver­hältnis bildet nur die Basis, auf der das Eigentumsverhältnis in diesen Fällen seine besondere Gestalt annimmt. Kann nun, so steht die Frage, eine Lösung des Problems, d. h. eine Ordnung des gemeinschaftlichen Eigentums gefunden werden, die den verschieden­artigen Verhältnissen, die hier in Betracht fallen, mit einer ein­zigen Formel entspricht und gerecht wird, oder bedarf es einer reicheren Ausgestaltung dieser Beziehung mehrerer als Eigentümer derselben Sache? Das römische Recht und, ihm nachgebildet, auch eine grössere Zahl moderner Gesetzbücher haben darauf in dem erstem Sinne geantwortet. Allein die Verfechter dieser Ordnung sind hierzu durch eine Auffassung bestimmt worden, die den gegebenen Tatbeständen nicht gerecht wird. Tatsächlich wird denn auch bei aller Annahme eines einheitlichen Begriffes von gemeinschaftlichem Eigentum mit der näheren Ausgestaltung des Institutes doch auf die verschiedenen Fälle Rücksicht genommen, indem für die prak­tische Anwendung der Begriff des Miteigentums im Erben -oder



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im Gesellschaftsverhältnis ganz besondere Modifikationen erfährt. Wir dürfen uns also diesen Vorgängen und Vorgängern nicht ohne weiteres anschliessen. Findet sich bei einer selbständigen Prü­fung des Problems eine bessere Lösung, so darf sie unbedenklich angenommen werden, auch wenn sie die Autorität des geltenden Rechtes nicht überall für sich hat und von der Doktrin des Ge­meinen Rechtes nicht anerkannt ist. Zur Prüfung der Frage aber nehmen wir als Ausgangspunkt die Überlegung, auf die wir bereits hingewiesen haben: die Tatsache, dass das gemeinschaftliche Eigen­tum mehrerer stets in irgendeinem persönlichen Verhältnis seine Grundlage haben muss, sei dieses Verhältnis nun durch Vertrag oder durch Gesetzesvorschrift geschaffen, sei es am Ende auch nur zufällig zustande gekommen und also ohne jeden besonderen Plan der Beteiligten oder der objektiven Rechtsordnung ins Leben getreten. Diese Grundlage lässt sich nun in verschiedener Weise denken. Sie kann für das Eigentumsverhältnis gegenüber der einzelnen in Betracht gezogenen Sache ziemlich irrelevant sein, oder umgekehrt, sie vermag unter Umständen das Eigentum in engste Beziehung zum Gesamtverhältnis zu setzen, so dass eine Loslösung desselben von der Grundlage nicht in dem Masse als möglich erscheint, wie in dem ersten Falle. Betrachten wir diese beiden Möglichkeiten etwas näher.
Kommt es gar nicht darauf an, in welchem persönlichen Ver­hältnis die Beteiligten zueinander stehen, so lässt sich ihr gemein­schaftliches Eigentum vollständig von den andern Beziehungen ihrer Gemeinschaft abgetrennt denken. Jeder von ihnen hat das gleiche Recht an der Sache. Jeder kann im Umfang seines Rechtes die Eigentümerrechte betätigen. Das Recht eines jeden besteht allerdings unter der Einschränkung durch die Rechte der andern oder in dem Rahmen, in dem diese es zulassen. Alle aber haben doch dasselbe Recht. Also sind sie wechselweise unter sich in diesem Umfange auch berechtigt, und es geht ihr Recht, zur Abgrenzung von den Rechten der übrigen, auf eine ideelle Quote der Sache. Diese Quote können sie veräussern, verpfänden, vererben usw. Es kommt ja nicht auf das zugrunde liegende Verhältnis an, also ist es auch gleichgültig, ob gerade diese Person oder eine andere in der Ge­meinsamkeit stehe. Ebensowenig sind sie unter sich an diese Gemeinschaft des Eigentums gebunden. Sie können ohne jedes Be­denken als berechtigt erachtet werden, jederzeit die Auflösung der Gemeinschaft zu verlangen. Nur das zugrunde liegende Ver­hältnis vermöchte hierin etwas zu ändern. Ist dieses in allen den Beziehungen ohne Einfluss, so besteht die Quotenteilung und das Recht zur willkürlichen Liquidation ohne weiteres als selbstver-



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ständlich. Zwar nicht, wie etwa gesagt wird, aus dem Begriffe des gemeinsamen Eigentums an sich, wohl aber daraus, dass dieser Begriff vermöge der indifferenten Grundlage der Beteiligung der Mehreren eine ganz neutrale Gestalt anzunehmen vermag, die es gestattet, das Recht des einzelnen auf eine ideelle Quote zu fixieren und die Möglichkeit einer freien Verfügung über diese, wie auch einer beliebigen Auflösung ohne weiteres zuzugestehen. Wir haben also das gemeinrechtliche Miteigentum vor uns.
Ganz anders wird nun aber das Verhältnis, wenn die mehreren Beteiligten in einem persönlichen Verhältnis stehen, das für ihre vermögensrechtliche Stellung im allgemeinen wie in betreff der Beziehung zum einzelnen Eigentumsgegenstand von massgebender Bedeutung ist. Hier darf das einzelne Eigentumsverhältnis nicht vom Gesamtverhältnis abgelöst werden. Die Mehreren haben zwar die Sache in ihrem Eigentum, aber nicht so, dass sie ihr Recht von dem zugrunde liegenden persönlichen Verhältnis ablösen könnten. Es ist nicht gleichgültig, wie sie über ihr Recht verfügen, es ist nicht nebensächlich, welche Personen an dem Eigentum betei­ligt erscheinen. Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass die Meh­reren unter sich in einem Komplex von Rechten und Pflichten stehen, die wechselseitig fest zusammenhangen und die Loslösung des einzelnen Eigentumsverhältnisses nicht zulassen. Also in allen diesen Beziehungen das Gegenteil von dem, was wir beim gemein­rechtlichen Miteigentum angetroffen haben. Daraus ergeben sich aber für die Ausgestaltung dieses zweiten Falles die wichtigsten Konsequenzen.
Zunächst einmal ist daraus abzuleiten, dass die Verfügung über den Eigentumsgegenstand nicht dem Einzelnen zusteht, auch nicht mit Hinsicht auf eine Quote, sondern dass sie nur gemein­schaftlich oder durch einen gemeinschaftlichen Vertreter über die Sache verfügen können. Es besteht unter ihnen, wie die deutsch­rechtliche Wissenschaft es benennt, das Verhältnis der Gesamten Hand. Sodann können sie nicht eine andere Person eintreten lassen an ihre Stelle, sondern das Verhältnis bildet eine Gesamt­heit, so lange die persönliche Grundlage gegeben ist, ohne die Möglichkeit, einseitig eine Veränderung daran vorzunehmen. Weiter kann auch von den Dritten, die Ansprüche an einen einzelnen Be­teiligten haben, eine Quote des einzelnen Eigentumsgegenstandes nicht beansprucht werden. Sie haben nur ein Recht auf die Liqui­dation des ganzen Verhältnisses oder auf den Anteil, der bei der Liquidation des gesamten Verhältnisses dem Angesprochenen zugewiesen wird. Die Beteiligten bilden also eine Gemeinschaft, die auch gegen aussen respektiert werden muss und der gegen-



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über ein Dritter gerade nur soviel Recht haben kann, wie es eben nach dem massgebenden persönlichen Verhältnis mit Bezug auf das Ganze oder auf jeden einzelnen persönlich Beteiligten als möglich erscheint. Keine Ablösung, auch nicht eine quotenmässige, des Einzelverhältnisses von der gesamten Sachlage erscheint als gerechtfertigt. Der Verkehr hat solchen Gebilden gegenüber nur das Recht, das sich aus der Gesamtheit der Gemeinschaft im Ganzen ergibt.
Dieses Verhältnis muss nun in dem gemeinschaftlichen Eigentume an einer Sache zu einem entsprechenden Ausdrucke gelangen. Es gestaltet sich daraus ein gemeinschaftliches Eigentum ohne ideelle Teilrechte, ein Eigentum mehrerer auf das Ganze nicht unter Beschränkung auf eine Quote, sondern unter Berücksichtigung des grundlegenden persönlichen Verhältnisses. Zwar hat man schon dagegen eingewendet, dass eine solche Beteiligung mehrerer logisch gar nicht möglich sei, da der Eigentumsbegriff die Beteiligung mehrerer an dem gleichen Gegenstande ohne jede Quotenteilung ausschliesse. Allein genau besehen kann man den gleichen Ein­wand auch der Quotenbeteiligung gegenüber erheben. Die Sache lässt sich ja auch nicht ideell geteilt denken, es ist diese Auf­fassung ja auch nur eine Ausdrucksweise, mit der die Beteiligung mehrerer ohne Gebundenheit durch ein persönliches Verhältnis aus­gedrückt werden will. Quote heisst ja auch hier nur die Grund­lage, auf die die Freiheit der Bewegung in der Gemeinschaft ab­gestellt werden will. Man denke nur an die Eigentümlichkeiten, die diese Quotenteilung bei der Grundpfandbestellung nach sich zieht. Es ist ja in Wirklichkeit gar nicht ein Teil des Grundstückes, der verpfändet wird, sondern eine Wertquote, die eine Liquidation voraussetzt, die mangels eines kräftigeren persönlichen Verhält­nisses von den Mitbeteiligten nicht verhindert werden kann, aber durchaus nicht einer begrifflichen Eigentümlichkeit des gemein­schaftlichen Eigentums entspringt.
Aus diesem Grunde geht es auch nicht an, das gemeinrecht­liche Miteigentum als das dinglich oder sachenrechtlich Gegebene hinzustellen und die andere Art des gemeinschaftlichen Eigentums nur als eine persönlich wirkende Gebundenheit, die dem dinglichen Verhältnis angefügt werde, anzuerkennen Man würde mit dieser Auffassung nicht auskommen, man würde die zu ordnenden Tat­bestände in eine Fessel schlagen, die schwer zu tragen wäre. Wenn die beiden Ehegatten in der Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Eigentum haben, so hat nicht ein jeder seine ideelle Quote, an deren Verwertung er bloss durch das familienrechtliche Verhältnis persönlich verhindert wird. Wäre dem so, dann würde sich aus



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einem Zuwiderhandeln nur eine persönliche Verantwortlichkeit ab­leiten lassen, während dinglich gegen die Möglichkeit der Ver­fügung nichts einzuwenden wäre. Gerade dies aber entspricht nicht der Meinung des Verhältnisses. Das Eigentum der Mehreren soll eben seine dingliche Gestalt aus dem Grundverhältnis empfangen, und dies führt zu der Anerkennung des Eigentums ohne Quoten­teilung, das für alle auf das Ganze geht und keinem gestattet, in irgend einer Frage als Eigentümer zu handeln, ohne die Mitwirkung der Beteiligten.
So gelangt man denn zu der Aufstellung von zwei Arten des gemeinschaftlichen Eigentumes: Dem Miteigentum im überlieferten gemeinrechtlichen Sinne, und dem Gesamteigentum nach der Lehre und Überlieferung des deutschen Rechtes (copropriété und propriété commune). Das Miteigentum lehnt die Notwendigkeit einer Beteiligung der Miteigentümer bei den Verfügungen über den Ge­genstand ab, gestattet Quotenverfügung und gewährt ein Recht auf Liquidation. Das. Gesamteigentum umgekehrt kennt nur die Verfügung der Gesamthand und verweigert die Quotenverfügung wie das Recht auf Teilung. Für das Miteigentum bleibt in der Gemeinschaft eigentlich, neben der Ablehnung der weiteren Ge­bundenheit, nur zweierlei zu ordnen: Die Beteiligung an der Ver­waltung und die Durchführung der Teilung auf Begehren des Einzelnen. Beim Gesamteigentum dagegen tritt neben die Regel der Verfügung der Gesamthand und die Gebundenheit in dem Ver­hältnis die Wirkung der Gemeinschaft, auf Grund derer die Begründung des Gesamteigentumes überhaupt stattgefunden hat. Sachen­rechtlichen Charakters sind aber hierbei nur die Wirkungen auf das Eigentumsverhältnis. Alles andere, wie Vertretung, Verant­wortlichkeit usw. bestimmen sich nach dem Grundverhältnis. Das gewöhnliche Miteigentum kann beliebig geschaffen werden, es hat gar keine besonderen Voraussetzungen. Das Gesamteigentum dagegen bedarf des besonderen Gemeinschaftsverhältnisses, aus dem es seine Entstehung erfährt. Solche Gesamteigentumsver­hältnisse kennt der Entwurf nach mehreren Richtungen, bei der ehelichen Gütergemeinschaft (Art. 245), (1) bei der Gemeinderschaft (Art. 368), (2) bei der Erbengemeinschaft (Art. 615), (3) und es wäre zu empfehlen, auch für die Gesellschaft des Obligationenrechtes die Gesamthand aufzustellen. (4)
Über die Abgrenzung des Eigentumsbegriffes zum beschränkten dinglichen Rechte haben wir dem oben Ausgeführten nur weniges
(1) ZGB 215. (2) ZGB 339 ff. (3) ZGB 602. (4) Vgl. nunmehr OR 544, spez. Abs. 2.



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beizufügen. Sie ergibt sich für alle dinglichen Rechte, die nicht die volle Herrschaft verleihen, aus dem Gegensatze zum Eigentum von selbst. Nur drei Punkte sind noch einer näheren Betrachtung bedürftig.
Einmal muss es sich fragen, wie die gesetzlichen Beschrän­kungen des Eigentums aufzufassen seien. Sind es gesetzliche be­schränkte dingliche Rechte, oder handelt es sich bei ihnen um eine Beschränkung des Eigentums selber? Der Entwurf hat mit der modernen Doktrin, aber im Gegensatze zum französischen Rechte (vgl. Schweiz. PR III, S. 345 f.), der letzteren Auffassung den Vorzug gegeben (Art. 684 ff.). (1) Man kann es kaum verkennen, dass bei diesen Verhältnissen eine Äusserung des Eigentums selber in Frage steht. Es wird bestimmt, wie weit dessen Inhalt recht­lich reiche. Die gegenteilige Auffassung setzt einen absoluten In­halt des Eigentumes voraus, als wäre ein solcher von Natur gegeben. Aber richtigerweise kann es ja doch nur die Eigentumsordnung selber sein, die bestimmt, was ein Eigentümer mit seinem Eigentum im Verhältnis zu andern Eigentümern tun darf. Stellt sie gegen­ über einer rein äusserlichen Umschreibung nach den Grenzlinien des Eigentums in gewisser Hinsicht Wirkungen auf, die über diese äussere Grenze mit Recht oder Pflicht hinausgreifen, so hat sie damit nicht dem Eigentum ein gesetzliches beschränktes ding­liches Recht entgegengestellt, sondern das Eigentum selbst um­schrieben, freilich nicht rein äusserlich nach der Grenzlinie, wohl aber innerlich nach seiner Kraft und Bedeutung. Es ist denn auch, wo man von Legalservituten spricht, gar nicht davon die Rede, diese als gesetzliche dingliche Rechte den wirklichen Dienstbar­keiten gleichzustellen, weder in bezug auf die materiellen Vor­schriften noch mit Hinsicht auf das Grundbuch. Anders natürlich in den Fällen, wo die Beschränkung von Gesetzes wegen keine allgemeine ist, sondern gewisse Voraussetzungen aufgestellt sind, unter denen das Recht beansprucht werden kann, wie z. B. bei gesetzlichen Niessbrauchsrechten. Da wird die Anerkennung einer gesetzlichen Dienstbarkeit nicht umgangen werden können. Allein gerade die Vergleichung dieses Falles mit den allgemeinen gesetz­lichen Umschreibungen zeigt, wie richtig es ist, in diesen letztern Tatbeständen eine Abgrenzung des Eigentums selber und nicht eine gesetzliche Dienstbarkeit zu erblicken.
Sodann kann es sich bei einzelnen Instituten fragen, ob sie als beschränkte dingliche Rechte aufzufassen seien, oder als per­sönliche Verhältnisse. Man denke an den Vor- und Rückkauf, an
(1) ZGB 684 ff.



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die Eintragung von Pacht und Miete an Immobilien in öffentliche Bücher. Der Entwurf stellt die ersteren unter die Eigentums­beschränkungen auf Grund persönlicher Gebundenheit, die nicht als ein beschränktes dingliches Recht anerkannt werden sollen, sondern persönliche Verhältnisse bleiben, dagegen mit Vormerkung im Grundbuch dingliche Wirkung, d. h. Geltung gegenüber jeder­mann erhalten können. Vgl. Art. 681 bis 683, 1002. (1) Ebenso wird es auch in bezug auf Pacht und Miete zu halten sein, wenn man nicht ein besonderes dingliches Nutzungsrecht entsprechend der alten Leihe oder Emphyteuse, neben der persönlichen Pacht anerkennen will. Vgl. Art. 281, Abs. 3, des OR und Art. 1002 (2) des Entwurfes.
Endlich muss die Frage beantwortet werden, wie es sich mit den beschränkten dinglichen Rechten verhalte, die eine dauernde Nutzung an einem Eigentumsobjekt gestatten, während sie doch selber nicht Eigentum sind. Zweierlei Eigentum an ein und dem­selben Gegenstand, wie es früher in den verschiedenen Rechts­kreisen gegeben war (Eigentum nach Landrecht für den einen und nach Hofrecht für den andern am gleichen Grundstück, domi­nium directum und dominium utile, Ober- und Untereigentum), kann für das allgemeine bürgerliche Recht nicht mehr in Frage kommen. Dagegen erscheint es sehr wohl als möglich, dass eine gewisse Nutzung an einem Grundstück, die nicht dessen ganzen Nutzen darstellt und neben sich eine Ausübung des gewöhnlichen Eigentums sehr wohl gestattet, zu solcher Intensität gesteigert wird, dass ihr eine eigentumsgleiche Behandlung nicht versagt werden kann. An Dauer, an Wert, an Bedeutung für die Bewirt­schaftung steht sie dem Eigentume parallel, mithin darf sie auch die Rechtsordnung ohne jeden Schaden für den Rechtsverkehr dem Eigentum gleichstellen. So geschieht dies denn auch im Entwurfe (Art. 658), (3) indem die mit eigner Nummer und auf eignem Blatt in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte, wie Wasserrechte und Baurechte, den unbeweglichen Sachen gleichgestellt werden. Vgl. Art. 676, 922, 944, 985. (4) Die Ordnung des Grundbuches erleichtert diese Behandlung. Materiell hat sie eine lange geschichtliche Entwicklung hinter sich. Vgl. Schweiz. PR IV, S. 691 ff.
2. Die Beschränkungen, denen das Eigentum von Gesetzes­wegen unterworfen wird, erklären sich aus verschiedenen Über-
(1) ZGB 681 bis 683, 959. (2) Nunmehr OR 260, 282 und ZGB 959. (3) ZGB 655. (4) Vgl. ZGB 675, 943, Schl.t. 56.



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legungen und haben verschiedene Ziele im Auge. Verbreitet war in einer früheren Rechtsordnung die Beschränkung zugunsten der Familie, der Gemeinde, der Rechtsgenossenschaften in weitestem Umfange überhaupt, denen der Eigentümer angehörte oder in deren Gebiet das Grundstück gelegen war. Das Grundeigentum sollte der Familie, der Gemeinde, dem Lande erhalten bleiben, und dies suchte man dadurch zu erreichen, dass die Angehörigen der betreffenden Rechtsgemeinschaft für berechtigt erklärt wurden, Grundstücke an sich zu ziehen, die von einem Mitangehörigen ausserhalb die Gemein­schaft verkauft werden wollten. Von diesen früher so sehr ver­breiteten Retraktrechten finden sich heute nur noch kleine Über­bleibsel. Vgl. Schweiz. PR IV, S. 717 ff., III, S. 265 ff. Es besteht kein Grund, sie Wiederaufleben zu lassen. Der Entwurf sieht von ihnen ab, bis auf einen einzigen Fall. In Anlehnung an das Recht von Baselstadt und von Nidwalden (a. a. 0. III, S. 265 ff., ins­besondere 269) gibt Art. 682 (1) den Miteigentümern untereinander ein Zugrecht. Es nimmt dasselbe aber die Gestalt eines gesetz­lichen Vorkaufsrechtes an, um in der praktischen Ausgestaltung dem vertraglichen Vorkaufsrecht gleich behandelt werden zu können. Diese Ausnahme, die einzige gesetzliche Verfügungs­beschränkung, rechtfertigt sich aus dem engen Zusammenhang, in dem ohnedies die Miteigentümer sich befinden. Das Miteigentum besteht ja überhaupt auf dem Belieben der Beteiligten. Sie können für die Regel jederzeit dessen Liquidation verlangen. Es ist ein Stück von dieser Berechtigung aus ihr herausgehoben, dass ihnen auch ein Vorkaufsrecht unter sich eingeräumt wird. Man wird überdies zugeben müssen, dass wirtschaftlich die Aufhebung der Miteigentumsverhältnisse wohl der Begünstigung wert ist. Jede Vereinfachung ist hier zu begrüssen. Sie kann aber unter Um­ständen erreicht werden durch die Geltendmachung des Vorkaufs­rechtes gegenüber einem fremden Dritten, der, durch den Ankauf des Anteils eines der Beteiligten in die Gemeinschaft eingeführt, diese fortsetzen würde.
Eine andere Beschränkung der Verfügungsfreiheit findet sich zum Zwecke der Sicherung der Gläubiger des Eigentümers in Gestalt eines gesetzlichen Retraktrechtes oder in ähnlicher Form gelegentlich in den kantonalen Rechten. Vgl. Schweiz. PR. III, S. 262. Allein, was hiermit erreicht werden will, kann direkter erlangt werden in Form einer Sicherung für die Befriedigung schwebender Verpflichtung oder der Arrestnahme auf Grundstücke. Sie erscheint berücksichtigt mit der Einführung einer Vormerkung
(1) ZGB 682.



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zur Sicherung streitiger oder vollziehbarer Ansprüche. Vgl. Art. 1003.(1)
Anders nun in bezug auf die Beschränkung in der Benutz­ungsbefugnis. Hier ist es einmal das öffentliche Recht, das dem Eigentum gewisse Schranken setzt. Das Privatrecht hat diese Art der Beschränkung nur anzuführen, ohne in das einzelne eintreten zu können. Sie gelten von Gesetzes wegen, also ohne besondere, privatrechtliche Voraussetzungen. Sie stellen sich regelmässig als zwingender Natur dar, können also durch Abmachungen unter den Beteiligten nicht abgeändert werden. Durch Aufstellung solcher Beschränkungen, aus polizeilichen oder andern Rücksichten, kann der Staat allerdings unter Umständen sehr empfindlich in das Eigen­tum eingreifen. Es gehört aber nicht in die Ordnung des Privat­rechtes, zu bestimmen, in welchem Umfang dies geschehen dürfe, oder ob für das Geschehene eine Entschädigung aus Staatsmitteln zu entrichten sei. Die Frage ist durchaus verwandt mit der Frage der Entschädigungspflicht bei Zwangsenteignung. In beiden Be­ziehungen darf und muss das Privatrecht einfach auf das öffent­liche Recht der Kantone oder des Bundes verweisen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 235, 328.
Andere Benutzungsbeschränkungen stellen sich dar als Aus­druck der an und für sich nach der Natur der Sache gegebenen Gemeinschaft in der Bewirtschaftung des Bodens. Diese Gemein­schaft hat eine positive Seite. Jeder Grundeigentümer hat dar­nach seinem Nachbarn gegenüber das Recht, auf dessen Grund­stück über die gezogenen äusseren Grenzen hinaus die Einwirkungen vorzunehmen, die sich aus der Bewirtschaftung notwendig ergeben oder der Beziehung unter Nachbarn in guten Treuen entsprechen und sich aus der wechselseitigen Duldung und Rücksicht recht­fertigen lassen. Oder die Gemeinschaft führt unter den gleichen Gesichtspunkten negativ zu der Folge, dass der eine Nachbar dem andern gegenüber gewisse Vorkehrungen, zu denen er, nach der äussern Grenze bemessen, wohl befugt wäre, aus schuldiger Rück­sicht zu unterlassen hat, weil sie für die anliegenden Grundstücke von einem Nachteil wären, der deren Eigentümern billigerweise nicht zugemutet werden darf. Diese nachbarrechtlichen Beschrän­kungen sind überall bekannt, sie passen sich den Bedürfnissen der Bewirtschaftung an, sie sind in gewisser Hinsicht die letzten Überbleibsel einer früher weit intensiver gepflegten Feldgemein­schaft. Dass sie dabei nicht in alle Details durch das einheitliche
(1) ZGB 960.



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Recht geordnet werden müssen, liegt in der Natur der vorliegenden Bedürfnisse. Der Entwurf stellt nur insoweit einheitliche Vorschriften auf, als solche inhaltlich ohne Bedenken anerkannt werden können und zur Klärung der Verhältnisse als allgemein wünschenswert erscheinen (Art. 684, 685, 688 bis 690). (1) Die Vorschriften be­treffend die Wege, die Abstände bei Bauten und Pflanzungen werden dem kantonalen Rechte zugewiesen, wie dies bereits oben begründet worden ist.
Endlich beansprucht noch eine besondere Art von Gemein­schaft die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers. Nicht nur in der Bebauung der Felder, sondern auch in der Benützung der Quellen und Brunnen liegt ein Gebiet von natürlicher Gemeinschaft vor uns.
Zunächst steht allerdings die Quelle im Eigentum dessen, der Eigentümer des Grundstückes ist, dem sie entspringt. Dieses Recht des Grundeigentümers geht aber nicht nur auf das Eigentum an dem Wasser, das sich jeweils gerade in der Quelle befindet. Es geht auch darauf, dass die Quelle bestehe und aus ihr sich der Wasserlauf stets erneuere. Wer diesen Lauf der Quelle beein­trächtigt, begeht nicht nur dann ein Unrecht, wenn er auf dem Grundstücke selbst eine solche Störung vornimmt, sondern auch dann, wenn er von aussen auf die Quelle einwirkt. Ein solches Eingreifen, das ganz und gar nicht in einem Angriff auf das Quellengrundstück selbst zu bestehen braucht, ist ein Eingriff' in das Eigentum, das mithin auch das Recht in sich schliesst, gegen jede Störung der darauf befindlichen Quellen geschützt zu sein. Quellen sollen nicht abgegraben, nicht verunreinigt werden, sollen überhaupt keine Störung erfahren. Ein Nachbar ist dies dem andern schuldig. Es bildet des Wesen des Nachbarrechtes, dass die Grenzen der Eigentumsbefugnisse innerlich nach den wirt­schaftlichen Bedürfnissen und nach der Billigkeit rücksichtsvoll abgemessen werden, und der Schutz der Quellen gehört in diesem Sinne zum Nachbarrecht.
Freilich wird man dabei der Einwendung nicht ganz sich entziehen können, dass der eine Grundeigentümer so viel Recht haben müsse, wie der andere. Der Eigentümer, der eine Quelle bereits hat, kann doch seinen Nachbarn gegenüber nicht von Gesetzes wegen ein allgemeines "jus aquae non quaerendae" besitzen. Wer auf seinem Grundstücke eine Quelle gräbt, der hat an ihr das gleiche Recht, wie der Nachbar es an der Quelle besitzt, die dadurch abgegraben wird. Es hat daher dem Gemeinen Recht und einer Reihe unserer schweizerischen Rechte besser gefallen, einfach
(1) ZGB 684, 685, 689 bis 694.



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bei der klaren, äusserlich genau und sicher abzuzirkelnden Umgrenzung nach der Bodenfläche stehen zu bleiben und die Abgra­bung der Quellen und Brunnen in Betätigung der an sich gege­benen Eigentumsbefugnisse nicht zu verbieten (vgl. Schweiz. PR III, S. 280 f.). Und so viel ist hier und in jedem Falle zu billigen, dass es nicht wohl angeht, das Graben nach Quellen einfach nach der Regel zu beschränken, dass keine Grabung in den Bereich des nachbarlichen Grundstückes, wenn auch noch so indirekt, hinüber­wirken dürfe. Man wird den nachbarrechtlichen Schutz nur in einer gewissen Beschränkung gewähren dürfen und diese etwa in folgender Überlegung finden.
Eine jede Quelle hat ihren natürlichen Lauf, der von der Gestaltung des Bodens abhängt. Sie fliesst lange unterirdisch, bis sie an günstiger Stelle an das Tageslicht zu treten vermag. Das Wasser, das auf dem einen Grundstücke hervorsprudelt, ist vorher unter der Oberfläche vieler anderer durchgeflossen. Der obere Eigentümer braucht nur zu graben, und der Schatz ist auf seinen Boden geleitet. Vorrichtungen solcher Art aber darf auf seinem Grundstücke ein jeder vornehmen. Gewinnt er damit das Wasser, so ist es sein Wasser, so gut wie es weiter unten das Wasser eines andern Eigentümers ist. Sind die beiden Ansprüche nicht miteinander verträglich, so muss ein Ausgleich gefunden werden. Er erfolgt nach zwei Gesichtspunkten. Einerseits ist es das Bedürfnis, auf das Rücksicht zu nehmen ist: Der eine Nachbar darf dem andern nicht das für diesen notwendige Wasser von Brunnen und Quellen entziehen. Anderseits aber ist es die Priorität, die entscheidet: Wer sich die Quelle als Eigentümer wirklich nutz­bar gemacht hat, wer sie zum Brunnen umgewandelt, wer sie ver­wertet, wer sie auch nur auf irgend eine Art gefasst und die Absicht der Verwertung deutlich, namentlich mit ökonomischen Opfern bekundet hat, für den ist die Quelle in besonderem Sinne ein Stück seines Eigentums geworden. Er hat sie seiner Herr­schaft unterworfen und seinem Grundstücke einverleibt, und darum gebührt ihm der Vorzug vor dem obern Nachbar. Dieser hätte ebensowohl sein Recht betätigen können. Ist ihm der andere zuvor­genommen, so soll es dabei sein Bewenden haben und eine Ab­grabung nicht mehr stattfinden dürfen. Freilich kann in bezug auf die Folgen des Zuwiderhandelns nach den beiden Gesichts­punkten dann doch wieder eine verschiedene Sanktion Platz greifen. Wo es sich um das nötige Wasser handelt, da wird eine Resti­tution oder, wenn diese, wie meistens nach der Abgrabung, nicht mehr zu vollziehen sein wird, ein Ersatz des Wassers selbst oder in letzter Linie auch ein Schadenersatz in Geld zugesprochen



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werden (Art. 701, Abs. 2).(1) Dagegen im zweiten Falle, wo die Priorität in der Okkupation der Quelle entscheidet, da genügt ein­fach der Schadenersatz (Art. 701, Abs. 1). (2)
Kann nun das gleiche, wie für die Quellen, auch für alle andern Wasserläufe behauptet werden? Gewiss ist auch da das Recht des Eigentümers auf den Zufluss gerichtet, sein Recht um­fasst gleichfalls die ungestörte Erneuerung der Möglichkeit, an dem Wasser Eigentum zu haben. Der Eigentümer eines Gewässers kann einen jeden Eingriff in dieses als eine Verletzung seines Eigentums, und zwar des Grundeigentums, von sich weisen. Er ist rechtlich geschützt gegen Abgrabung durch Vorkehrungen auf den nachbarlichen Grundstücken, ebenso gegen die Absperrung des Zuflusses und gegen die Ableitung. Namentlich aber braucht er sich eine Einwirkung von nachbarlicher Seite auf die Höhe seines Gewässers, Stauung oder Senkung, nicht gefallen zu lassen. Allein die Nachbarn und Berechtigten an demselben Gewässer haben an sich doch auch wiederum das gleiche Eigentumsrecht. Das setzt sich abwärts und aufwärts fort und erstreckt sich über das ganze Sammelgebiet des Gewässers. Wie sollen nun da die verschiedenen Ansprüche miteinander verglichen werden ?
Als massgebend darf man hier den Unterschied betrachten, dass die Quelle nach dem Augenschein zum Grundstücke selber gehört, während das durchfliessende Gewässer, das nicht aus dem Grundstück seine Speisung erfährt, mag auch ein natürlicher Wasserlauf gegeben sein, doch nur auf die kurze Strecke und für die kurze Zeit, da es auf einem Grundstück fliesst, unter die Herr­schaft seines Eigentümers fällt.
Die Priorität in der Aneignung vermag hier nicht zu ent­scheiden, da diese doch nur an dem Gewässer erfolgen könnte, das für andere bereits als fliessendes Wasser gleich so bestand, wie für den Ansprecher, also nicht etwas neues ist, wie die frisch gegrabene Quelle. Ebensowenig ist hier die Unentbehrlichkeit aus­schlaggebend, da ihr die Rechte der andern mit der gleichen Inten­sität gegenüberstehen. So wird man also dem Eigentümer eines fliessenden Gewässers im allgemeinen nicht den gleichen Schutz gewähren können, wie dem Eigentümer der Quelle. Ein jeder kann sein Eigentum am fliessenden Gewässer nach seiner Art benutzen, ohne dass der untere oder der obere ein Recht darauf hat, den andern eine gleiche Benutzung zu untersagen. Was sie wechselseitig verlangen können und was ihnen das moderne Wasser­recht sicherlich nicht verweigern darf, ist aber allerdings, dass sie,
(1) ZGB 707. (2) ZGB 706.



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soweit die Nutzbarmachung der Gewässer es verlangt, als Berech­tigte am gleichen Wasserlauf sich gegenseitig eine vernünftige, billige Verträglichkeit zugestehen. Auf dem Boden des öffentlichen Rechtes und der privaten Verleihung von Berechtigungen wird dieses mittelst der Nötigung zu gemeinsamen zweckdienlichen Massregeln, die den Beteiligten zur Pflicht gemacht werden, durch­geführt werden können. Auf dem Boden des Nachbarrechtes aber darf daraus das Verbot jedes Übermasses in der Betätigung der eigenen Rechte abgeleitet werden, wäre es auch nur zum Zwecke der Erhaltung der Nutzbarkeit des Gewässers an sich gegenüber Massregeln, die den Betroffenen empfindlich schädigen, ohne dem andern zur Befriedigung eines wirtschaftlich überwiegenden Bedürfnisses zu dienen. Es liegt aber hier dann nichts an­deres vor, als wie es in bezug auf den Abfluss des Regen- und Schneewassers usw. ohnedies im Nachbarrecht geregelt zu sein pflegt: Anerkennung des Verbotes, wonach der obere Eigentümer das notwendige Wasser ohne eigene Not dem untern nicht vorent­halten darf, ferner des Verbotes der schädlichen Veränderung des natürlichen Ablaufes u. a. m. (Art. 688). (1)
Endlich ist noch zu beachten, dass das Eigentum an dem fliessenden Gewässer mit dem Eigentum an den Quellen, die das­selbe speisen, in Kollision geraten kann. Allein ohne eine besondere rechtliche Motivierung wird man das letztere vor dem ersteren nicht zurücksetzen dürfen. Diese Motivierung kann in einem besondern privatrechtlichen Titel bestehen oder im öffentlichen Rechte. Wir werden bei den Wasserrechtskonzessionen derartige Verhältnisse antreffen (Art. 926) (2). Wo es aber an einem solchen Rechtsgrunde fehlt, wird der Eigentümer über seine Quelle auch dann frei verfügen dürfen, wenn die Eigentümer am fliessenden Gewässer dadurch geschädigt werden. Einen Anspruch auf die Erhaltung des Zuflusses aus der Quelle gibt ihnen ihr Recht an dem Gewässer nicht. Doch ist dabei dann nicht zu übersehen, dass die Quelle auf dem Boden des Quellengrundstückes bereits ein fliessendes Gewässer bilden kann, an dem im Verhältnis zu den untern Berechtigten auch für den Quelleneigentümer die gleichen Pflichten bestehen, wie für jeden Beteiligten. Ferner kann das Wasser von Anfang an sich als ein fliessendes Gewässer darstellen, an dem der Eigentümer des Grundstückes, auf dem es hervortritt, nicht das Recht als an einer Quelle, sondern nur als einem fliessenden Gewässer zu beanspruchen hat. Auf solche Erscheinungen
(1) ZGB 689, vgl. auch 690. (2) Das Gesetz hat diese Bestimmungen nicht aufgenommen. Vgl. oben S. 9, und Erläuterungen Bd. I, S. 20.



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darf das Vorrecht des Quelleneigentümers nicht bezogen werden. Es umfasst nur das Gewässer, das als Quelle auf dem Grundstücke auch wirklich gefasst wird, sei es, dass sie von Natur zu Tage trete oder erst gegraben werde.
Man wird also in bezug auf die Eigentumsverhältnisse zu dem Ergebnisse kommen, dass das Grundeigentum eine Herrschaft über das auf dem Grund und Boden befindliche Gewässer in sich schliesst, dass ferner das Eigentum an einem Gewässer als Bestandteil dieses Grundeigentums zu gelten hat und dass mit dem Eigen­tum am Gewässer ein Anspruch auf die stete Erhaltung des Wasserzuflusses im wesentlichen nur bei den Quellen anerkannt ist, wo­ gegen bei anderen fliessenden Gewässern eine natürliche Gemeinschaft der Berechtigten besteht, die jedoch den Eigentümer der Quelle in der Regel nicht ergreift und diesem also die Verfügung über sein Eigentum nicht zu beschränken vermag.
Bei den Mobilien kommt den gesetzlichen Beschränkungen nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Wir begegnen solchen einmal betreffend die Ausserverkehrsetzung, die den Kantonen auch unter dem einheitlichen Recht gestattet bleiben soll, vgl. Art. 4 der Einleitung.(1) Sodann findet sich ein Recht des Staates in Art. 717 (2) aufgestellt, wonach Gegenstände von wissenschaftlichem Wert nicht den gefundenen Sachen, speziell dem Schatze gleich behandelt werden sollen, sondern dem Staate, resp. Kantone verfallen, in dessen Gebiet sie gefunden worden sind. Gewisse öffentlich-rechtliche Vorschriften können auch noch in anderem Zusammen­hange dem Eigentümer an Mobilien eine Beschränkung auferlegen. Es sei an die Militärausrüstung des Wehrmannes u. a. m. erinnert (s. Schweiz. PR III, S. 17).
3. Die Ausgestaltung des Eigentums hat nach den zwei Gesichts­punkten zu erfolgen, die für das moderne Kulturleben eine ganz besondere Bedeutung erlangt haben: Befestigung der Rechte des Eigentümers und Erleichterung des Verkehrs. Diese beiden Zwecke stehen insofern zueinander im Gegensatz, als bald die Befestigung des Eigentums auch da nach Anerkennung verlangt, wo der Verkehr daraus eine Hemmung erfährt, und bald umgekehrt die Bedürfnisse eines raschen und einfachen Geschäftslebens auch da Beachtung beanspruchen, wo hieraus sich für die Rechtsstellung des Eigentümers erhebliche Nachteile ergeben. Nach anderen Rich­tungen führen dann freilich beide Zwecke doch wieder zu den
(1) ZGB 6, Abs. 2. Vgl. Erläuterungen Bd. I, S. 40. (2) ZGB 724, wo in Abs. 2 die Pflicht zur Gestattung von Ausgrabungen angefügt ist.




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gleichen Resultaten, indem die Sicherung den Verkehr erleichtert und die genaue Abgrenzung der Rechte dem gutgläubigen Handel und Wandel in hohem Masse förderlich ist. Suchen wir diese ver­schiedenartigen Verhältnisse gegeneinander abzuwägen, so gelangen wir zu folgenden Ergebnissen:
Bei den Mobilien kommt dem Eigentümer ein Recht zu, das er zunächst, wenn keine andern, besondern Voraussetzungen ge­geben sind, jedermann gegenüber, auch ohne Besitzer zu sein, geltend machen kann. Er verfolgt seine Sache in der Hand des Dritten, er kann sie, wenn sie verloren ist, zurückverlangen. Be­schränkt wird sein Recht nur durch die Ansprüche, die der gut­gläubige Finder unter gewissen Voraussetzungen erheben kann (Art. 711), (1) ferner durch die Folgen, die sich etwa mit der Ver­bindung oder Vermischung oder Verarbeitung von Sachen verknüpfen (Art. 719 und 720), (2) und durch die Ersitzung (Art. 721). (3) unseren besonderen Bedürfnissen angepasst ist dann auch die Regelung der Folgen der Zuführung (Art. 718)(4) und die Ordnung betreffend Tiere, die ihrem Eigentümer entlaufen oder sonstwie entkommen sind (Art. 709). (5) Wirtschaftlich verlangt hier das Bedürfnis von der Rechtsordnung nichts anderes, als eine klare und gesicherte Existenz und Anerkennung der Rechte des Eigentümers in ihrem Verhältnis zu den Ansprüchen Dritter, die nach den Umständen mit der Sache sich verbinden können. Diese Verhältnisse können allerdings unter gewissen Voraussetzungen eine ganz singuläre Gestalt annehmen. Man denke z. B. an die Verhältnisse, wie sie in der Bienenzucht gegeben sind, auf die das Gesetz Rücksicht zu nehmen hat. Doch verweisen wir die Betrachtung hierüber auf die Erläuterung der Einzelvorschriften. (6)
Diese Sicherung des mobilen Eigentumes findet nun aber ihre Schranke an den Bedürfnissen des Verkehrslebens. Was in der Ersitzung auf Grund des Ablaufes einer längeren Zeit Anerkennung findet, ohne dass der Mobiliarverkehr dabei besonders berücksichtigt würde, das muss in ganz besonderem Grade zur Geltung gelangen, wo dieser Verkehr unmittelbar in Frage steht. Nicht nur wer eine Fahrnis eine längere Zeit hindurch in gutem Glauben besessen hat, soll als ihr Eigentümer geschützt werden, sondern schon der­jenige, der sie in gutem Glauben erwirbt. Freilich lässt sich auch dieser Grundsatz nicht ohne Konzession an eine andere Ordnung aufstellen. Der Entwurf folgt hierin, d. h. in der Begrenzung der Besitzeswirkung und damit des Erwerbes der mobilen Sache, dem
(1) ZGB 722, Abs. 1. (2) ZGB 726 u. 727. (3) ZGB 728. (4) ZGB 725. (5) ZGB 719. (6) Vgl. ZGB 719, Abs. 3, 700, Abs. 1, und 725, Abs. 2.



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geltenden Rechte, O. R. Art. 206 ff. (1) Grundsätzlich aber ergibt sich aus dem Schutze des gutgläubigen Erwerbes auch der Verlust für den bisherigen Eigentümer, oder also eine Beschränkung der Sicherung des Eigentums, die sich nur aus der billigen Abwägung der Verkehrsbedürfnisse rechtfertigt und mit der grundsätzlichen Sicherstellung der vorhandenen Rechte deshalb als verträglich erscheint, weil die objektive Rechtsordnung jedermann bekannt ist, so dass der Eigentümer, wenn er hinter dem gutgläubigen Erwerber in den gesetzlich bestimmten Fällen zurückstehen muss, von keiner unerwarteten oder unbekannten Beschränkung seines Rechtes betroffen wird.
Anders gestalten sich die Verhältnisse beim Grundeigentum. Hier ist im Grundbuch ein Mittel gegeben, das in hervorragender Weise für beide Zwecke, Befestigung des dinglichen Rechtes und Verkehrserleichterung, sich wirksam erweist. Zunächst handelt es sich mit Bezug auf das Eigentum im Grundbuch um die klare Feststellung des faktischen Bestandes an jedem Grundstück. Die Abgrenzung gehört bei den Immobilien zur ersten Rechtssorge. Die an sich nicht gegebene Individualisierung der Eigentums­objekte wird durch die Ausmarkung hergestellt. Sie erfolgt auf dem Grundstücke selbst. Aber mit der Durchführung der Ver­messung wird nicht nur die Abgrenzung weit zuverlässiger her­gestellt, als dies auf dem Grundstücke selber je geschehen kann, es verbindet sich damit auch die genaue Feststellung des Flächen­inhaltes der Liegenschaft. Ferner kann damit eine genaue Ver­zeichnung aller auf dem Grundstück befindlichen Gebäude, Wege unterirdischen Leitungen usw. verbunden werden, so dass der ganze faktische Bestand der Liegenschaft umschrieben wird. Wollte man hiergegen bemerken, dieser Bestand biete sich ja dem Augenscheine dar und es liege daher keine besondere Sicherung in einer solchen Aufzeichnung, so ist zu bedenken, welche Änderungen an dem wirklichen Bestande erfolgen können, die dasjenige, was vorhanden gewesen ist, zum Nichtwiedererkennen verwischen, durch Feuers­brunst, Überschwemmung, Erdschlipfe u. dgl., und man wird nicht mehr bezweifeln, dass diese graphische Feststellung des Bestandes dem Eigentume gegebenen Falles sehr gute Dienste zu leisten vermag.
Allein diese Beschreibung des Grundstückes ist doch stets nichts anderes als eine Beschreibung. Es kommt ihr keine besondere Publizitätswirkung zu, sie kann als Beweismittel benutzt werden, verschafft aber gegenüber einer nachweisbar anders gearteten
(1) Vgl. Erläuterungen Bd. I, S. 19 f., und oben S. 14, Anm. 14.



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Sachlage keine besondern Rechtsansprüche. In ihr liegen also noch nicht die wirklichen Vorteile, die mit dem Grundbuche angestrebt werden. Die Eintragung aller dinglichen Rechte, neben der Klar­legung des faktischen Bestandes, vermag vielmehr erst dem Eigen­tümer darüber Gewissheit zu verschaffen, dass er aus der Darstellung im Grundbuch über den Rechtsbestand durchaus zuverlässigen Aufschluss erhält. Sie hat ihm das Eigentum in allen Beziehungen, soweit es mit der guten Treue des Eigentümers selber verträglich erscheint, zu garantieren. Ohne Änderung im Grundbuch bleibt sein Recht ihm gesichert. Eine Ersitzung gegen die Eintragung im Grundbuch erscheint als ausgeschlossen. Es gibt keine andern dinglichen Rechte an dem Grundstücke, als die, zu deren Ein­tragung der Eigentümer selber die Bewilligung erteilt hat.
Für den Verkehr muss dann allerdings noch ein weiteres hinzu­treten. Das Grundbuch gibt die Rechte an den einzelnen Grund­stücken in einer Weise wieder, die für jeden gutgläubigen Dritten zuverlässig sein soll. Daraus kann es freilich sich ergeben, wie wir es mit der Wirkung des Besitzes beim Mobiliarverkehr an­getroffen haben, dass auch ein ungerechtfertigter Eintrag einem gutgläubigen Dritten gegenüber rechtsbeständig ist, während doch der wirklich Berechtigte dadurch geschädigt wird. Das Verkehrs­interesse tritt auch hier mit der Befestigung des Rechtes selbst in Kollision, allein nur mit der Wirkung, dass die Befestigung zugunsten des neuen Erwerbers damit verbunden ist. Wir werden hierüber beim Grundbuchrechte näher zu sprechen haben. Hier genügt es, auf die Bedeutung hingewiesen zu haben, die für die Befestigung des Rechtes wie für die Verkehrserleichterung beim Grundeigentum dem Grundbuche zukommt.
Man wird nun freilich etwa entgegenhalten, dass eine solche Verkehrserleichterung für das Grundeigentum gar keinen rechten Sinn habe. Mit Grundstücken werde kein Handel getrieben, wie mit beweglichen Sachen, und wo solches auch versucht werde, geschehe es allzuleicht in einem Getriebe, das der Unterstützung durch die Gesetzgebung gar nicht wert sei. Man wird auf die Liegenschaftsspekulationen in grösseren Städten verweisen und auf die Preistreibereien, die schon so manchem zum Verderben geworden sind. Man wird an die Güterschlächter erinnern, die sich diese Verkehrserleichterungen zunutze machen und die ihr schlimmes Gewerbe mit umso grösserer Bequemlichkeit betreiben können, je mehr der Güterverkehr erleichtert wird. Allein diese Entgegnungen treffen nur eine Seite der Sache. Freilich wird auch der unlautere Verkehr dieser wohltätigen Formen sich bedienen können, das begegnet uns hier wie bei allen rechtlichen Einrichtungen. Auch



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macht das Grundbuch die Eigentümer selber nicht reicher und kann ihrer Überschuldung wie ihrem Ungeschick und ihrer Unbe­dachtsamkeit nicht abhelfen. Allein es schafft eine Grundlage für den gesamten dinglichen Rechtsverkehr, die in ganz eminentem Sinne den guten und besten Seiten des Verkehrslebens zu dienen imstande ist. Man darf bei der Verkehrserleichterung mit Hinsicht auf das Grundeigentum eben nicht nur an den Güterhandel im eigentlichen Sinne denken. Mag sein, dass für diesen an und für sich das Grundbuch nicht notwendig oder mit seiner strengen Wirkung zu teuer erkauft wäre. Ganz anders verhält es sich aber mit den Handänderungen, denen volkswirtschaftlich wohl begründete Vereinbarungen zugrunde liegen, und an diese hat die Gesetz­gebung in erster Linie zu denken. Überdies verbindet sich dann auch mit dem Grundeigentum noch ein Verkehr nach ganz anderer Richtung. Das Grundeigentum hat seinen Wert nicht nur als Kaufgegenstand. Die Verteilung des Grund und Bodens tritt im modernen Kulturleben sowenig wie in früheren Zeiten unter dem einfachen Bilde der nebeneinander stehenden Eigentumsparzellen in das wirtschaftliche Leben ein. Mit der Abgrenzung nach dein Eigentum verbindet sich die Belastung des Grundeigentums durch Kapitalien und Zinse. Und was für die Sicherung und die Ver­kehrserleichterung mit Hinsicht auf das Grundeigentum getan ist, das geschieht damit zugleich und vielleicht sogar zum überwiegenden Teil gerade mit Hinsicht auf diese Belastungen, die Grundpfand­rechte, die Gülten und Schuldbriefe. In seiner Verwendung als Grundlage für solche Kapitalanlagen erfährt das Grundeigentum aus den sichernden und erleichternden Einrichtungen des Grund­buches die mächtigste Förderung, und was der Eigentümer am Ende noch leicht zu entbehren vermöchte, soweit für ihn eben bloss das Grundeigentum in Frage kommt, das würde er schwer vermissen, sobald er für den Belastungsverkehr sich seiner nicht bedienen könnte. Sache des öffentlichen Rechtes muss es sein, dafür Sorge zu tragen, dass im Verkehr mit den Gütern nicht ein sträflicher Missbrauch getrieben werde. Wie in bezug auf den Wucher, so werden auch mit Hinsicht auf unlautere Liegenschaftsspekulation und Güterschlächterei die Kantone ihre Massregeln zu treffen haben, und Gesetze, wie dasjenige des Kantons Thurgau vom 9. Februar 1896, gegen Missbräuche bei Veräusserung von Liegenschaften, oder überhaupt öffentlichrechtliche Vorschriften, wie sie anderwärts bestehen und beispielweise auf Konferenzen der ostschweizerischen Kantone (1894, am 27. Januar in Winterthur und am 9. Juni in Zürich abgehalten) besprochen worden sind, müssen auch unter dem einheitlichen Zivilrecht mit ihren



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Hauptbestimmungen in Kraft verbleiben oder neu erlassen werden können.
Daneben aber mag das öffentliche Recht auch seinerseits auf die Verkehrserleichterungen bedacht sein. Von verschiedener Seite wurden bei der Ausarbeitung des Entwurfes Anregungen gemacht, es möchte in diesem doch den exorbitanten Besteuerungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie sich in einigen Kantonen heute noch vorfinden, ein Ende gemacht werden. Allein wie über jene polizeilichen und kriminellen Fragen, so konnte auch über diese Steuerordnung das Privatrecht Bestimmungen nicht aufstellen. Seine Aufgabe ist die Herstellung eines sicheren und zuverlässigen Ver­kehrs mit Liegenschaften und liegenschaftlichen Werten durch die Mittel des Privatrechtes. Es kommt dieser Aufgabe nach, indem es das Immobiliarrecht auf das Grundbuch begründet.
Endlich musste auch erwogen werden, inwiefern das einheit­liche Recht die Förderung der zweckmässigen Gestalt der Eigen­tumsobjekte nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung anzu­streben oder anzuordnen haben möchte, oder also inwiefern im Entwurf auf die Zusammenlegung der Güter einzutreten sei. Die Frage hat bei den bäuerlichen Besitzungen eine ganz besondere Wichtigkeit, wenn man bedenkt, wie sehr durch die allzugrosse Zersplitterung des Grundeigentums die Bewirtschaftung der Güter erschwert und verteuert wird. Es ist gar nicht zu verkennen, dass durch ein unwirtschaftliches Vorgehen bei Teilungen und Ankäufen, das von Gesichtspunkten bestimmt wird, die oft genug mit der Bewirtschaftung nichts zu tun haben oder ihrer richtigen Ausgestaltung geradezu entgegenwirken, Zustände geschaffen worden sind, die den ursprünglichen Bewirtschaftungsplan, wie er aus dem genossenschaftlichen Leben einer früheren Wirtschafts­periode herausgewachsen war, zum Nachteil der Feldbebauung zer­stört haben. Freilich kann man nicht behaupten, dass in der früheren Wirtschaftsart überall geschlossene bäuerliche Gewerbe gegründet worden seien. Im Gegenteil musste es bei der Dreifelderwirtschaft durchaus als angemessen erscheinen, dem einzelnen Genossen Grund­stücke in den verschiedenen Lagen zuzuweisen, damit das Risiko der Missernte, infolge von Hagelschlag, Wassersnot und andern Naturereignissen, sowie die mit der Verschiedenartigkeit des Bodens in seiner Ertragfähigkeit verbundenen Vor- und Nachteile sich auf die Genossen der Dorfschaft einigermassen gleichmässig ver­teile. Die üble Folge für die Bewirtschaftung wurde aber zu jenen Zeiten einigermassen wieder ausgeglichen durch die gemeinsame Arbeit, durch die gleichzeitige Bebauung oder die wenigstens



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bestimmt in einer Reihenfolge geordnete Zeit und Art der Aussaat und Ernte. Ferner war bei dem früher alleinherrschenden System der Naturalwirtschaft ein jeder Bauer auf eine Vielgestaltigkeit der Bebauung angewiesen, mit der er sich an die unmittelbar vor­handenen Bedürfnisse anschloss und auf zahlreiche kleine Parzellen bei der Zersplitterung der Anpflanzungen und Ernten nicht leicht verzichten konnte, ja in diesen Zuständen überhaupt keine Benach­teiligung des Gewerbes erblicken musste. Allein die Verhältnisse haben sich nun eben geändert. Der zersplitterte Besitz findet in den angeführten Erwägungen kaum mehr eine Rechtfertigung. Die Landwirtschaft wird auf eine einheitliche Art der Bewirtschaftung, an vielen Orten geradezu auf den Grasbau und die Viehwirtschaft hingedrängt. Die Zersplitterung wird deshalb mehr und mehr und nach allen Richtungen als ein wachsendes Hemmnis empfunden. Unglaublich viel Zeit geht durch die weiten Wege, die von einer kleinen Parzelle zur andern gemacht werden müssen, verloren, und in den schmalen Streifen Landes schädigt ein Nachbar den andern. Die Arbeit mit Maschinen ist erschwert oder geradezu unmöglich, Ernte wie Aussaat verzetteln sich, es ist kein rechtes System in die Bebauung zu bringen. Man versteht es daher wohl, dass der Ruf nach einer Vereinfachung der Verhältnisse immer häufiger ertönt, und einige kantonale Rechte haben denn auch bereits mit dem Problem sich beschäftigt. Vgl. Schweiz PR III, S. 224 f. Neben den dort genannten Kantonen St. Gallen und Aargau ist heute noch Neuenburg mit dem Code rural von 1898, sowie Basellandschaft mit dem Feldregulierungsgesetz von 1896 zu nennen, und Tessin ist an der Arbeit, das im Jahr 1852 begonnene Werk (legge sulla permuta obligatoria dei fondi) durch eine Erweiterung der Aufgabe nach einer neuen Richtung betr. das „raggruppamento dei terreni" zu vervollständigen. (') Die Ver­nehmlassungen der Kantone auf das Memorial von 1893 beschäftigen sich mit der Frage, die Botschaft zur Verfassungsrevision von 1896 hat sie ebenfalls aufgeworfen, der schweizerische Bauern­verband erblickt in ihr ein ausserordentlich günstiges Mittel, um die bäuerlichen Besitzesverhältnisse zu sanieren, eine Eingabe des Staatsrates von Tessin von 1894 an das eidgenössische Justiz­departement hat ihr eine ganz besondere Beachtung zugewendet, und die Antwort St. Gallens auf das Memorial von 1893 hat ebenfalls die Aufnahme bezüglicher Vorschriften in den Entwurf empfohlen. Auch sei daran erinnert, dass wir bei der Betrachtung der bäuer-
(1) Das Gesetz „legge sul raggruppamento e 1a permuta dei terreni" ist am 28. Mai 1902 erlassen worden.



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lichen Erbrechtsordnung der gleichen Frage bereits begegnet sind (s. die Erläuterungen am Schluss der allgemeinen Erwägungen zum Erbrecht). (1) Man verspricht sich von solchen Massregeln ganz allgemein: Vereinfachung der Eigentums- und Grenzverhältnisse und daher Verminderung der Streitigkeiten unter Nachbarn, Ermöglichung eines rationellen Netzes von Flurwegen und daher Besei­tigung der lästigen und schädlichen Wegedienstbarkeiten, bessere Ausgestaltung der Bewässerung und der Anpflanzungsarbeiten, Verminderung der Ausgaben und Erhöhung des Wertes der er­weiterten und besser bebauten Grundstücke. Wir können dazu noch fügen die gesteigerte Möglichkeit der Errichtung günstiger grundpfändlicher Belastung, denn es ist klar, dass der Bodenkredit durch eine allzugrosse Zersplitterung des Grundeigentums ungünstig beeinflusst wird. Allein ganz gewaltige Hindernisse stellen sich der Durchführung solcher Reformen entgegen.
Es bedarf sehr günstiger, persönlicher und sachlicher Ver­hältnisse, um einigermassen rasch auf diesem Gebiete zu einer Besserung der Zustände zu gelangen, persönlicher aus dem Grunde, weil die Beteiligten, d. h. die Grundbesitzer, die von solchen Mass­regeln betroffen werden sollen, trotz aller Einsicht in die wirt­schaftlich ungünstigen Folgen des Zustandes der Zersplitterung sich ungeheuer schwer entschliessen, auf das Experiment der Zusammen­legung einzutreten. Den Boden, den sie haben, kennen sie. Was sie dagegen zu Tausch erhalten würden, ist ungewiss. Aus eigener Arbeit haben sie die Qualität des zu gewinnenden Bodens jeden­falls nicht kennen gelernt und wären in der Durchführung des Umtausches Zuweisungen ausgesetzt, die leicht zu ihrem Nachteil ausfallen möchten. Jahrelang haben sie vielleicht an der Ver­besserung eines steinigen Feldes gearbeitet, und wenn es nun zur Ausgleichung und zum Umtausch kommen sollte, so wären sie in Sorge, dass ihnen diese Mühe und Arbeit verloren gehen könnte. So dringend erscheint ihnen der vorhandene Übelstand eben doch nicht zu sein, dass die Abhilfe mit einer solchen Unsicherheit er­kauft werden dürfte. Überdies ergeben sich eigene Schwierig­keiten aus der Ungleichheit des Bodens, der zum Austausch ge­bracht werden muss. Man kann ja allerdings fruchtbareres Land mit unfruchtbarerem beim Austausch dadurch ausgleichen, dass man eine kleinere Parzelle des ersteren gegen eine grössere des letzteren aufrechnet. Allein wo sind da die bestimmten Massstäbe ? Und ist nicht die Wertung vielfach wieder eine subjektive, indem je nach den verfügbaren Arbeitskräften bald in einem grösseren,
(1) Erläuterungen Bd. I, S. 36 t f., und Beilage I zu Bd. II.



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einer strengeren Arbeit bedürftigen Komplex, bald umgekehrt in einem kleineren leichter zu bebauenden das erstrebenswerte Ziel gefunden wird? Dann kann es sich fragen, bis zu welcher In­tensität diese Zusammenlegungen ausgedehnt werden wollen. Soll man einfach den Beteiligten eine Rechtshilfe gewähren, womit sie eine grössere Zusammenlegung und Abrundung des Besitztums anstreben und zwangsweise gegen ihre Nachbarn durchzuführen vermögen? Oder soll man grosse Gemeindegüter schaffen, Ver­einigungen zu grossem Besitz, mit oder ohne Neuverteilung, mit gemeinsamer Bewirtschaftung unter voller Verwendung der mo­dernen technischen Hilfsmittel, und namentlich auch mit der Mög­lichkeit einer Besserstellung bei der Errichtung von Grundpfand­rechten durch das Mittel der Vereinigung des Bodenkredites einer grösseren Zahl bishin auf sich selbst angewiesener Grundeigen­tümer? Inkorporation, Zusammenlegung, Austausch treten hier in ihrer Vereinigung oder mit getrennten Zielen auf, ohne dass man sagen könnte, wann und wo das eine und das andere nach den vorhandenen Grundlagen am ehesten erstrebenswert wäre.
Man wird es bei dieser Sachlage begreifen, wenn bis jetzt verhältnismässig nur wenige Kantone sich zu solchen Schritten entschliessen konnten, und auch diese zum Teil nur auf Grund ganz besonderer Voraussetzungen, bei Korrektionsgebieten (St. Gallen), oder nur fakultativ oder unter Abhängigkeit von der Entschliessung der einzelnen Gemeinde (in Tessin, Aargau und Basellandschaft), mit dem Erfolg, dass alles in allem doch nur selten diese Wege beschritten worden sind. Immerhin muss das Problem für berech­tigt erachtet werden, und die Frage, die von der erwähnten Denk­schrift des Staatsrates von Tessin aufgeworfen worden ist, verdient unsere volle Beachtung, ob nämlich nicht die Schwierigkeiten, mit denen die Durchführung solcher Pläne zu kämpfen habe, zu einem guten Teil nur aus der Kleinheit der Rechtsgebiete herrühren, deren Verhältnisse saniert werden sollten, während es der Bundesgesetzgebung viel leichter gelingen könnte, als unparteiische und den konkreten Schwierigkeiten ferner stehende Gewalt, die vom allgemeinen Zutrauen getragen wäre, diese Reformen durch­zuführen.
Allein auch wenn man die eben genannte Frage bejahend beantwortet, so kann es doch immer noch zweifelhaft sein, ob die Kodifikation des Sachenrechtes für die ganze Schweiz der rechte Ort und die gegebene Gelegenheit wäre, eine solche Reform durch­zuführen. Unstreitig berührt sie in engster Weise das öffentliche Recht. Sie führt zu einer Zwangsenteignung für das öffentliche Wohl, sie entzieht den Eigentümern Land, um sie mit anderem



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Lande zu entschädigen. Und wenn nun die Kantone nach unseren früheren Ausführungen bei ihrem Expropriationsrechte im allge­meinen verbleiben sollen, so ist es fast nicht zu umgehen, dass man auch die Aufgabe der Zusammenlegung der Güter dem kan­tonalen Rechte zuweist. Vielleicht liesse sich immerhin, was der Entwurf bis jetzt nicht getan hat, eine allgemeine Norm aufstellen, in deren Schranken es dem kantonalen Rechte überlassen würde, die Zusammenlegungen ein- und durchzuführen, ähnlich wie es im Familiengüterrecht mit den Heimstätten gehalten worden ist. Eine solche Ordnung würden wir, wenn sie eine genügende Unterstützung bei den Kreisen, die es angeht, d. h. bei der Bauernschaft, erhielte, sehr begrüssen. Für einmal hat der Entwurf sich zu diesem Schritte noch nicht zu entschliessen vermocht. Er ist bei dem stehen ge­blieben, was allerdings dann in keinem Falle entbehrt werden kann, nämlich den Kantonen die Befugnis, über Zusammenlegungen auch in privatrechtlicher Hinsicht Bestimmungen aufzustellen, aus­drücklich vorzubehalten. Vgl. Art. 698. (1)
II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.
Achtzehnter Titel. Allgemeine Bestimmungen.
A. Der Inhalt des Eigentums, Art. 644. (2) Die allgemeinen Vor­ schriften begnügen sich mit einer Umschreibung des Inhaltes des Eigentums, die zugleich eine Definition in sich schliesst. Von einer allgemeinen Bestimmung über den Gegenstand des Eigentums wurde Umgang genommen. Vorgeschlagen war anfänglich, diesfalls in einem ersten Artikel zu sagen: „Als Gegenstand des Eigentums werden die körperlichen Sachen und die Naturkräfte anerkannt, insofern sie der menschlichen Herrschaft unterworfen und sowohl tatsächlich als rechtlich abgegrenzt werden können." Allein eine solche allgemeine Bestimmung hätte es doch nicht ent­behrlich gemacht, sowohl beim Grundeigentum als beim Fahrniseigentum wieder vom Gegenstande zu sprechen, und so wurde es
(1) Vgl. ZGB 702. Das Gesetz hat in der Bundesversammlung eine Er­gänzung in dem angeregten Sinne erhalten, Art. 703 u. 802 bis 804. (2) ZGB 641.



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vorgezogen, über diesen in Art. 658 und 706 (1) das Nötige zu sagen und es hier bei der Bestimmung über den Inhalt bewenden zu lassen. Die drei Seiten, die der Inhalt darbietet, sind deutlich unterschieden.
Zuerst wird das materielle Verfügungsrecht festgelegt: Die Verfügung über die Sache steht dem Eigentümer nach seinem Be-­ lieben zu. Sie umschliesst den körperlichen Gebrauch und Ver-­ brauch mit Inbegriff jeder Veränderung. Sie umfasst aber auch die rechtliche Verfügungsmacht in der Veräusserungsbefugnis, die wiederum die Möglichkeit rechtlicher Belastung in sich schliesst. Die Schranken der Rechtsordnung werden dabei in dem gleichen Sinne angefügt, wie dies bei der Rechtsfähigkeit in Art. 6(2) ge­schehen ist: Die Bestimmungen des Zivilgesetzes selbst, sowie öffentlich-rechtliche Vorschriften bezeichnen ihren Inhalt. Insbeson-­ dere können hier Vorschriften über Sachen, die ausser Verkehr gesetzt sind, in Betracht fallen, sowie öffentliche Sachen. Von diesen beiden Arten von Sachen wollte ursprünglich der Entwurf im Zusammenhang mit Art. 644 besonders sprechen. Man fand es aber in den Kommissionsberatungen für überflüssig, hierüber etwas anderes zu sagen, als was in Art. 4(3) der Einleitung angeführt ist. Denn in der Tat versteht sich der Vorbehalt der öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die private Eigentumsordnung von selbst. Es genügt die allgemeine Verweisung im Einleitungstitel, ergänzt durch gelegentliche Verweisungen auf die besonderen Be­stimmungen betr. öffentliche Sachen, wie in Art. 790 und 917 ff. (4) Allerdings ist in mehreren kantonalen Rechten von einem Eigentum des Staates an herrenlosen und ausser Verkehr gesetzten Sachen die Rede, das im Privatrechte geordnet wird. Allein in Wirklichkeit zielt auch dieses auf das Verhältnis zur Staatshoheit ab, so dass es nicht unrichtig schon ein öffentlich-rechtliches Eigentum genannt worden ist. Vgl. Schweiz. PR III, S. 12 ff. und l3ff. Daher würde auch dieses Beispiel der Kantone es kaum gerecht­ fertigt haben, unter dem Eigentum von diesen Erscheinungen be­ sonders zu sprechen. Sie gehören dem öffentlichen Rechte an.
An die Umschreibung der Rechte des Eigentümers schliesst sich zweitens die Festsetzung der Pflichten des Eigentümers. Wir haben in anderem Zusammenhang bereits auf diese Bestimmung hingewiesen.(5) Der Zweck, „andern Schaden zu stiften", kann mit blossem Mutwillen oder mit Vorsatz und bösem Willen, Neid
(1) ZGB 655 u. 713. (2) ZGB 11. Vgl. Erläuterungen Bd. I, S. 47 f., 65. (3) ZGB 6. (4) Vgl. ZGB 796, Abs. 2, und 664. (5) Vgl. Erläuterungen Bd. ], S. 11, insbesondere Anm. 2.



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u. a. gegeben sein. Auf diese Einzelfälle braucht das Gesetz sich nicht einzulassen. Es genügt der Ausschluss jedes eigenen Inter­esses in Verbindung mit dem Zwecke, Andere zu schädigen, wie z. B. bei Errichtung einer turmhohen Mauer mit der einzigen Ab­sicht, dem Nachbar die Sonne abzusperren. Das Nachbarrecht, Art. 684, (1) schützt hier offenbar nicht genügend. Die allgemeine Pflicht des Eigentümers bietet dagegen eine wertvolle Garantie gegen einen Missbrauch der Macht des Rechtes, der, wie wir bereits oben ausgeführt haben, niemals durch den Begriff des Rechtsinstituts an sich gerechtfertigt werden kann. Statt „der nicht offenbar einzig zu dem Zweck erfolgt" liesse sich auch posi­tiv sagen: „der nur den Zweck haben kann" (vgl. Deutsches BGB. § 226).
Die dritte Seite, nach der der Inhalt des Eigentums uns entgegentritt, beruht, wie die erstbetrachtete, auf dem Rechte des Eigentümers. Allein sie beschlägt die rechtliche Wirkung des Eigentums nach einer ganz bestimmten Richtung. Sie betrifft die Rechtsstellung des Eigentümers zu andern Personen, die eine Ein­wirkung auf den Eigentumsgegenstand beanspruchen oder tat­sächlich ausüben. Diesen gegenüber besteht eine doppelte Be­rechtigung des Eigentümers: Einerseits das Verfolgungsrecht, die Eigentumsklage als Recht, die Sache von jedermann heraus zu verlangen. Sie gehört zum Inhalt des Eigentums, wenngleich der Eigentümer im Verkehr sich zur Wahrung seines Rechtes nur auf den gegenwärtigen oder früheren Besitz zu berufen braucht. Vgl. Art. 644, Abs. 3, mit Art. 976 bis 979. (2) Anderseits aber das Recht der Abwehr unberechtigter Eingriffe, die Negatorien­klage, deren Inhalt sich aus ihrer Grundlage mit genügender Deutlichkeit ergibt und denn auch im geltenden Recht, wenn sie überhaupt nur besondere Erwähnung erfährt, nirgends ausführlicher, als es in Abs. 3 geschehen ist, festgestellt wird, vgl. Schweiz. PR III, S. 236 ff.
Auch hier sind natürlich die Schranken der Rechtsordnung hinzuzudenken. Es ergeben sich solche aus den Besitzesregeln (Art. 976 f.) (3) und aus der Anerkennung beschränkter dinglicher Rechte, im wesentlichen also aus der Privatrechtsordnung. Allein es erschien nicht als notwendig, dieses Verhältnis im Gesetze besonders zu betonen. Hier, wie betr. die Verfügungsbefugnis im allgemeinen, genügt es, mit der Aufstellung des Prinzips dargetan zu haben, dass der Eigentümer unter der Annahme steht, die Sache nach dem Inhalte des Eigentumes in seiner Gewalt zu haben,
(1) ZGB 684. (2) ZGB 641, Abs. 3, 931 bis 936. (3) ZGB 931 ff.



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solange eben nicht besondere gesetzliche Schranken oder Rechte anderer Personen nachgewiesen sind.
Fraglich könnte in dieser Verbindung noch sein, ob nicht das Verhältnis des Eigentümers zu demjenigen, der die Sache unbe­rechtigterweise benutzt oder irgendwie angreift, besonders zu ordnen wäre. Man könnte hierfür den Satz, der von einer Seite (Bekker) angeregt worden ist, aufnehmen, dass der Unberechtigte auf Klage des Eigentümers wegen seiner Anmassung zum Ersatz des nachweisbaren Schadens oder zu einer nach Ermessen des Richters zu entrichtenden Geldsumme zu verurteilen sei. Allein man hat bei den Beratungen gefunden, dass aus der Haftbarkeit für un­erlaubte Handlungen sich in genügendem Masse die Klage gegen den Unberechtigten ableiten lasse. Eventuell würde bei der Re­vision des Obligationenrechts Art. 55(1) so zu fassen sein, dass auch solche Fälle, wie z. B. die Benutzung von Gegenständen, die einem andern zum persönlichen Gebrauche dienen, Kleider und dgl. durch jemanden, der hierauf kein Recht hat, darunter bezogen werden könnten.
B. Umfang des Eigentums, Art. 645 bis 648. (2) Der Entwurf unterscheidet bei der Bestimmung des Umfanges des Eigentumes diejenigen Momente, die in bezug auf die Qualität und Art der Sachen für das Eigentum von Bedeutung sind, soweit sie wenigstens nach den oben angegebenen Erwägungen überhaupt der gesetzlichen Ordnung im Privatrecht bedürfen. Jeder der drei Artikel wird mit dem Satze eingeleitet, dass das Recht, resp. die Verfügung des Eigentümers einer Hauptsache sich auf die zu umschreibende Klasse von Nebensachen mit beziehen solle, wobei unter der Ver­fügung (Abs. 1 des Art. 647)(3) natürlich nicht die körperliche Verfügung, sondern die Bestimmung des rechtlichen Schicksales der Hauptsache gemeint ist. Bei der Zugehör nur von dem Eigentum selbst zu sprechen, wie in Abs. 1 der Art. 645 und 646, (4) würde nicht genügen oder zu einer Regel führen, die häufig mit den Tatsachen in Widerspruch stände.
Mit diesen einleitenden Absätzen werden die drei Regeln, die über den Umfang des Eigentumes aufgestellt werden sollen, als Vorschriften über die Arten und Eigenschaften der Sachen in einfacher Weise untereinander verbunden, was unverkennbar eine ziemliche Vereinfachung der ganzen Regelung in sich schließt.
(l) Nunmehr OR 49, wo die genannte Ausdehnung aber nicht aufgenommen ist. (2) ZGB 642 bis 646. (3) ZGB Abs. 1 von 644. (4) ZGB 642, Abs. 1, und 643, Abs. 1.



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Die drei Umschreibungen des Umfanges der Sache aber beschlagen die Bestandteile, die Früchte und die Zugehör.
I. Die Bestandteile müssen von der Zugehör deutlicher unter­schieden werden, als es im geltenden Recht üblich ist, damit auf diese Unterscheidung mit grösserer Leichtigkeit die Verschieden­heit ihrer rechtlichen Behandlung abgestellt werden kann. Drei Momente werden für den Bestandteil hervorgehoben: Das Zuge­hören zum Bestande der Sache, d. h. das Fehlen einer eigenen Existenz als Rechtsgut, so dass der Bestandteil nach seiner Natur keine andere Bedeutung hat, als eben die, Bestandteil einer ande­ren Sache auszumachen, wie z. B. Baumaterialien. Dann, dieses erste Moment ergänzend, das Verhältnis einer engen körperlichen Beziehung, wonach ohne Zerstörung oder Beschädigung oder auch nur relevante Veränderung der Hauptsache der Teil von dieser nicht abgetrennt werden kann. Drittens, zur Erläuterung der beiden angeführten Momente, ein Massstab, nach dem jene Bestan-desqualität und diese Beschädigung oder Veränderung gemessen werden kann, und diesen Massstab findet der Entwurf in der üblichen Auffassung.(1) Dieses dritte Requisit stellt auf einen wechselnden Faktor ab, allein es ist gerade so unentbehrlich. Denn die Auffassungen sind diesfalls in den einzelnen Landes- und Kultvirkreisen ganz verschieden. Der gleiche Ofen, der z. B. in Tessin nur Zugehör ist, kann in Appenzell als Bestandteil gelten. Zu dem zweiten Moment sei noch besonders bemerkt, dass die Veränderung, die hier gemeint ist, für die Sache nicht von wesent­licher Bedeutung zu sein braucht, es genügt, dass sie für den Be­stand des speziellen Gegenstandes überhaupt von irgend einer rele­vanten Bedeutung sei. Der Gegenstand mag also bleiben, was er ist, so wie etwa das Haus auch ohne den Ofen immer noch als Wohnhaus gilt. Einen etwas anderen Massstab wird man dagegen bei den Sachverbindungen oder -Vermischungen anlegen dürfen: Hier ist die Untrennbarkeit und damit eine Beeinflussung der Eigentumsrechte doch nur da gerechtfertigt, wo eine Abtrennung ohne wesentliche Beschädigung oder Veränderung nicht als tunlich erscheint. Aus diesem Grunde rechtfertigt sich die andere Um­schreibung der Voraussetzungen in Art. 720. (2)
Dass Bauten oder Pflanzungen Bestandteile des Bodens sind, auf dem sie sich befinden, wird nicht als allgemeine Eigentums­regel aufgestellt. So weit der Satz für unsere Verhältnisse be-
(1) ZGB 642, Abs. 2, sagt: nach der am Orte üblichen Auffassung. (2) Vgl. ZGB 727.



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rechtigt ist, muss er beim Grundeigentum angeführt werden. Vgl. Art. 673 ff., insbesondere 676 und 678.(1)
II. Unter den Früchten werden in diesem Zusammenhange selbstverständlich nur die natürlichen verstanden. Die zivilen Früchte, d. h. der Gewinn aus der rechtlichen Benutzung einer Sache, gehören nicht zum Umfang des Eigentums. Man kann aber auch in dem erstern, beschränkten Umfange den Begriff der Frucht verschieden auffassen. Entweder begreift er alles in sich, was aus der Sache sich organisch entwickelt, also auch die Bäume, die in einer nicht der Baumzucht gewidmeten Bodenanlage empor­wachsen. Oder es fallen unter den Begriff nur die Erzeugnisse oder organischen Vermehrungen, die nach der Bestimmung der Hauptsache aus ihr gewonnen werden. Man beachte nun für diesen Unterschied den Grund, aus dem man überhaupt dazu ge­langt, neben den Bestandteilen einer Sache noch besonders von deren Früchten zu sprechen. Eine Frucht kann man sich gar nicht anders in eigentlichem Sinne denken, als unter wirtschaft­lichem Gesichtspunkte. In allen andern Beziehungen ist der Be­griff uneigentlich verwendet. In dem genannten Rahmen aber sind alsdann zwei Arten von Früchten zu unterscheiden: Solche, die periodisch von der Hauptsache erzeugt werden (die Früchte der Fruchtbäume, der Felder etc.) und solche, die schlechtweg ein Erträgnis der Hauptsache sind, deren Gewinnung der Bestimmung der Hauptsache entspricht (Junge von Tieren, Torf aus Torf­stichen etc.). Für die letztern muss zur Abgrenzung der gleiche Massstab gegeben sein, wie wir ihn betr. die Bestandteile hervor­gehoben haben, nämlich die übliche Auffassung, auf die deshalb auch hier der Entwurf verwiesen hat.
Wesentlich ist die Bestimmung des Umfanges des Eigentums in bezug auf die Frucht zum Zweck der Abgrenzung der Rechte des Eigentümers, resp. des Fruchtberechtigten. Das Eigentum ergreift auch die Frucht, so lange sie nicht getrennt ist. Aber gerade hier kann nur von natürlicher Frucht die Rede sein, was in Abs. 3, vielleicht ohne damit grössere Klarheit zu schaffen, ausdrücklich angefügt worden ist.(2) Auf die Trennung und nicht auf die Reife oder die Gewinnung stellen wir also ab, um durch­aus im Rahmen des Eigentumsunifanges als körperlichen Umfanges zu verbleiben. Jede Abweichung von diesem Grundsatz läuft ins ungewisse hinaus. Man hat sich in der Gesetzgebung und Praxis mit allen möglichen Versuchen abgegeben. Wir erinnern nur an
(') ZGB 671 ff., insbesondere 675 u. 678. (2) ZGB 643, Abs. 3.





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die Schicksale des „Blumens" nach unseren früheren und zum Teil noch geltenden kantonalen Grundpfandrechten (Schweiz. PR III, S. 576 f., IV, S. 809,825). Will man in dieser Richtung für den Nutz-niesser oder den Grundpfandgläubiger die Rechte erweitern oder beschränken, so muss im Gesetz hierfür auf eine andere Grundlage abgestellt werden. Empfehlenswert aber scheint es uns in jedem Falle zu sein, so viel als möglich einfach bei der anschaulichen Ordnung stehen zu bleiben, dass die Trennung den Zeitpunkt bildet, von dem an das Eigentum an der Hauptsache sich nicht mehr auf die Früchte erstreckt. Wir werden später ausführen, wie es der Entwurf versucht, diesen Satz überall durchzuführen. Nicht aus­reichen wird freilich die Vorschrift zur Umschreibung der Rechte des Nutzniessers. Art. 751(1) hat diesfalls die Wendung versucht, dem Nutzniesser einen Rechtsanspruch auf die Abtrennung der Früchte zu geben, die während seiner Berechtigungszeit reif ge­worden sind, und zwar einen dinglich wirkenden, während grund­sätzlich auch in der Nutzniessung die Früchte bis zur Trennung dem Eigentümer der Hauptsache gehören. Beim Grundpfand wird einfach im Umfange des Eigentums auch die Pfandhaft voraus­gesetzt, diese also bis zur Trennung auch auf die Früchte bezogen, die mithin mit dieser zu einer besonderen Sache werden und nicht mehr in der Pfandhaft des Pfandgläubigers stehen, Art. 795.(2)
Diese Regeln dürfen unbedenklich auch auf die „Früchte" bezogen werden, die aus Bestandteilen der Hauptsache gewonnen werden, wie die Erträgnisse eines Steinbruches. Der Nutzniesser wird also auch hierauf berechtigt sein, sobald er der Bestimmung der Sache gemäss diese Erträgnisse sich aneignet, während, wo diese Bestimmung fehlt, auch keine Berechtigung und Nutzniessung gegeben ist. Vgl. Art. 750.(3) Den Schatz erwähnt der Entwurf hier mit Rücksicht auf die Fälle, wo die aufgefundene Sache nach der gegebenen Umschreibung zugleich Bestandteil der Hauptsache ist, wie dies z. B. bei eingemauerten Antiquitäten der Fall sein kann. Die Doktrin beantwortet die Frage betr. den Anspruch des Nutzniessers auf den Schatz in verschiedener Weise.
Gerade so, wie wir es betreffend die aus dem unberechtigten Gebrauch der Sache resultierende Verantwortlichkeit angeführt haben, war auch hier im ersten Entwurf vorgeschlagen, der Um­schreibung der Früchte eine Vorschrift anzufügen, wonach der Eigentümer die Früchte, die ein Nichtberechtigter sich angeeignet





(') ZGB 756. (2) ZGB 805. (3) Im Gesetz ist diese allgemeine Regel nicht ausgesprochen. Aufgenommen ist nur Abs. 2 des Art. 750 als Abs. 3 von 756.










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habe, von diesem solle herausverlangen können, dieser aber berechtigt sei, für die Kosten, die er in gutem Glauben für die Gewinnung der Früchte aufgewendet, im Umfang einer ordent­ lichen Bewirtschaftung und des Wertes der Früchte selber, Ersatz zu verlangen. Allein man fand, dass diese Bestimmung sich zum Teil mit Art. 981 (1) decken würde, während zum andern Teile regel­ mässig aus dem Rechtsverhältnis, in dem der Angesprochene zum Eigentümer stehe, eine genügende Ordnung abzuleiten sein werde. Veräusserung, Verpfändung oder Pfändung der Früchte als künftiger, selbständiger Sachen stehen unter den Regeln, die eigens hierfür aufgestellt sind. Die Veräusserung im weitesten Sinne wird bei der Ordnung der Kaufverträge über Immobilien im OR geregelt werden müssen (vgl. Schweiz. PR 111, S. 18 ff., S. 699, IV, S. 684). Die Pfändung ist in Art. 94, 102, 103, 115 des Schuldbetreibungs­ und Konkursgesetzes hinreichend geordnet.
III. Die Zugehör findet in Anlehnung an Vorschläge, die für ein Konkordat über den Zugehörbegriff im Jahre 1882 gemacht worden sind (vgl. Schweiz. PR III, S. 41, Anm. 3) zur grossem Abklärung eine doppelte Umschreibung, positiv in Art. 647 und negativ in Art. 648.(2) Wer die Schwierigkeiten bedenkt, zu denen der Zugehörbegriff Veranlassung geben kann, wird darin nichts Überflüssiges finden. Vgl. Schweiz. PR III, S. 27 ff. Nach beiden Richtungen sind es auch hier drei Momente, mit denen der Begriff umschrieben wird: Erstens Bestimmung durch den Eigentümer (oder eines andern, dessen Verfügungen als solche des Eigentümers gelten können) zur dauernden Verwendung für die Bewirtschaftung, Benut­ zung oder Verwahrung der Hauptsache. Man denke betreffend diese Begriffe an Rebstickel, Fensterladen, Futterale. Zweitens Herstellung einer äussern Beziehung zur Hauptsache, die der Bestimmung entspricht. Und drittens vor allem Bestimmung für die Hauptsache in der angegebenen Weise nach der üblichen Auf­ fassung, die hier nicht kumulativ, sondern alternativ neben das erste Moment tritt, während das zweite sich den beiden andern zugesellen muss, um aus einer Sache die Zugehör einer andern zu machen. Die negative Umschreibung stimmt mit dieser Unter­ scheidung vollständig überein. Man denke an eine Badeeinrichtung, die sich der Eigentümer hat einrichten lassen, ohne sie zu einem Bestandteil des Hauses zu machen, oder an die Möbel, die in ein Wohnhaus eingebracht sind, oder endlich auch an Warenlager oder Maschinen, die zum Verkaufe ausgestellt werden. Unter Umständen
(l) ZGB 939. (2) ZGB 644 u. 645.



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sind solche mit der Hauptsache in einer Weise verbunden, dass dem Anscheine nach eine dauernde Verbindung- und allfällige Per-tinenzqualität als gegeben erscheinen könnte. Allein man will sie durch die Verbindung mit einem Triebwerke oder dergleichen nur in ihrer Funktion dem Kauflustigen vor Augen führen. Sie fallen ihrer Bestimmung nach unter Art. 648 und nicht unter Art. 647 (1), und demgemäss ist der Begriff der Zugehör nicht auf sie anwendbar.
Im Laufe der Beratungen wurde der Versuch gemacht, in Anlehnung an einige neuere schweizerische Gesetzbücher (vgl. Schweiz. PE III, insbesondere S. 29, 32 f., 35 ff.) durch Anführung von Beispielen das Verhältnis noch mehr zu verdeutlichen. Als Zugehör wurden dabei genannt: Fensterladen, Doppelfenster, Schlüssel, der auf dem Gut gewonnene und übungsgemäss für das Gut bestimmte Dünger, Maschinen, Gerätschaften, Gasthofeinrich­tungen, Vorrichtungen zur Einzäunung u. dgl. Ebenso sollten dann auch die Bestandteile im Gegensatz zur Zugehör durch Beispiele in ihrer Eigentümlichkeit erläutert werden, und es wurden hierfür vorgeschlagen: Eingezimmerte oder eingemauerte Schränke, Öfen, Kessel, Läutwerke u. dgl. Allein eine nähere Prüfung hat ergeben, dass sich diese Beispiele für ein einheitliches schweizerisches Recht nicht eignen, und wenn man auch ihre Bedeutung durch die Ein­fügung eines „regelmässig" oder dgl. eingeschränkt hätte, so würden sie doch leicht mehr Verwirrung als Klärung gebracht haben. Die übliche Auffassung, auf die bei der Zugehör wie bei dem Bestandteil verwiesen wird, ist nicht für alle Gegenden der Schweiz die gleiche. Die Berufung auf diese Auffassung macht nicht nur die Anführung von Beispielen unnötig, sie lässt auch die verschiedenartige Beurteilung nach der Auffassung in der Ost­oder der Westschweiz, im Süden oder im Norden, im Tale oder im Gebirge zu ihrem Rechte kommen, und auch bei der nun vorliegenden allgemeinen Umschreibung in abstrakter Form wird die Subsumtion unter die klar gefassten Begriffsmomente in der Praxis auf keine zu grossen Schwierigkeiten stossen.(2)
Die rechtliche Bedeutung der Zugehörqualität liegt in dem Satze, dass die Verfügung über die Hauptsache sich auch auf die Zugehör beziehen soll, falls keine Ausnahme gemacht wird. Dies geht unzweifelhaft auf die dinglichen Rechte, allein es erschöpft sich nicht mit diesen, so dass es nicht genügen würde, etwa zu sagen, die an der Hauptsache bestehenden dinglichen Rechte er­fassen auch die Zugehör. Denn nicht nur das dingliche Recht,
(') ZGB 645, 644. (2) Vgl. zudem ZGB 5, insbesondere Abs. 2.



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auch die Verpflichtung zur Begründung eines solchen ergreift die Zugehör wie die Hauptsache, gilt für jene wie für diese. Anderer­seits wäre es denn aber doch nicht richtig zu sagen, an der Zu­gehör bestehen überhaupt die gleichen Rechte, wie an der Haupt­sache. Denn beide können verschiedene Eigentümer haben, wie auch das Pfandrecht an der Hauptsache sich gelegentlich auf Zugehörstücke nicht erstreckt. Es bleibt also nur die Fassung möglich, die in dem zitierten Abs. 1 gewählt ist. Damit steht in Zusammenhang, dass hier eine bewegliche Sache genannt wird, während beim Bestandteil von Sache überhaupt zu sprechen ist. Unbewegliche Sachen werden vom Begriff der Zugehör ausge­schlossen. Sie bilden entweder einen Teil eines grösseren unbeweg­lichen Ganzen, oder sie sind nur wirtschaftlich und nicht rechtlich mit einer andern Sache verbunden. Vgl. Schweiz. PR III, S. 28 1f., insbesondere betreffend das französische Recht. Dagegen trägt der Entwurf kein Bedenken, als Hauptsache, zu der eine Zugehör bestehen kann, auch eine bewegliche Sache anzuerkennen. Man denke an das Futteral eines Instrumentes.
Dazu kommen in bezug auf die Verfügungen des Eigentümers noch zwei Momente, die kurz anzufügen sind. Einmal kann der Eigentümer die Zugehör vorübergehend von der Hauptsache ent­fernen. Bleiben die Begriffsmerkmale bestehen, so nimmt dieser Umstand auch der Sache nicht ihre Qualität als Zugehör, gerade so wie umgekehrt die vorübergehende Verbindung ihr diese Eigen­schaft nicht zu geben vermag. Vgl. Art, 647, Abs. 3 und Art. 648. (') Sodann muss es sich fragen, ob im Rechtsverkehr eine willkürliche Begründung von Zugehörigkeit mit einfacher Verfügung des Eigen­tümers als statthaft zu erklären sei. Die Gesetze geben regelmässig eine Umschreibung der Pertinenz im dem Sinne, dass zwar beson­dere Abreden den Charakter der Zugehör aufheben können, eine Begründung dieser Qualität aber durch Vertrag über den gesetz­lichen Begriff hinaus als unstatthaft betrachtet wird. Nun gestatten aber einige Rechte, über die allgemeine Definition hinauszugehen und in gewissem Umfange noch weitere Gegenstände bei Verkauf oder Verpfändung eines Grundstückes mit dinglicher Wirkung als Zugehör zu bezeichnen, vgl. Schweiz. PR III, S. 38 ff., und die Frage musste daher aufgeworfen werden, ob der Entwurf sich diesem Vorbilde nicht anschliessen soll. Die Erfahrungen, die mit diesem System gemacht worden sind, scheinen nicht gerade ermu­tigend zu sein, und die Experten haben gefunden, es sei richtiger, auf den Willen des Verkäufers oder Verpfänders mit Hinsicht auf
(') ZGB 644, Abs. 3, S. 645.



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eine solche Ausdehnung der Zugehör nicht abzustellen, sondern einzig auf die gesetzliche Umschreibung selbst. Anderseits kann aber doch nicht verkannt werden, dass es zur Abklärung des Verhältnisses ungemein beiträgt, wenn in dem Verpfändungsakt und im Grundbuch einzelne Gegenstände ausdrücklich als Zugehör genannt werden, und um dieses Moment zu berücksichtigen, hat der Entwurf sich zu folgender Lösung der Frage entschlossen : An und für sich soll über die Zugehörstücke nur so weit mitver-fügt sein, als von Gesetzeswegen, — und nur von Gesetzeswegen,
—  im einzelnen Falle Zugehör vorliegt, und zwar wird es Sache des Erwerbers sein, gegenüber einer Bestreitung die Eigenschaft einer Sache als Zugehör nachzuweisen. Wenn nun aber der Eigen­tümer in dem Verfügungsakte einzelne bestimmte Gegenstände als Zugehör aufführt, so darf das doch nicht bedeutungslos sein. Viel­mehr soll damit eine Umkehrung der Beweislast hergestellt werden, wonach diese Gegenstände als Zugehör betrachtet und mitver­pfändet sind, so lange nicht bewiesen wird, dass der gesetzliche Begriff der Zugehör auf sie nicht passt (Art. 795, Abs. 2). (1) Freilich kann die Zugehör einen eigenen Eigentümer haben oder auch eigens als bewegliche Sache verpfändet sein. Bedenkt man aber, dass der gutgläubige Erwerb von dinglichen Rechten an beweglichen Sachen auch in solchen Fällen die Wirkung haben muss, die das Besitzesrecht des Entwurfes ihm zugesteht (Art. 976) (2)
— was allerdings nicht überall anerkannt ist, z.B. nicht in Art. 1121, Abs. 2 des DBGB —, so dürfte in dieser Beziehung der Zusatz genügen : Vorbehalten bleiben die Rechte Dritter an der Zugehör, Vgl. Art. 795, Abs. 3. (3) Immerhin ist dabei in bezug auf den gut­gläubigen Erwerb zu beachten, dass jedermann wissen muss, dass eine Verschlechterung des Pfandobjektes die Rechte der Grund­pfandgläubiger in rechtswidriger Weise beeinträchtigt, und da nun die eingetragenen Grundpfandrechte als allgemein bekannt zu behandeln sind, so folgt daraus, dass der Erwerber von Zugehör (und das gleiche gilt dann auch betreffend die Bestandteile eines Grundstückes) als mobiler Sache sich, sobald er weiss oder wissen muss, dass diese Abtrennung eine Verschlechterung der Haupt­sache bedeutet, auf den Schutz des gutgläubigen Erwerbes nicht wird berufen können.
Die Anmerkung der Zugehörstücke im Grundbuch wird in der Weise für den Verkehr wohltätig zu wirken vermögen, dass dadurch die Berufung auf die Zugehörqualität erleichtert und eventuell auch die Massregel betreffend Verschlechterung der Pfandsache
(1) ZGB 805, Abs. 2. (3) ZGB 933. (3) ZGB 805, Abs. 3.



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bei Entfremdung von Zugehör viel brauchbarer gemacht wird. Es erschien nicht als notwendig, die Vermutung des Abs. 2 von Art. 795, womit die Anmerkung der Zugehör im Grundbuch diesen Vermögens­stücken bis zum Beweise des Gegenteils die Zugehörqualität sichert, als allgemeine Regel bei Art. 647 anzuführen. (') Die Aufnahme der Zugehör in das Grundbuch steht parallel der Aufführung der Bauten und der Beschreibung des Grundstückes im Grundbuch überhaupt, mit der ebenfalls keine besondere Rechtskraft verbunden ist, während sie doch zur Aufklärung aller Beteiligten nicht ent­behrt werden kann.
C. Das gemeinschaftliche Eigentum, Art. 649 bis 657. (2) Wir
haben schon in den allgemeinen Ausführungen über das Eigentum die Erwägungen angegeben, die den Entwurf dazu geführt haben, zwei Arten des gemeinschaftlichen Eigentums zu unterscheiden : Das Miteigentum und das Gesamteigentum. Kein Fall des gemein­ schaftlichen Eigentums dagegen ist es, wenn ein Gegenstand im Eigentum einer Genossenschaft steht. Denn diese ist als juristische Person ein einziges Rechtssubjekt, das wie ein einzelner Mensch sein Eigentum haben kann, mag auch in der Nutzungsbefugnis eine Betätigung zutage treten, die mit derjenigen der Gesamteigentümer einige Ähnlichkeit hat. (Anders die Darstellung in einigen kanto­ nalen Rechten, s. Schweiz. PR III, S. 150.)
Miteigentum liegt vor, wenn mehrere Subjekte eine Sache dergestalt in ihrem Eigentum haben, dass das Recht eines jeden nicht auf einen körperlichen Teil, sondern auf einen rechtlichen Anteil an der ganzen Sache, also auf eine ideelle Quote geht. Gesamteigentum dagegen muss als vorhanden angenommen werden, wo die mehreren Eigentümer ein Recht auf die ganze Sache haben, ohne jede quotenmässige Beteiligung an der Sache.
Daraus ergeben sich drei ganz verschiedene Konsequenzen des gemeinschaftlichen Eigentums:
Erstens kann ein jeder der mehreren Miteigentümer über die Quote, zu der die Sache ihm gehört, verfügen, als wäre er Allein­ eigentümer. Er kann diese verkaufen, belasten, verpfänden, sie kann von seinen Gläubigern gepfändet werden, ohne dass die übrigen Miteigentümer sich dessen zu erwehren vermögen. Jeder hat in bezug auf seine Quote die gleichen Rechte, das Recht eines jeden ist von dem der andern unabhängig. Dagegen können die Gesamteigentümer über die Sache nicht anders verfügen, als ent­weder einstimmig oder durch einen für sie irgendwie gegebenen Vertreter.
(') ZGB 805, Abs. 2, und 644. (2) Vgl. ZGB 646 bis 654.



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Zweitens kann ein jeder Miteigentümer aus der Gemeinschaft austreten. Das Miteigentumsverhältnis hindert ihn nicht daran. Er kann demgemäss auch jederzeit seinen Anteil als Wertteil an der ganzen Sache herausverlangen, es steht also bei jedem, die Liqui­dation der Sache anzubegehren. Die Gesamteigentümer haben ein solches Recht nicht. Die Aufteilung ist ausgeschlossen durch ihre Verbindung zu Gesamteigentum, so lange diese eben dauert, und wenn die Aufteilung in bezug auf einen Komplex von Gegenständen erfolgt, z. B. für ein ganzes Vermögen, so wird die gesamte Masse als Einheit behandelt, während bei dem gewöhnlichen Miteigentum die Berechtigung zur quotenmässigen Teilung auf jeden einzelnen Gegenstand bezogen werden muss.
Drittens tragen die Lasten des Eigentums und die Verant­wortlichkeit auf Grund der Verhältnisse, die aus dem Eigentum sich ergeben können, die Miteigentümer wiederum kraft ihrer Quotenbeteiligung pro rata, während die Gesamteigentümer aus der Gesamtsache auch insgesamt verpflichtet, und sogar zumeist solidarisch haftbar sind.
Des näheren ist das Verhältnis zwischen den Miteigentümern in folgenden Punkten festzustellen:
Die Anteilsberechtigung ist mangels einer andern Festsetzung eine gleichmässige, also besteht die Vermutung gleicher Quoten.
Die Verwaltung kann natürlich nicht quotenweise erfolgen, sie muss also gemeinsam sein. Allein die praktischen Bedürfnisse verlangen darnach, es als selbstverständlich anzuerkennen, dass die gewöhnlichen Verwaltungshandlungen von jedem für die ganze Sa.che vorgenommen werden können, so lange nicht eine andere Anordnung getroffen ist. Solche Anordnungen soll die Mehrheit treffen können und zwar die Mehrheit nach Köpfen. Es ergibt sich hieraus eine Erleichterung im Miteigentumsverhältnis, die dem geltenden Rechte entspricht. Vgl. Schweiz. PR III, S. 148 f. Handelt es sich aber um wichtigere Verfügungen, so erscheint eine solche Einzelbefugnis nicht mehr als selbstverständlich. Also wird hier zum mindesten eine Verfügung der Mehrheit verlangt werden müssen, die zudem bei den wichtigen Konsequenzen, die sich mit solchen Massregeln verbinden, auch die Mehrheit der Wertteile, also den grösseren Wert des Ganzen repräsentieren soll. Sind bloss zwei Miteigentümer da, so ergibt sich daraus, auch wenn ihre Anteile verschieden gross sind, dass sie nur gemeinsam handeln können, denn keiner bildet gegenüber dem andern die vom Gesetz verlangte Mehrheit.
Von diesen Verwaltungsmassregeln sind die Verfügungen zu unterscheiden. Sie betreffen den Gebrauch der Sache und deren



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Nutzung oder dann auch die rechtliche Verfügung, Belastung und Veräusserung. Auch hier erscheint eine quotenmässige Abteilung nicht überall als durchführbar. Sie ist es in bezug auf die Teilung der Früchte, oder auch anderer Vorteile, die in zeitlicher Folge die Sache etwa verschaffen kann. Allein sonst wird einfach gesagt werden müssen, dass jeder die Sache gebrauchen könne, so weit dies mit dem Recht der andern verträglich ist. Man denke z. B. an die Benutzung eines gemeinschaftlichen Brunnens für die Wirt­schaft der Beteiligten. Die rechtlichen Verfügungen über die ganze Sache erheischen unbedingt die Einstimmigkeit aller Miteigen­ tümer. Auch eine Abweichung hiervon können sie nur einstimmig anordnen.
Mit der Tragung der Kosten ist es nicht anders zu halten, wie mit den Vorteilen: Jeder hat seinen Anteil zu prästieren. Eine Solidarhaft ist nicht begründet. Der Regress bei Mehrleistung des einen gegen die übrigen kann nicht verweigert werden.
Die Abgrenzung zwischen Art. 650, Abs. 3, und Art. 651 (') wird nach der Natur des Falles ohne Schwierigkeit erfolgen können. Handelt es sich z. B. um die Verwendung eines land­ wirtschaftlichen Grundstückes als Bauland, so ist nach der letz­ teren Bestimmung zu verfahren. Ist aber die Veränderung der Kultur, wie Umwandlung eines Weinberges in Wiesland in Frage, so wird man den zitierten Absatz 3 in Anwendung zu bringen haben.
Fraglich ist endlich beim Miteigentum die Art der Liquida­ tion. Sie darf jederzeit beansprucht werden. (2) Allein wenn aus deren Durchführung eine Belästigung über die Maßen und bei deren sofortiger Vornahme grosser Nachteil entstehen würde, so soll hier wie bei dem Verhältnis der fortgesetzten Gütergemein­ schaft (Art. 264, Abs. 3)(8) und der Genieinderschaft (Art. 375, Abs. 2),(4) sowie bei der Gesellschaft (Art. 546 und Art. 657, Abs. 3, des OR)(5) ein Aufschub nicht versagt werden. Man könnte auch einfach denjenigen Miteigentümer, der das Verlangen stellt, für den Schaden verantwortlich machen. Allein richtiger ist es wohl, die Liquidation zu verschieben. Dabei lassen sich aber wieder zwei Wege denken. Entweder man gestattet die Anbringung des Begehrens und verleiht nur dem Richter die Befugnis, die Aus­ führung zu verschieben. So kommt es im geltenden Rechte vor,
(') ZGB 647, Abs. 3, u. 648. (2) Vgl. die Einschränkungen in ZGB 650. (3) ZGB 236, Abs. 3. (4) ZGB 346, Abs. 2. (5) Nunmehr OR 546, Abs. 2, u. 657, Abs. 3.



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vgl. Schweiz. PR III, S. 145. Dann ergibt sich die Folge, dass die ökonomischen Konsequenzen an sich nach dem Zeitpunkt des Begehrens beurteilt werden müssen und alle Verschiebung nur auf die Durchführung der auf den früheren Zeitpunkt zu begründenden Aufhebung bezogen werden darf. (1) Anders bei der Regel, wie sie der Entwurf angenommen hat und wie sie auch sonst zumeist der Verschiebung bei Unzeit zu Grunde gelegt wird. Darnach wird nicht nur die Durchführung der Teilung, sondern die Auf­hebung selber verschoben, so dass, was sich an diese knüpft, erst nach dem späteren Zeitpunkt beurteilt werden muss. Natürlich kann dies in bezug auf die Schicksale der Teilung und die Folge­rungen aus der Aufhebung von sehr verschiedener Wirkung sein. Man denke nur an den Fall, wo eine Veränderung der Quoten während der Zwischenzeit eingetreten ist, oder wo eine Abrede irgendwelcher Art, z. B. betreffend Verfügung über die Quote, nach dem Begehren, aber vor der Teilung getroffen wird, wo überall der Anspruch der Berechtigten eine ganz andere Gestalt erhält, je nachdem nur die Teilung oder auch die Aufhebung ver­schoben worden ist.
Was sodann die Teilung selber anbelangt, so lassen sich drei Hauptarten denken: Körperliche Teilung, Verkauf mit Teilung des Erlöses, wobei der Verkauf aus freier Hand oder an öffentlicher Versteigerung erfolgen kann, und Übertragung der Sache auf einen der Miteigentümer unter Auskauf der übrigen. Bei dem zweiten Weg können auf der öffentlichen Steigerung die Miteigentümer selbstverständlich mitbieten. Sie handeln in diesem Falle als Dritte. Erfolgt die Übernahme durch einen ohne solchen Verkauf, so kann das Vorgehen auch in der Art gedacht werden, dass der eine die Quoten der andern aufkauft. Es bedarf dazu dann gar keiner gemeinsamen Verabredung, das Miteigentum erlischt infolge von Konfusion.
Da der einzelne die Aufhebung verlangen darf, ist nur die Art ihrer Durchführung der freien Vereinbarung unter Einigung aller vorbehalten. Können sie sich nicht einigen, so bleibt eben doch das Recht auf die Liquidation für den einzelnen bestehen. Muss dann der Richter durch seinen Spruch die mangelnde Ver­einbarung ersetzen, so geht es nicht an, diesem eine Art der Teilung bei Begehren auch nur eines der Miteigentümer vorzu­schreiben. Allgemeine Regel könnte doch nur der Verkauf sein, und man begreift, zu welchen Schikanen die Aufstellung einer solchen den Richter bindenden Vorschrift unter Umständen führen
(') Vgl. auch die oben angeführten Gesetzesstellen.



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müsste. Die Fälle und die in ihnen liegende Natur der Sache sind überhaupt so vielgestaltig, dass eine jede subsidiäre Regel nur Verwirrung stiften könnte. Man denke an die Liquidation der Gemeinschaft von zweien an einer Quelle, die dem einen absolut unentbehrlich ist, während der andere sie in keiner Weise selber zu nutzen vermag und nur als Spekulationsobjekt zu behandeln beabsichtigt. Oder an ein Haus, das dem einen als Sitz seines Gewerbes dient, während der andere auswandert und gar kein Interesse an etwas anderem als an dem Geldwert hat. Oder an eine Gemeinschaft betreffend zu Spekulationszwecken gekaufte Waren, an die Gemeinschaft aus zufälliger Vermischung ver­ schiedener Sachen, an das Miteigentum an einer Grenzmauer usw. Hier überall muss der Richter nach den verschiedenen Begehren der sich bekämpfenden Beteiligten die Sache zu prüfen und dem­jenigen schliesslich Recht zu geben befugt sein, der nach seinem Ermessen am ehesten die Natur der Sache und die Billigkeit für sich hat. Jede andere gesetzliche Ordnung wäre zwar gewiss für einen Richter, der die Sache nicht gründlich untersuchen mag, bequemer, würde aber eine Willkür des Gesetzgebers bedeuten, die, weil allgemeiner wirksam, sich als viel schlimmer erweisen müsste, als irgend eine etwa befürchtete Willkür des Richters im einzelnen Falle. Hier, wie in andern Fällen, auf die wir schon oben hingewiesen haben, wird stets, sobald der Verkehr an der rein formalen Lösung absolut kein Interesse hat, einer solchen das richterliche Ermessen vorzuziehen sein.(')
Endlich wird man sich auch noch fragen, wie sich die Mit­ eigentümer über ihre Beteiligung an der Benutzung der Sache sollen verabreden können, ob nur mit persönlicher oder auch mit dinglicher Wirkung. Das hat insofern Bedeutung, als diejenigen, die infolge von Veräusserung von Anteilen neu in die Gemein­ schaft eintreten, an die dingliche Abrede ohne weiteres gebunden sind, dagegen nicht an die persönliche. Die Lösung der Frage kann auf verschiedener Grundlage gefunden werden. Man kann die Beteiligung der Miteigentümer mit Hinsicht auf die Nutzung und die Verwaltung sich abgegrenzt denken, wie in bezug auf die Quote, so dass die Festsetzung des Verhältnisses mit ein Stück der ideellen Teilung des Eigentums selbst bildet. Kann man ideell nach Quoten im Wertbetrage teilen, so muss es auch angehen, in bezug auf die Nutzung die Teilung festzulegen. Die Festsetzung bildet dann also einen Teil der ideellen Teilung des gemeinschaft-
(') ZGB 651, Abs. 2, gibt dem Richter eine beschränkende Anweisung. Vgl. auch Abs. 3.



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lichen Eigentums. Eine solche Feststellung wird wie die Quoten­teilung einen Teil der Eigentumsordnung bilden, also in diesem Sinne auch unter die Rubrik des Eigentums in das Grundbuch eingetragen werden können. Es ist darnach dann aber nicht eine dingliche Berechtigung, die für den einen an den Quoten der andern wechselweise errichtet wird, sondern eben die Ordnung des Eigentums der Mehreren untereinander, was in solchen Ein­tragungen enthalten ist. Die zweite Lösung würde in einer Regelung auf dem Wege der Belastung der einen Quote durch Ansprüche des Eigentümers der anderen Quote bedeuten und eine solche Belastung müsste als möglich erscheinen, insoweit es sich dem Inhalte nach um den Gegenstand eines dinglichen Eechtes, wie namentlich Nutzniessung und Gebrauchsrecht, handelt. Der Ent­wurf sagt weder über das eine noch das andere etwas. Er bestimmt einfach, dass eine Belastung der Quoten möglich sei, als handle es sich in diesem Umfange um Alleineigentum, und dass eine Abrede über die Anteile frei getroffen werden könne. Also erscheinen beide Arten der Dinglichmachung der wechselseitigen Ansprüche in dem angegebenen Rahmen als möglich. Unmöglich dagegen wäre eine dingliche Belastung der Quoten mit Ansprüchen, die nicht Gegenstand eines dinglichen Rechtes sein können. Denn, wie wir später sehen werden, gestattet der Entwurf es nicht, dass beliebige persönliche Ansprüche durch Eintragung in das Grundbuch dinglich wirksam gemacht werden.
Das Gesamteigentuin bedarf derselben eingehenden Ordnung nicht. Es genügt, die schon angeführten wesentlichen Merkmale anzuführen, im übrigen ist auf die Natur und Ausgestaltung der Gemeinschaft zu verweisen, der es zusteht. Der Entwurf kennt solches Gesamteigentuin für verschiedene Fälle, die wir schon oben angeführt haben. Was die Glieder dieser Gemeinschaften zu Eigen­tum besitzen, das ist Gesamteigentuin. Die Quotenteilung ist aus­geschlossen, die Verfügung über die Quote ebenfalls, die Verfügung über die Sache erfolgt mit gesamter Hand oder durch einen Ver­treter der Gesamtheit, der nach dem Rechtsverhältnis der Gemein­schaft oder von Gesetzes wegen mit dieser Vertretungsmacht ausgerüstet ist. Diese Gemeinschaftswirkung belastet das Gut dinglich, es ist das eigenartige Eigentumsverhältnis, das hier gegenüber jedermann seine Wirkungen ausübt. Aber die Wirkung bestellt nur für so lange, als die Gemeinschaft das Eigentum hat. Der Wechsel des Eigentümers hebt alle .diese Wirkungen auf, denn sie sind nach der Natur der Gemeinschaft, die das Eigentum hat, nur für so lange gegeben, als dieses jener zustellt. Daher sagt



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Art. 657, (') dass mit jedem Austritt der Sache aus dem Eigentume der Gemeinschaft auch das Gesamteigentum an ihr ein Ende nimmt. Kommt es zur Liquidation, weil die Gemeinschaft aufgehört hat, so stehen die Ansprüche der Glieder der aufgehobenen Gemein­ schaft nicht mehr unter dieser Verbindung, sondern es sind die Glieder gewöhnliche Miteigentümer, und die Liquidation erfolgt gerade so wie beim Miteigentum.
Durch die Zusammenfassung dieser Erscheinungen der Gemein­ schaft wird das Gemeinsame, das in ihrer Beziehung im Verhält­nis zum Eigentum besteht, in einer Weise zur Darstellung und Ordnung gebracht, die deshalb von grosser praktischer Bedeutung ist, weil dadurch grössere Klarheit in die verwandten Fälle ge­ bracht und allerlei mitlaufendes Missverständnis möglichst ver­ mieden wird. Man denke an die Fälle: Der Ehegatte in Güter­ gemeinschaft möchte gerne ein Grundstück in dem Verhältnis verpfänden, in dem er dessen Teilung bei der Aufhebung der Gemeinschaft beanspruchen könnte, d. h. zur Hälfte. Baselstadt hat in einer früheren Praxis solche Quotenverpfändungen ehelicher Grundstücke (zu 2/3 und 1/3) zugelassen und sich damit einen un­endlichen Wirrwarr eingeheimst, bis schliesslich die bessere Einsicht in das Wesen der Gesamthand der Verwirrung ein Ende gemacht hat. Jetzt wird in Basel nur noch mit Gesamthand das ganze eheliche Grundstück verpfändet. Oder: Ein Gläubiger greift mit Pfändung auf eine ideelle Quote eines Gegenstandes, der mehreren Geineindern oder Gesellschaftern angehört, Für den Fall der Liquidation dieser Gemeinschaft ergibt sich vielleicht, dass das ganze Eigentumsstiick zur Bezahlung der Passiven der Gemeinschaft verwendet werden sollte. Allein der andere an der Gemeinschaft Beteiligte kann dies nicht geltend machen, wenn er dulden muss, dass der quotenmässige Anteil an dem einzelnen Stücke von jedem Privatgläubiger gepfändet werden darf, und Folge davon ist, dass er unter Umständen die ganzen Passiven aus seinem Vermögen decken muss, nur weil die Gläubiger des Mitgesellschafters auf dessen quotenmässige Anteile an den einzelnen Yerinögensstücken der Gemeinschaft die Hand gelegt haben. Auch hier ist eine ganz eigentümliche Verwirrung die Folge der blossen Anerkennung von Miteigentum, die nach OR, Art, 544 und 545, (2) noch gesteigert wird, da man nicht weiss, wonach die Anteile der Gesellschafter an diesen Eigentumsobjekten, von denen das Gesetz spricht, sich bestimmen, ob nach den Einschüssen, nach der Gewinn- und Ver­lustbeteiligung oder nach der Liquidationsteilung oder nach Köpfen.
(') ZGB 654, Abs. 1. (2) OR von 1881.



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Und noch ein Fall: Einer von mehreren Miterben verpfändet vor der Erbteilung eine seiner Erbportion entsprechende Quote einer Erbschaftssache, während doch noch gar nicht festgestellt ist, was schliesslich (las Ergebnis der Teilung sein wird, und ob der ver­pfändende Erbe auch nur so viel Aktiven aus der Erbschaft zu­gewiesen erhalten kann, als er bereits voreilig durch die Ver­pfändung für sich in Anspruch genommen hat. In allen diesen und andern zahlreichen Fällen hat es gar keinen rechten Sinn, von einem Miteigentum nach Quoten zu sprechen, und es würde das richtige und praktisch wünschenswerte auch dadurch nicht erreicht, dass man es zuliesse, dass das Miteigentum durch per­sönliche Abrede auf der Grundlage der Quotenteilung im Sinne der Ausschliessung ihrer Wirkung modifiziert werde. Denn solche Abreden hätten ja doch nur Wirkung unter den Beteiligten, würden sie für den Fall der Nichtinnehaltung der Abreden nur unter sich persönlich verantwortlich machen, nicht aber bewirken, dass jeder­mann ohne weiteres diese Gestaltung anerkennen müsste. Helfen kann da praktisch nur die Anerkennung eines eigenartigen Eigen­tumsbegriffes, wie er im Gesamteigentum denn auch in der Praxis trotz aller Verschiedenheit der Grundlage der bezüglichen Gemein­schaften einheitlich zur Entwicklung gekommen ist.
Auch eine Zurücksetzung der Gläubiger kann in der Aner­kennung des Gesamteigentunis nicht gefunden werden. Diese halten nicht mehr Eechte an den Vermögenswerten ihres Schuldners als er selber. Geht dessen Recht auf das Ganze unter Vorbehalt der Eechte aller anderen Gesamteigentümer, so müssen auch die Gläu­biger sich dieses gefallen lassen. Was ihnen zugestanden werden kann, ist ein Eecht auf das Liquidationsergebnis, und, wo sich dieses mit der Natur der Gemeinschaft verträgt, ein Recht, die Gemeinschaft zur Auflösung oder zur Abfindung' des Schuldners zu zwingen. So ist dieses anerkannt bei der Kollektivgesellschaft, OR Art, 574, (1) ferner bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft, Art, 262, (2) bei der Gemeinderschaft, Art. 372,(3) und ebenso auch bei der Erbengemeinschaft, da diese, so lange die Teilung nicht erfolgt ist, als gesetzliche (Gemeinderschaft beurteilt werden muss. Dagegen versagt das Mittel bei der ehelichen Gütergemeinschaft, was deshalb für die Gläubiger unschädlich ist, weil alle Privat­schulden der Ehegatten, mit Ausnahme der Sondergutsschulden der Ehefrau, auf der Gesamtmasse ruhen und Privatschulden des Ehemannes sind. Unter welcher Voraussetzung man den Privat-
(') VgI. nun auch betreffend die einfache Gesellschaft OR 544, Abs. 2, und 545, Zif. 3. (2) ZGB 234. (3) Vgl. ZGB 343, Zif. 3.



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gläubigern in den ersten Fällen ein Recht auf die Liquidation geben will, damit sie zu ihrem Rechte kommen, kann verschieden beurteilt werden. Das OR (1) und ebenso der Entwurf (2) in den angeführten Bestimmungen verlangen die Insolvenz des Schuldners. Man könnte auch weiter gehen und einfach die Konstatierung der Nichtbefriedigung verlangen, so dass mit dem leeren Pfandschein sofort auf das Gemeinschaftsvermögen im ganzen gegriffen und dieses, wenn keine Abfindung oder Befriedigung erfolgt, zur Auf­ lösung getrieben werden dürfte. Ja in gewissen Fällen würde sogar die einfache Mahnung oder Inverzugsetzung genügen können, wie z. B. bei der gesetzlichen Erbengemeinschaft.
Über das wechselseitige Verhältnis von Miteigentum und Gesamteigentum im Verkehr mag alsdann noch als selbsverständlich hervorgehoben werden, dass der Dritte sich zunächst auf die Regeln des gewöhnlichen Miteigentumes wird berufen können. Wird demgegenüber behauptet, dass Gesamteigentuin vorliege, so ist hierfür der Beweis zu erbringen. Denn das Gesamteigentum setzt ein besonderes Verhältnis voraus, dessen Kenntnis nicht jedermann zugemutet werden darf. Wir haben hierauf schon oben hin­ gewiesen. Das Miteigentum ist das voraussetzungslose Verhältnis, das neutrale, das jedermann zunächst bei gemeinschaftlichem Eigentum als vorhanden annehmen mag. Es besteht also eine Vermutung für das gewöhnliche Miteigentum, die für das Verkehrs- leben offenbar eine gewisse Bedeutung hat. Im Gesetze braucht dies nicht ausgesprochen zu werden. Die Regel ergibt sich von selbst aus der Natur der zwei verschiedenen Verhältnisse.
Neunzehnter Titel. Das Grundeigentum.
Erster Abschnitt, Gegenstand, Erwerb und Verlust des Grundeigentums.
A. Der Gegenstand des Grundeigentums, Art. 658. (3) Es handelt sich bei dieser Bestimmung um zwei Dinge. Einerseits ist der
(') Vgl. nunmehr die Formel in OR 545, Zif. 3. Anders OR 574. (-) ZGB 234 stimmt mit VorE 262 überein. ZGB 343, Zif. 3, weicht von VorE 372 ab und sagt: wenn der gepfändete Anteil eines Gemeinders am Gemeinderschaf ts-gute zur Verwertung gelangt ist, (3) ZGB 655.



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Sprachgebrauch des Gesetzes technisch festzulegen, und anderseits für die Anwendbarkeit des Grundeigentunisrechtes, namentlich in bezug auf das Grundbuch, eine bestimmte Abgrenzung vorzu­nehmen. Mit dem Begriff der unbeweglichen Sache an sich kommt man weder hier noch dort aus. Und doch muss ein Ausdruck auf­gestellt werden, der im Rechtssinne die unbewegliche Sache nach der Richtung abgrenzt, in der sie vom Entwurf in der Anwendung des Grundbuchrechtes verstanden sein will. Dies geschieht mit Art. 658, und zwar mit dem Wort „Grundstück (unbewegliche Sache)". Alle Grundstücke unterliegen dem Grundbuchrecht, alles was dem Grundbuchrecht unterliegt, ist Grundstück. Vgl. Art. 984 und 985.(1)
In bezug auf Rechte, Herrschaftsrechte oder dauernde Nut­zungsrechte über Liegenschaften, ergeht sich die Doktrin in ver­schiedenen Konstruktionen. Man kann sie als Rechte selbständiger Natur oder als Rechte an Immobilien oder als Herrschaftsgebiete selbständiger Existenz mit Bezug auf Immobilien darstellen. Wir halten die letztere Auffassung für die dem Verhältnis am meisten entsprechende. Vgl. Schweiz. PR IV, S. 692 f., 751 f. Allein das Gesetz braucht dazu gar nicht Stellung zu nehmen, und der Ent­ wurf erklärt deshalb nur, dass im Sinne des Gesetzes und mit der Folge der Anwendbarkeit des Grundeigentumsrechtes auf sie solche Rechte als Grundstücke zu behandeln seien. Sie sind eigen­tumsgleich. In solchem Sinne rechnet der Entwurf neben den Liegenschaften, unter denen die Parzellen der Bodenfläche zu ver­stehen sind, zu den Grundstücken die selbständigen und dauern­den Rechte. Diese sind in das Grundbuch aufzunehmen, Art. 985, (2) und wenn sie aufgenommen sind, so zählen sie zu den Grund­stücken. Die Aufnahme im Grundbuch als selbständiges Objekt der grundbuclilichen Behandlung bildet also die Voraussetzung der Gleichstellung mit den Liegenschaften, aber sie wird als Regel vorausgesetzt. Dahin gehören: Die Wasserrechte, Art. 922, (3) die Baurechte, Art. 676, (4) die Bergwerke, Art. 944, (5) dagegen nicht die Grundlasten, weil sie nicht dauernd, sondern von Gesetzes wegen ablösbar sind, Art. 782. (6) Dass die Baurechte dabei ausser­dem als Belastung eines wirklichen Grundstückes im Grundbuch eingetragen sind, hat keine verwirrende Folge. Denn selbstver­ständlich müssen die verschiedenen Blätter (Folium des belasteten Grundstückes und Folium der als selbständiges Recht aufgenom-
(') Vgl. ZGB (555, wo der Ausdruck „unbewegliche Sache" weggelassen ist, und 942, 943. (3) ZGB 943. (8) Schl.t. 56. (4) ZGB 779 u. 655, Zif. 2. (5) ZGB 655, Zif. 3. (6) ZGB 788.



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menen Belastung) aufeinander verweisen. Ist das Recht nicht selbständig, indem es sich einem wirklichen Grundstück als Neben­recht, aktive Dienstbarkeit, anschliesst, so kann es kein eigenes Folium erhalten. Die besondere Aufführung der Bergwerke ist im Gesetze notwendig, weil diese sich meistens über die Bodenfläche, von der sie ausgehen, ausdehnen, ohne dass dadurcli grundbuchlich eine Modifikation des überliegenden fremden Grundstückes herbei­geführt wird. Man gelangt mit ihnen darnach in der Regel nicht zu einem dem Baurecht analogen Verhältnis, so dass sie der besondern Erwähnung bedürfen, wenn man sie eigentumsgleich behandeln will.
B. Der Erwerb des Grundeigentums, Art. 659 bis 667. (') Es kom­ binieren sich hier Grundbuch und materielles Recht, um den Ver­ hältnissen eine möglicht einfache Gestalt zu geben. Wir unter­ scheiden folgende leitende Sätze:
1.  Zum Erwerb des vollen Grundeigentums im Sinne des Gesetzes bedarf es unbedingt der Eintragung in das Grundbuch. Zwar kann es bis zur Durchführung des Grundbuchrechtes Fälle geben, wo Grundstücke ausnahmsweise nicht aufgenommen sind, während sie es nach dem Gesetze sein sollten. Allein darüber hat das Einführungs- und Übergangsrecht die nötigen Bestimmungen aufzustellen. Ebenso kann das öffentliche Recht vorschreiben, dass gewisse Grundstücke, auch wenn sie nicht eingetragen sind, dem sachenrechtlichen Verkehr unterstellt werden können. Allein diese Ausnahmen bekräftigen nur das Hauptprinzip, dass für die Regel einzig das Grundbuch das sachenrechtliche Verhältnis als Eigen­ tum im Sinne des Gesetzes herzustellen vermag.
2. Von diesem Eigentum ist der Titel zu unterscheiden, auf dessen Grundlage die Eintragung erwirkt werden kann. Er ver­ mag keinesfalls schon das sachenrechtliclie Verhältnis zu schaffen, wie es durch die Eintragung hergestellt wird und eben nur durch sie hergestellt werden kann. Allein es ist nicht nötig, diesem Titel für alle Fälle die gleiche Bedeutung zu geben. Handelt es sich um ein obligationenrechtliches Verhältnis, so verschafft der Titel nur einen persönlichen Anspruch auf die Verfügung der Eintra­gung durch den Veräusserer oder also regelmässig den bisher als Eigentümer Eingetragenen. Dies wird durch Art.663 in Verbindung mit Art. 667, Abs. 1 (2) genügend hervorgehoben. Handelt es sich um ein Vermächtnis oder einen Ehevertrag, so ist die Beziehung zwischen Titel und Eintragung ebenso zu beurteilen, Art. 663,
(') Vgl. ZGB 656 bis 665. (2) ZGB 6.Y7, Abs. 1, u. 665, Abs. 1.



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Abs. 2.(') Anders dagegen bei dem Erwerb der gesetzlichen oder eingesetzten Erben von Gesetzes wegen. Hier erkennt Art. 577 (2) in bestimmter Weise an, dass die Erben ohne weiteres Eigentümer aller Erbschaftssachen, also auch der Grundstücke, werden, und beim richterlichen Urteil wie bei der Zwangsvollstreckung ergibt sich aus den bezüglichen Voraussetzungen die gleiche Folge, wäh­rend bei der Expropriation spezielle Vorschriften der Bundes- und der kantonalen Gesetzgebung den Zeitpunkt bestimmen, mit dem (regelmässig mit dem Zeitpunkt der Entrichtung der Entschädi­gung, Schweiz. PR III, S. 233) das Eigentum für den Expropriierten verloren geht oder für die Gegenpartei gewonnen wird. In allen diesen letztern Fällen haben wir ein Eigentum durch die Rechts­ordnung anerkannt vor der Eintragung oder also ohne Eintrag. Allein es ist nicht das volle sachenrechtliche Eigentum, denn es vermag nur sehr beschränkte Wirkungen auszuüben. Seine Haupt­wirkung ist, dass der Berechtigte einseitig, d. h. ohne einer Ver­fügung des bisherigen Eigentümers zu bedürfen, die Eintragung zu erwirken vermag, Art. 667, Abs 2.(3) Daher sind denn auch vor der Eintragung die Berechtigten doch nicht nur gutgläubige Besitzer oder persönlich Berechtigte. Sie sind schon Eigentümer im Sinne des Expropriations-, des Erbrechts, des Vollstreckungs-verfahrens, des gerichtlichen Urteils. Sie können als Eigentümer-alle Eechte ausüben, die ohne grundbuchliche Eintragung denkbar sind. Sie vererben ihr Recht auf ihre Nachfolger, können persön­liche Ansprüche begründen mit Rücksicht auf die Liegenschaft, haben den Nutzen und die Gefahr als Eigentümer usw. Nichts­destoweniger ist es aber doch richtig, wenn Art. 659 (4) ganz all­gemein bestimmt, es werde das Grundeigentum mit dem Buch­eintrag erworben, denn erst in dieser Form ist es das wirkliche Eigentum mit allen seinen Konsequenzen. Vorher war nur das Eigentum geschaffen, das aus einer speziellen Bestimmung, d. h, soweit das betreffende Institut reicht und kräftig ist, begründet werden konnte. Nach Sachenrecht dagegen ist es eben doch nur die Voraussetzung des Art. 659, (5) die das Eigentum schafft. Wir dachten eine zeitlang daran, dies dadurch auszudrücken, dass in dieser Vorschrift von „vollem Eigentum" gesprochen würde. Allein daraus hätte theoretisch eine Scheidung in volles und nicht volles Eigentum abgeleitet werden können, was wiederum der Meinung
(') ZGB 657, Abs. 2, u. 665, wo aber in Abs. 3 die Eintragung in das Grundbuch auf Grund von Eigentumserwerb durch Ehevertrag von Amtes wegen vorgesehen ist. (2) ZGB 560. (3) ZGB 665, Abs. 2. (4) ZGB 656, Abs. 1. Abs. 2 hat dem Verhältnis direkt Ausdruck gegeben. (5) Vgl. ZGB 656, Abs. 2.



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des Entwurfes nicht entsprochen haben würde. Es soll auch nach diesem nur eine Art von Grundeigentum geben, wenngleich der Erwerb des Eigentums in gewissen Fällen auf einem Titel beruht, der soweit möglich das Eigentum anerkennt, bevor die Eintragung erwirkt ist. Dem entspricht das Marginale "Voraussetzung des Erwerbes". Ferner darf daran erinnert werden, dass die kanto­nalen Rechte schon heute vielfach eine ähnliche Unterscheidung kennen, wie z. B. da, wo die Fertigung auch für den Erwerb des Eigentums aus Erbrecht vorgeschrieben ist. Vgl. Schweiz. PR III, S. 206, betr. Bern u. a. m. Genf verlangt mit einem Gesetz vom 13. Mai 1891 die Eintragung unter Ordnungsstrafen, gestattet aber dem Erben schon vorher eine Verfügung über das Eigentum auf der Grundlage des französischen Rechts, d. h. mit dinglicher Wir­kung des Vertragsschlusses selber.
3. Es ist im Sachenrecht nicht notwendig, alle Erwerbsarten aufzuführen und zu ordnen. Was hier nicht erwähnt wird, bleibt den Bestimmungen der einzelnen Institute überlassen.
Zusammen gehören in dieser Richtung die Art. 660 bis 662 ('). Sie handeln von den originären Erwerbsarten. Über die Okkupation kann im Verhältnis zum Grundbuch kein Zweifel bestehen. Betref­fend das durch Anschwemmung neu gewonnene Land bedarf es nur des Hinweises auf die Zugehörigkeit zum öffentlichen Gut des Kantones. Auf die Zuweisung an die Anstösser oder andere Berech­tigte nimmt der Entwurf, im Anschluss an eine verbreitete Rechts-auffassung (s. Schweiz. PR III, S. 169 ff., 175 f.) dadurch Rück­sicht, dass den Kantonen die Befugnis gewahrt wird, darüber beliebige Regeln aufzustellen, das neu gewonnene Land für sich zu behalten, den Anstössern zu überlassen oder auch statt dem kantonalen Fiskus den Gemeinden zuzuweisen. Auch die Rück­nahme des Bodenmaterials (Art, 661, Abs. 3)(2) wird im gelten­den Recht vielfach ausdrücklich anerkannt (vgl. Schweiz. PR III, S. 173 ff.). Im übrigen steht Art. 661 mit Art, 919 (3) in Zusammen­hang, der solches Land, soweit es keiner Kultur fähig ist, als herrenlos bezeichnet. Docli kann auch in diesen Fällen der Staat die Zuweisung der Eigentums, z. B. betreffend Klubhütten, an Pri­vate oder Gemeinden aussprechen. Ebenso verhält es sich mit Art. 986 (4) betreffend die Sachen im öffentlichen Gebrauche. Die Bestimmung stand ursprünglich im Abschnitt über das Eigentum
(') ZGB 658 bis 660. (2) ZGB 659, Abs. 3. (s) Da der 24. Titel nicht in das Gesetz aufgenommen worden ist (oben S. 12, Anm. 11), bat die unent- behrliche Verweisung in ZGB 664 Ausdruck gefunden. (4) Vgl. ZGB 664, Abs. 2 u. 3, und  944.



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mit der Verfügung, dass die genannten Sachen wie Strassen, Plätze, Friedhöfe, Gebäude, dann aber auch die von öffentlichen Gewäs­sern abzweigenden Teiche, Kanäle und andere Wasserleitungen im Eigentume des Gemeinwesens stehen, dem sie zugehören, sobald sie keinen andern Eigentümer haben. Allein die Bestimmung wurde, wie jede besondere Umschreibung der Sacharten, für unnötig er­achtet, und so hat sich der Entwurf auf die grundbuchliche Eegel des Art. 986 beschränkt. (') Mit der Bestimmung betr. Bodenver-schiebungen will eine Unklarheit gehoben werden, die sich bei Überschwemmungen und Erdschlipfen in neuerer Zeit hie und da bemerkbar gemacht hat.
Den Eigentumserwerb aus Eechtsgeschäft, Art. 663, (2) haben wir bereits besprochen. Die Formvorschrift ist dabei sowohl für die Verbindlichkeit des obligatorischen Verhältnisses, wie auch als Voraussetzung der grundbuchlichen Eintragung aufgestellt. Vgl. Art. 1008. (3) Sie besteht für die obligationenrechtliche Transaktion in der öffentlichen Beurkundung und für den Ehevertrag und das Vermächtnis in den Formen, die in der Ordnung dieser Institute vorgesehen sind. Vgl. Art, 216 und 520 ff. (4)
Für den Erwerb im Vollstreckungsverfahren kann in den Übergangsbestimmungen eine Vorschrift in Aussicht genommen werden, die dem betreffenden Amte die Anzeige beim Grundbuch zur Pflicht macht. (5) Ebenso könnte bei Eintragung eines Ehever­trags im Ehegutsregister (Art. 219) (6) dessen Verwalter angewiesen werden, dem Grundbuch von Amtes wegen Anzeige zu machen.
Eigentümlich gestaltet sich endlich die Ersitzung von Grund­stücken, infolge der Verbindung des Eigentumserwerbes mit der Wirkung des Grundbuches. Im Widerspruch zur Eintragung kann eigentlich ein Besitz, der zur Ersitzung zu führen vermöchte, bei der Publizität des Grundbuches nicht anerkannt werden und doch sind Verhältnisse gegeben, die auch gegenüber dem Grundbuch ein Ersitzungsrecht als gerechtfertigt erscheinen lassen. Die geltenden Rechte zeigen denn auch in dieser Richtung die eigentümlichsten Kombinationen und Ausnahmen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 195, 196 ff., S. 201 ff. Der Entwurf unterscheidet drei Fälle:
1) Ist das Grundstück nicht in das Grundbuch aufgenommen oder dessen Eigentümer nicht aus dem Grundbuche ersichtlich oder seit dreissig Jahren tot oder verschollen, so versagt die Publi-
(') Vgl. nun wieder ZGB 664, Abs. 1, u. 944. (2) ZGB 657. Das Gesetz hat den Vertrag mit der Wirkung ausgerüstet, dass unabhängig vom kanto­nalen Vollstreckungsrecht Realexekution erlangt werden kann, 665, Abs. 1. (8) ZGB 965, Abs. 3. (4) ZGB 181, 498 ff. (5) Vgl. Schl.t. 58 (60), SchKG 150. (6) Vgl. ZGB 248. Das Gesetz schreibt dies vor in Art. 665, Abs. 3.



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zität des Registers und liegt also kein Grund vor, die Ersitzung auszuschliessen. Die Frist wird hier in Anlehnung an eine ver­breitete Überlieferung auf dreissig Jahre angesetzt. Ein anderes Requisit, Titel oder Eintragung des Besitzenden, ist nicht ver­langt, ausgenommen guter Glaube. Vgl. Art. 665. (1)
2)   Kann der Besitzende einen Titel geltend machen, nach dem er die Meinung haben darf, Eigentümer geworden zu sein, wäh­ rend im übrigen die gleichen Voraussetzungen wie im ersten Falle bestehen, so verringert sich die Frist auf zehn Jahre. Vgl. Art. 664, Abs. 2. (2)
3)   Gegenüber den in dem Grundbuch aufgenommenen Grund­ stücken, bei denen der Eigentümer aus dem Register ersichtlich ist, liegt die Sache anders. Hier ist die Ersitzung an sich in der Tat ausgeschlossen. Allein bedenkt man die Fälle, wo jemand einen Eintrag erlangt hat, ohne aus demselben das Recht unan­ fechtbar erworben zu haben, indem sein Eintrag ungerechtfertigt ist, so erweist es sich doch als notwendig, auch hierfür eine Ab­ hilfe zur Verfügung zu stellen. Sie wird darin gefunden, dass das Ungerechtfertigte des Eintrages mit Ablauf von zehn Jahren geheilt werden soll. Auch dies ist eine Ersitzung vom Stand­ punkte des Besitzenden aus. Deshalb erscheint es als gerecht­ fertigt, hierfür Besitz und guten Glauben zu verlangen. (3) Vom Standpunkte des früheren Eingetragenen aus dagegen könnte von einer Verjährung des Anfechtungsanspruches gesprochen werden. Ungerechtfertigt ist der Eintrag unter den Voraussetzungen des Art. 1016, Abs. 2.(4)
Die Berechnung, die Unterbrechung und das Stillestehen der Fristen können füglich in Verbindung mit der Verjährung von Rechten geordnet werden, sei es hier mit einer Verweisung auf das OR, oder umgekehrt bei der Verjährung mit einer Verwei­sung auf die Ersitzung. Ein Grund, die Fälle verschieden zu behandeln, ist kaum ersichtlich, so dass sich bis zur Revision des Obligationenrechtes der Art. 666 mit seiner Verweisung auf die Art. 154 und 156 des OR, rechtfertigen dürfte. (5) Die Überleitung des ersessenen Rechtes in die Grundbuch­formalität kann man sich verschieden denken. Das nächstliegende wäre, dem Besitzer, der dem Grundbuchbeamten das Vorhanden­sein der Voraussetzungen darlegt, ein Recht zu geben, unmittel-
(') Vgl. ZGB 662, Abs. 1 u. 2. Das Gesetz nennt den guten Glauben nicht als Voraussetzung, verlangt aber dafür in Abs. 3 eine amtliche Aus-kündung und richterliche Verfügung. (2) Das Gesetz hat diesen Fall nicht aufgenommen. (3) ZGB 661. (4) ZGB 974, Abs. 2. (5) Vgl. ZGB 663 u. OR 134 ff.



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bar die Eintragung zu erwirken. Allein dies würde voraussetzen, dass das Grundbuchamt für die Prüfung der bezüglichen Requisite eingerichtet wäre, und dies wird, wenn die Führung des Grund­buches nach dem Entwurf den administrativen Organen überlassen werden darf, kaum allerorts der Fall sein. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, dem Besitzer nicht unmittelbar ein Recht auf Eintragung zu geben, sondern nur einen Anspruch, wonach er auf Grund der Voraussetzungen der Ersitzung beim Richter die Zusprechung des Eigentums verlangen kann. Die Ersitzung ist also formal und nach Grundbuchrecht nicht eine wirkliche Erwer­bung des Eigentums, sondern ein gesetzlicher Anspruch auf Adju-dikation. Auf Grund dieser kann der neue Eigentümer sich ein­seitig das volle Recht im Sinne des Sachenrechtes durch Eintra­gung in das Grundbuch verschaffen, ohne die Eintragung aber ist er noch nicht der grundbuchliche Eigentümer. (1)
C. Der Verlust des Grundeigentums, Art. 668. (2) Es ist nicht nur der systematische Aufbau des Gesetzes, der die Einfügung einer Bestimmung über den Verlust des Grundeigentumes empfiehlt. Viel­ mehr bedarf dieser einer Regelung oder wenigstens Klärung nach zwei Richtungen:
Grundbuchgemäss hat der Eigentümer sein Eigentum nicht verloren, so lange er als Eigentümer eingetragen ist. Mag er auch auf andere Weise noch so deutlich seinen Willen, nicht mehr das Eigentum an einem Grundstück haben zu wollen, bekunden, er ist dinglich dabei nicht zu behaften, so lange er nicht die Löschung des ihn betreffenden Eintrages erwirkt hat. Das wird entweder in Verbindung mit der Übertragung auf einen andern Eigentümer oder mit Eintragung der Dereliktion geschehen. Vgl. Art. 660 und 668, Abs. l.(3)
Dass der körperliche Untergang das Eigentum an einem Grund­stück aufhebt, ist selbstverständlich. Allein nicht so sicher ist dieses Verhältnis, wenn es sich um eine nicht vollständige Ver­nichtung (Versinken von Ufergrundstücken, Bergsturz u. dergl.), sondern nur um eine Überschwemmung, Verwüstung, Verwand­lung in ein der Kultur unfähiges Land usw. handelt. Im Hinblick auf diese Fälle verlangt Art. 668, Abs. 1, (4) dass der Untergang ein vollständiger sein müsse, um das Eigentum verlieren zu machen. Man wird dabei teils an die Intensität der Verwüstung, teils an deren zeitliche Dauer denken und die ganze Bestimmung mit
(') Vgl. ZGB 662, Abs. 3, und oben S. 80, Anm. 1 ff. (2) ZGB 666. (3) ZGB 658 n. 666 Abs. 1. (4) ZGB 666, Abs. 1.



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Art. 919 (1) in Verbindung bringen müssen. Ursprünglich war der Vorschrift ein Beispiel beigefügt: „wie namentlich dauernde Über­flutung durch ein öffentliches Gewässer." Man denke auch an das Vorrücken von Gletschern, an die Überdeckung mit Schutt, Gerölle u. dergl. Die Beispiele wurden mit Recht für überflüssig gehalten. Die Bestimmungen über den Verlust infolge von Zwangsent­eignung steht mit den oben beim Erwerb angeführten Vorschriften in Zusammenhang. In Art. 668, Abs. 2, wird wie in Art. 667, Abs. 2,(2) diesfalls das öffentliche Recht des Bundes und der Kan­tone vorbehalten.
Zweiter Abschnitt. Inhalt und Beschränkungen des Grundeigentums.
A. Der Inhalt des Grundeigentums. I. Der Umfang, Art. 669. (3) Die
Umschreibung des körperlichen Umfanges des Grundstückes erfolgt hergebrachtermassen mit der Vorschrift, dass die Oberfläche mit allem, was senkrecht über und unter derselben gegeben ist, ohne weitere Abgrenzung zum Eigentum gehöre. Im Gegensatz hierzu hat der Entwurf unter Anschluss an die Ausdrucksweise des Privatrechts von Graubünden (vgl. Schweiz. PR III, S. 240) auf das Interesse des Grundeigentümers verwiesen und nur im Um­fange dieses die Ausdehnung nach oben und unten anerkannt. Es hat bei der Gestaltung unseres Landes einigen Wert, diese zweck­entsprechendere Umschreibung im Gesetze aufzustellen. Expropria­tionen von Grundstücken auf der Bergeshöhe bei Durchführung eines Tunnels einige hundert Meter senkrecht unter der Boden­fläche sollen auch nicht einen Schein der Berechtigung für sich in Anspruch nehmen können. Für solche und ähnliche Fälle ist die gewählte Umschreibung nicht belanglos. Jedenfalls kann dann auch ohne Bedenken in diesem Umfange das Eigentum an allem, was auf der Grundfläche gebaut oder gepflanzt ist, anerkannt werden. Dass die Quellen darin einbegriffen sind, entspricht dem ausnahmslos bei uns überlieferten Rechte. Vgl. Schweiz. PR III, S. 280.
II. Die Abgrenzung, Art. 670 bis 672. (4) Drei Momente sind hier von Bedeutung. Erstens die Art der Abgrenzung selbst, mit Grenz­zeichen auf dem Grundstücke, als welche in ortsüblicher Weise Marken, Hecken, Gräben, Mauern, Bäume (Lochbäume) u. dergl.
(1) Vgl. ZGB 664 und oben S. 81, Anm. 3. (2) ZGB 666, Abs. 2, u. 665, Abs. 2. (3) Vgl. ZGB 667. (4) ZGB 668 bis 670.



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anzuerkennen sind, oder mit Vermessung und Anlegung von Kataster­plänen. Besteht zwischen den zwei Arten ein Widerspruch, so darf derjenigen Bezeichnung der Vorzug gegeben werden, die die grös­sere Glaubwürdigkeit besitzt, und dies ist, in Anbetracht der schwierigeren Fälschung, offenbar die Aufzeichnung in den amt­lich beglaubigten Plänen, natürlich nur unter Vorbehalt des Nach­weises eines anderen Sachverhaltes.
Zweitens die Pflicht zur Abgrenzung. Gemeint ist damit nicht die Einfriedung. Diese, zum Schutze der Bewirtschaftung auf­gestellt, wird in Art. 693, Abs. 2, (') dem kantonalen Rechte zuge­wiesen, denn entscheidend sind hier lokale Übungen oder statutäre Feststellungen mit Hinsicht auf die einzelnen Örtlichkeiten und Kulturarten. Die Pflicht zur Feststellung der Grenzen dagegen ist eine Rechtspflicht allgemeinen Charakters. Sie greift Platz, sobald die Grenzen ungewiss sind. Wird die Grenze nur von einer Seite bestritten, so handelt es sich nicht um Festsetzung einer ungewissen Grenze, sondern um einen Eigentumsstreit, der schliesslich mit der Festsetzung der Grenze zugunsten des Recht­habenden endigt.
Drittens die Rechtsverhältnisse, die an den Grenzzeichen be­stehen können. Die Vermutung des Miteigentums, die der Entwurf aufstellt, kann nicht nur durch eine besondere Feststellung der Grenze für den einzelnen Fall, sondern auch durch den Nachweis eines bestimmten lokalen Rechtes umgestossen werden, denn durch den Ortsgebrauch werden selbstverständlich die Beteiligten in jedem einzelnen Falle beeinflusst. Die Vermutung des Miteigentums rechtfertigt sich als neutrale Regel, die ihrer Natur nach da Platz greift, wo nicht in irgendeiner Weise etwas anderes nachgewiesen werden kann. Vgl. Schweiz. PR III, S. 251 ff.
III. Bauten auf dem Grundstück, Art. 673 bis 677. (2) Der in
Art. 669, Abs. 2,(3) aufgestellte Satz, dass die Bauten auf dem Grundstücke Bestandteil desselben sind, bedarf notwendig für eine Reihe von Fragen der Festsetzung und Umschreibung. Sie be­schlagen folgende Fälle:
1. Die Verwendung von Material zu einem Bau auf einem Grund-­ stück, dessen Eigentümer von dem Eigentümer des Materials ver­ schieden ist.
Die hierüber in Art. 673 u. 674 (4) getroffene Ordnung geht von dem Grundsatze aus, dass bei diesem Vorgang der Grund-
(1) ZGB 697, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 671 bis 677. (3) ZGB 667, Abs. 2. (4) Vgl. ZGB 671 bis 673.



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eigentümer Eigentümer des Materials werde. Eine Trennung des Materials vom Grundstück soll nur insofern anbegehrt werden dürfen, als sie ohne unverhältnismässige Schädigung noch als mög­lich erscheint. Liegt dies vor, so darf man demjenigen, ohne dessen Willen eine solche Verbindung erfolgt ist, — sei es der Eigen­tümer der Materialien oder des Bodens, — nicht wohl das Recht versagen, die Trennung zu verlangen. (') Die Frage der Schädigung aber muss dabei sowohl auf das Grundstück als auf das Material bezogen werden. Allein wie nun, wenn die Trennung nicht statt­findet oder nicht anbegehrt werden darf, wie wird dann der Aus­gleich gefunden ? Der Entwurf beantwortet diese Frage, indem er als massgebenden Faktor den bösen Glauben der einen oder andern Partei bezeichnet. Der in bösem Glauben bauende Grund­eigentümer kann zu vollem Schadenersatz verurteilt werden. Der in bösem Glauben bauende Materialeigentümer aber kann höchstens in dem Betrag Ersatz verlangen, in welchem der Bau für den Grundeigentümer unter allen Umständen Wert besitzt. Zwischen diesen beiden Extremen aber hat der Richter den Schadenersatz in jedem einzelnen Falle nach seinem Ermessen festzusetzen, bei gutem Glauben also des einen Teiles oder beider den Ersatzbetrag in billiger Weise zu reduzieren oder zu erhöhen.
Allein auch dieses reicht noch nicht aus für eine in allen Fällen billige Regelung der Sache.
Es ist möglich, dass diese Ersatzleistung auf dasjenige, was unter den angeführten Voraussetzungen hergestellt worden ist, nicht genügend Rücksicht nimmt. Vorausgesetzt ist bei den an­geführten Regeln doch immer die präponderierende Stellung des Grundeigentümers, der den Materialeigentümer bald mehr bald weniger schadlos zu halten hat. Wenn nun aber diese Annahme nicht zutrifft, z. B. auf einer kaum hundert Quadratmeter fassenden Bodenfläche ein sehr kostspieliger Bau aufgeführt wird, so kann die Entschädigung dem Materialeigentümer schwerlich genügen, oder umgekehrt, die Entschädigung den Grundeigentümer schwer bedrücken, da doch vielleicht der Bau für ihn keinem Bedürfnis entspricht. Da nun darf die einmal vorhandene Tatsache der Sachverbindung sehr wohl zu Gunsten der gutgläubigen Partei mit einer anderen Rechtsfolge begleitet werden : Sie besteht in der Zusprechung des Baus mit Inbegriff des Bodens zu Miteigentum an die beiden Beteiligten, das diese beibehalten oder nach den Regeln des Miteigentumsrechts unter sich teilen mögen. Diesen
(') ZGB 671 stellt für die beiden möglichen Fälle in Abs. 2 n. 3 die­selbe Kegel getrennt auf.



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Anspruch gewährt der Entwurf dem gutgläubigen Material- oder Bodeneigentümer, wobei die Teile der beiden sich nach dem Wert der Beiträge des einen und des andern richten, der Erstellungs­wert aber zu Gunsten des einen oder andern mitgerechnet werden muss oder also im Bau mit inbegriffen erscheint, ohne dass dieses Moment besonders erwähnt zu werden braucht. Hat die Wahl des Gutgläubigen zu Gunsten des Miteigentums stattgefunden, so kann nicht nur er, sondern dann allerdings auch die andere Partei, wenn sie in gutem Glauben ist, die Liquidation des Verhältnisses nach Art. 653 (1) verlangen, während dem bösgläubigen Gegner zunächst dieser Liquidationsanspruch nicht zusteht. Verlangt er die Aufhebung des Miteigentums später im selbständigen Rechtsstreit, gemäss Art. 653, so bietet diese Vorschrift selbst in Ver­bindung mit Art. 674, Abs. 2,(2) dem Richter eine hinreichende Handhabe, um den gutgläubigen Miteigentümer auch für diesen Fall schadlos zu halten. (3)
Bei dieser Regelung, die von dem geltenden Rechte (vgl. Schweiz. PR III, S. 178 ff.) wesentlich abweicht, sich aber durch ihre Einfachheit empfiehlt, ist auf den Fall nicht Bezug genommen, wo die Verbindung durch jemand ausgeführt wird, der weder Material- noch Grundeigentümer ist. Allein dies erscheint bei der Eigentumsregelnng, und von einer solchen ist in diesem Zusammen­hange einzig die Rede, auch nicht als nötig. Es wird in einem solchen Falle einfach bei den allgemeinen Grundsätzen sein Be­wenden haben : Der Grundeigentümer wird Eigentümer des Ma­terials und der Materialeigentümer, wie jener, haben Ersatz­ansprüche gegen den Dritten, der seinerseits auf Schadenersatz klagen oder doch mit dem Anspruch aus Bereicherung kompen­sieren kann, wenn hiezu die Voraussetzungen gegeben sind. Wollte man diese Konsequenz nicht annehmen, so müsste im Gesetz ge­sagt werden, dass sich die Regelung nicht nur auf die Leistung des Baugrundes und des Materials zum Baue, sondern auch auf die von einem Dritten geleistete Arbeit, ihrem Werte nach, beziehe, etwa so, wie es bei der Verbindung beweglicher Sachen unter­einander geordnet worden ist, vgl. Art. 720. (4)
(') ZGB 650. (2) ZGB 072, Abs. 2 u. 3. (3) Diese Vorschrift des VorE hat schon der Entwurf des Bundesrates in Art. 665, Abs. 2, und dann das Gesetz in Art. 673 durch die Bestimmung ersetzt, falls der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens übersteige, könne derjenige, der sich im guten Glauben befinde, verlangen, dass das Eigentum am Grund und Boden (der Entwurf sagte: am Bau) gegen angemessene Entschädigung dem Material­eigentümer (der Entwurf sagte: dem Bauenden) zugewiesen werde. (4) ZGB 727.



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2. Überragende Bauten, Art. 675. (1) Man kann es unmöglich verhindern, dass Bauten mit einzelnen Teilen in den Luftraum oder das Erdreich des Nachbarn gelegentlich überragen, sei es unter- oder oberirdisch. Grundsätzlich sollten sie dem Eigentume des Grundstückes zugehören, in das sie hinüberragen. Allein es muss die Möglichkeit einer anderen Ordnung vorbehalten werden. Sie liegt in zwei Rechtshilfen : Entweder kann der Grundeigen­tümer gegen dieses Überragen Einspruch erheben und aus seinem Eigentumsrechte die Beseitigung der Eingriffe verlangen, falls er eben nicht deren Bestand als sein Eigentum in Anspruch nehmen will. Oder die Parteien können für den Baueigentümer ein Recht herstellen, nach welchem er befugt ist, seinen Bau in das Eigen­tum des Nachbarn überragen zu lassen. Natürlich kann diese Befugnis rein persönlich gewährt werden, so dass daraus kein sachenrechtliches Verhältnis entsteht, dann aber auch ein Dritter, der das Grundeigentum erwirbt, dadurch nicht gebunden ist und mithin einfach nach Ausweis des Grundbuches das Eigentum nach der Grenzlinie beanspruchen darf. Will man das überragende Eigentum jedermann gegenüber, d. h. als dingliches Recht, dem Baueigentümer zusichern, so muss dies dadurch geschehen, dass das Grundstück mit dem Recht auf den Überbau zu Gunsten des Baueigentümers belastet wird. (2)
Doch können auch bei diesem Verhältnis Tatbestände
ein­treten, bei denen es unbillig wäre, dem Grundeigentümer das Eigentum einfach nach der Grenzlinie zuzusprechen. So wenn er es hat geschehen lassen, dass der Überbau errichtet wurde, viel­leicht mit der Nebenabsicht, nachträglich auf Grund seines Eigen­tumsrechtes dem Überbauenden den Standpunkt klar machen zu wollen. Für diesen Fall empfehlen sich dann zwei Lösungen : Entweder Begründung des dinglichen Rechtes auf den Überbau, unter Entschädigung des Eigentümers des belasteten Grundstückes, oder Abtretung des Bodens vom Grundeigentümer an den Bau­eigentümer gegen ebensolche Entschädigung. Welcher der beiden Wege im gegebenen Falle sich eher empfiehlt, ist nicht zum voraus zu bestimmen. Es kommt eben auf die Umstände an : Grösse des Überbaus, Wert desselben im Verhältnis zum Bodenwert, Unent-­ behrlichkeit des Bodens für dessen Eigentümer und ähnliches werden hier in Betracht gezogen werden dürfen, wobei das richter­liche Ermessen nicht wohl entbehrt werden kann, und gewiss auch vor einer rein formalen Beurteilung der Sache, die unter Umständen
o
anz unbillig wirken müsste und die auch durch kein Verkehrs-
interesse gerechtfertigt würde, den Vorzug verdient,
(1) ZGB 674. (2) ZGB 671 bis 673.



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Im übrigen muss natürlich auch beim Überbau an die Anwend­barkeit der Art. 673 und 674 (1) gedacht werden, so dass der Grundeigentümer und der Materialeigentümer die Trennung des Materials vom Boden oder Ersatz verlangen können. Auch der Anspruch auf Begründung von Miteigentum erscheint zulässig, soweit nicht die Umstände des Falles diesen Weg ausschliessen.(2) Man denke in ersterer Hinsicht an den Überbau mit einer Scheide­mauer oder in letzterer an den Überbau mit einer einfachen Dach­ausladung. (3)
3. und 4. Baurecht und Fahrnisbauten, Art. 676 und 677. (4)
Während es sich beim Überbau um den Teil eines Gebäudes handelt, der überragt, so wird mit dem Baurecht das Verhältnis berücksichtigt, wo ein ganzes Gebäude auf fremden Boden er­richtet ist.
Zwei Fälle gibt es, in denen ein solches nicht zum Eigentum des Bodens gehört. Einmal kann es sich um eine Baute handeln, die ohne Absicht bleibender Verbindung auf fremdem Boden er­richtet wird. Es entspricht durchaus dem geltenden Recht, dass solche Bauten ihren eigenen Eigentümer haben können, sich nicht mit dem Boden, auf dem sie stehen, zu einem Eigentumsobjekt verbinden und ihren Charakter als bewegliche Sache beibehalten. Sie stehen zu dem Grundstück in keinem dinglichen Verhältnis, können daher auch nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Ebensowenig bilden sie ein immobiles Vermögensstück. Vgl. Schweiz. PE III, S. 20 f. Sodann aber können die Bauten auch vom Grund­eigentum am Boden ausgeschlossen sein, trotzdem sie dauernd auf fremden Boden errichtet sind, sobald sie den Charakter eines dauernden dinglichen Verhältnisses annehmen, demzufolge sie sich als eine eigene Art von dinglicher Belastung des Bodens dar­stellen und im Grundbuch als eine Dienstbarkeit eingetragen sind. Daneben hat das Baurecht, das damit gewonnen wird, den dauernden Charakter, auf den wir schon oben hingewiesen haben und ver­möge dessen es, neben seiner Existenz auf Grund der Dienst­barkeit, falls es selbständig ist, zu einem eigenen Eigentumsobjekte dadurch erhoben werden kann, dass es mit eigenem Folium in das Grundbuch aufgenommen wird. Dauernd braucht dabei das Baurecht nicht in dem Sinne zu sein, dass es notwendig auf ewig
(') ZGB 671 u. 672. Vgl. jedoch ZGB 673 und oben S. 88, Anm. 3. (2) Vgl. ZGB 67,, Abs. 2. (3) ZGB 674, Abs. 3, spricht von „rechtzeitigem" (nicht: sofortigem) Einspruch, gibt das Eecht dem Überbauenden nur, wenn er sich in gutem Glauben befindet, und setzt eine „angemessene Entschädigung" (nicht: Entschädigung mit Kapital oder Rente) an. (4) Vgl. ZGB 675 bis 677.



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begründet sein muss. Ausgeschlossen ist nach seiner begrifflichen Begrenzung nur eine Beendigung aus Gründen einer persönlichen Berechtigung oder Verpflichtung oder aus der Konstituierung für vorübergehende Interessen, die an sich eine Befristung als sachgemäss erscheinen lassen. Es teilt, die Dauer mit den dinglichen Rechten überhaupt, steht diesfalls dem Eigentum und den Dienstbarkeiten gleich und wird in diesem Sinne auch als vererblich anerkannt werden müssen.
Das Bedürfnis nach einer solchen Institution ist unleugbar vorhanden. Es gibt gewisse Einrichtungen, die gar nicht zu ihrem Rechte kommen können, wenn sie nicht als solches Baurecht in dauerndem Bestande anerkannt werden. Beispiele bieten sich viele. Es sei nur an die Felsenkeller in der Ostschweiz, am Bodensee, an die Alphütten auf genossenschaftlicher Alp, die dauernd für die Bewirtschaftung notwendig sind, aber doch einen eigenen Eigentümer haben, ohne dass die Genossenschaft demselben einen Teil ihres Bodens abgetreten hätte, an Gasthöfe auf Allmendboden und ähnliches erinnert. Es ist auch denkbar, dass in dieser Form weitere Bedürfnisse eine Befriedigung finden können, die sich jetzt der Pacht, der Nutzniessung und anderer Institute bedienen, ohne dabei auch nur einigermassen das zu linden, was ihrer Natur ent­sprechen würde. Erst mit dem Baurecht wird ein Vermögenswert geschaffen, der den Bedürfnissen genügend entgegenkommt und namentlich bei gegebenen Voraussetzungen auch des Verkehrs gleich einer Liegenschaft teilhaftig ist. (')
Schwierigkeiten kann die Einführung des Baurechtes unter dem Grundbuchrechte nicht bereiten. Es fügt sich umgekehrt den Grundsätzen des Grundbuchrechtes unschwer an und vermag mancherlei Bedürfnissen gerade in dieser Form trefflich entgegen­zukommen. Wo man sich heute noch im Immobiliarrecht mit der gemeinrechtlichen Formlosigkeit begnügt, da werden gerade wegen dieser Bedürfnisse am Ende auch Immobilien anerkannt, die keinen Teil an der Bodenfläche haben. Der Keller, der sich unter einem städtischen Hause hinzieht, hat dann einen eigenen Eigentümer, ohne gegen ein Ordnungsprinzip zu verstossen, und auch der Um­stand, dass diese Baute in der planmässigen Darstellung der Liegen­schaften keine direkte Einzeichnung erfahren kann, bereitet hier kein Hindernis. Anders, wo die dinglichen Verhältnisse ihre Auf­zeichnung nach den Parzellen der Bodenfläche erhalten. Da kann
(') Das Gesetz hat in Art, 676 neben dem Baurecht und den Fahrnis-bauten eine Bestimmung über die Leitungen für Wasser, Gas, elektrische Kraft u. dgl. aufgenommen, als besondere Art des Baurechts. Vgl. auch Art, 691 bis 693.



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die Einrichtung, die nicht einer Bodenfläche als Eigentum ent­spricht, nur als Belastung der Bodenfläche Anerkennung finden. Will man ihr dann aber doch einen selbständigen Charakter ver­leihen, so hat dies mit der Herstellung des Baurechtes zu ge­schehen, das in erwähnter Weise seine Existenz auf die Eintragung als Dienstbarkeit begründet. Vgl. Art. 773. (1)
Daraus ergibt sich dann aber auch die Beschränkung der Institution. Baurechte können nicht zur Aufnahme in das Grund­buch gelangen, die nicht eben als Bauten zu dauerndem und selb­ständigem Recht in Dienstbarkeitsweise auf fremdem Boden gelegt sind. Der Bau muss einen Eigentumsgegenstand für sich bilden. Daher sind Überbauten irgendwelcher Art nicht als Baurechte zuzulassen. Zieht sich also ein Keller vom Grund und Boden eines Eigentümers unter ein fremdes Grundstück hin, so kann daraus kein selbständiges Baurecht gemacht werden, sondern das Grund­stück erhält gegenüber dem benachbarten nur die Dienstbarkeit auf den Überbau. Erst wenn der Kellereigentümer gar keinen eigenen, anschliessenden Grund und Boden hat, vermag er sein selbständiges Recht als Baurecht zu qualifizieren. Ebenso grenzt sich das Baurecht nach der andern Seite ab. Hat jemand ein Recht auf das Stockwerk eines Hauses, ohne Bodeneigentümer zu sein, so vermag er daran wieder kein Baurecht zu behaupten. Denn sein Recht geht nicht auf einen selbständigen Vermögensgegenstand. Auf dem Wege des Miteigentums mit dinglicher Festlegung der Benutzungsgrenzen wird man sich da behelfen müssen, wenn man die in manchen Gegenden noch überlieferten Teilungen von Gebäuden nach Stockwerken mit dinglicher Kraft beibehalten will. Vgl. Schweiz. PR III, S. 241 ff. Für die Übergangszeit wird bei den letztern Verhältnissen an eine Bestimmung gedacht werden müssen, wie sie auf S. 258, Ziffer 2, des Entwurfes vor­geschlagen ist. (2)
IV. Einpflanzung auf dem Grundstück. Art. 678. (3) Wie in beziig auf die Bestimmung des Umfanges des Grundeigentumes die Ein­pflanzung der Einbauung parallel steht, Art. 669, Abs. 2,(4) so ist auch betreffend die Ausnahmen, die als zulässig zu erachten sind, der eine Fall dem andern gleich zu halten. Die Einpflanzung, die das Einsäen stillschweigend mitumfasst, muss also, wenn sie auf einem Grundstück, das einem andern als dem Eigentümer der Pflanzen gehört, nach den Vorschriften der Art. 673 und 674 (5)
(') ZGB 779. (s) Vgl. Schl.t. 45. In ZGB 675 ist als Abs. 2 angefügt: Die Bestellung eines Batirechts an einzelnen Stockwerken eines Gebäudes ist ausgeschlossen. (3) ZGB 678. (4) ZGB 667, Abs. 2. (5) ZGB 671 bis 673.



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beurteilt werden. Ebenso kann ein überragender Baum auf einer Dienstbarkeit beruhen, Art. 675. (1) Und auch die „Fahrnispflanzen" werden ohne Bedenken zugelassen werden können. Man denke nur an die Stellung eines Handelsgärtners, der den Pflanzgarten gepachtet hat: Er bleibt trotz der Einpflanzung der Bäume und Sträucher, die er zum Verkaufe sich grosszieht, deren Eigentümer. Bedenken nun aber erweckt die Analogie zum Baurecht. Zwar kennt das geltende Recht nicht so selten auch Verhältnisse, die einem solchen entsprechen würden. Vgl. Schweiz. PR III, S. 241, IV, S. 695 f. Allein, sie werden vielerorts mit scheelen Augen betrachtet und sind schon von kantonalen Rechten dann und wann auf den Aussterbeetat gesetzt worden. Hauptfall bildet etwa noch das Verhältnis, wo auf dem Allmendboden einzelne Genossen Bäume haben, die ihnen eigentümlich zugehören. Der Entwurf wollte anfänglich diese Verhältnisse im allgemeinen als zulässig behandeln und den Kantonen nur das Recht vorbehalten, über deren Ab­lösung, sowie dann auch über die Allmendbäume im allgemeinen, besondere Bestimmungen aufzustellen. Allein, in den Kommissions­beratungen wurde der Lösung der Vorzug gegeben, wonach über­haupt Dienstbarkeiten mit dem Inhalt der Duldung eines Baumes auf fremdem Boden ausgeschlossen sein sollen. Art. 678, Abs. 2. (1) Solche Verhältnisse werden also nach dem Entwurf eine andere Rechtsgestalt annehmen müssen, wenigstens für die Zukunft, wie z. B. die eines Nutzungsrechtes an den Bäumen, das einem andern als dem Grundeigentümer zugestanden wird. Die bestehenden Verhältnisse sollen hingegen damit nicht aufgehoben sein. Vgl. cit. S. 258, Ziff. 2, des Entwurfes, (3) wobei man namentlich auch an die Weiterexistenz einzelner Rechtsverhältnisse zu denken hat, die lokal eine grosse ökonomische Bedeutung besitzen, wie z. B. die­ jenigen, wo ganze Wälder einen andern Eigentümer haben, als denjenigen, der Eigentümer des Waldbodens selber ist. Vgl. die „erues et recrues des bois" im Jura u. a. 0.
V. Verantwortlichkeit des Grundeigentümers. Art. 679. (4)

Das OR kennt eine Verantwortlichkeit des Eigentümers eines Bauwerkes für den Schaden, der aus diesem infolge von dessen mangelhafter Unterhaltung oder fehlerhafter Anlage oder Herstellung entstanden ist. Art. 67. (s) Dem gleichen Gedanken entspringt die vorliegende Bestimmung, allein sie reicht insofern über den cit. Art. 67 hinaus, als zur Begründung der Verantwortlichkeit nur eine Überschrei-
(') ZGB 674. (2) ZGB 678, Abs. 2. (3) Vgl. Schl.t. 20. (4) ZGB 679. (5) Nunmehr OR 58.



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tung der rechtlichen Grenzen des Eigentums vorausgesetzt wird. Ob mit, ob ohne Verschulden, soll, wer diese Grenzen nicht inne­hält, für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich sein. Immerhin muss in der Richtung dieser Verantwortlichkeit dann doch noch eines beachtet werden. Der Verletzte kann Beseitigung der Verletzung, der Bedrohte Vorkehrung zum Schutze gegen drohenden Schaden verlangen, der Geschädigte Schadenersatz, sobald wirklich eine Überschreitung des Eigentumsrechtes vorliegt und nicht bloss die Tatsache, dass das Eigentum an sich den Schaden gestiftet hat, und dieses Überschreiten wird stets ein Verhalten in sich schliessen, das wenigstens über das blosse Bestehen des Eigentumsgegenstandes hinausgeht. Es kann sich um ein culposes oder doloses Verhalten in positivem Sinne, oder um die Unterlassung der dem Eigentümer obliegenden Pflichten, also auch fehlerhafte Herstellung oder mangelhafte Unterhaltung handeln, oder es kann jemand mit oder aus dem Eigentum heraus und mit dessen Hilfe einen Schaden stiften, den er ohne dies nicht hätte stiften können. Eine Ausrede, dass der Eigentümer nicht handlungsfähig gewesen sei, kann nicht erhoben werden, denn seine .Verantwortlichkeit beruht eben nicht auf einem persönlichen Verschulden, sondern auf dem Bestande des Eigentumes selbst. Schädigungen dagegen, die ausschliesslich dem Verschulden Dritter oder der Natur der Sache oder höherer Gewalt zuzuschreiben sind, fallen nicht unter die Verantwortlichkeit des Eigentümers, indem doch wohl hierin ein „Überschreiten" der rechtlichen Eigentumsgrenzen überall nicht erblickt werden kann. Schäden aus Brandstiftung durch einen Dritten, wobei das angesteckte Haus das Feuer auf andere über­trägt, oder aus Erdbeben u. dgl. sind also von dieser Verantwort­lichkeit ausgeschlossen.
Man erkennt hieraus, dass die Bestimmung mit dem Schutz der Persönlichkeit, nach Art. 26 des Entwurfes, (') einige Ähnlich­keit aufweist. Allein die Voraussetzungen sind nach den beiden Vorschriften doch nicht identisch, und sie bedürfen daher auch nicht derselben Abgrenzung. Der Ausgangspunkt ist bei den beiden verschieden, die Begründung der Verantwortlichkeit hier und dort eine andere. Wer Eigentümer ist, soll aus dem Eigentum die Verantwortlichkeit tragen, sobald die Überschreitung vorliegt, sei es mit oder ohne Verschulden. Aus der Tatsache der persönlichen Existenz dagegen lässt sich eine gleiche Verantwortlichkeit schwer­lich ableiten, schon deshalb nicht, weil die Grenzen der Persönlich­keit durchaus nicht mit dergleichen Bestimmtheit aufgestellt werden
(') ZGB 28.



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können, wie die Grenzen des Eigentumsrechtes. Gerade da, wo die Schuld anhebt, beginnt auch die Überschreitung der Grenzen der Persönlichkeit, dagegen beim Eigentum unter Umständen schon früher.
Selbstverständlich bleiben die Vorschriften der Verantwortlich­keit aus Art. 26, sowie aus Obligationenrecht, speziell aus Art. 67 und 68, und ebenso auch die öffentlichrechtlichen Vorschriften neben Art. 679 (2) bestehen. Diese sachenrechtliche Vorschrift soll jene andern in bezug auf das Grundeigentum ergänzen, und zwar nur für das Grundeigentum und nicht als allgemeine Eigentums­regel. Für das Fahrniseigentum wird eine solche Ergänzung nicht als Bedürfnis empfunden.
B. Beschränkung des Grundeigentumes, Art. 680 bis 698. (3) I. Im allgemeinen, Art. 680. (4) Wir haben bei der Betrachtung der Grund­lagen der Eigentumsordnung bereits darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen nach dem Entwürfe nicht als gesetzlich beschränkte dingliche Rechte, sondern als Umschrei­bungen des Eigentums aufgefasst werden wollen. Werden durch Rechtsgeschäft die gesetzlichen Umschreibungen aufgehoben, so entstehen daraus Dienstbarkeiten, die im Grundbuch eingetragen werden müssen. Soweit es sich um gesetzliche Beschränkungen privatrechtlichen Charakters handelt, steht der Begründung solcher Dienstbarkeiten nichts im Wege, wogegen, wenn die Beschränkung öffentlich-rechtlichen Charakter hat, eine solche Wegbedingung ausgeschlossen ist. Man kann sich vom Nachbar das dingliche Recht einräumen lassen, näher an die Grenze zu bauen, als dies nach dem Nachbarrecht gestattet wäre. Dagegen geht es nicht an, die gleiche Abrede mit Hinsicht auf die Distanz von öffent­lichen Strassen oder von Wäldern zu treffen. Denn trotz ganz verwandten Inhaltes sind die letzteren Distanzbestimmungen eben doch, weil öffentlich-rechtlich, regelmässig von absoluter Wirk­samkeit.
Die gesetzlichen Beschränkungen sind entweder Verfügungs- ­oder Benutzungsbeschränkungen. Erstere betreffen das Eigentums­recht im ganzen, letztere eine gewisse Seite der Ausübung des­selben. Erstere treten uns in den Veräusserungsbeschränkungen entgegen, letztere namentlich im Nachbarrecht und in den er­wähnten öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
(') ZGB 28, OR 58, 59. Dagegen ist Abs. 2 des zit. Art. 679 im ZGB 679 nicht aufgenommen worden, weil er als durch die allgemeine Bestimmung von ZGB 6 ersetzt erseheint. (2) Vgl. ZGB 680 bis 703. (3) ZGB 680.



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II. Die Veräusserungsbeschränkungen. Art. 681 bis 683. (') Das
gesetzliche Zugrecht hat eine Berücksichtigung im Entwürfe nur insofern erfahren, als nach Art. 682 (2) jeder Miteigentümer, der seine Quote zu verkaufen gedenkt, gehalten sein soll, zunächst seinen Anteil den Miteigentümern zu überlassen, sobald ihn einer von diesen kaufen will. Der Entwurf stellt dies als ein gesetz­liches Vorkaufsrecht dar, es ist eine Beschränkung der Veräusserungsbefugnis mit Hinsicht auf die Auswahl des Käufers, die durch das unter den Miteigentümern bestehende Verhältnis geboten ist und im geltenden Recht sich noch in ziemlicher Verbreitung erhalten hat. Vgl. Schweiz. PR III, S. 265 f. und IV, S. 723. Es soll damit, wie mit den Vorschriften über die Liquidation des Miteigentums (Art. 653), (3) auf eine möglichste Erleichterung der Aufhebung der Miteigentumsverhältnisse hingearbeitet und das ganze Institut wirtschaftlich um so weniger bedenklich gemacht werden. Beim Gesamteigentum kann das gesetzliche Vorkaufsrecht schon deshalb keine Anerkennung finden, weil der Verkauf einer Quote ja überhaupt begrifflich ausgeschlossen ist.
Eine Beschränkung der Veräusserungsbefugnis aus Gründen des öffentlichen Kredites (s. Schweiz. PR III, S. 262 ff.), d.h. zum Zwecke der Sicherung der Gläubiger des Eigentümers vor der Entfremdung der ihrem Schuldner gehörenden Vermögens­stücke, wird von dem Entwurf nicht als dingliches Recht aufge­stellt. Es kann aber bei den nötigen Voraussetzungen die ent­sprechende Wirkung erzielt werden durch die Eintragung einer Vormerkung, Art. 1003. (4)
Des weitern erwähnt der Entwurf in diesem Zusammenhang das Vorkaufs- und das Rückkaufsrecht. (5) Sie wirken nicht von Gesetzes wegen, sind also nicht gesetzliche Eigentumsbeschränkungen. Dennoch finden sie unter dem Eigentumsrecht Erwähnung, weil das Gesetz sie umschreibt, also ihre dingliche Wirkung für den Fall festsetzt, wo sie durch Rechtsgeschäft begründet werden. Unter dem gleichen Gesichtspunkt war anfänglich in dem Ent­wurf im Anschluss an diese Beschränkungen auch von der Miete und Pacht die Rede, die durch Eintragung in öffentliche Register jedermann gegenüber sollten wirksam gemacht werden können. Allein, es wurde für richtiger erachtet, diesen beiden Rechtsver­hältnissen ihren rein persönlichen Charakter zu belassen und in
(') ZGB 681 bis 683. (2) ZGB 682. (3) ZGB 650. (4) ZGB 960. (5) Das Gesetz hat in Art. 683 noch das Kaufsrecht oder Verkaufsversprechen ange­fügt und es dem Rückkaufsrecht gleichgestellt. Vgl. auch Art. 959 und OR, 216, Abs. 2.



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diesem Zusammenhange nur von dem Vor- und Rückkaufsrecht als Veräusserungsbeschränkungen zu sprechen. Gleichwohl wird man diesen vertraglich begründeten Beschränkungen nicht den Charakter von eigenen dinglichen Rechten geben wollen. Sie finden ihren Platz weder unter den Dienstbarkeiten noch unter den Grundlasten. Man müsste sie entweder als eigene Art von rechtsgeschäftlich begründeten beschränkten dinglichen Rechten ausgestalten, und hierfür ist bei der Geringfügigkeit der Sache keine rechte Veranlassung vorhanden, oder sie bleiben eben per­sönliche Ansprüche, die gemäss Art. 1002 (') durch Vormerkung mit Rechtswirkung gegenüber jedermann ausgerüstet werden können. Wenn der Entwurf sie dann doch nicht, wie Pacht und Miete, in das Obligationenrecht verwiesen hat, so ist es geschehen, weil man das gesetzliche Vorkaufsrecht unter Miteigentümern nicht von dem vertraglichen Vorkaufsrecht völlig abtrennen wollte. Aus diesen Überlegungen dürfte es sich genügend rechtfertigen, die Vorschriften da stehen zu lassen, wo der Entwurf sie hin­gestellt hat.
Bei der Ausgestaltung des Vorkaufsrechtes ist zunächst zu beachten, dass die Vorkaufsberechtigung nicht gegen jeden Er­werber des fraglichen Grundstückes geht, nämlich, wo es nicht anders festgestellt ist, nicht gegen den Erwerber aus Tausch oder unentgeltlicher Zuwendung, sondern nur gegen den Käufer. Nur dieser verspricht einen Preis, um den der Berechtigte das Grund­stück soll an sich ziehen können. Ebenso bezieht sich das Rück­kaufsrecht nur auf die Abrede beim Kauf. Bei andern Geschäften kann ein entsprechender Vorbehalt nur mit persönlicher Wirkung verabredet werden, denn das Grundbuch nimmt Vormerkungen darüber nicht auf. Die zeitliche Begrenzung der Wirkung der Vormerkung auf zehn Jahre gilt für beide Beschränkungen. An­fänglich waren, wie betreffend die Ablösung der Grundlasten (Art. 782), (2) dreissig Jahre vorgesehen. Man hielt es aber nicht für nötig, solche Beschränkungen möglichst auf die gleiche Frist festzusetzen, sondern hat für die wirtschaftlich drückenderen Vor- und Rückkaufsrechte eine kürzere Dauer vorgezogen.
Überdies ist beim Vorkauf auch eine zeitliche Beschränkung betreffend die Geltendmachung des Anspruches notwendig, die in der Vorlage auf einen Monat angesetzt ist. Den Zeitpunkt des Beginnes dieser Frist bezeichnet die Mitteilung vom Verkauf an den Berechtigten, zu der nach Art. 1011 (3) der Grundbuchverwalter verpflichtet ist.
(') Vgl. ZGB 959 und OR. 260 u. 282. (2) ZGB 788, Zif. 2. (3) ZGB 969.
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III. Das Nachbarrecht, Art. 684 bis 694. (1) Zwei Momente sind hier zum voraus hervorzuheben: Die Verweisung einzelner Äusse­rungen des Nachbarrechtes von vorwiegend lokaler Bedeutung in das kantonale Recht, wovon schon oben bei Betrachtung der Grund­lagen des Sachenrechtes die Rede gewesen ist, und die Bildung eines besondern Abschnittes über das Quellenrecht. Neben dem sind für das Nachbarrecht nur einige allgemeine Vorschriften auf­zustellen, deren Aufnahme in das einheitliche Recht für die engere Verbindung des Nachbarrechtes mit dem Rechtsbewusstsein des Volkes und die Vertiefung des Eigentumsbegriffes überhaupt von Bedeutung sein wird. Sie gelten demgemäss nicht nur für die bundesrechtlich geordneten Institute, sondern auch für das kantonal verbleibende Nachbarrecht.
Der Entwurf unterscheidet unter solchen Gesichtspunkten folgende Richtungen des Nachbarrechts:
1. Der Eigentümer hat sich bei der Bewirtschaftung seines Gutes,
Art. 684, (2) jedes schädigenden Eingriffes in das Eigentum des
Nach­barn zu enthalten. Ohne jede Schädigung geht es freilich nicht ab. Die Anpflanzung von Getreide vermag einem anstossenden Gartenlande Schaden zu bereiten, wäre es auch nur wegen des Schattens, den die hochstehende Frucht auf die nachbarlichen Beete wirft, oder der Feuchtigkeit, die sie bei ihnen verursacht, und doch kann der Grundeigentümer gewiss nicht daran verhindert werden, seinen Acker bis zur Marche mit Korn zu bepflanzen. Es müssen also weitere Überlegungen sein, die zu einer Bewirt­schaftungsbeschränkung führen. Zwei Momente sind es, die hier namentlich in Betracht fallen: Die Lage und Beschaffenheit der Grundstücke selbst und das ortsübliche Mass der Eingriffe von einem Grundstück zum andern. Was hierunter zu verstehen ist, sollen die am Schluss des Art. 684 angeführten Beispiele veran­schaulichen, wobei die Beurteilung dieser Dinge in ihrer Bedeu­tung für die verschiedenen Verhältnisse, wie namentlich für städtische und landwirtschaftliche Grundstücke, selbstverständlich im einzelnen Falle der vernünftigen Würdigung des Richters anheim­ gestellt werden muss.
2. und 3. Graben, Bauen und Pflanzen, Art, 685 bis 687. (3) Was
das Bundesrecht hier festzulegen hat, ist nur der Grundsatz, dass keine Schädigung erfolgen darf, die namentlich bei Bauten mit Angriff des Erdreiches und Bewirkung von Rutschungen, bei
(') Vgl. ZGB 684 bis 698. (2) ZGB 684. (3) Vgl. ZGB 685 bis 688.



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Pflanzen durch Erzeugung von Schatten und Tropfenfall statt­finden kann. Die Einschränkung des einen Nachbarn gegenüber dem andern auf ein bestimmtes Mass erzeugt nach der Natur der Verhältnisse hierin oft erst die wünschenswerte Rechtssicherheit. Allein, das Urteil über dieses Mass ist in hohem Grade von der Kultur des Bodens und den überlieferten Gewohnheiten abhängig. Vgl. über die mannigfaltigen Bestimmungen des geltenden Rechts Schweiz. PR III, S. 278 ff. Bundesrechtlich darf dabei immerhin, einer allgemeinen Billigkeit entsprechend, festgestellt werden, dass wenn ein Nachbar das Überragen von Fruchtbäumen auf seinen Boden duldet, er auch den Anries von den überhängenden Ästen soll beanspruchen können. Es liegt in dieser Bestimmung zugleich ein Ansporn, die Bäume nicht feindselig zu verfolgen, sondern ihnen im Interesse der Obstkultur das natürliche Wachstum zu gewähren, indem der Geschädigte nach jener Regel von Gesetzes wegen eine Entschädigung zugewiesen erhält. Den Kantonen mag in dieser letzteren Richtung überdies gestattet werden, geradezu das Dulden des Überhangens gegen den Anries vorzuschreiben (Art. 687). (') Betreffend Bauten darf auch hier die nähere Ord­nung den Bauvorschriften der Kantone vorbehalten werden. Wir denken dabei nicht nur an die Vorschriften betreffend Scheide­mauern, sondern auch an das Recht der sogenannten „Halben Hofstatt" (wie Basel-Stadt es benennt), wonach ein Nachbar ge­halten ist, dem andern die Errichtung einer Grenzmauer mit Über­schreitung der Grenzlinie um die halbe Dicke der Mauer zu ge­statten, gegen das Recht, sich bei eigenem späterem Baue in das Miteigentum an der ganzen Mauer einzukaufen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 323 f., Art. 685, Abs. 3.(2)
4. Das Recht der Vorflut, Art. 688, (3) ist in dem Abschnitt über das Nachbarrecht stehen geblieben und nicht in das Quellen- und Brunnenrecht verwiesen worden, weil es über dieses weit hinaus­geht und namentlich für die gebirgigen Gegenden, wo das Regen­wasser und die Schneeschmelze dem unteren Eigentum gegenüber dem oberen eine unter Umständen sehr empfindliche Verpflichtung auferlegen, eine Bedeutung eigener Art besitzt. Der natürliche Ablauf bildet die Regel, nach der hier Recht und Pflicht bemessen werden müssen, denn ein jeder besitzt ja sein Grundstück nur nach Massgabe dieses natürlichen Verhältnisses. Was an diesem geändert wird, ist immer nur als Gegenstand einer Grunddienst-
(') ZGB 688. ZGB 687 hat in Abs. 3 die Vorschriften betreffend die Pflanzen ausdrücklich als für aneinandergrenzende Waldgrundstücke nicht anwendbar erklärt. (2) Vgl. ZGB 686 u. 702 (3) Vgl. ZGB 689.



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barkeit oder einer persönlichen Verpflichtung zu denken, soweit wenigstens dafür von der einen oder andern Seite ein Interesse besteht, also die Veränderung eine Schädigung bewirken würde. Der Entwurf geht aber noch einen Schritt weiter. Der obere Eigentümer soll das Wasser nicht nur abfliessen lassen dürfen, sondern auch müssen. Denn für die Wirtschaft des untern bildet dieses unter Umständen ein Lebenselement. Nur ergibt sich auch hierfür aus der Natur der Grundstücke eine Einschränkung: So­weit der obere Eigentümer das Wasser nicht entbehren kann, darf er es behalten, also zur Bewässerung auf seinem Boden versiegen lassen, und soweit der untere das Wasser überhaupt nicht nötig hat, darf es der obere auch ohne jene eigene Not behalten. Vgl. Art. 688, Abs. 3. (1) Natürlich können auch diese Beziehungen durch besondere Abreden beliebig geordnet werden. Sie sind nicht von absoluter Wirkung.
Bei der Vorflut ist auch von den Wassern die Rede, die in Quellen abfliessen. Es hat eben keinen Sinn, diese Bestimmung vereinzelt in das Quellenrecht zu verweisen. Sie gehört in den Zusammenhang, der hier gegeben ist. Höchstens könnte man bei dem letzteren Abschnitte nochmals auf diese Bestimmung ver­weisen. Allein auch das ist nicht nötig, denn in Wirklichkeit handelt es sich ja unmittelbar gar nicht um die Quelle, sondern um das abfliessende Quellwasser, das in dieser Hinsicht dem Regen- und Schneewasser durchaus gleich steht. (2)
5. Durchleitungen, Art. 689, (3) geniessen schon im geltenden Recht des besonderen gesetzlichen Schutzes. Vgl. Schweiz. PR III, S. 308 ff. Als neu kommt, den modernen Verhältnissen entspre­chend, im Entwurfe die elektrische Leitung hinzu, die der Brunnen- und Wasserleitung unbedenklich analog behandelt werden kann. Der besonderen Ordnung bedürfen dabei nur zwei Momente. Einmal ist es unzweifelhaft, dass, wer das Recht in Anspruch nimmt, die damit verbundene Schädigung des Nachbarn wieder gut machen muss. Damit verbinden wir die Vorschrift, dass trotz dieser Schadenersatzpflicht eben doch der Pflichtige in erster Linie darauf denken soll, so wenig Schaden als möglich zu stiften. Also muss bei der Anlage der Durchleitung nicht nur das Interesse des Berech­tigten, sondern auch das Recht des Verpflichteten gebührend be­rücksichtigt werden. Sodann können die Verhältnisse, unter denen die Durchleitung angelegt worden ist, sich ändern. Es ist z. B.
(') ZGB 689, Abs. 3. (2) Das Gesetz hat in Art. 690 noch eine beson­dere Vorschrift betreffend die Entwässerungen eingefügt. (3) Vgl. ZGB 691 bis 693.



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die Leitung durch einen Teil des Grundstückes geführt worden, der jetzt als Baugrund in Anspruch genommen werden will. Viel­leicht wird dadurch die Lage des Berechtigten nur verbessert, vielleicht wird sie ungünstiger. Dem entspricht es, dass alsdann die Kosten einer Verlegung der Leitung je nach den obwaltenden Verhältnissen von dem einen oder dem andern oder von beiden getragen werden sollen. Eine Expertise mag dem Richter im Streitfalle das Verhältnis klar legen, nach dem er seinem Ermessen entsprechend die Sache zu ordnen haben wird(1)
6. Die Wegrechte, Art. 690 bis 692, (2) stehen nach dem Entwurf zum Teil unter kantonalem und zum Teil unter Bundesrecht. Letzteres trifft zu für den Notweg. Jeder Grundeigentümer hat Anspruch auf einen genügenden Zugang zu einer öffentlichen Strasse, sei dies die Landstrasse oder ein Flurweg, sei es blosser „Bücktensteig" oder ein Fahrweg, wie ersteres z. B. bei Rebbergen oft als genügend zu erachten sein wird. Auch hier hat der An­sprecher Entschädigung zu leisten und ist nebendem auf die beidseitigen Interessen gebührend Rücksicht zu nehmen. Wichtig ist dabei namentlich die Frage, gegen welchen Nachbar der Wege­bedürftige seinen Anspruch zu richten habe. Die bestehenden Ge­setze sprechen bald von dem kürzesten Weg, bald von dem natür­lichsten, in der Talsohle gelegenen Weg usw. Vgl. Schweiz. PR III, S. 315 ff. Zwei Erwägungen scheinen uns ausschlaggebend zu sein. Einmal kann es aus den bisherigen Verhältnissen sich ergeben, dass das eine Grundstück dem andern die Vergünstigung ein­räumen soll. Man denke an Erbteilungen, womit einer der Erben in seinem Grundstück durch dasjenige seines Miterben von der Strasse abgeschnitten wird, oder an die Verlegung einer öffent-­ lichen Strasse, wo demjenigen Grundeigentümer, der aus dieser Verlegung den Hauptvorteil gezogen hat, wohl am ehesten zu-­ gemutet werden darf, den Notweg zu gestatten. Fehlt es an sol-­ chen Anhaltspunkten, dann kann nur noch die Anweisung bestehen, dass derjenige Weg gewählt werden soll, der irgend einem der
(') ZGB 691, Abs. 1, entspricht dem ersten Teil des Abs. 1 von Art. 689 mit dem Zusatz, dass der Anspruch gegeben sei, insofern sich die Leitung ohne Inanspruchnahme des Grundstücks gar nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten durchführen lasse, Abs. 3 dem Abs. 3 von Art. 689, und Abs. 2 schliesst den Anspruch für die Fälle aus, wo auf den Weg der Enteignung verwiesen ist. ZGB 692, Abs. 1, entspricht dem zweiten Teil des Abs. 1 von 689, und Abs. 2 gibt dem belasteten Grundeigentümer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abnahme des Grundeigentums. ZGB (693, Abs. 1, entspricht dem ersten Satz von Abs. 2 von Art. 689 und regelt in Abs. 2 u. 3 die Kosten­tragung (zweiter Satz von Abs. 2 des Art. 689). (2) Vgl. ZGB 694 bis 696.



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Nachbarn am wenigsten Schaden zufügt. Das wird in der Regel der kürzeste Weg sein. Allein wenn es sich um verschieden­artigen Boden handelt, kann unter Umständen sehr wohl auch der längere Weg einmal derjenige sein, der am wenigsten Schaden stiftet.
Die kantonalen Wegrechte, Art. 691, (') beruhen auf der Bewirtschaftungsweise, wie dies mit dem Ausstreckrecht, dem Tränk­recht usw. in vielen Gegenden alt überliefert ist. Dem Tretrecht wäre auch noch für die Gegenden, wo es vorkommt, das Pflug­wenderecht beizufügen. Vgl. die Beispiele am Ende des zit. Artikels. Auch die Ausführung von Bauten kann vorübergehend eine ent­sprechende Inanspruchnahme des nachbarlichen Bodens notwendig machen, man denke an das Hammerschlagsrecht. Und auch dies­falls wird am richtigsten auf das kantonale Recht verwiesen. Denn nicht nur sind die lokalen Bedürfnisse hier sehr verschieden, wie z. B. in Städten im Vergleich zum Lande, sondern die ganze Ordnung hängt überdies vielfach mit den Wegeordnungen zusam­men, die das öffentliche Recht der Kantone aufstellt. Wo eine ausgedehnte Anlage von öffentlichen Flurwegen geschaffen ist, be­steht natürlich eine ganz andere Voraussetzung betreffend Winter­weg, Holzweg u. dgl., als wo es an jenen auch für das Notwen­digste gebricht, und städtische Bauordnungen, geschlossener oder getrennter Bau an Strassen u. dgl. bedingen eine verschiedenartige Regelung der Berechtigung, die überall sich solchen öffentlich­rechtlichen Ordnungen in zweckmässiger Weise anzufügen hat.
7. Die Einfriedung, Art. 693, (2) hat eine lange Geschichte hinter sich. Sie war zur Zeit der ausgedehnten Weiderechte bei der Dreifelderwirtschaft von ganz besonderer Bedeutung. S. Schweiz. PR III, S. 248 f. In der neueren Zeit ist diese Bedeutung zurück­gegangen. Allein das Institut darf doch nicht mit Stillschweigen übergangen werden, wäre es auch nur, um hierfür ebenfalls auf das lokale Recht zu verweisen und die kantonale Gesetzgebung vorzubehalten. So kann dies offenbar mit Bezug auf die Pflicht zur Einfriedung ohne Bedenken gehalten werden, wogegen be­treffend die Kosten der Einfriedung bei der Unbestimmtheit, die uns diesfalls im geltenden Rechte entgegentritt, ein einheitlicher Grundsatz geboten oder doch zweckmässig sein dürfte, als welchen der Entwurf die Regel vorschlägt, dass der Grundeigentümer die Kosten der Einfriedung seines Grundstückes trägt, soweit nicht das Miteigentum an solchen Vorrichtungen zu anderen Folgerungen führen kann.
(') ZGB 695. (2) ZGB 697.



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8. Endlich ist betreffend die Unterhaltspflicht, Art. 694, (') noch darauf hinzuweisen, dass die Vorrichtungen zur Ausübung der nachbarlichen Rechte Kosten verursachen können, die an sich jeweils der Berechtigte zu tragen haben wird. Das Nachbarrecht ver­pflichtet den Nachbarn zu keinem Handeln, auch nicht zur Her­stellung irgend welcher Vorrichtungen, mit denen der andere sein Recht auszuüben hätte. Allein die Verhältnisse sind häufig so, dass der belastete Nachbar auch seinen Vorteil von der Vorrichtung hat. Der angelegte Weg, das Brücklein, dient beiden, der Brunnen mit dem Tränkrecht wird sogar von vielen benutzt. Da verlangt es die Billigkeit, dass auch die Kosten gemeinsam getragen werden, und dies führt zu einer Tragung der Kosten nach dem Interesse, das die verschiedenen Grundeigentümer, belastete und verpflichtete, an der Vorrichtung haben.
Über das Verhältnis dieser Berechtigungen zum Grundbuch sei angefügt, dass die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen im allgemeinen zu ihrer Wirksamkeit keiner Eintragung im Grund­buch bedürfen. Allein damit ist die Sache nicht genügend geklärt. Vielmehr müssen einige Fälle besonders geordnet werden.
Bei gewissen Vorschriften handelt es sich um Anlagen, die zwar von Gesetzes wegen beansprucht werden können, die aber dann doch, wenn sie einmal gemacht sind, eine eigentümliche Stellung zu dem belasteten Grundstück einnehmen. Das Gesetz kann ja auch wechseln, und es mag später einmal zweifelhaft werden, ob eine vorhandene Einrichtung auf Grund einer privaten Dienstbar­keit oder aus Nachbarrecht angelegt worden sei. So namentlich bei irgend welchen Durchleitunngen. Daher hat es für die Betei­ligten Interesse, den Zustand formal und auf alle Zeit zu befesti­gen, indem sie ihn in das Grundbuch eintragen lassen. Art. 689, Abs. 3 (2) verweist betreffend die Durchleitungen auf diese Möglich­keit, indem er zugleich bestimmt, dass der Berechtigte die Kosten zu tragen habe. Für den Belasteten ist das Interesse ein geringeres, so dass hiervon nicht gesprochen zu werden braucht. Es würde aber keinen Anstand haben, dieselbe Befugnis zugleich mit der Kostentragung dem belasteten Grundeigentümer zuzusprechen.
Ähnlich verhält es sich mit den dauernden Wegrechten, den Wegen von bleibendem, ununterbrochenem Bestand. Auch sie be­stehen von Gesetzes wegen, Art. 692, Abs. 2,(3) allein die Betei­ligten haben ein grosses Interesse daran, dass das Verhältnis durch die Eintragung in das Grundbuch abgeklärt und genau festgestellt
(') ZGB 698. (2) ZGB 691, Abs. 3. (3) Vgl. ZGB 696, Abs. 1.



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werde. Man denke nur an die Lage und Richtung des Weges, an die Breite, an die künstlichen Vorrichtungen, die sich damit verbinden können u. a. m. Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich unsrer Ansicht nach, überhaupt solche Wegrechte der Eintragung zu unterwerfen, zwar nicht zum Zwecke ihrer Begründung, wohl aber der Ordnung halber. Die Kosten trägt nach dem in Art. 694 (') aufgestellten Prinzip der Berechtigte, soweit nicht auch der Be­lastete ein Interesse am Wege hat. Vgl. Art. 692, Abs. 1. (2)
Davon sind dann die Wegrechte zu unterscheiden, bei denen das Gesetz überhaupt nur den Anspruch auf die Einräumung eines Weges aufstellt, wie beim Notweg. Hier erhält das Wegrecht nicht durch die Gesetzesvorschrift seine dingliche Existenz, son­dern das Gesetz gibt nur ein dingliches Recht auf Gewährung des Notweges, und die dingliche Errichtung erfolgt auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder im Streitfalle unter den Beteiligten nach Massgabe des Richterspruches. Dann muss natürlich die dingliche Berechtigung nach Grundbuchrecht erst noch durch die Eintragung hergestellt werden. Wir hatten anfänglich die Absicht, dies im Gesetze ausdrücklich zu sagen. Man hat aber gefunden, dass dieses Verhältnis aus der Beziehung zwischen Abs. 1 und 2 des Art. 692 (3) ohne weiteres mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehe.
IV. Recht auf Zutritt und Abwehr, Art. 695 bis 697. (4) Dem Nach-­ barrecht reiht sich eine Verpflichtung des Grundeigentümers an, die jedermann gegenüber besteht, aber ihrer Begründung nach auf dem gleichen Gedanken beruht, wie jenes: Der Eigentümer soll sein Recht nicht bis zur Unbilligkeit gebrauchen und auf die Interessen anderer insoweit Rücksicht nehmen, als dies durch die gemeinsamen Interessen Aller geboten erscheint. In erster Linie ist nach dieser weiteren Richtung allerdings die Vorschrift zu stellen, der Grundeigentümer dürfe jeden unbefugten Angriff auch in der Gestalt von seinem Grund und Boden abwehren, dass er es jedermann verbiete, diesen seinen Herrschaftskreis gegen seinen Willen zu betreten. Er braucht nicht einmal das Eigentum ein­zufrieden. Auch ohne körperliche Einhegung wird das Grundeigen­tum durch das Gesetz gehegt. Das Eindringen auf das fremde Grundstück ist an sich verboten, zivilrechtlich nicht nur dergestalt, dass der Eindringling zum Ersatz des Schadens verpflichtet wird, den er stiftet, sondern auch dass der Eigentümer ihm den Zutritt überhaupt nicht zu gestatten braucht und tatsächlich verwehren
(1) ZGB 698. (2) Vgl. ZGB 696, Abs. 2. (3) Vgl. ZGB 694, Abs. 2, und 696, Abs. 1 u. 2. (4) Vgl. ZGB 699 bis 701.



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darf. Allein diesem Grundsatz gegenüber müssen von dem ange-­ führten Gesichtspunkte aus einige Ausnahmen anerkannt werden, die in den vorliegenden Bestimmungen im Anschluss an die Hauptregel ihre Feststellung erfahren haben. Es sind folgende:
1. Offener Wald und offenes Weideland werden nach der volkstümlichen Auffassung als ein Boden betrachtet, der jeder­mann offen steht, und nur die schärfsten polizeilichen Massregeln vermöchten die Landesbewohner davon abzuhalten, sich dieser ein­gewurzelten Anschauung gemäss zu verhalten. Denn was sollte es dem Eigentümer schaden, wenn solches Land betreten wird? Frei­lich wird die Ortsübung hierin gewisse Schranken zu ziehen ver­mögen. Auch wird das Interesse des Eigentümers unter Umständen eine Richtung einschlagen können, nach der ihm auch bei Wald und Weide besonders daran gelegen sein muss, sein Eigentum vor jeder Betretung zu bewahren. Man denke nur an die jungen Pflanzungen im Walde oder die Kulturverbesserungen an Wiesen und Weiden, und jedenfalls kann der Wald auch eingehegt und dadurch dem Publikum verschlossen werden. In welchen Fällen dabei aber ein Wald oder eine Weide als offen oder als geschlossen zu betrachten sei, ist wiederum nach der Ortsübung zu beurteilen, indem doch nicht jede Einhegung das Land in ein geschlossenes zu verwandeln geeignet ist. Man vergegenwärtige sich nur die Einhegungen auf den Alpen, die doch meist nur für die weidende Ware berechnet sind. Ferner ist, wohlverstanden, in dieser Erlaub­nis nur das Betreten gemeint und nicht eine bestimmte Tätigkeit, die nutzbringend von dem Dritten ausgeübt werden könnte, wie das Sammeln von Streue, von Holz u. dgl. Gehören die Beeren zum Waldnutzen, so werden auch diese in dem Schutz vor Dritten mitverstanden sein, während für gewöhnlich der Dritte ein Recht darauf hat, sich in dem Walde des „Beerens" zu erfreuen. Es gehört dies freilich nach seiner Hauptbedeutung in das Gebiet der Forstpolizei. Allein zivilrechtlich hat es doch seine Bedeutung, indem, wer zu solchem Zwecke den Wald betritt, keine Eigentumsschädigung verübt. Manchen Ortes ist es auch schon mit Aus­sichtspunkten in Wald und Feld streitig geworden, ob der Eigen­tümer sich den Besuch ungebetener Gäste fernhalten dürfe oder nicht. Die Antwort wird in dem angegebenen Umfange verneinend ausfallen dürfen.(1)
(') Das Gesetz hat den allgemeinen Grundsatz in diesem Zusammenhang mit Rücksicht auf Art. 641, Abs. 2, nicht ausgesprochen und Abs. 1 von 695 des VorE gestrichen. Art. 699, Abs. 1 u. 2, führt den Anspruch auf Zutritt in dem entwickelten Sinne des nähern aus.



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2. Des weitern besteht gegenüber jedem Grundeigentümer das Recht, auf fremdem Grund und Boden Sachen zu verfolgen und sich zu holen, die durch Naturgewalt oder sonst zufällig dorthin gekommen sind. Freilich muss auch hier der Verfolgende den Schaden, den er mit der Verfolgung anrichtet, wieder gut machen. Allein ein Verbot, die Sachen zurückzuholen, darf der Grund­eigentümer nicht aufstellen. Es betrifft dies irgend welche Dinge, Werkzeug, Mobiliar, Gebäudeteile, Futter, Holz usw., die Wind oder Wasser, Lawinen oder Bergsturz auf fremden Boden gebracht haben, wobei nur zu beachten ist, dass unter Umständen eine Verbindung stattgefunden haben kann, bevor der Sacheigentümer sie zurückzuholen kommt. Dann ist die Frage nach den Regeln über den Eigentumserwerb zu beantworten. Namentlich betrifft die Vergünstigung nun aber auch Tiere, die auf fremden Boden ge­langen: wie Hühner, Schweine, Tauben, Kaninchen, Fische und namentlich Bienen, die gleichfalls unter diesen Regeln stehen. Über den Verlust des Eigentums an solchen Tieren wird bei Art. 709ff. (1) zu handeln sein. Hier genügt es, wenn darauf hingewiesen wird, es habe der Eigentümer der Tiere das Recht, unter allem Vor­behalt des Eigentumserwerbes durch den Grundeigentümer und Finder, den entlaufenen oder entflogenen Flüchtlingen nachzugehen und sie zurückzuholen, unter Ersatz des etwa dabei gestifteten Schadens. (2)
Die Kantone können über diese Betretung fremden Bodens unzweifelhaft polizeiliche Ordnungen aufstellen, und darauf will Art. 696 in Abs. 3 verweisen. Allein diese kantonalen Regeln dürfen das Privatrecht nicht beschlagen, also den bundesrecht­lichen Grundsatz nicht etwa alterieren. Zur Vermeidung allfälliger Missverständnisse würde es daher wohl besser sein, es diesfalls bei dem allgemeinen Vorbehalt des öffentlichen Rechtes der Kan­tone (in Art. 4 der Einleitung) bewenden zu lassen und den ersten Satz des zitierten Absatzes einfach als selbstverständlich zu streichen. (3)
Dass Bienenschwärme hierher gerechnet werden müssen, bedarf wohl keiner besonderen Begründung. Die privatrechtlichen Vor­schriften der Kantone über die Verfolgung der Bienenschwärme, wie sie in einigen Rechten vorkommen (vgl. Schweiz. PR III, S. 155 ff.), würden also durch die Bestimmungen des Entwurfes ersetzt werden.
(') ZGB 719 ff. (2) ZGB 700, Abs. 2, gibt dem Grundeigentümer ausser­dem ein Retentionsrecht. (3) Die Bestimmung ist denn auch, weil schon in ZGB 6 enthalten, nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Der Vorbehalt der Vorschriften über den Eigentumserwerb ist selbstverständlich.



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3. Eine dritte Ausnahme von der angeführten allgemeinen Regel wird durch den Notstand gegeben, wobei die Relation zwi­schen dem zu schützenden Gut und der Schädigung den Massstab für die Grenze des erlaubten Eingriffes zu bilden hat, und jeden­falls auch wieder Schadenersatz zu leisten ist. Man denke an den Einbruch in eine verschlossene Sennhütte durch Jäger oder Tou­risten, die auf andere Weise sich vor ernsten Gefahren nicht zu schützen wissen, und ähnliche bekannte Vorkommnisse.(')
In den unterschiedenen drei Fällen oder wenigstens im zweiten könnte es sich schliesslich auch noch fragen, ob nicht der Grund­eigentümer Sicherheit für den Ersatz des mutmasslichen Schadens zu verlangen berechtigt sein soll, bevor er das Betreten seines Bodens zu gestatten hat. Bei den Beratungen wurde jedoch ein bezüglicher Vorschlag wohl mit Recht als zu lästig und für die Verhältnisse unpraktisch abgelehnt.
V. Die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Art. 698. (2) haben wir oben in anderem Zusammenhange bereits erörtert. Sie bestehen, wie die nachbarrechtlichen, ohne Eintragung in das Grundbuch, können aber regelmässig durch private Abmachungen nicht ab­ geändert werden.
C. Rechte an Quellen und Brunnen, Art. 699 bis 705. (3) Der Ent-­ wurf stellt hier alle die Bestimmungen zusammen, die ausschliess­lich für die Quellen und Brunnen gegeben sind. Durch die Zu­sammenstellung an sich wird bewirkt, dass dieses reiche Gebiet an Klarheit und dessen Regelung an Wirksamkeit gewinnt.
I. Quelleneigentum und Quellenrecht, Art. 699. (4) Der Entwurf unterscheidet vom Eigentum am Wasser und Wasserlauf das ding­liche Recht beschränkten Inhaltes, womit das Eigentum belastet sein kann. Nicht das Recht am Wasser und auch nicht das Recht auf die Gewinnung von Eigentum am Wasser ist hier gemeint, sondern das dingliche Recht an fremder Sache. Natürlich führt dieses auch zur Gewinnung des Wassers zu Eigentum, wie der Nutzniesser das Eigentum an den Früchten gewinnt. Allein des­halb ist doch die Grundlage in der dinglichen Berechtigung ein besonderes Verhältnis, das nach dem oben erörterten Inhalt des Eigentums am Gewässer unzweifelhaft als ein "jus in re aliena" aufgefasst werden muss.
(') ZGB 701. Vgl. auch OR 52, Abs. 2. (2) ZGB 702 hat diesen Vor­behalt ausführlicher entwickelt, und ZGB 703 eine besondere Bestimmung über Bodenverbesserungen angefügt. Vgl. oben S. 58, Anm. 1. (3) Vgl. ZGB 704 bis 712. (4) ZGB 704.



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Dieses Verhältnis kann in sehr verschiedenen Formen auftreten. Es kann in der Gestalt einer ganz gewöhnlichen Dienstbarkeit, die sich in ihrem Inhalt auf den Wasserlauf bezieht, erscheinen (vgl. z. B. Art. 920). (') Würde man das Nachbarrecht als einen Komplex von Legalservituten darstellen, so würden alle die vielerlei Ge­stalten der nachbarlichen Benutzung der Brunnen und Bäche, der Tränkerechte, Bewässerungsrechte usw. unter diesen Gesichtspunkt fallen. Das alles kann mit einem vertraglichen Titel begründet sein, oder es können umgekehrt öffentlich-rechtliche Verhältnisse die Gestalt solcher Dienstbarkeiten annehmen, wie das Recht, einen Steg, eine Stauvorrichtung, eine Fähre u. a. m. am Wasser zu halten. Alle diese Erscheinungen bieten trotz ihrer wirtschaftlichen Mannigfaltigkeit keine besondern rechtlichen Schwierigkeiten. Von eigenartiger Bedeutung dagegen ist das Recht, das mit Art. 699 (2) geschaffen wird, das Quellenrecht, wonach an dem Grundeigentum eines andern jemandem das dingliche Recht an Quelle und Wasser­lauf zusteht. Das Grundeigentum geht auf die Bodenfläche und das darauf befindliche Gewässer. Der Berechtigte aber macht die Be­fugnis geltend, dieses Gewässer zu benutzen oder sich anzueignen. Handelt es sich dabei um die Nutzung eines Baches oder Brunnens, so ist niemand im Zweifel, dass der Berechtigte nicht Eigentümer ist. Es kann etwa bei Brunnen die Frage entstehen, inwiefern ein beschränktes dingliches Recht oder Miteigentum vorliege, aber die begriffliche Scheidung an sich ist klar. Anders im über­lieferten Rechte bei den Quellen. Da begegnet uns häufig die eigentümliche Ausdrucksweise, dass man ungescheut von Quellen­eigentum spricht, wo von einem Eigentum an Grund und Boden gar nicht die Rede ist, wo höchstens das Eigentum an dem ge­wonnenen Wasser in Frage kommt. Man bringt die Quelle als einen körperlichen Teil des Grundstückes in den Rechtsverkehr, während man doch gar nicht das Eigentum an einer „pars fundi" im Auge hat. Man setzt das Quelleneigentum zu dem Grundeigentum in Gegensatz, als wären sie zwei koordinierte Erscheinungen. Das alles mag angehen in einer Zeit, wo der Eigentumsbegriff über­haupt von dem des dinglichen Rechtes an fremdem Eigentum noch nicht geschieden ist. Es mag sich auch durchführen lassen, wo man auf die Grundstücke und ihre Rechtsverhältnisse die Grund­sätze des Grundbuches noch nicht angewendet hat. Allein je be­stimmter man eine klare Feststellung des Grundeigentums durch­zuführen versucht, um so mehr wird man genötigt, die Verhält­nisse zu den Quellen in genau umschriebene Begriffe zu kleiden.
(') Vgl. ZGB 664, 944, Abs. 1. (2) ZGB 704.



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Man wird hierbei daran festhalten müssen, dass unter Quellen­eigentum das Eigentum am Grund und Boden und am Gewässer, das sich darauf befindet, verbunden mit dem Anspruch auf Erhal­tung des Zuflusses zu verstehen sei. Derart und in solchem Umfange bildet die Quelle ein Eigentumsobjekt. Wer also Quelleneigentümer werden will, muss eine körperlich mit bestimmten Linien abgegrenzte Bodenparzelle erwerben. Er wird Grundeigen­tümer und damit Eigentümer der auf seinem Grundstück befind­lichen Quelle, die aus dem Grundbuche gar niclit besonders ersicht­lich zu sein braucht, weil sie „pars fundi" ist, wie die Erdscholle oder die Bäume des Grundstückes. Kann dieses Verhältnis nun aber für die zu den Quellen herzustellenden Eechtsbeziehungen genügen? Wir glauben nicht. Nicht immer gelingt es, ein Stück des Bodens zu erwerben, um die Quelle zu haben. Auch würden, wollte man es hierbei bewenden lassen, die Parzellen oft bedenk­lich klein und wären schwer auf der Grundlage des Eigentums rechtlich zu schützen. Man denke nur an die Verunreinigungen durch die auf dem umliegenden Felde vorgenommenen Arbeiten. Da liegt es näher, das Quellenrecht auf einen andern Boden zu gründen, und das ist möglich mit der Schaffung einer Belastung, einer Dienstbarkeit an dem Grundstücke, auf dem sich die Quelle befindet. Der Inhalt dieser Dienstbarkeit aber ist: die Befugnis, über die fremde Quelle eine Herrschaft auszuüben in Gestalt der vollen Nutzung, also auch in der Erlangung des Eigentums am Wasser, das aus ihr zu gewinnen ist, und dem zufolge auch in der Befugnis zur Ableitung dieses Wassers. Anerkennt man eine solche Dienstbarkeit, so überlässt man das Grundeigentum ruhig dem Bodeneigentümer. Der Quellenberechtigte aber erhält ein dingliches Recht an fremder Sache, kraft dessen er die Quelle nach ihrer Nutzbarkeit sich aneignen darf, und zwar dauernd, und jedem spätem Grundeigentümer gegenüber bleibend und voll und ganz wirksam. Auch die grundbuchliche Darstellung bereitet dann keine Schwierigkeiten mehr. Das Recht wird auf der Doppelseite des belasteten Grundstückes in die Rubrik der Dienstbarkeiten ein­getragen.
So gelangt der Entwurf dazu, Quelleneigentum und Quellen­recht einander gegenüberzustellen. Nur wer Grundeigentümer ist. kann auch Quelleneigentümer sein. Das Quellenrecht aber ist eine nach ihrem Inhalt eigentümliche Art von Dienstbarkeit. Quellenrecht in seiner Eigenart kann aus persönlichem Rechte nicht ge­wonnen werden. Was auf die obligationenrechtliche Grundlage gebaut wird, besitzt keine juristische Eigenart, es ist irgend eine Art der Miete oder der persönlichen Leihe. Das Quellenrecht



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dagegen beruht auf dem Sachenrecht und auf dem Grundbuch, und wenn es auch nicht Eigentum darstellt nach Grundbuch, so vermag es doch eine dem Eigentum entsprechende dingliche Dauer­haftigkeit aufzuweisen (Art. 699, Abs. 2).(1) Sodbrunnen sind dabei den Quellen gleich zu behandeln.
II. Ableitung von Quellen, Art. 700. (2) Die Bestimmung findet ihre Rechtfertigung in der Gebietshoheit der Kantone und in dem Bedürfnis, das für eine jede Landschaft besteht, sich den Wasser­ reichtum soweit tunlich zu sichern und jedenfalls vor Verarmung durch Gestattung verschwenderischer Ableitungen zu schützen. Mehrere Kantone haben darüber bereits legiferiert. Wir erinnern nur an die Vorschrift von Appenzell A.-Rh. und I.-Rh. Vgl. Schweiz. PR
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der Ableitung auf Grund des Abs. 2 einen Rekurs an das Bundesgericht zu eröffnen, wurde bei den Expertenberatungen in dem Sinne keine Folge gegeben, dass ohnedies gegen Verletzung dieser Bestimmung selbstverständlich der ordentliche Rechtsweg gegeben sein werde.
III. Abgraben von Quellen, Art. 701. (3) Es ist möglich, dass der Nachbar eine Quelle besitzt, die mit der eines andern in ihrem Wasserlauf aufs engste zusammenhängt. Es ist dabei weiter mög­lich, dass eine jede Baute auf dem einen Grundstück auf die Quelle des andern einen direkten schädlichen Einfluss ausübt. Des fernem kann unter Umständen der obere Nachbar durch Grabung auf seinem Grundstück eine Quelle, die bishin noch nicht auf dem­ selben entsprungen ist, zum Schaden des bisherigen untern Eigen­tümers sich aneignen. Es frägt sich, wie es in solchen Fällen im Quellenrecht gehalten werden solle.
Vom Standpunkte des Grundeigentümers aus würde man um die Antwort nicht verlegen sein. Ein jeder darf auf seinem Grund und Boden Bauten und Grabungen vornehmen, wie er es für gut hält. Er darf nur nicht das Erdreich des Nachbarn in Be­wegung setzen, dessen Substanz nicht körperlich angreifen. Allein wenn die Quelle des Nachbarn durch an sich erlaubte Grabungen abgeleitet oder geschmälert wird, so ist das eine Sache, die nur den Geschädigten angeht. Also darf ein Nachbar ungestraft dem andern Quellen und Brunnen abgraben, um sie sich selber zuzu-
(') ZGB 704, Abs. 2, und 780. (2) ZGB 705. Nach Abs. 2 entscheidet über Anstände unter den Kantonen endgültig der Bundesrat. (3) Vgl. ZGB 706 n. 707.




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leiten. Allein diese Auffassung ist schon an sich nicht sehr genau und überzeugend. Sie ignoriert den technischen Tatbestand, den natürlichen Zusammenhang der unterirdischen Wasser. Entschei­dend ist denn auch für eine andere und richtigere Auffassung folgende Überlegung. So lange man von dem Lauf der Quellen noch keine genauere Vorstellung hatte, wurde die Tatsache, dass ein Grundeigentümer durch Grabungen sich Wasser verschaffte, leicht als ein Tatbestand für sich betrachtet, dem das Versiegen der Quelle auf dem nachbarlichen Boden nur zufällig gegenüber­stand. Ein Eingriff in das nachbarliche Grundstück wurde also trotz der Grabungen nicht angenommen, während sich unter der den Verhältnissen entsprechenden Betrachtung der Dinge gerade das Umgekehrte als richtig erweist. Dass es in der Tat der Mangel an dieser Einsicht in die Zusammenhänge war, was jene Auffassung möglich gemacht hat, kann daraus ersehen werden, dass man es doch nach den gleichen Rechtsordnungen für unzu­lässig erklärt hat, einen offenen Wasserlauf vom obern Eigentum so abzuleiten, dass das untere des natürlichen Wasserlaufes ver­lustig ging. Hätte man die bessere Einsicht gehabt, so würde die Abgrabung der Quelle dieser Ableitung des natürlich abfliessenden Wassers gleichgestellt, oder überhaupt dem körperlichen Eingriff in das Grundeigentum gleich behandelt worden sein. Man hat also genügende Rechtfertigung, die bestehenden Quellen in gewissem Umfange gegen Abgrabungen zu schützen. Der Entwurf bekennt sich denn auch zu dieser Rechtsordnung, auf deren Zu­sammenhang mit dem Grundeigentum wir schon oben hingewiesen haben. (l)
IV. Quellengemeinschaft, Art. 702. (2) Der Fall kann so liegen, dass der Eigentümer der Quelle selber in das nachbarliche Reich eingreift. Er unternimmt es z. B., seine Quelle tiefer zu legen, rationeller zu fassen, und bewirkt dadurch allerdings eine Ver­mehrung des Wasserzuflusses zu seiner Quelle, aber dementsprechend auch eine Verminderung in der Stärke der nachbarlichen Quellen. Soll er dies tun dürfen, soll er den andern hierfür verantwortlich sein?
Man wird hier die Antwort etwas anders fassen müssen als bei den Grabungen schlechtweg. Zwar wo es sich um Neugra-
(') ZGB 706 handelt entsprechend Abs. 1 n. 3 des Art. 701 vom Schaden­ersatz, ZGB 707 entsprechend dem Abs. 2 des Art. 701 von der Wiederher­stellung. Neben Abgrabung und Verunreinigung wird auch die Beeinträchti­gung der Quelle genannt. Die Art und Weise des Ersatzes bestimmt im Falle von 706, Abs. 2, der Richter nach seinem Ermessen. (2) Vgl. ZGB 708.



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bungen, wenn auch in Verbindung mit einer bereits bestehenden Quelle handelt, wird man die Analogie zu den obigen Fällen gelten lassen. Allein wie, wenn es sich nur um eine Verbesserung, um eine rationellere, technisch richtigere Fassung der bereits be­stehenden Quelle handelt? Da darf doch wohl beachtet werden, dass die Quellen da sind, um eine richtige Fassung und Verwertung zu erhalten. Man darf es dem Eigentümer nicht verwehren, mit seiner bereits ihm gehörenden Quelle richtig zu verfahren. Man darf ihn dafür nicht verantwortlich machen. Werden aber andere daraus geschädigt, so muss die Abhilfe auf einer anderweitigen Grundlage gefunden werden. Man denke an folgendes:
Wird durch die rationellere Fassung der Quelle des einen Nachbarn das Wasser für die andern vermindert, so beweist dies, dass sie alle zusammen eigentlich die Anteilhaber an dem gleichen, wenn auch an verschiedenen Stellen zu Tage tretenden Gewässer sind. Diese Gemeinschaft muss zum Ausgangspunkt einer allseitig befriedigenden Lösung genommen werden, es sollen also alle Beteiligten Anspruch darauf haben, dass für das ganze Sammelgebiet mit der gleichen Rationalität verfahren werde. Ein jeder mag verlangen, dass eine gemeinsame Fassung hergestellt und den einzelnen das Wasser durch Teilstöcke im Verhältnis ihrer bis­herigen Beteiligung zugeführt werde. Und auf diesem Wege mag dann auch der Schaden wieder ausgeglichen werden, den das ein­seitige Vorgehen des einen Quelleneigentümers den andern be­reitet hat.
Diese Lösung hat den Vorzug, dass sie den Grundsatz der Freiheit des einzelnen mit der Erzielung möglichster Nutzung aus der Quellanlage kombiniert. Und unbillig ist es für die Mit-­ beteiligten auch nicht, wenn sie vor die Alternative gestellt werden, entweder den einen bei seinen technischen Fortschritten zu lassen oder selber diese Fortschritte mitzumachen. Wenn dabei hie und da mit der alten Brunnenstubenwirtschaft, den Frosch­teichen, wie man sie schon genannt hat, aufgeräumt wird, um so besser!(1)
V. Benutzung von Quellen und Brunnen, Art. 703. (2) Die Quelle unter­liegt unzweifelhaft dem allgemeinen Gebrauch, wie er in Art. 917 für die Seen, Flüsse und Bäche festgestellt ist.(3) Ob an ihr ein Privateigentum in dem oben umschriebenen Sinne anzuerkennen
(1) ZGB 708 stellt die Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens der Quelleneigentüraer in erste Linie, wobei diese die Kosten im Verhältnis ihres Interesses tragen, Abs. 1 u. 2. Abs. 3 entspricht dem Art. 702, Abs. 1 u. 2. (2) ZGB 709. (3) Vgl. ZGB 664.



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sei, ist in neuester Zeit namentlich aus zwei Erwägungen in Frage gezogen worden, einerseits wegen der schon berührten Unbestimmt­heit ihrer Verbindung mit dem Grund und Boden und anderseits aus Rücksicht auf diejenigen, die von dem Quellengrundstücke her das Wasser empfangen.
Die Frage hatte so lange keine besondere Schärfe, als es sich bei der Quelle um die blosse, unmittelbare Nutzung des Wassers für die Bedürfnisse der Bewirtschaftung des Grundstückes gehandelt hat. Liess man aus der Gesamtheit der Genossen und ihrer Allmende das einzelne Bodenstück zu Privateigentum werden, warum sollte man nicht auch das Eigentum an der Quelle anerkennen ! War doch mit diesem nicht viel mehr Recht verbunden, als man ohne­dies in der Einzelbewirtschaftung der Güter einem jeden zugestand und zuzugestehen willens war. Und bis in unsere Zeit ist denn auch in Gegenden, wo der genossenschaftliche Gedanke noch lebendig zu bleiben vermocht hat, die Auffassung nicht verloren gegangen, dass die Quellen eigentlich als Genossenschafts-, d. h. Gesamtgut, zu betrachten seien. Aber man hatte bishin keine Ver­anlassung, sich darüber ganz klar zu werden, und sprach unbedenk­lich einem jeden einzelnen Grundstück das unmittelbare, wenn auch nicht ausschliessliche Recht an den auf ihm entspringenden Quellen zu.
Allein nun sind die Verhältnisse andere geworden. Die Nutzung, die jetzt der Eigentümer von seiner Quelle macht, ist nicht nur wirtschaftlich viel intensiver als bishin, sie hat auch zur Folge, dass der allgemeine Gebrauch zurückgedrängt wird und dass die Anstösser in ihrem Anteil an dem Wasserlauf bedroht werden. Jetzt stellt sich die Frage ganz anders dar. Die Dorfgenossen verlangen nach Schutz der althergebrachten Übung und Nutzung, die Nachbarn wollen ihr Recht gewahrt wissen. Leider kann man nicht sagen, dass sie damit in Rechten bishin viel Gehör erfahren hätten. An dem Satze, dass dem Quelleneigentum des Grund­eigentümers gegenüber nur der zu irgend einem Mitgenuss be­rechtigt sein könne, der hierauf ein Sonderrecht nachzuweisen vermöge, haben unsere Privatrechte sozusagen ausnahmslos fest­gehalten. Ein Nachbarrecht an den Quellen ist nur spärlich an­erkannt worden. Allein es erscheint als ein unabweisbares Be­dürfnis, die Ordnung in dieser Richtung nicht nur im öffentlichen Rechte zu wahren (vgl. oben Art. 700), (') sondern auch für das Privatrecht zu sichern. Einheitlich zwar wird sich diese Ordnung für die ganze Schweiz nicht aufstellen lassen. Den Kantonen
(') ZGB 705.



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aber ist die Befugnis vorzubehalten, diesfalls die wünschenswerte Ordnung nach lokalen Anschauungen und Bedürfnissen festzu­stellen.
VI. Notbrunnen, Art. 704. (') Dass nicht, wie betreffend Weg und Steg ein Notwegrecht, schon lange auch für Wasserzuleitung und Brunnen ein Anspruch des einen Nachbarn gegen den andern anerkannt worden ist, rührt wohl daher, dass bislang der Genuss von Quellen und Brunnen in Überfluss vorhanden oder verhältnis­mässig leicht auf den gewöhnlichen Erwerbswegen zu beschaffen war. Erst in der jüngsten Zeit haben diese Verhältnisse sich zu ändern begonnen. Grosse Wasserversorgungen mit Hydrantennetzen sind ausgebaut worden. Die Quellen und Brunnen auf weiten Ge­bieten sind zusammengekauft und auch wohl zusammengegraben worden. Der einzelne hat es schwerer als früher, zu einem eigenen Wasser zu gelangen, und wo es noch möglich ist, vermag er es im Verhältnis zur frühern Zeit nur mit ganz erheblichen Mehr­kosten. Dazu kommt, dass die grossen Unternehmungen begünstigt werden. Man denke nur an das Recht zur Zwangsenteigung und an das Vorzugsrecht des Art. 705, Abs. 2.(2) Solchen Vorteilen sollen auch gewisse Verpflichtungen zur Seite gestellt werden, und unter diese rechnen wir nun in erster Linie die Pflicht, dem Nachbarn wo immer möglich das nötige Wasser zu überlassen. Aus diesen Überlegungen wird man es nicht unbillig finden, wenn dem Notwegrecht parallel ein Notbrunnen zur Anerkennung ge­bracht wird. Wer für sein Grundstück des nötigen Wassers, zur Bewirtschaftung oder für die Bewohner, entbehrt, oder solches sich nur mit ganz unverhältnismässigen Kosten von weither zu ver­schaffen vermöchte, der soll von dem nachbarlichen Berechtigten, der ohne Not ihm sehr wohl das Wasser überlassen kann, eine Leitung oder einen Anteil an dessen Rechte beanspruchen dürfen. Man denke an die Stadt, die sich in einem einsamen Gebirgstal die Quellen und Bäche zu einer umfassenden Wasserversorgung zusammengekauft hat. Bei der Durchführung des Wasserwerks versiegen auch noch die letzten Brunnen, die die Hütten an dem Bergabhang bishin besassen, und deren Eigentümer stehen ratlos. Da gibt es nur einen der Billigkeit entsprechenden Weg, dass nämlich diese Geschädigten von der Stadt verlangen dürfen, dass sie ihnen eine genügende Leitung gewähre oder einrichte. Auf die Tausende von Litern, die zur Fortleitung gelangen, ist es kaum spürbar, wenn die Hauptzuleitung so oder anders um einige
(') ZGB 710. (2) ZGB 711, Abs. 1.



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kleine Ableitungen vermindert wird. Das grosse Unternehmen wird dadurch nicht gefährdet, den Kleinen aber ist damit ge-­ holfen (1).
VII. Enteignungsanspruch, Art. 705. (2) Endlich bringt der Ent­wurf das Element der Gemeinschaft, das wir im Quellenrecht von so grosser Bedeutung antreffen, auch noch in der Weise zur An-­ erkennung, dass eine Zwangsenteignung von Quellen für besonders wichtige Interessen zugestanden wird. Selbstverständlich besteht eine solche, soweit überhaupt die Zwangsenteignung gegen Grund­ stücke reicht. Wie aber, wo es sich nur um die Verwertung einer Quelle handelt? Da ist die Frage aufgetaucht, ob nicht der wirt­schaftlich hohem Verwertungsmöglichkeit ein Vorrecht gegenüber der tatsächlich geringern augenblicklichen Verwertung eingeräumt werden solle. Es dient z. B. ein Quellbach auf einem Berge dem Bauern zu nichts anderem als zur Bewässerung einer kleinen, fast wertlosen Wiese, während er einer nahen Ortschaft das dringend nötige Trinkwasser zu liefern vermöchte. Sie kann sich das ja freilich auch von anderswoher verschaffen, aber nur mit ganz un­verhältnismässigen Mehrkosten, während ihr eine wirklich rationelle Wasserversorgung an die Hand gegeben wäre, sobald sie gegen­ über den geringen Interessen des Grundstückeigentümers in sein starres, fast inhaltsloses Eigentumsrecht zwangsweise, wenn auch gegen volle Entschädigung, eingreifen dürfte.
Verwandt mit dieser Frage ist die Erteilung von Wasser­rechtskonzessionen mit den zugehörigen Quellen, von der wir an anderm Orte zu sprechen haben. Auch da wird das Recht an den Wasserläufen nicht ohne weiteres ein solches an den Quellen in sich schliessen, allein in bezug auf noch nicht verwertete oder gefasste Quellen oder solche namentlich, die erst noch gegraben werden müssen, liegt es doch ausserordentlich nahe, den Wasser­werken, natürlich wieder nur gegen volle Entschädigung, auf die erst zu gewinnenden oder zu fassenden Quellen zum allgemeinen Besten ein Vorrecht zuzugestehen (vgl. Art. 926). (3)
Und auch das Verhältnis des Bergrechtes zu den Quellen ist in diesem Zusammenhange anzuführen. Soolquellen stehen unter dem Bergrechte so gut wie feste Salzlager (Art. 944, Schluss), Mineralquellen und andere Heilquellen sind in einzelnen Fällen einer besondern Ordnung wohl bedürftig (Art. 945). Wasser, das durch ein Bergwerk erst erschlossen wird, darf mit Fug dem
(') ZGB 710, Abs. 3, macht den Vorbehalt einer Abänderung bei Ände-­ rung der Verhältnisse. (2) Vgl. ZGB 711 u. 712. (3) Die Bestimmung ist nicht in das Gesetz aufgenommen, vgl. oben S. 12, Anm. 11.



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Inhaber des Bergwerkes, der es nötig hat, zugewiesen werden (Art. 956, Abs. 3).(1)
In allen diesen Bestimmungen kommt im Entwurf der Grund­gedanke zum Ausdruck, auf den wir schon mehrmals hingewiesen haben, das fliessende Wasser der Allgemeinheit zu sichern, soweit sie dessen bedarf. Dass daneben das Quelleneigentum sehr wohl bestehen kann, ja dessen Anerkennung eine ganz bedeutende Ver­einfachung der Rechtsverhältnisse an Quellen begründen muss, wird nicht übersehen. Allein es ist unverkennbar, dass die Gemein­schaft am Wasser, wie früher, so auch wieder in unserer Zeit von der allgemeinen Rechtsüberzeugung als selbstverständlich vor­ausgesetzt wird, und dass demgemäss eine gesetzliche Regelung zur Notwendigkeit geworden ist, die für eine den Interessen der Wasserberechtigten wie der Allgemeinheit entsprechende, gerechte und billige Weiterentwicklung dieser Ordnungen die nötige Bürg­schaft zu bieten vermag. (2)
Zwanzigster Titel.
 Das Fahrniseigentum.
A. Der Gegenstand des Fahrniseigentums, Art. 706. (3) Was hier Schwierigkeiten bereitet, ist die Heranziehung der Rechte unter den Begriff der beweglichen Sache, wie uns dies in dem geltenden Recht und in der Doktrin häufig entgegentritt (vgl. Schweiz. PR III, S. 8 ff.). Nach dem Begriff, den wir oben für das Sachenrecht des Entwurfes als massgebend bezeichnet haben, kann von der Subsumierung der Rechte unter das Eigentum im wirklichen Sinne nicht die Rede sein. Allein das moderne Sachenrecht ist, auch wenn es an dem Begriffsmerkmal der Körperlichkeit der Sache festzuhalten entschlossen ist, durch die Eigentümlichkeit der zu ordnenden Verhältnisse doch gezwungen, nach zwei Richtungen der andern Auffassung Konzessionen zu machen. Das eine ist, dass das Rechtsverhältnis nur beim Eigentum, nicht aber bei den be­schränkten dinglichen Rechten strenge auf die körperliche Sache beschränkt werden kann. Bei den Dienstbarkeiten und beim Pfand-
(1) Vgl. betreffend diese Verweisungen die vorige Anmerkung. (2) Das Gesetz hat in Art. 712 ausserdem den Trinkwasserversorgungen unter beson­deren Voraussetzungen einen Anspruch auf Abtretung des die Quelle um­gebenden Bodens zugesprochen. (3) ZGB 713.



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recht nimmt denn auch der Entwurf keinen Anstand, die Rechtsinstitute auszudehnen auf die Rechte, die also in jenen Verhält­nissen als Gegenstand dinglicher Rechte den körperlichen Sachen bis zu einem gewissen Grade gleichgehalten werden. Das andere aber besteht darin, dass auch der Gegenstand des Eigentums mit Vorteil ausgedehnt und in denjenigen Verhältnissen anerkannt wird, wo eine Naturkraft Gegenstand einer vollständigen Beherrschung geworden ist. Man erhebt wohl die Einwendung, dass die Bezie­hungen zu den Naturkräften aus Rechtsverhältnissen bestehen, die zu andern Subjekten gegeben seien, sodass man diese Beziehungen sich nicht als Gegenstand des Eigentums denken könne. Allein auch bei der Herrschaft über die körperlichen Sachen lässt sich das Ver­hältnis in eine Summe solcher Rechtsverhältnisse auflösen, so dass man unter dem Gesichtspunkte jener Einwendung von einem Rechte an den Rechten des Eigentümers sprechen und dazu gelangen müsste, das Eigentum als ein Recht aufzufassen, das neben der tatsächlichen Herrschaft über die Sache bestehe und mithin zu den Rechten zu zählen sei. Des fernern kann darauf hingewiesen werden, dass die Naturkräfte Sachen in wissenschaftlichem Sinne auch deshalb heissen können, weil sie den Sinnen sich gerade so bestimmt aufdrängen, wie jene. Die Unbestimmtheit aber, die man in dem Ausdrucke „Naturkräfte" findet, wird dadurch geheilt, dass, wie es übrigens selbstverständlich ist, diese Heranziehung der Naturkräfte unter das Eigentum nur unter der allgemeinen Voraussetzung stattfindet, dass sie tatsächlich und rechtlich aus­scheidbar und der menschlichen Herrschaft erreichbar sind, worüber wir schon oben gesprochen haben. Treffen bei Naturkräften diese Voraussetzungen zu, so sollen sie den Sachen gleichgestellt und also des Fahrniseigentums fähig sein, wenn sie nicht durch posi­tive Vorschrift unter die unbeweglichen Sachen gestellt werden. Dieses begegnet uns im Entwurf bei den dauernden Rechten des Art. 658 und den Bergwerken. (') Ist eine Sache körperlich gegeben, so hat man keine Veranlassung, daneben noch auf die Naturkraft besondere Rechtsbeziehungen zu gründen. Der Eigentümer des Pferdes ist nicht auch noch Eigentümer eines Eigentumsgegenstandes in Gestalt der Pferdekraft, der Eigentümer eines Gewässers nicht auch noch besonders Eigentümer der Wasserkraft. Allein man erkennt gerade aus dem letztern Beispiele, wie berechtigt es ist, sobald eine Trennung der körperlichen Sache von der Kraft, die in ihr lebt, für die Rechtsordnung ein Interesse darbietet, doch eine Abtrennung als möglich zu betrachten: Der Eigentümer des
(1) ZGB 655.



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Wassers kann sein Gewässer in dem Sinne teilen, dass er die Kraft in der dem Rechte entsprechenden Form verselbständigt und zu einem Eigentumsgegenstand erhebt. Bei der Elektrizität u. a. tritt uns die Bedeutung als Naturkraft nur deshalb ausschliesslich ent­gegen, weil die rechtliche Relevanz hier ohne einen körperlichen Gegenstand gegeben erscheint. Überdies darf auch daran erinnert werden, dass wissenschaftlich die Auffassung der Elektrizität selbst als wirkliche Sache in körperlichem Sinne nach dem heutigen Stande der Forschung durchaus nicht als ausgeschlossen erscheint. Wurde sie früher als ein Fluidum aufgefasst, so wird heute ihre Atomexistenz verteidigt und spricht man von ihr als Substanz­elementen eigener Art, Elektrone oder Kerne genannt.
Mit der Bestimmung des Gegenstandes des Fahrniseigentums gedachte der Entwurf ursprünglich zugleich einige nähere Vor­schriften über die Eigenschaften von Sachen aufzustellen. Allein diese Anfügungen sind hier, wie es in bezug auf andere Eigen­schaften beim Eigentum im allgemeinen und beim Grundeigentum gehalten und oben angeführt worden ist, beseitigt worden, weil man fand, alle diese Bestimmungen gehören der Doktrin an und es bestehe an deren Regelung im Gesetze kein erhebliches praktisches Interesse. So fiel die Bestimmung weg, dass bewegliche Sachen als vertretbar gelten sollen, wenn man sie im Verkehr nach Zahl, Mass oder Gewicht zu bestimmen pflege, und als verbrauchbar, wenn ihr bestimmungsgemässer Gebrauch in ihrem Verbrauch oder in der Veräusserung bestehe. Ebenso ist auch eine Spezialvorschrift über die Urkunden eliminiert worden, indem auf sie die Regeln des Eigentums an der körperlichen Sache überhaupt ohne weiteres anwendbar seien, soweit nicht die besondern Bestimmungen über das Wertpapier Platz greifen. Dass im übrigen die Urkunde als Zugehör des Rechtes aufgefasst werden solle, das sie verbrieft, wurde gleichfalls als selbstverständlich und auch diesfalls eine besondere Bestimmung als entbehrlich betrachtet.
B. Der Erwerb des Fahrniseigentums. I. Voraussetzungen. Art. 707. (')
Indem der Besitz hier als Voraussetzung des Eigentumserwerbes genannt wird, will für die Fahrnis die gleiche allgemeine Form des dinglichen Rechtes hervorgekehrt werden, wie sie beim Grund­eigentum mit dem Eintrag in das Grundbuch gegeben ist, Art. 659. (2) Gewiss gibt es Eigentumserwerbsarten, die sich vollziehen, ohne dass der Besitz an der Sache eingetreten ist, wie wir ja ebenso auch Fälle, wo Grundeigentum ohne Grundbucheintrag erworben
(') Vgl. ZGB 714 u. 717. (2) ZGB 656, Abs. 1.



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wird, angetroffen haben. Allein es ist bei Mobilien ohne den Besitz ebenso wenig ein allseitig wirksames Eigentum vorhanden, wie beim Grundeigentum ohne die Eintragung. Allerdings wird dem Erben nicht nur das Eigentum an den Mobilien des Nachlasses ipso jure mit dem Erbgange zugewiesen, sondern auch der Besitz (Art. 577, Abs. 2),(1) so dass dann doch die Rechtslage hier für den Eigentümer eine andere ist, als bei dem Eigentum an Grund­stücken ohne Eintrag im Grundbuch.
Der Besitz ist hierbei in dem weiten Sinne zu verstehen, wie ihn die Art. 961 bis 967 (2) umschreiben. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass jemand auf einen andern den unselbständigen Besitz übertragen kann, während er selber den selbständigen Be­sitz behält. Der andere wird Besitzer, realisiert also die Voraus­setzung des Art. 707, (3) und wenn sich hieraus leicht Täuschungen ergeben können, so wird zur Beruhigung in Abs. 2 und 3 ein Vorbehalt angefügt, der schon jetzt mit Art. 202 des OR in demselben Wortlaute vorgesehen ist. (4)
Den positiven Satz, dass, wer Besitz erlangt, auch Eigentum erlange, stellt der Entwurf nicht auf. Ebenso wenig hat er den Eigentumsvorbehalt ausgeschlossen, wie dies beispielsweise von Schaffhausen in seiner Antwort auf das Memorial verlangt worden ist. (5) Der Entwurf will nur den gutgläubigen Erwerber schützen, und dies vollzieht sich hinreichend auf der Grundlage des Be­sitzesschutzes als Rechtsschutz, Art. 972 bis 979. (6) Die Eigentumsordnung wird also wirksam ergänzt durch die Besitzeslehre, wobei aber zu beachten ist, dass der Besitz in dieser Verbindung zum Rechtsschutz oder als Form des dinglichen Rechtes dient. Ob man den gutgläubigen Empfänger als Eigentümer oder als Besitzer schütze, ist dann nicht mehr von praktischem Belang, hat er doch als Besitzer der Sache die Stellung des Eigentümers. Im OR tritt uns die gleiche Verbindung entgegen, nur dass in diesem Gesetze vom Eigentum gesprochen, dann aber doch die volle Konsequenz
(') ZGB 560, Abs. 2. (2) ZGB 919 bis 925. (3) ZGB 714, Abs. 1. Das Gesetz verweist in Abs. 2 auf die Wirkung dieses Besitzes. Vgl. unten Anm. 6. (4) Vgl. ZGB 717. Die Bestimmung des Art. 202 OR von 1881 ist durch den Zusatz „oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faust­pfand beabsichtigt worden ist" verdeutlicht. Betreffend die Umschreibung des richterlichen Ermessens in OR 202, Abs. 2, vgl. ZGB 717, Abs. 2, Art. 4 und Erläuterungen Bd. I, S. 28 f. (5) Das Gesetz hat für den Eigentumsvorbehalt die Eintragung in ein öffentliches Register vorgesehen, Art 715, unter Aus­schluss desselben beim Viehhandel und Einschränkung der Wirkung desselben bei Abzahlungsgeschäften, Art. 715, Abs. 2, und 716, sowie OR 226 bis 228. Vgl. auch VO d. SchBKKammer des BGer v. 19. Dez. 1910 und ZGB 885. (6) ZGB 930 bis 936. Vgl. Abs. 2 von ZGB 714.



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aus dieser Supposition nicht gezogen wird. Daraus ist bekanntlich die Auffassung entstanden, dass in OR Art. 206 von einer Er­sitzung des Eigentums mit der Frist von fünf Jahren die Rede sei, während doch bei dem gutgläubigen Erwerber nach Art. 206 das gleiche Eigentum entsteht, wie nach Art. 205, (1) nur allerdings mit der Auflage, dass er eventuell die Sache während genannter Frist an den früheren Eigentümer herauszugeben hat. Allein auch dieser braucht nicht der Eigentümer im materiellen Sinne zu sein. Er ist genügend legitimiert als Besitzer. Auch hieraus erkennt man, dass es sicherlich gerechtfertigt ist, wenn der Ent­wurf diese ganze Ordnung in die Besitzeslehre verwiesen hat.
II. Die Erwerbsarten, Art. 708 bis 721. (2) Auch beim Fahrnis­ eigentum will der Entwurf die Erwerbsarten nicht vollständig auf­ zählen. Er führt nur diejenigen an, die einer besonderen Regelung bedürfen. Die erst beabsichtigte Vollständigkeit wurde hier, wie bei Art. 659, (3) aufgegeben. Behandelt sind die folgenden, hier des nähern zu besprechenden Arten des Eigentumserwerbes.
1. Aneignung, Art. 708 und 709. (4) Der Besitz als Erwerbsform ist hier in erster Linie hervorzuheben. Als Objekt der Aneignung erscheint die herrenlose Sache, so dass es sich rechtfertigt, wenn der Begriff der herrenlose Sache in Abs. 2 des Art. 708 (5) ange­fügt wird. Zugleich ist damit Stellung genommen gegenüber der ungleichen Bedeutung, die im geltenden Rechte der Herrenlosigkeit einer Sache beigemessen wird. Vgl. Schweiz. PR III, S. 12 ff. Des weitern ist die Aneignung nach zwei Richtungen der besondern Ordnung bedürftig.
Erstens kann eine Okkupation stattfinden an Sachen, die in ihrem Gesamtbestand vom Rechtsverkehr ausgeschlossen und in diesem Sinne bereits beim Grundeigentum erwähnt worden sind. Eis und Wasser aus Gletschern, Quellen, Bächen, Flüssen und Seen kann okkupiert werden, indem die Eisstücke gebrochen, das Wasser geschöpft wird. Allein die Hauptbeziehung liegt für die Rechts­ordnung bei diesen Sachen nicht in dem Erwerb des Eigentums an den einzelnen Stücken, sondern in der Berechtigung zur Ge­winnung und in der Ordnung der Ausbeutung. Bei Privatgewässern wird man dieses alles freilich den Beteiligten zu freier Ordnung überlassen dürfen. Allein bei den herrenlosen oder öffentlichen Gewässern erscheint das Verhältnis in anderem Lichte. Hier
(') OB v. 1881. (2) Vgl. ZGB 714 bis 728. (3) ZGB 656. (4) ZGB 718 u. 719. (5) Diese Bestimmung ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden.



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verlangt man mit Recht eine bestimmte Grundlage für die privat­rechtlichen Verhältnisse, und sie wird gewonnen, indem bei den Rechten an herrenlosen und öffentlichen Sachen diese Aneignungs­möglichkeit ausdrücklich hervorgehoben, im übrigen aber deren Ordnung dem kantonalen Rechte zugewiesen wird. Vgl. Art. 919 und 920.(1)
Zweitens sind es die Tiere, deren Aneignung näher zu regeln ist. Vgl. Schweiz. PR III, S. 155 ff. Der Entwurf unterscheidet dabei drei Klassen:
Gefangene Tiere, die im Zustande der Wildheit verharren, sind herrenlos, sobald der Eigentümer sie nicht mehr in seiner Gewalt hat. Diese aber hört nicht bereits auf mit dem Entrinnen des Tieres aus dem Gewahrsam, sondern erst, wenn der Eigentümer eine unverzügliche und ununterbrochene Verfolgung aufgiebt, die wiederum nicht nur in äusserlicher Verfolgung bestehen kann, sondern auch in einer Nachforschung, die deutlich beweist, dass der Eigentümer die Absicht hat, das Tier als sein Eigentum zu behalten. Es kann sich fragen, ob nicht noch weiter gegangen werden könnte. Entrinnt einem Menageriebesitzer ein Krokodil, um einige Monate später in einem nahen Sumpfe gefunden zu werden, so liegt es nahe, dem Eigentümer sein Recht zu bewahren, auch wenn er die Hoffnung auf Wiedererlangung bereits aufgegeben haben sollte. Allein allgemeine Grundsätze werden für solch seltene Fälle doch die nötigen Hilfsmittel an die Hand geben. Man denke nur an die hier so nahe liegende Annahme einer Vertretung des Eigentümers durch die Polizeiorgane oder ähnliches.
Betreffend die gezähmten Tiere darf auf die alte Umschreibung zurückgegriffen werden, wonach die Rückkehr in den Zustand der Wildheit und der Verlust des Willens zur Rückkehr diese Tiere zu herrenlosen macht, natürlich unter Vorbehalt der Be­handlung solcher Tiere als wilde, wenn sie in diesen Zustand verfallen sind.
In bezug auf die Haustiere kann man es bei der Regel be­wenden lassen, dass sie, wenn sie aus dem Gewahrsam entronnen sind, als verlorene Sachen gelten müssen und demgemäss nicht als herrenlos betrachtet, also nicht okkupiert, sondern nur gefunden werden können.
Der Entwurf hat für die beiden ersten Kategorien in Art. 709 (2) die entsprechenden Regeln aufgestellt. Für die dritte ist eine besondere Regel gar nicht notwendig.
(') Vgl. ZGB 664, Abs. 2, und oben 8. 12, Anm. 11. (2) ZGB 719, Abs. 1 und 2.



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Fraglich ist es hierbei noch, zu welcher Klasse von Tieren die Bienen zu rechnen seien. Die einzelne Biene kommt als Eigen­tumsgegenstand kaum in Frage, wohl aber der Bienenschwarm, und in bezug auf diesen darf füglich gesagt werden, dass weder der Begriff des wilden gefangenen Tieres, noch der des gezähmten zutrifft. Also bleibt nur das zahme Tier. Allerdings stimmt dies nicht mit der herrschenden Auffassung in Doktrin und Gesetz­gebung, allein es erscheint doch als die einzig rationelle Lösung. Die gegenteilige Behandlung dürfte sich weniger aus der Erfassung der Natur der Sache, als aus einer gewissen Geringschätzung in der rechtlichen Wertung des Eigentums an Bienen erklären. Von der Auffassung der Bienen als "häusliche" Tiere (Schweiz PR III, S. 155) gelangt der Entwurf zu der Folge, Bienenschwärme, die aus dem Gewahrsam ihres Eigentümers entfliehen, für nicht herrenlos zu erklären. Sie können also von andern nicht okkupiert, sondern nur „gefunden" werden. Der Eigentümer hat das Recht, ihnen nachzuforschen, und der Finder die Pflicht zur Anzeige. Der Grundeigentümer muss das Betreten seines Bodens, wenn der Eigentümer seinen Schwarm abholen will, schon aus diesem Ge­sichtspunkte gestatten. Vgl. Art. 696. (1) Da es sich nun aber bei dieser Regelung um eine Abweichung von den Überlieferungen, oder wenigstens um eine genauere Präzisierung der Regel handelt, dürfte es sich empfehlen, dem Art. 709 noch den Zusatz als Abs. 3 beizufügen: „Bienenschwärme werden dadurch, dass sie auf fremden Boden gelangen, nicht herrenlos." (2)
2. Der Fund, Art. 710 bis 717.(3) Die kantonalen Rechte (Schweiz. PR. III, S. 57 ff.) weisen hier keine grundsätzlichen Divergenzen auf. Besonders eingehend werden die Rechtsverhältnisse beim Funde in den Rechten der Berner Gruppe geregelt. Diesem Vorbilde hat sich der Entwurf anschliessen können, mit einigen Änderungen und Ergänzungen, die wir eingehender zu besprechen haben.
Die Ordnung des Entwurfes geht von der Anzeigepflicht des Finders aus, die wenigstens für Gegenstände einigermassen erheb­licheren Wertes unbedingt aufgestellt werden darf. Der Finder selber und nach dessen Anzeige die Ortspolizei haben die nötigen Schritte zu tun, um womöglich den unbekannten Eigentümer zu entdecken, wobei auf die Umstände des Falles, den Wert, der in Frage steht, und die Ortsübung Bezug genommen werden soll. Als verloren hat jemand eine gefundene Sache zu betrachten, wenn
(') ZGB 700, Abs. 1. (2) Das Gesetz hat diesen Zusatz aufgenommen in Art. 719, Abs. 3. (3) Vgl. ZGB 720 bis 724.



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er vernünftiger Weise annehmen muss, dass sie einen Eigentümer habe und nicht mit Absicht weggeworfen worden sei, was der Entwurf mit dem Ausdrucke „verloren" genügend angedeutet zu haben glaubt. Wer diese Anzeige oder die angemessene Nach­forschung unterlässt kann nicht als gutgläubiger Finder betrachtet werden, ob er aber der Bestrafung unterliege, ist im Strafrecht zu ordnen. Für den gutgläubigen Finder ergibt sich die Möglichkeit des Eigentuniserwerbes. Die Frist ist hier, wie bei der Ersitzung, auf fünf Jahre gestellt. Als Ersitzung kann der Fall jedoch nicht schlechtweg behandelt werden, weil die Absicht beim Besitzer hier eine andere ist als beim Ersitzungsbesitz. Kommt in dieser Frist der Eigentümer zum Vorschein, so ist ihm die Sache zurück­zugeben. In bezug auf Anrechnung der Auslagen und Entrichtung eines Finderlohnes (Art. 715)(') können wir es bei der Verweisung auf die Vorschriften der Berner Gruppe bewenden lassen (Schweiz. PR III, S. 161). Dagegen bedürfen der näheren Begründung noch folgende Ordnungen:
1.   Während der ganzen Besitzeszeit kann es sich fragen, wem die Sache zur Aufbewahrung überlassen werden solle. Wo Anzeigepflicht besteht, wird die Übergabe an die Polizei als an­ gemessen erachtet werden, immerhin in dem Sinne, dass diese den Finder ermächtigen darf, die Sache zu verwahren, wobei er dann auch zu deren angemessenen Besorgung verpflichtet sein muss. Er soll die Rechte des Eigentümers möglichst wahren, darf aber die Sache gebrauchen, soweit dies mit den Interessen des Eigentümers vereinbar ist, also nicht etwa durch Abnutzung die Sache verloren gehen oder aufgebracht werden müsste. Damit hängt zusammen, dass eine Versteigerung gestattet wird, sobald die Verhältnisse, sei es, dass rascher Verderb zu befürchten wäre, oder kostspielige Aufbewahrung oder überhaupt längere Verwahrung in Aussicht stünde, ein solches Vorgehen rechtfertigen. Die Dauer der für die Versteigerung abzuwartenden Verwahrungsfrist, wird für den Fall der Aufbewahrung durch die Polizei oder eine öffentliche Anstalt auf ein Jahr angesetzt, Art. 714, Abs. 1. Der Versteigerungserlös tritt an die Stelle der gefundenen Sache mit allen Rechten, wie sie für diese selbst aufgestellt sind.(2)
2.   Fund in einem bewohnten Hause oder in den Räumen und Einrichtungen einer dem öffentlichen Gebrauche oder Verkehr dienenden Anstalt gestattet es nicht, den tatsächlichen Entdecker der Sache als Finder zu betrachten. Denn die Sache befindet
(1) Vgl. ZGB 722, Abs. 2, wo aber von einem „angemessenen Finderlohn" die Rede ist. (2) Vgl. ZGB 720, Abs. 1, 721.



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sich in diesen Fällen nicht ohne jeden Gewahrsam. Daher ist sie an die Stelle, der dieser Gewahrsam, und wäre darunter auch nur die öffentliche Aufsicht verstanden, zusteht, abzuliefern, und der Hausherr, der Mieter, die Anstalt, deren Organe die Aufsicht haben, sind als Finder zu betrachten. Man denke z. B. an den Fund in einem Eisenbahnwagen oder in einer Kirche. Es entspricht auch der Übung, die bei richtiger Auffassung schon jetzt diesfalls beob­achtet ist, dass derartige Fälle vom eigentlichen Funde unter­schieden werden. Der „Finder" in dem letztangeführten Sinne hat dann auch hier die Anzeigen zu machen, die Nachforschungen zu betätigen und kann die Versteigerung anbegehren oder eventuell auch das Eigentum und den Finderlohn beanspruchen.(1)
3. Handelt es sich um einen Wertgegenstand, der nach den Umständen als lange verborgen oder vergraben angesehen werden muss und schwerlich mehr einen Eigentümer hat, so liegt der besondere Fall des Schatzes vor (vgl. Schweiz. PR, III, S. 163 ff.), der aber füglich als eine Unterart des Fundes behandelt werden kann. Doch ist der Eigentumserwerb hier ein anderer. Einmal muss keine Wartefrist aufgestellt und kann sofortiger Eigentums­erwerb angeordnet werden. Sollte sich dann doch ein Eigentümer zeigen, so wäre damit der Beweis erbracht, dass die Sache irrtüm­lich für einen Schatz gehalten worden sei, und dann würden die Bestimmungen über den Fund Platz greifen. Sodann hat der Finder hier keinen Anspruch auf Erwerb des Eigentums, sondern nur auf eine billige Vergütung. Eigentümer wird vielmehr der Eigentümer der Sache, in der der Schatz verborgen war, die sehr wohl auch eine bewegliche Sache sein kann.(2)
4. Wissenschaftliche Gegenstände dürfen insoweit einer be­sonderen Regel unterstellt werden, als sie nicht einfach wie ge­fundene Sachen zu behandeln sind oder sich nicht als herrenlos erweisen. Das Interesse der Allgemeinheit verdient hier eine be­sondere Anerkennung, die darin besteht, dass das Eigentum dem Kanton zugewiesen wird, in dessen Gebiet sie entdeckt werden. Auch hier wird aber der Finder, wie beim Schatz, eine billige Vergütung beanspruchen können, die unter Umständen bis zum Wert der Sache ansteigen darf. Man denke nur an die Grabungen nach Antiquitäten oder nach Naturkörpern, seltenen Gesteinen u. dgl. Der Entwurf verallgemeinert damit eine Vorschrift, die bis anhin regel­mässig in den Eisenbahnkonzessionen und häufig in den Ordnungen für Entsumpfungsarbeiten u. dgl. aufgestellt worden ist. (3)
(1) Vgl. ZGB 720, Abs. 3, und 722, Abs. 3. (2) Vgl. ZGB 723. (3) Vgl. ZGB 724, wo in Abs. 2 dem Grundeigentümer die Pflicht znr Gestattnng von Ausgrabungen auferlegt worden ist.



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3.   Die Zuführung, Art. 718. (') Dem Funde kann endlich auch die Zuführung gleichgestellt werden, wobei derjenige, dem irgend eine Naturgewalt Sachen im allgemeinsten Sinne in seinen Gewahrsam bringt, als deren Finder behandelt wird. Gerade so können die Fälle des Zulaufens von Tieren behandelt werden, die nicht herren­ los sind, also namentlich von Haustieren, was mit dem Ausdruck „fremde Tiere" genügend bezeichnet ist. Dahin gehören auch nach unseren Ausführungen zu Art. 708 u. 709 (2) die Bienenschwärme. Allein man wird in bezug auf diese beachten müssen, dass das Zufliegen eines fremden Schwarmes in den bevölkerten Stock eines Andern zu einem Verhältnis zu führen pflegt, bei dem der letztere nicht einfach als Finder des zugeflogenen Schwarmes behandelt werden darf. Das Zufliegen der fremden Bienen kann nämlich, wenn diese nicht zugrunde gehen, einer Verdrängung oder Ver­nichtung der eigenen gleichkommen. Es tritt also ein Schaden ein, den zwar weder der eine noch der andere Eigentümer verschuldet hat, den aber doch derjenige zu tragen näher ist, dessen Bienen auf fremden Boden übergeschwärmt sind. Es würde sich also der Zusatz (zu Art. 718) rechtfertigen, dass in solchen Fällen das Eigentum am zugeflogenen Schwarm dem Eigentümer des Stockes zufalle, in den jener eingedrungen ist. (3)
4.   und 5. Die Verarbeitung, Art. 719, und die Verbindung und Ver­mischung, Art. 720. (4) Für die Verarbeitung folgt der Entwurf der in neuester Zeit viel empfohlenen Lösung, dass auf die Relation zwischen dem Wert des Stoffes und dem der Arbeit gesehen werden soll: Das Wertvollere trägt den Sieg davon, wobei es bei der Relativität jeder solchen Abschätzung kaum noch notwendig ist, über das Mass dieser Differenz eine besondere Bestimmung auf­zustellen. Für den Fall der bösgläubigen Spezifikation muss dann aber eine andere Auffassung bevorzugt werden, indem wenigstens dem Richter die Möglichkeit zu geben ist, neben allem Schaden­ersatz das Eigentum dem Stoffeigentümer zuzuweisen. Wenn dabei dann immer noch ein Anspruch aus Bereicherung, in Abs. 3 des Art. 719, vorbehalten wird, so bezieht sich der darin liegende Gedanke auf alle hierher gehörigen Fälle, kann also auch bei Abs. 2 praktisch werden, insofern der Eigentümer der neuen Sache vielleicht mit der Schadenersatzklage nicht mehr durchzudringen vermöchte oder der an sich auf einer Seite vorhandene Schaden mit der gegebenen Bereicherung kompensiert wird.(5)
(') ZGB 725, Abs. 1. (2) Siehe S. 122, Anm. 1 u. 2. (3) Diesen Zusatz hat das Gesetz in Art. 725, Abs. 2, aufgenommen. (4) ZGB 726 u. 727. (5) ZGB 726, Abs. 3.



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Nicht besonders erwähnt ist der Fall, wo jemand als Ver­arbeiter seines eigenen Stoffes Eigentümer der neu geschaffenen Sache wird. Es erscheint diese Rechtsfolge als selbstverständlich.
Verbindung und Vermischung werden gleichgestellt. Ihr Kri­terium ist nicht die absolute Unmöglichkeit der Ausscheidung der Bestandteile, sondern die Ausschliessung der Trennung aus prak­tischen Erwägungen, sei es wegen dabei nicht zu vermeidender Beschädigung der Sachen oder wegen unverhältnismässiger Kosten. Miteigentum ist hier für die Eigentümer der Bestandteile die einzig richtige Lösung, wobei auf den bösen oder guten Glauben nur in bezug auf den Anspruch gesehen wird, der auf Schadenersatz und aus Bereicherung vorbehalten ist (Abs. 3 von Art. 720). (1) Aus dem Miteigentum ergibt sich dann ein Liquidationsanspruch gemäss Art. 653 f.. (2) Anders stellt sich die Sache dar, wenn die Verbindung so geschehen ist, dass die eine Sache als Hauptsache, die andere als nebensächlicher Bestandteil erscheint, wie z. B. bei Anstrich eines Gegenstandes mit fremder Farbe. Hier rechtfertigt sich die Zuweisung des Eigentums an den Eigentümer der Hauptsache, wiederum unter Vorbehalt der Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche.
Bei der Vermischung von Geld ist das Verhältnis ein ganz anderes. Die Summe gemischten Geldes ist keine neue Sache, die Ausscheidung ist, wo die einzelnen Bestandteile oder Beiträge be­kannt sind, niemals unmöglich, da es doch nicht auf die Identität der Münzstücke, sondern nur auf den Geldbetrag ankommt. Also wird man sich hier mit einer Rückforderungsklage von hüben und drüben hinreichend behelfen können. Ebenso verhält es sich, wenn zwei Massen fungibler Dinge gleicher Art zusammengeworfen werden. Vermischung oder Verbindung in wirklichem Sinne kann nur vorliegen, wenn Gegenstände gemengt worden sind, die in ihrer Vereinigung etwas anderes ausmachen, als jeder Gegenstand für sich genommen, wie bei Vermengung verschiedener Arten von Mehl, von Flüssigkeiten u. dgl. Indem der Entwurf sich nur auf solche Fälle bezieht, überlässt er die Ordnung betreffend die Ver­mengung gleichartiger Sachen stillschweigend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen.
Endlich ist es fraglich, wie die dinglichen Rechte zu behan­deln seien, die an den einzelnen Sachen vor der Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung bestanden haben können. Im all­gemeinen wird man sagen dürfen, dass diese Rechte von einem solchen Vorgang nicht berührt werden. Allein wenn die Verbin-
(1) ZGB 727, Abs. 3. (2) Vgl. ZGB 650 ff.



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dung oder Vermischung eine untrennbare Einheit hergestellt hat, oder durch Verarbeitung eine neue Sache gebildet worden ist, liegt das Verhältnis anders. Besondere Regeln können hier Platz greifen, wie z. B. beim Niessbrauch, Art. 742. (1) Im allgemeinen aber vermag das dingliche Recht der alten Sache an der neuen nicht zu bestehen. Die Billigkeit verlangt jedoch, dass Rechte Dritter dafür auf den Ersatz angewiesen werden, der in den Mit­eigentumsquoten oder im Schadenersatz für die alte Sache ge­wonnen worden sein kann. Eine besondere Regel, die der Entwurf hierüber erst aufgestellt hatte, wurde in der Erwägung weggelassen, dass es, soweit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze helfen, Sache der Ordnung der einzelnen Rechtsinstitute sei, hierfür die ange­messenen Regeln aufzustellen.
6. Die Ersitzung, Art. 721. (2) Auch hier kann der Entwurf sich an das geltende Recht anschliessen, das ziemlich allgemein eine Ersitzung des Fahrniseigentums nach relativ kurzer Frist aner-­ kennt. Die fünf Jahre werden nur von den Vorschriften des Berner Rechtes, das zehn Jahre Frist hat, überstiegen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 195 ff. Betreffend die weiteren Requisite (Abs. 1) und die Verweisung auf die Verjährung des Obligationen­rechtes (in bezug auf Unterbrechung und Stillstand der Verjährung) steht Art. 721 Abs. 3 in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen betreffend die Immobiliarersitzung, Art. 666. (3) Dagegen muss mit Abs. 2 eine Kautel angefügt werden. Der Besitz kann bei den Mobilien leichter eine Störung erfahren als bei Immobilien, und es wäre unbillig, in allen Fällen solcher Störung eine Unterbrechung der Ersitzung anzunehmen. Aus diesem Grunde wird bestimmt, dass der unfreiwillige Verlust keine Unterbrechung bewirken soll, so­ bald innerhalb eines Jahres entweder der Besitz wieder erlangt oder doch die Klage geltend gemacht wird, mit der man den Be­sitz schliesslich wieder zu gewinnen vermag. In Betracht können hier namentlich die Fälle kommen, da die Sache von einem Hand­ lungsunfähigen an einen andern übergeben, durch Naturgewalt einem andern zugeführt wird, so wie das Abhandenkommen von Sachen durch Diebstahl oder Verlorengehen, während, soweit der Empfänger nach den Besitzesgrundsätzen ein Recht gewonnen hat, das ihm mit keiner Besitzesklage mehr abgewonnen werden kann, natürlich das Abhandenkommen auch die Unterbrechung des Besitzes der Sache bedeuten muss.
(') ZGB 750. (2) ZGB 728. (3) Vgl. ZGB 728, Abs. 3, und 663, oben S. 83, Anm. 5.



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Erwogen wurde, ob nicht auch noch das Rechtsgeschäft als Erwerbsart erwähnt werden sollte, wie bei dem Grundeigentum. Man würde damit die Parallele zu Art. 667 (1) hergestellt haben, etwa mit der Vorschrift, dass das Rechtsgeschäft auf Veräusserung dem Erwerber gegen den Veräusserer einen Anspruch auf Über­tragung der Sache zu Eigentum verschaffe. Allein man hat gefun­den, dass diese Regel bereits in Art. 707 enthalten sei, und dass die volle Parallele des Fahrnisbesitzes zum Grundbucheintrag doch nicht zu sehr betont werden dürfe, indem der Besitz immerhin eine Reihe von Möglichkeiten in sich schliesse, die mit dem auf ein bestimmtes Recht lautenden Grundbucheintrag nicht gegeben sein können. Für den Fahrniserwerb genüge es, dass sich mit dem obligatorischen Veräusserungsgeschäft die Vorschrift verbinde, es bedürfe zur Erwerbung des Eigentums der Übertragung der Sache. Die Verpflichtung zu dieser Übertragung bedürfe keines Ausdruckes im Sachenrecht. (2)
C. Der Verlust des Fahrniseigentums, Art. 722. (3) Die Besitzes­regel spielt in diese Ordnung nach einer andern Richtung hinein, als wir sie bishin angetroffen haben, und steht in einem offenen Gegensatze zum Grundbucheintrag. Aus diesem Grunde muss das Verhältnis eine besondere Darlegung erfahren. Während beim Grundeigentum der Verlust mit der Löschung des Eintrages formell durchaus erfolgt, so dass höchstens aus den unterliegenden Ver­hältnissen ein Anspruch auf Wiedererlangung durch Wiederein­tragung des Eigentumes gegeben sein kann, gilt mit Recht für das Fahrniseigentum eine andere Regel. Man kann Fahrniseigentümer sein, auch ohne unmittelbar Besitzer zu sein. Erst die Auf­gabe des Rechtes oder die Erwerbung des Eigentums durch einen andern führen den Verlust herbei. Freilich kann die Frage auf­geworfen werden, ob nicht gewisse Umstände den Verlust zur Folge haben sollten, ohne dass die Ersitzung oder die für den Fund aufgestellte Frist abgewartet werden müsse. So ist es selbstver­ständlich, wenn es auch beim Fahrniseigentum nicht, wie beim Grundeigentum Art. 668, (4) besonders gesagt zu werden braucht, dass der Untergang des Eigentums durch Untergang des Eigentumsgegenstandes herbeigeführt wird. Kann nun, so darf man fragen, nicht der Verlust jeder Möglichkeit, die Sache wieder zu erlangen, Besitzesverlust also in Verbindung mit dem Verlust der Wiedererlangungsmöglichkeit, dem körperlichen Untergange gleich-
(') ZGB 657 u. 665. (2) Das Gesetz hat eine Verweisung auf den Eigentumserwerb durch Besitzesübertragung in Abs. 2 von Art. 714 aufgenommen. Vgl. oben S. 118 ff, Anm. 1 ff. (3) ZGB 729. (4) ZGB 666.



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gehalten werden? Allein da hilft, wie uns scheint, die Regel die bereits in anderem Zusammenhang von uns vorausgesetzt werden musste, dass eben das Eigentum überhaupt, nur an solchen Ge­genständen möglich ist, die der rechtlichen Herrschaft zugänglich sind. Wird also bei einem derartigen Verlust die Sache zu einer solchen, die nicht mehr der rechtlichen Herrschaft unterwerfbar ist, so vermag sie auch nicht mehr Eigentum zu ertragen, und dieses geht unter. Man denke an die Verflüchtigung eines flüssigen Gases, an die Versenkung eines Geldstückes in ein weites, tiefes Gewässer usw. Überdies ist mit Recht hervorgehoben worden, dass unter Umständen in ähnlichen Fällen analogieweise auch Herrenlosigkeit (wie beim Schatz) angenommen werden könnte. Freilich wird die Anwendung der Fundregel immer ein sichereres Resultat ergeben, sobald nicht dringende Umstände nach der An-­ wendung der für herrenlose Gegenstände aufgestellten Grundsätze verlangen.
Für die Beweislast hat Art. 722 (1) die Bedeutung, dass, wer die Herrenlosigkeit der Sache, oder also den Verlust des Eigen­tums für den bisherigen Eigentümer behauptet, hierfür den Be­weis erbringen muss, eine Regel, die gewiss mit den praktischen Anfordernissen im Einklang steht.
(1) ZGB 729.



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Zweite Abteilung.
Die beschränkten dinglichen Rechte.
Unter der Bezeichnung „beschränkte dingliche Rechte" fasst der Entwurf nach den bereits oben angegebenen Gesichtspunkten eine Reihe von Instituten zusammen, die unter sich nur teilweise näher verwandt sind und im wesentlichen nur die Eigenschaft gemeinsam haben, dass sie zum Eigentum im Gegensatz stellen. Ihre Unterscheidung war durch das überlieferte Recht gegeben: Dienstbarkeiten, Pfandrechte und Rechte an herrenlosen oder öffentlichen Sachen, die deshalb beschränkte dingliche Rechte heissen müssen, weil sie nicht Eigentum sind.
Als weitere Unterscheidungen waren gegeben: Das Pfandrecht an Grundstücken (Grundpfand) und das Pfandrecht an Fahrnis. Dagegen musste es sich fragen, wie es mit den Dienstbarkeiten zu halten sei. Im Anschluss an die Auffassung, die uns in den Zeiten der Naturalwirtschaft entgegentritt, lag es nahe, mit unseren früheren Quellen (vgl. Schweiz. PR IV, S. 751 ff.) den Haupt­unterschied in dem Umstande zu suchen, dass die beschränkten dinglichen Rechte in den einen Fällen mit Besitz an der dienenden Sache verbunden sind, und in den andern nicht. Aus den ersteren würde man demgemäss anstatt Dienstbarkeiten eine Klasse von dinglichen Nutzungs- oder Gebrauchsrechten gebildet haben, die sowohl den Niessbrauch als das Wohnrecht und dann auch die ding­liche Miete und Pacht hätte umfassen können. Diesen „Nutzungs­rechten" hätten die beschränkten dinglichen Rechte ohne Besitz oder also im wesentlichen die Grunddienstbarkeiten gegenüber gestanden. Diese Unterscheidung hätte neben der Anknüpfung an alte Überlieferungen und noch nicht ganz erloschene Anschauungen (vgl. Schweiz. PR IV, S. 768 ff.) manchen Vorteil geboten, sowohl mit Bezug auf die Deutlichkeit der Unterscheidung als auf die



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Gleichmässigkelt der Ausgestaltung der Institute für die Praxis. Allein der grosse Fehler dieser Unterscheidung bestand darin, dass sie sich zu der herrschenden, durch das Gemeine Recht getragenen Doktrin und auch zu unseren kantonalen Gesetzbüchern in Gegensatz gestellt hätte, so dass es schliesslich bei den Bera­tungen, allerdings ohne Preisgabe materieller Vorteile, dann doch vorgezogen worden ist, bei der überlieferten Einteilung zu ver­harren. Für die Dienstbarkeiten ergab sich dann die Zweiteilung: Grunddienstbarkeiten und Nutzniessung, an welch letztere die andern Dienstbarkeiten, also namentlich das Wohnrecht und die den Grunddienstbarkeiten nachgebildeten Personalservituten ange­reiht werden konnten.
Neben den Dienstbarkeiten steht unter den beschränkten ding­lichen Rechten das Pfandrecht, das, wo es verselbständigt ist, auf eine Leistung des Grundeigentümers an einen Berechtigten hinausläuft, die in Kapital und Zins besteht. Die Dienstbarkeit kennt begrifflich die Verpflichtung zu einer Leistung für den Eigentümer des belasteten Grundstückes nicht. Allein es gibt Verhältnisse, bei denen die Verpflichtung auf solche Leistungen geht ohne jede Anlehnung an das Pfandrecht, und will man diese nicht von der modernen Rechtsordnung ausschliessen, so müssen sie in Gestalt der Grundlasten anerkannt werden. Der Entwurf hat sie zwischen die Dienstbarkeiten und das Pfandrecht ein­geschoben.
Wie Dienstbarkeiten für ein herrschendes Grundstück begründet werden, so lässt sich auch die Berechtigung auf eine positive Leistung als mit einem Grundstück verbunden denken. Damit gelangt man zu dem Seitenstück der Grundlasten, den Grundgerechtigkeiten, Realrechten, „Ehehaften" (s. Schweiz. PR IV, S. 686). Anfänglich erschien es uns als notwendig, auch diesen ein Plätzchen im Entwurfe zu gewähren, allein im Verlauf der Beratungen wurde dann doch hiervon Umgang genommen, weil es nicht als nötig erschien, diesen seltenen Fällen einen besonderen Abschnitt zu widmen. Die Bedürfnisse, die hier etwa in Frage kommen, vermögen auch ohne dies sich Geltung zu verschaffen. Man kann auf der Grundlage der freien Obligation sich sehr wohl ein Forderungsverhältnis oder ein dingliches Recht denken, dessen Gläubiger der jeweilige Inhaber eines Grundstückes ist. Mit dem Wechsel des Eigentums verbindet sich dann ein Übergang, der von den Parteien entweder jeweils frei verabredet oder als still­schweigend vollzogen angenommen wird. Der Erwerber des Grund­stückes muss in seinem Interesse dafür besorgt sein, dass die Übertragung auch wirklich vollzogen wird, und eine Mitwirkung



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des Verpflichteten ist in keiner Weise vonnöten. Bei den Grund­lasten verhält sich die Sache anders. Hier ist die Gesetzgebung gegenüber der bisherigen Strömung in den modernen Kodifika­tionen dringend veranlasst, das Schuldverhältnis in seiner Zuge­hörigkeit zu dem Eigentum am belasteten Grundstück ein für allemal so ausdrücklich als möglich darzustellen. So ist es ge­kommen, dass der Entwurf schliesslich die wenigen Artikel über die Grundgerechtigkeit, die er ursprünglich enthielt, preisgegeben, die Ordnung der Grundlasten aber beibehalten hat.
Resultat dieser Überlegungen war es schliesslich, dass die beschränkten dinglichen Rechte in vier Titel zusammengefasst worden sind, Titel 21 bis 24. Der erste umfasst in drei Abschnitten die Grunddienstbarkeiten, die Nutzniessung und andern Dienst­barkeiten und die Grundlasten. Titel 22 ordnet das Grundpfand und Titel 23 das Fahrnispfand. Diese beiden Institute in einen Titel zusammenzufassen, war nicht empfehlenswert, da sie wenig­stens in bezug auf die gesetzgeberische Ordnung sehr wenig Gemeinsames haben. Der Begriff und das Wesen des Pfandrechtes verbleibt der Doktrin. Der letzte Titel endlich betrifft die Rechte an herrenlosen und öffentlichen Sachen. (1)
Aus dieser Aneinanderreihung erhellt dann auch, dass es keinen rechten Sinn haben kann, der Darstellung der beschränkten dinglichen Rechte einen allgemeinen Abschnitt betreffend die Grund­lagen dieser Abteilung vorauszuschicken. Vielmehr erscheint als die einzig richtige Anordnung, unter Abweichung von dem bis dahin befolgten Verfahren, jedem einzelnen Titel eine solche all­gemeine Erörterung voranzustellen.
Einundzwanzigster Titel.
Die Dienstbarkeiten und Grundlasten,
I. Allgemeine Grundlagen.
Das moderne Recht hat neben den gemeinrechtlich aner­kannten Grunddienstbarkeiten Verhältnisse mit Dienstbarkeitscharakter entwickelt, die über den gemeinrechtlichen Begriff hin-
(') Dieser Abschnitt, Tit. 24, ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Vgl. oben S. 12, Anm. 11.



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ausgehen. Es sind dies nach einer Richtung die Dienstbarkeiten, die nicht den Eigentümer eines Grundstückes als solchen, sondern irgendeine beliebige Person berechtigt sein lassen, und nach einer andern Richtung solche, deren Inhalt sich nicht nach dem Be­dürfnis des herrschenden oder der Eigenart des dienenden Grund­stückes, sondern nach den persönlichen Bedürfnissen eines Eigen­tümers an sich und ohne Beschränkung auf die wirtschaftlich aus der Eigenart der beiden Grundstücke sich ergebenden Verhält­nisse bestimmt (vgl. Schweiz. PR III, S. 339 ff.).
Der Entwurf versuchte das erstere Moment anfänglich in der Weise zu berücksichtigen, dass einfach die Belastung des dienenden Grundstückes als zum Wesen der Grunddienstbarkeit gehörig dar­gestellt und als Berechtigter eine beliebige Einzelperson oder Gemeinschaft bezeichnet wurde. Nachdem dann aber doch die Bestimmung des Berechtigten durch das Eigentum an einem herr­schenden Grundstück als Regel aufgestellt worden war, lag es nahe, den Grunddienstbarkeiten persönliche Dienstbarkeiten zur Seite zu stellen, die in ihrem Inhalte durchaus den Grunddienst­barkeiten nachgebildet, also namentlich nicht, wie die andern per­sönlichen Dienstbarkeiten, mit dem Besitze der dienenden Sache verbunden sein sollten, im übrigen aber den Inhalt der gewöhn­lichen Grunddienstbarkeit einer beliebigen Person zuweisen würden. Allein daraus würde sich ein Gegensatz zu den Dienstbarkeiten; die im geltenden Rechte als persönliche bezeichnet werden, ergeben haben, der durchaus nicht zur Klärung beigetragen hätte, und so wurde es schliesslich vorgezogen, die Dienstbarkeiten mit Grunddienstbarkeitsinhalt, aber persönlicher Berechtigung, dem Abschnitt über die Nutzniessung anzugliedern. Sie wurden am Schluss des zweiten Abschnittes angefügt, wo sie sich jetzt finden, als eine der Arten der andern Dienstbarkeiten, Art. 774. (1) Ihre Anlehnung an die Grunddienstbarkeiten aber wurde mit dem Abs. 3, cit, Art. in der Gestalt einer Verweisung auf die Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten festgehalten.
In bezug auf den zweiten Punkt, in dem es sich um eine moderne Umgestaltung der Grunddienstbarkeit handelt, nämlich um die Gestattung eines Inhaltes, der nicht den Bedürfnissen des herr­schenden Grundstückes angepasst zu sein braucht (vgl. Schweiz. PR III, S. 340 f.), steht eine Erweiterung des Begriffs in Frage, die sowohl für das herrschende als auch für das dienende Grund­stück Bedeutung gewinnen kann.
(') Vgl. ZGB 781.



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Nach der engeren, überlieferten Umschreibung sollte die Grund­dienstbarkeit stets in der Weise bestimmt sein, dass das dienende Grundstück nur mit seiner Eigenart dem herrschenden gleichfalls in seiner Eigenart den Inhalt der Grunddienstbarkeit herzugeben vermöchte. Die neue Umschreibung dagegen strebt nach einer Bestimmung des Inhaltes, die nicht notwendig durch das Interesse des herrschenden Grundstückes bestimmt wäre, also auch hier eine freiere Auffassung, die der Entwurf zu der seinigen gemacht hat. Wir haben uns nicht davon überzeugen können, dass jene über­lieferte Beschränkung für unsere Zeit durch die Verhältnisse gerechtfertigt würde, etwa weil aus der freiem Auffassung Miss­bräuche erwachsen könnten, denen von Anfang an begegnet werden müsste. Freilich wird man zur Umschreibung eines bestimm­ten Dienstbarkeitsbegriffes stets an die Voraussetzung gebunden sein, dass durch die Grunddienstbarkeit der Eigentümer eines dienenden Grundstückes mit einer Beschränkung in der Benut­zungsbefugnis belastet wird. Etwas was nicht als eine mögliche Benutzungsart des dienenden Grundstückes erscheint, kann auch nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein. Allein wozu nun die Berufung auf die Eigenart? Man denke sich den Fall, wo eine Schützengesellschaft sich das Recht erwirbt, zu gewissen Zeiten über ein Grundstück schiessen zu dürfen. Hat die Schützen­gesellschaft kein Grundeigentum, so wird sie sich diese Dienst­barkeit nach Art. 774 (1) errichten lassen. Hat sie aber das Eigentum an einem Schiessstand, weshalb soll da nicht eine Grunddienstbarkeit zu dessen Gunsten errichtet werden dürfen, trotz Mangels an den Interessen der zwei Grundstücke als solcher? Wie sollte sich die Gesellschaft denn anders helfen ? Soll man sie auf die rein obligatorische Verpflichtung verweisen, mit aller der Unsicherheit, die das lose persönliche Band mit sich bringen kann ? Man sagt allerdings, dass die Begrenzung auf die Interessen der Grundstücke eine Klärung der Verhältnisse in sich schliesse. Allein dieser Einwand beruht auf einer unbegründeten Voraussetzung. Wenn man die Grunddienstbarkeiten so enge, wie im Gemeinen Rechte, sich denkt, dann natürlich gewährt es einen Vorteil, sich die Abgrenzung nach den Interessen der Grundstücke vollziehen zu lassen. Wenn aber die freiere Auffassung vorherrscht, so braucht man für diese Abgrenzung auf gar nichts anderes zu verweisen als auf die Umstände, wie sie nach der Natur des einzelnen Falles gegeben sein können. Muss der Inhalt der Dienstbarkeit nach dem Interesse der Grundstücke bestimmt sein, dann wird es darauf
(') ZGB 781.



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ankommen, sie in ihrem Inhalte nach diesem Interesse zu begren­zen. Ist dies aber nicht der Fall, so erweist sich jene Umgren­zung eben als nutzlos. Man denke an die vielfältigen modernen Beschränkungen in Villenquartieren betreffend das Betreiben von Wirtschaften, die Ausschliessung von lärmenden Gewerben usw. Hier überall liegt keine Möglichkeit vor, mit den an sich für die Grundstücke gegebenen Interessen auszukommen, wohl aber das Bedürfnis der Gegenwart, solche Beschränkungen mit dinglicher Kraft als Grunddienstbarkeiten freieren Inhaltes zuzulassen. Eine Reihe kantonaler Rechte ist denn auch bereits teils auf dem Wege der Gesetzgebung, teils in der Praxis dazu gekommen, solchen freieren Inhalt der Dienstbarkeiten anzuerkennen, ohne daraus Übelstände zu empfinden, ein Umstand, der gewiss geeignet ist, uns zu zeigen, dass es sich doch wohl in jenem Grundsatz des Gemeinen Rechtes betreuend die Abgrenzung nach der Eigenart der Grundstücke mehr um ein doktrinelles als um ein praktisches Postulat handelt.
Überblicken wir die Möglichkeiten, die in bezug auf die beiden Erweiterungen des Begriffes hiernach gegeben sind, so können wir folgende Arten von Grunddienstbarkeiten unterscheiden:
Solche, die einem herrschenden Grundstück an einem dienen­den zustehen und ihren Inhalt aus der Eigenart des einen und andern empfangen, wie Wegrecht, Wasserleitungsrecht.
Solche, bei denen der Inhalt nicht nach der Eigenart des herrschenden Grundstückes bestimmt wird, sondern nach dem per­sönlichen Interesse des Eigentümers, wie Verbot der Verbauung der Aussicht.
Solche, bei denen der Inhalt nicht nach der Eigenart des dienenden Grundstückes bestimmt wird, sondern nach den persön­lichen Interessen des Eigentümers, wie Verbot eines lärmenden Gewerbebetriebes.
Solche, die nicht einem herrschenden Grundstück, sondern einer Person als solcher an einem dienenden Grundstück zustehen.
Die drei ersteren Klassen sind Grunddienstbarkeiten im Sinne des Entwurfes gemäss Art. 723, (1) die letztgenannte dagegen fällt unter die anderen Dienstbarkeiten des Art. 774. (2)
Die Dienstbarkeiten stehen zu den Grundlasten in einem durch die Doktrin und Gesetzgebung fest begründeten Gegensatz, an dem auch der Entwurf nichts zu ändern unternommen hat. Gemeinsam ist den beiden Instituten, dass sie sich als Bela-
(1) ZGB 730. (2) ZGB 781.



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stungen von Grundstücken darstellen, verschieden dagegen der Inhalt dieser Belastung, indem die Grundlast den Eigentümer des belasteten Bodens zu einer positiven Handlung, einer Leistung für einen Berechtigten verpflichtet, während die Dienstbarkeit regel­mässig und in ihrem Hauptinhalt auf ein Dulden oder ein Unter­lassen geht. Man könnte dabei für die Grundlasten einen ähn­lichen Unterschied einführen, wie er für die Dienstbarkeiten Auf­nahme gefunden hat: Grundlasten zugunsten des Eigentümers eines andern Grundstückes und solche zugunsten einer Person schlechtweg. Allein es hätte praktisch doch wenig Sinn, diese Unter­scheidung, wie sie bei den Dienstbarkeiten schliesslich beibehalten worden ist, durchzuführen, weil bei den Grundlasten von einer Begrenzung auf die Bedürfnisse des herrschenden Grundstückes oder die Leistung aus dem dienenden überhaupt nicht die Rede ist. Näher läge eine andere Begrenzung, nämlich zu verlangen, dass die Grundlast das Äquivalent einer Leistung darstellen müsse, die dem Grundstücke von seiten des Berechtigten zugekommen sei. Doch lag auch für die Aufnahme einer solchen Einschränkung ein genügender Grund nicht vor. Es genügt vielmehr die Hervor­kehrung des formal charakteristischen Momentes der Grundlast: Belastung des jeweiligen Eigentümers des Grundstückes mit einer Leistungspflicht, die einem Berechtigten gegenüber besteht. Ob dieser als Eigentümer einer anderen Liegenschaft oder sonstwie bestimmt sei, ist für die Grundlast an sich ganz ohne Bedeutung. Es ist nur daran zu erinnern, dass die Berechtigung des jeweiligen Eigentümers eines Grundstückes ein Institut für sich darstellt, die Grundgerechtigkeit, an deren Aufnahme in den Entwurf, wie wir bereits angeführt haben, auch gedacht worden ist. Hätte man sie aufgenommen, so würde man die Kombination erhalten haben, dass der Grundlast auf der berechtigten Seite eine Grundgerechtig­keit und der Grundgerechtigkeit auf der passiven Seite eine Grund­last gegenüberstehen kann, während begrifflich zwischen den beiden doch eine ganz bestimmte Scheidung bestanden haben würde. 
Das Gemeinsame der in Titel 21 zusammengestellten Institute ist nach dem Gesagten darin zu finden, dass sie alle sich als Belastungen von Grundstücken darstellen, die im Gegensatz zum Pfandrecht von vornherein eine selbständige Existenz haben. Zwar kann ja auch das Grundpfandrecht eine Verselbständigung erfahren, die im Entwurfe sogar eine sehr wichtige Ausgestaltung erhalten hat. Allein man erkennt auch wirklich, wie sehr damit das Grund­pfandrecht theoretisch und praktisch der Grundlast näher gebracht wird, wie denn ja schon in der geltenden Gesetzgebung die Gült einerseits zum Hypothekarrecht gezählt wird und gezählt werden



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muss, während sie anderseits den Grundlasten anzureihen ist (vgl. namentlich das Beispiel von Zürich, Schweiz. PR III, S. 428 ff., verglichen mit S. 438 ff.). Dennoch bestehen triftige Gründe, die Scheidung in der überlieferten Weise festzuhalten, indem die Grundlast, sobald sie in Gestalt der Gült dem Sicherungszwecke dient, eben doch von einer Reihe anderer Regeln beherrscht wird als die reine Grundlast. Endlich stehen den Dienstbarkeiten gleich die Rechte au den herrenlosen und öffentlichen Sachen, soweit sie nicht als eigentumsgleiche Berechtigungen in Frage kommen. Vgl. Art. 921. (1)
Dass diese Belastungen alle dem Grundbuchrecht unterworfen sind, versteht sich nach unseren früheren Ausführungen von selbst. Anzufügen ist nur noch, dass ihr gemeinsamer Charakter es grund­buchlich ermöglicht, sie im Grundbuch in dieselbe Rubrik oder Kolumne einzutragen, während das Pfandrecht in eine eigene Kolumne des Grundbuchblattes verwiesen werden muss.
In ihrer wirtschaftlichen Bedeutung charakterisieren sich die hier vereinigten Institute folgendermassen:
1.     Die Grunddienstbarkeit besteht nur von Grundstück zu Grundstück und ist also dazu bestimmt, die Beziehungen, die unter Nachbarn gegeben sein können, zu dinglicher Wirksamkeit zu erheben, wobei aber nicht auf eine Leistung aus dem Grundstück und für die Bewirtschaftung des Grundstückes in engerem Sinne geschaut wird, sondern in allen Beziehungen, in denen ein Grund­eigentümer von einem andern einen Vorteil erwarten kann, auch eine Dienstbarkeit errichtet werden darf. Mag es sich um einen Vorteil in der Bewirtschaftung selber handeln, wie die Gewährung einer Zufahrt für die Einheimsung der Ernte, oder um die An­nehmlichkeit, die der Eigentümer in der Bewohnung seines Hauses sucht und die vielleicht wohl für ihn persönlich einen Vorteil darbietet, nicht aber nach der Natur des Grundstückes auch für jeden künftigen Eigentümer, das bleibt sich gleich. Nötig ist nur, dass die Berechtigung wie die Verpflichtung mit dem Eigentum an dem Grundstücke verbunden sei.
2.   Der Grunddienstbarkeit steht diejenige dingliche Belastung am nächsten, bei der das Grundstück auf ganz gleiche Weise zu einer Dienstleistung herangezogen wird, allein die Berechtigung nicht mit dem Eigentum an einem anderen Grundstück verknüpft erscheint, sondern in freier Weise für jedermann begründet werden kann. In gar mancher Hinsicht mag ein Bedürfnis für eine solche
(') Die Bestimmung fehlt im Gesetz, vgl. oben S. 12, Anm. 11. Geblieben ist die Vorschrift des ZGB 944, Abs. 1.



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Belastung gegeben sein, sei es, dass der Berechtigte nur in einem persönlichen Verhältnis zu einem Grundstücke steht, für dessen Be­wirtschaftung er die Zudienung des andern Grundstückes wünschen muss, z. B. nur dessen Pächter ist, oder dass die Berechtigung überhaupt nicht zu einem bestimmten Grundstük in Beziehung gebracht werden kann. Man denke z. B. an ein für die Arbeiter einer Fabrik begründetes Wegrecht, das nach vorliegenden Um­ständen nicht zu gunsten der Fabrik selber begründet werden kann oder will. Von diesen Belastungen handelt Art. 774 (1) des Entwurfes, der die Gebrauchsrechte auf solche Fälle speziell aus­dehnt und bestimmt, dass diese Belastungen den Grunddienstbar­keiten gleich behandelt werden sollen.
Verwandt mit diesem Gebrauchsrecht ist das Baurecht der Art. 773 und 676, (2) wobei wiederum ein herrschendes Grundstück nicht gegeben zu sein braucht. Liegt ein herrschendes Grundstück vor, so wird regelmässig überhaupt nicht ein Baurecht, sondern ein dinglich fundierter Überbau (Art. 675) (3) gegeben sein. Je nach den Verhältnissen kann es sich also bei solchen baulichen Vor­richtungen bald um das eine und bald um das andere handeln. Immer aber reiht sich das Verhältnis unter die Dienstbarkeiten ein, sei es als Grunddienstbarkeit oder als „andere" Dienstbarkeit, und es kommt beim Baurecht nur die weitere Möglichkeit hinzu, dem Rechte die Existenz als eigentumsgleiche Berechtigung zu verschaffen durch Aufnahme in ein eigenes Blatt des Grund­ buches. (4)
3.     Nutzniessung und Wohnrecht stellen sich für die Fälle zur Verfügung, wo ein Besitz oder doch Mitbesitz an der belasteten Sache dem Berechtigten zugewiesen erscheint. Die Unterscheidung im einzelnen ist klar: Es soll in irgend einer Richtung die Sache einem Nichteigentümer zum Genuss oder Gebrauch überlassen sein. Leistungen hat hier der besitzende Nichteigentümer in dem Um­fange zu prästieren, als dies sich aus der Natur seines Rechtes ableiten lässt. Der Eigentümer aber behält alle Lasten und Vor­teile des Eigentums, die sich neben der Belastung als gegeben erzeigen, während er zu gunsten des Berechtigten, wie bei den übrigen Dienstbarkeiten, zu keinen weitern, besonderen Leistungen verpflichtet ist.
4.   Die Grundlast greift überall da Platz, wo man sich dinglich eine gewisse Leistung von einem Grundstücke sichern will. Es kann diese Leistung sich als wünschenswert oder notwendig aus
(') ZGB 781. (2) ZGB 779 n. 675. (3) ZGB 674. (4) In gleicher Weise ist im Gesetz auch das Quellenrecht dargestellt, ZGB 780 u. 704.



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der Natur des Eigentums des Berechtigten ergeben: Eine Fabrik möchte sich die Zufuhr von Elektrizität aus einer anderen Fabrik dinglich sicherstellen, oder die Lieferung von Milch aus einem landwirtschaftlichen Betriebe soll für eine Genossenschaft von den möglichen Folgen eines spätem Eigentumswechsels befreit werden. Persönliche Verpflichtungen können hier zwar häufig auch die gewünschten Dienste leisten. Allein es gewährt bei Anlagen, die als so dauerhaft gedacht werden, wie das berechtigte Werk selber, eine weit sicherere Grundlage, solche Belastungen dinglich zu begründen. Es ergeben sich daraus gewisse Gemeinschaftsverhältnisse, die alle Vorteile dauerhafter Beziehungen aufweisen, ohne doch das Eigentum selber allzusehr einzuschränken.
Wir mussten uns fragen, ob nicht die gemeinsamen Regeln für alle in diesem Titel behandelten Institute in einem ersten Abschnitte als allgemeine Bestimmungen hätten vorausgeschickt werden sollen. Allein das Gemeinsame bei ihnen beruht im Grunde doch nur auf der Gemeinsamkeit der sachenrechtlichen Verhältnisse überhaupt und findet seinen Ausdruck wesentlich im Grundbuche. Nur betreffend die Dienstbarkeiten wäre es wohl möglich gewesen, in Nachahmung einiger kantonaler Rechte (vgl. Schweiz. PR III, S. 336 ff.) einen solchen allgemeinen Teil auszuscheiden. Wir haben es nicht getan, weil die Zusammenfassung aller Regeln für die beiden Hauptarten der Dienstbarkeiten uns eine anschaulichere und nicht erheblich längere Ordnung zu ergeben schien, als die Darstellung des gemeinsamen Rechtes der Dienstbarkeiten in einem der speziellen Ordnung vorausgehenden Abschnitt,
II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.
Erster Abschnitt.
Die Grunddienstbarkeiten.
A. Der Gegenstand der Grunddienstbarkeiten, Art. 723. (') Der Ent­wurf folgt hier dem Beispiel der Rechte, die, wie das bernische Gesetzbuch und andere, keine geschlossene Zahl von Dienstbarkeiten aufstellen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 341 f. Über die Begrenzung
(') ZGB 730.



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auf die Berechtigung für den Eigentümer eines herrschenden Grund­stückes ist oben gesprochen worden. Fraglich erschien, ob nicht die Stellung des Berechtigten in anderer Hinsicht näher um­schrieben werden sollte. So inbetreff der Besitzesfrage. Allein nachdem die Scheidung der Dienstbarkeiten nach dem Besitz aus den oben angeführten Erwägungen abgelehnt worden war, erschien es auch nicht mehr als nötig, die Bedeutung der Grunddienstbar­keit für den Besitz besonders hervorzuheben: es wäre doch nur zu bestätigen gewesen, dass der Berechtigte keinen Besitz an der Sache erhalte. Ebenso ist es nicht nötig, zu sagen, wer Berech­tigter sein könne. Das Eigentum am herrschenden Grundstücke charakterisiert die Stellung genügend, sobald man sich nur ver­gegenwärtigt, dass daneben noch persönliche Dienstbarkeiten mit Grunddienstbarkeitsinhalt möglich sind (Art. 774). (')
B. Errichtung und Untergang der Grunddienstbarkeiten, Art. 724 bis 729. (2) Der Entwurf folgt hier dem Grundsatz, dass alle Grund­dienstbarkeiten der Eintragung in das Grundbuch unterstellt sein sollen, und kann sich hierfür nicht nur auf die Tendenz der modernen Gesetzgebung überhaupt, sondern auch auf die An­schauung stützen, die in einer Reihe der kantonalen Vernehmlassungen (Genf, Graubünden, Thurgau, Appenzell A.-Rh., Basellandschaft u. a.) zum Ausdruck gebracht worden ist. Die kantonalen Rechte bekennen sich nur teilweise zu dieser Vorschrift, sei es auf dem Boden der Fertigung oder des Registersystems oder des eigent­lichen Grundbuches. Vgl. Schweiz. PR III, S. 347 ff. Allein wo sich eine Beschränkung des Grundsatzes findet, ist sie zumeist gar nicht die Folge einer prinzipiellen Ablehnung der Formvorschrift, sondern erklärt sich aus der Besorgnis, dass die allgemeine Ein-­ tragung in der Ausführung auf allzu grosse Schwierigkeiten stossen würde. Man hat es (in Zürich und a. 0.) mit einer beschränkten Eintragung versucht und z. B. die sichtbaren oder ständigen Dienstbarkeiten von dieser Form befreit, allein ohne zu befriedigenden Resultaten zu gelangen. Schon in der Umschreibung dieser Ab­grenzung traf man auf Unsicherheiten, die in verschiedenen Redak­tionsversuchen Ausdruck gefunden haben. Man vergleiche §§ 242 ff. der neuen Redaktion des PGB von Zürich mit §§ 693 ff. der alten, §§ 638 ff. des PGB von Schaffhausen mit den Gesetzen von 1881 und 1882 (Schweiz. PR III, S. 350 f.). Überdies hat sich bei dieser Abgrenzung in der Praxis der Übelstand gezeigt, dass in Fällen der Zerstörung der ständigen Einrichtung durch Alter oder Natur-
(1) ZGB 781. (2) ZGB 731 bis 736.



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gewalt die Dienstbarkeit gar oft nicht mehr richtig hergestellt werden kann, wie denn gewiss umgekehrt auch in Betracht fällt, dass häufig dienstbarkeitsähnliche Vorrichtungen sichtbar bestehen, die gar nicht die Verkörperung einer Berechtigung zu dinglichem Recht darstellen wollen. Konsequenterweise sollte man also für solche Fälle eine Eintragung gestatten, die den Bestand der Dienstbarkeit ausschliessen würde, sonst riskiert der Eigentümer einer solchen Vorrichtung, dass gelegentlich ein Recht mit Erfolg angesprochen wird, das niemals zwischen ihm und dem Nachbarn als dingliches gemeint war.
Dass die Eintragung auf beiden Grundbuchblättern erfolgen muss, dem des herrschenden und des belasteten Grundstückes, ist eine grundbuchliche Vorschrift, die zur guten Ordnung der Ver­hältnisse ausserordentlich beiträgt, allein richtigerweise nicht hier, sondern im Grundbuchrecht aufgeführt wird. Vgl. Art. 1007. (1)
Im übrigen macht der Entwurf den Versuch, die Begründung der Grunddienstbarkeiten dem Erwerbe des Grundeigentums parallel zu ordnen. Namentlich soll dies für die Ersitzung gelten, so dass die Ersitzung nur zu Lasten solcher Grundstücke möglich erscheint, in bezug auf welche gemäss den Art. 664 und 665 (2) eine Eigen­tumsersitzung zugelassen würde. Der Besitz der Dienstbarkeit bestimmt sich dabei nach Art. 961, Abs. 2.(3)
Neben dieser allgemeinen Verweisung sind einige die Grund­dienstbarkeiten speziell betreffende Regeln notwendig. Sie beschlagen folgende Punkte:
1. Die Analogie zum Eigentumserwerb würde dazu führen, dass das Begründungsgeschäft in allen Fällen der öffentlichen Beurkundung bedürfte, um unter den Parteien eine verpflichtende Wirkung herbei zu führen. Dies erscheint in einem Falle als eine ganz unnütze Formalität, wenn nämlich die äussere Einrichtung der Dienstbarkeit hergestellt ist, so dass nur noch die Eintragung der Vorrichtung in das Grundbuch hinzutreten muss, um mit aller wünschenswerten Klarheit die Dienstbarkeit als begründet erscheinen zu lassen. Die öffentliche Beurkundung würde in diesen Fällen das Verhältnis nicht deutlicher feststellen können, als es bereits vorliegt, und daher empfiehlt es sich, die Eintragung in das Grund­buch hier zu gestatten, sobalb nur die beiden Grundeigentümer dem Grundbuchverwalter ihre formlose Vereinbarung in Verbindung mit der äusseren Einrichtung darlegen. Regelmässig wird also die in gemeinsamem Einverständnis vollzogene Errichtung der Vorrichtung zur Herstellung des Erwerbsgrundes, oder also der
(') ZGB 968. (2) ZGB 661 u. 662. (3) ZGB 919, Abs. 2.



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Voraussetzung der Eintragung genügen, während die blosse Ver­einbarung oder eine Einrichtung, die nicht von dem Ausweis über die Vereinbarung begleitet ist, diese Wirkung nicht beanspruchen können. Der Ausweis gegenüber dem Grundbuchverwalter dürfte durch eine Verordnung in dem Sinne zu regeln sein, dass die planmässige Aufzeichnung der Vorrichtung verlangt wird, ohne welche zwar die Vereinbarung immerhin dergestalt Bedeutung erlangen kann, dass mit ihr und der Glaubhaftmachung der Existenz der Vorrichtung eine Vormerkung im Sinne des Art. 1004 zu er­wirken ist. (1)
2. Der formale Bestand der Grunddienstbarkeit auf Grund des Eintrages hat darin eine besondere Bedeutung, dass die Dienst­barkeit erst durch die Löschung des Eintrages ihren Untergang findet und demgemäss, so lange sie nicht gelöscht ist, durchaus mit rechtlicher Wirkung ausgerüstet bleibt. Wird also das Eigen­tum am herrschenden Grundstück mit demjenigen am dienenden vereinigt, so behält der Eigentümer der beiden das formale Recht in dem Sinne, dass, sobald während der Existenz des letztern aus irgend einem Grunde die Trennung des Eigentums wieder eintritt, die Dienstbarkeit auch wiederum materielle Bedeutung erhält. Gibt man dies zu, so darf dann auch noch der weitere Schritt gewagt werden, von vornherein die Errichtung einer Dienstbarkeit von zunächst nur formalem Bestande zu gestatten. Wirkung der Ein­tragung an dem eigenen Grundstücke des Berechtigten muss dabei sein, dass, sobald das Eigentum am dienenden von demjenigen am herrschenden Grundstücke sich trennt, die materielle Rechtskraft der Dienstbarkeit zur Geltung kommt. Vgl. Art. 726 und 728, Abs. 2.(2) Man wird nicht übersehen, welch gute Dienste eine solche Einrichtung dem Rechtsverkehr zu leisten vermag. Man denke nur an die Anlage grösserer Quartiere von Arbeiterwohnungen oder Villen, deren Baugrund sich zunächst in dem Eigentum eines einzigen Unternehmers befindet. Dieser erhält damit die Möglich­keit, die Dienstbarkeiten zwischen den auf den spätem Verkauf eingerichteten Einzelparzellen von Anfang an durchaus rechts­beständig so einzurichten, wie es die Interessen der gesamten An­lage erheischen. Versagt man diese Einrichtung dem Unternehmer. so werden immer entweder die frühern oder die spätem Abnehmer im Verhältnis zu den andern benachteiligt erscheinen oder eben nur
(') ZGB 732 bestimmt, dass der Vortrag über Errichtung einer Grund­dienstbarkeit zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form bedürfe. Die Heran­ziehung der Vormerkung, ZGB 961, ist deshalb weggefallen. GVO Art. 19. (2) ZGB 733 u. 735, Abs. 2.



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persönliche Rechte gegen den Verkäufer oder Unternehmer besitzen, die ihnen kaum mehr nützlich sind, sobald nach Durchführung des Unternehmens das ganze Land parzelliert, verkauft und die unter­nehmende Gesellschaft vielleicht vollständig liquidiert ist. Das geltende Recht kennt freilich diese Eigentümerdienstbarkeit bis jetzt nur sehr teilweise. Sie findet sich nur im eigentlichen Grundbuchrecht (Schweiz. PR III, S. 354) und — allerdings ohne diese fast unentbehrliche formale Grundlage — in der „destination de pere de famille" des französischen oder der „Widmung'' einiger deutschschweizerischen Rechte (vgl. Schweiz. PR III, S. 352 f.). Was aber in diesen Anfängen sich bewährt hat, verdient um seiner praktischen Brauchbarkeit willen zu allgemeiner Geltung zu ge­langen, ohne Rücksicht auf doktrinelle Bedenken, die ja auch bei andern Instituten, wie der Eigentümerhypothek, unbedenklich ausser acht gelassen worden sind.
3. Die Dienstbarkeiten stellen sich im ganzen gegenüber der Freiheit des Grundeigentums als Anomalien dar und können, wenn sie eine übermässige Ausdehnung erfahren, zu einer Plage werden, der in irgend einer Weise abgeholfen werden muss. Sie beruhen in einzelnen Erscheinungen auf Voraussetzungen, die der heutigen Bewirtschaftungsweise nicht mehr entsprechen, zielen auf Bedürfnisse ab, die in unserer Zeit nicht mehr bestehen oder in rationeller Weise auf anderm Wege ihre Befriedigung erfahren. Daraus erklärt es sich, dass die Gesetzgebung von jeher darauf Bedacht genommen hat, eine Ablösung derjenigen Dienstbarkeiten vorzusehen, die ihre Existenzberechtigung verloren haben. (Vgl.
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Möglichkeiten der Ablösung in Betracht zu ziehen:
1) Die Ablösung aus öffentlichrechtlichem Grunde: Es versteht sich von selbst, dass auch dem einheitlichen Privatrechte gegen­über die Regel aufrecht erhalten werden muss, dass Dienstbar­keiten oder Arten von solchen, die dem allgemeinen Wohle zu­widerlaufen, auf dem Wege der kantonalen oder der Bundes­gesetzgebung sollen zur Ablösung gebracht werden können, und zwar im Rahmen der Gebietshoheit des Bundes oder der Kantone. Eine Bestimmung hierüber in den Entwurf aufzunehmen, wurde gegenüber der allgemeinen Vorschrift des Art. 4 (1) für entbehrlich erachtet. Auch wird in dem Expropriationsrechte, das im Entwurfe nicht behandelt ist (vgl. 668, Abs. 2) (2) das Erforderliche vor­zusehen sein.
(') ZGB 6. (2) ZGB 666, Abs. 2, und Erläuterungen Bd. I, S. 20.



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2)   Die Ablösung von Dienstbarkeiten, die ihren Wert für den Berechtigten ganz und gar verloren haben: Ihre Weiterexistenz ruht auf der unbegrenzten Dauer der dinglichen Rechte, die bei der Grundbuchordnung noch gesteigert wird durch die Möglich­keit eines rein formalen Bestandes im Grundbucheintrage. Fälle, die hier etwa in Betracht kommen können, sind die Servitut einer Abtrittableitung im Verhältnis zur Einführung eines städtischen Kloakennetzes, die Existenz einer Aussichtsservitut nach Verbauung des Ausblickes durch andere Gebäude, das Weiterführen der Ser­vituten des Festungsrayons nach Aufhebung der Festungswerke u. a. m. Es entspricht einer richtigen Auffassung der Eigentümer­rechte, wenn für solche Fälle ein Mittel gegeben wird, womit der Belastete sich dessen erwehren kann, dass nicht der Berechtigte rein chikanös die Ablösung der Dienstbarkeit verweigere oder doch ungebührlich verteuere. Hat dieser gar kein in Geld abzuschätzendes Interesse mehr an der Belastung, so soll er in die grundbuchliche Tilgung der Belastung unentgeltlich einwilligen. Man darf aber gewiss noch einen Schritt weiter gehen und die Ablösung auch da dem Berechtigten gegenüber zwangsweise anordnen, wo er zwar noch ein gewisses Interesse an dem Bestande der Dienstbarkeit hätte, allein ein Interesse von solcher Unbedeutendheit, dass ihm gegenüber dem Masse der Belastung gar keine Existenzberechtigung mehr zugeschrieben werden kann. Nur wird in solchen Fällen der Belastete allerdings, wenn er die Ablösung erwirken will, den Berechtigten für sein noch vorhandenes Interesse gehörig entschädigen müssen (Art. 729, Abs. 2). (')
3)   Die Ablösung von Dienstbarkeiten, die vom Berechtigten gar nicht mehr benutzt werden: Für diese Fälle wollte, ohne Rücksicht darauf, ob die Dienstbarkeit für den Berechtigten ein Interesse überhaupt noch besitze oder nicht, der Entwurf eine Frist von zehn Jahren vorsehen, nach deren Ablauf der Belastete die Ablösung einzig auf Grund der Tatsache hätte beanspruchen können, dass die Dienstbarkeit vom Berechtigten nicht gebraucht worden sei. Der Sachverhalt würde auf Begehren des Belasteten gerichtlich untersucht und die zehnjährige Nichtausübung festgestellt worden sein, worauf der Belastete die Befugnis erhalten hätte, die Löschung des Eintrages anzubegehren. Allein die Kom- missionsberatungen haben dazu geführt, diese Ersitzung der Frei­heit des Grundeigentums, obgleich in den kantonalen Eechten ent­sprechende Vorschriften da und dort angetroffen werden (vgl.
(') ZGB 736, Abs. 2, wo die Rücksicht auf das „ursprüngliche Interesse" nicht erwähnt wird.



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Schweiz. PR III, S. 377 ff.), fallen zu lassen. Man fand, dass es an der Ablösung auf Grund des weggefallenen Interesses genug sei, da sie sich gerade für die Fälle als besonders praktisch er­weisen werde, wo die Ersitzung der Freiheit einzugreifen ver­ möchte. Der Nichtgebrauch behalte also seine Bedeutung als ein Beweismittel für das Nichtmehrvorhandensein eines Interesses, während ihm selbständige Bedeutung nach dem Entwurfe nicht zukommen solle.
An diesem Ergebnis vermag auch die Ersitzung des Eigentums nichts zu ändern. Immerhin ist zu beachten, dass eine Löschung im Grundbuche die Dienstbarkeit gegenüber jedem Erwerber, der sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat, unwirksam macht. Auch eine ungerechtfertigte Löschung übt also gegen den gutgläubigen Erwerber des befreiten Grundstückes unzweifelhaft ihre volle Wirkung aus. Wie aber soll sich das Verhältnis zu dem­jenigen gestalten, der in guten Treuen eine solche Löschung er­wirkt hat, während sie materiell anfechtbar, also im Sinne des Art. 1016 (1) ungerechtfertigt gewesen ist? Soll da nicht eine Er­sitzung der Freiheit anerkannt werden, wie die Ersitzung des Grundeigentums und der Servitutberechtigung selber? Die Frage wird im Entwurfe nicht direkt beantwortet, allein man kann un­möglich verkennen, dass sie mit der Ausschliessung der Ersitzung der Freiheit infolge von Nichtgebrauch nicht beantwortet ist. Denn es ist ja trotz der Löschung ein fortgesetzter Gebrauch der Dienstbarkeit immer noch möglich. Gerade diese Möglichkeit ist nun aber geeignet, uns darauf hinzuweisen, dass eine Heilung des Mangels durch Zeitablauf bei den Dienstbarkeiten eine ganz andere Bedeutung hat, als beim Erwerb des Grundeigentums. Der Mangel an innerer Rechtfertigung hat hier die Bedeutung, dass der Be­rechtigte auf Grund seines Titels jederzeit die Wiederherstellung des Eintrages erwirken kann, und dieses Recht soll er nicht ver­lieren können, solange er noch ein Interesse an der Herstellung der Dienstbarkeit zu beweisen imstande ist. Sein Stillschweigen wird also auch hier nur als ein Inzicht in Betracht fallen gegen das Vorhandensein eines Interesses, während eine Befreiung des Belasteten daraus nicht abgeleitet werden kann. Wir beantworten also die gestellte Frage mangels einer andern Vorschrift in ab­lehnendem Sinne. Es soll keine Ersitzung der Freiheit, auch nicht im Sinne der Heilung eines ungerechtfertigten Löschungseintrages durch Zeitablauf, geben. Ob aber eine allgemeine Klagenverjäh­rung in bezug auf die Anfechtungen der ungerechtfertigten Grund-
(') ZGB 974.
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bucheinträge aufgestellt und damit für die Dienstbarkeiten das gleiche Ziel unter Umständen dann doch auf anderm Wege erreich­bar gemacht werden soll, haben wir in anderm Zusammenhang zu untersuchen. (1)
C. Der Inhalt der Grunddienstbarkeiten, Art. 730 bis 737. (2) 
Der Inhalt der Grunddienstbarkeit bereitet nur in wenigen Beziehungen Schwierigkeiten. Der allgemeinen Rechtsüberzeugung entspricht in erster Linie die Regel, dass jede Partei, der Berechtigte wie der Belastete, in guten Treuen dasjenige tun sollen und tun dürfen, was in dem Rechtsverhältnis begründet erscheint (Art. 730). (3) Dem Grundbuchrechte entspricht es ferner, dass zwar in erster Linie der Inhalt durch den Bucheintrag bestimmt wird, dann aber doch, zu dessen Ergänzung, nicht aber zu dessen Berichtigung, auf die Übung oder auf andere Mittel der Feststellung des Inhaltes ver­wiesen wird. Kommt die Übung in Frage, so darf dies nicht als eine Ersitzung aufgefasst werden. Denn nicht der Bestand der Dienstbarkeit, auch nicht in ihrer quantitativen Beziehung, wird durch die Übung der Beteiligten oder also durch Zeitablauf er­worben, sondern es soll damit nur bewiesen werden, mit welchem Inhalt die Beteiligten den Bestand der Dienstbarkeit verstanden haben. Dazu kommt, dass bei gewissen Grunddienstbarkeiten die Festsetzung des Inhalts durch die Ortsübung und mithin gar nicht für den einzelnen Fall erfolgt, sondern für eine ganze Klasse von Belastungsverhältnissen. Ist dies der Fall, so darf auch das ein­heitliche Recht hierauf Rücksicht nehmen, wie dies mit Art. 733 (4) betreffend die Wegrechte geschehen ist. Nun können aber auch Veränderungen eintreten, die auf das Verhältnis von Einfluss sind, und zwar in vier Beziehungen:
1. Die Dienstbarkeit entspricht einem Bedürfnisse des Berech­tigten, und dieses Bedürfnis kann sich verändern. Wie soll nun hier der Inhalt der Berechtigung bestimmt sein? Bei den einer Person an sich zustehenden Dienstbarkeiten wird darauf unbedenk­lich die Antwort erteilt werden können, dass das Mass des Inter­esses, wie es bei der Begründung der Dienstbarkeit in Aussicht genommen worden ist, auch bei allfälligen Veränderungen in diesen Bedürfnissen massgebend bleiben muss. Es entscheidet folglich das Interesse, auf das die Beteiligten die Berechtigung begründen, und als solches wird für die Regel das jeweilige Interesse ange­nommen werden dürfen. Hierüber in dem Entwurfe eine besondere
(') Eine solche Bestimmung ist in das Gesetz nicht aufgenommen worden. (2) Vgl. ZGB 737 bis 744. (3) ZGB 737. (4) ZGB 740.



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Regel aufzustellen, erschien nicht als notwendig, sie ergibt sich aus allgemeinen Auslegungsregeln. Anders nun aber bei der Berechtigung des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grund­stückes. Hier darf nicht auf das jeweilige persönliche Bedürfnis abgestellt werden, sondern es entscheidet für die Regel der Stand des Grundstückes selber. Wie nun aber, wenn auch dieser einem Wechsel unterworfen ist, z. B. ein Wegrecht bis jetzt zugunsten eines einfachen Wohnhauses geübt worden ist, während nun ein Gasthaus besteht, so dass an das Wegrecht ganz andere Anfor­derungen gestellt werden, als bishin? Hier darf es offenbar nicht als dem Inhalt der Dienstbarkeit entsprechend erachtet werden, dass ohne weiteres immer der jeweilige Stand des Bedürfnisses des herrschenden Grundstückes entscheiden soll, sondern es muss, sobald nicht bloss geringfügige Veränderungen in Frage stehen, der einmal geschaffene Zustand als massgebend erachtet und demzufolge eine mit der Veränderung des Bedürfnisses des herr­schenden Grundstückes eintretende Veränderung des Inhaltes ab­gelehnt werden. Auch das geltende Recht kennt solche Regeln, die natürlich nur dispositives Recht aufstellen, vgl. Schweiz. PR III, S. 363 ff.
2.   Die Dienstbarkeiten ruhen im allgemeinen durchaus auf dem ganzen belasteten Grundstücke. Allein faktisch kann das Verhältnis so liegen, dass stets nur ein bestimmt begrenzter Teil des Grundstückes für sie in Anspruch genommen wird, wie dies meistens bei den Wegrechten uns entgegentritt. Hier darf nun aus der allgemeinen Regel, dass der Berechtigte sein Recht möglichst schonend ausüben soll, gewiss mit Fug abgeleitet werden, dass der Belastete, auch wenn einmal eine bestimmte Fixierung der Belastungsrichtung erfolgt und sogar in das Grundbuch aufge­nommen ist, doch ohne Schaden für den Berechtigten, jederzeit die Verlegung auf eine ihm weniger unbequeme Stelle bean­ spruchen kann. Natürlich hat aber diese Veränderung auf Kosten des Belasteten zu erfolgen. Über die Art der Durchführung dieser Regel wird eventuell eine richterliche Entscheidung angerufen werden können.
3.   Eine etwas andere Sachlage liegt bei der Zerstückelung des einen oder andern Grundstückes vor. Stets wird man zwar auch hier von der Grundregel ausgehen müssen, dass die Dienst­barkeit auf dem Ganzen und also nach der Teilung aktiv und passiv auf den einzelnen Parzellen ruht. Die Verhältnisse können jedoch so liegen, dass die Dienstbarkeit aktiv oder passiv gar nicht mehr für alle Parzellen Bedeutung oder überhaupt Existenz haben kann, und da verlangen die Bedürfnisse alsdann nach einer



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andern Lösung. Sie könnte in dem oben besprochenen Satze ge­funden werden, dass jede Dienstbarkeit ihre Existenzberechtigung verliert, sobald sie keinem wirklichen Interesse mehr entspricht. Allein damit wäre das Verhältnis nicht genügend geklärt, nament­lich nicht in bezug auf die passive Seite. Tüchtiger dürfte es daher sein, die betreffenden Regeln für diese Fälle besonders zu formu­lieren, womit dann auch eine besondere Ordnung des Verfahrens verbunden werden kann, in dem Sinne, dass der Grundbuch­verwalter angewiesen wird, bei solcher Zerstückelung zunächst von sich aus das Angemessene vorzukehren. Den Beteiligten aber bleibt nach der allgemeinen Regel, die wir in anderem Zusammen­hange bereits hervorgehoben haben, der Weg der gerichtlichen Anfechtung dieser Vorkehrung ausdrücklich gewahrt. (1) Dass bei der Verlegung dem Grundbuchverwalter eine solche Kompetenz nicht eingeräumt ist, erklärt sich aus dem soeben unter Ziffer 2 Gesagten.
4. Die Vorrichtungen, die zur Ausübung der Grunddienst­barkeit dienen, stehen in der Regel zu Lasten des Berechtigten. Die Ausnahme; die in Art. 734 (2) angefügt ist, erklärt sich aus den allgemeinen Regeln über die Verteilung des Interesses, auf die wir bereits hingewiesen haben.
Endlich ist noch an einen allgemeinen Vorbehalt zu erinnern, der mit den besprochenen Vorschriften in Zusammenhang steht: Wie die Ablösung von Dienstbarkeiten, so kann das öffentliche Recht des Bundes oder der Kantone natürlich auch deren durch die Verhältnisse verlangte Beschränkung anordnen. Es stellt sich eine solche -Massregel als eine teilweise Zwangsenteignung dar, die ganz und gar nach den Gesichtspunkten beurteilt werden muss, wie diejenige, von der wir oben gesprochen haben.
Zweiter Abschnitt.
Nutzniessung und andere Dienstbarkeiten.
A. Die Nutzniessung. I. Gegenstand der Nutzniessur.g, Art. 738. (3)
Die Bestimmung des Gegenstandes der Nutzniessung ist deshalb besonders zu berühren, weil hier notwendig ein weiterer Sach­begriff Platz greifen muss, als beim Eigentum. Er umfasst nicht nur die körperlichen Sachen, bewegliche wie unbewegliche, son-
(') Im Gesetz, Art. 743, Abs. 3, und 744, Abs. 3, ist das Verfahren so geordnet, dass der Grundbuchverwalter dem Gegner das Begehren mitteilt und die Löschung vornimmt, wenn dieser binnen Monatsfrist nicht Einspruch erhebt. Vgl. GVO 86, Abs. 2 u. 3. (2) ZGB 741, Abs. 2. (3) ZGB 745.



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dern auch Rechte, worauf wir bereits in anderm Zusammenhange hingewiesen haben.
Dass die Berechtigung im Zweifel den vollen Genuss an der Sache in sich schliesst, und zwar mit Inbegriff der Zugehör, ist nichts Neues, darf aber als Grundregel im Gesetze nicht übergangen werden.
II.   Entstehung der Nutzniessung, Art. 739 und 740. (1) Es ent­spricht der Parallele von Besitz und Grundbuch und der verkehrs­erleichternden Funktion der beiden, wenn für die Begründung der Nutzniessung an beweglichen Sachen die Tradition und bei unbe­weglichen die Eintragung in das Grundbuch verlangt wird. Doch darf diese Form nur bei der durch Rechtsgeschäft erfolgenden Begründung aufgestellt werden, mit der Voraussetzung, dass für das Rechtsgeschäft die gleichen Vorschriften gelten sollen, wie beim Erwerb des Grundeigentums. So namentlich in bezug auf das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung des Begründungs­vertrages. Für die gesetzlichen Nutzniessungsrechte wird das Requisit nicht aufgestellt, sondern es wirken diese ohne Tradition und Grundbucheintragung von Gesetzes wegen, immerhin unter Vorbehalt der Berechtigungen, die Dritte in gutem Glauben durch Tradition oder Grundbuch erworben haben können. Gewiss ist es nützlich, diesen Vorbehalt, der sich aus dem Besitzes- und Grundbuchrecht allerdings von selbst ergibt, hier besonders hervor­zuheben. Daran lässt sich dann noch die weitere Vorschrift knüpfen, dass durch die Eintragung der Belastung in das Grundbuch das Nutzniessungsrecht jedermann gegenüber dinglich wirksam gemacht werden kann.
III.   Untergang der Nutzniessung, Art. 741 bis 748. (2) Es sind hier einige besondere Verhältnisse, die einer ausdrücklichen Regelung bedürfen. Zunächst kann betreffend die allgemeinen Untergangs­gründe auf die Parallele zum Grundeigentum verwiesen werden. Untergang der Sache und Löschung der Eintragung führen den Untergang unmittelbar herbei. Bei der letztern ist zu beachten, dass es eine Klage auf Wiederherstellung des gelöschten Ein­trages gibt, bis zu deren Durchführung aber das dingliche Recht an sich nicht besteht, sondern nur etwa durch Vormerkung gewahrt wird. Die Untergangsgründe stellen im übrigen nur einen Titel her, auf Grund dessen die Löschung des Eintrages verlangt wer­ den kann, während allerdings bei den beweglichen Sachen die
(') ZGB 746 u. 747. (2) Vgl. ZGB 748 bis 754.



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Aufhebung der Berechtigung mit dem Wegfallen des Grundes der Berechtigung unmittelbar zu wirken imstande ist. Bei den gesetz­lichen Nutzniessungsrechten tritt der Untergang auch bei den unbeweglichen Sachen mit dem Wegfallen des Berechtigungsgrundes ein, da ja die Eintragung hier gar nicht Entstehungsform, sondern nur Publizitätsmittel ist.
Als persönliches Recht wird die Nutzniessung in der Regel auf das Leben einer Person bemessen sein, endigt also mit deren Tod. In bezug auf die andern Fälle wollte der Entwurf zunächst nur betreffend die juristischen Personen eine zeitliche Begrenzung aufstellen. Man hat dann aber gefunden, dass es im allgemeinen wünschenswert sei, die Nutzniessung zeitlich zu begrenzen, und so ist die Regel aufgenommen worden, dass diese Dienstbarkeit nicht über hundert Jahre andauern soll. Dies jedoch in dem Sinne, dass die Lebensdauer des Berechtigten regelmässig als zeitliche Grenze zu gelten hat, während in den andern Fällen die Dauer niemals hundert Jahre soll übersteigen dürfen. (')
Zu diesen allgemeinen Untergangsvorschriften kommen einige weitere, die sich mit den Folgen des Unterganges beschäftigen und bestimmt sind, verschiedene Zweifel zu beseitigen, zu denen das Verhältnis Veranlassung geben kann. Wir heben folgendes hervor:
1. Der Untergang der Sache hat den Untergang des Nutzniessungsrechtes zur Folge. Allein der Eigentümer stellt unter Umständen den Gegenstand wieder her, und dann entsteht die Frage, ob der Berechtigte an dem Ersatzgegenstand die Nutz­niessung beanspruchen dürfe. Es entspricht dem überlieferten Rechte und der Billigkeit, wenn diesfalls in erster Linie bestimmt wird, dass der Eigentümer aus dem Nutzniessungsverhältnis nicht verpflichtet sei, den untergegangenen Gegenstand wieder herzu­stellen. Eine solche Verpflichtung kann sich aus anderem Grunde ergeben oder auch eine Pflicht zu Schadenersatz, jedenfalls aber soll aus der Nutzniessung die Wiederherstellungspflicht nicht ab­geleitet werden können. Wie nun aber, wenn der Eigentümer den Gegenstand aus freien Stücken wiederherstellt? Hier darf die Fortdauer der Nutzniessung als angemessen betrachtet werden, sobald nicht eine besondere Abrede in anderem Sinne vorliegt. Wiederherstellung bedeutet dabei aber allerdings nicht jede Neu­anschaffung einer entsprechenden Sache, sondern nur die Beschaf­fung eines Ersatzes, der nach der Absicht des Eigentümers recht-
(') ZGB 749 stellt die Befristung auf hundert Jahre ausdrücklich nur für die juristischen Personen auf.



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lich an die Stelle der untergegangenen Sache treten soll, wie dies namentlich in den Fällen vorliegt, wo eine Versicherungssumme zur Wiederherstellung eines Gebäudes verwendet oder ein teilweise zerstörter Gegenstand wiederhergestellt wird. Vgl. auch Art. 742, Abs. 3.(1)
2.  Ist die Nutzniessung zu Ende gekommen, so muss der Gegenstand dem Eigentümer zurückgegeben werden. Es kann sich fragen, in welchem Zustande. Die richtige Antwort hierauf ergibt sich aus dem Nutzniessungsrechte selber. Es geht auf den ordnungsmässigen Gebrauch der Sache. Was der Nutzniesser also auf dieser Grundlage verbraucht oder abnutzt, hat er nicht zu er­ setzen, immerhin unter Vorbehalt der Bestimmung des Art. 766, (2) wonach nur der Verbrauch derjenigen Sachen von dem Nutzniesser nicht ersetzt werden muss, der sich als Nutzung qualifiziert. Dabei kann es allerdings unter Umständen sehr zweifelhaft sein, ob eine Abnutzung in ordentlichem Sinne oder ein anderer Verlust ein­ getreten sei. Allein die Sache regelt sich doch in befriedigender Weise unter der Erwägung, dass der vollständige Verbrauch, wenn er im Rahmen der berechtigten Nutzung stattgefunden hat, sich als kein Verschulden darstellt. Der Nutzniesser hat also nur zu beweisen, dass er in der Ausübung seines Rechtes den Gegen­stand aufgebraucht habe, um von jeder Ersatzpflicht befreit zu sein. Die Beweislast ist darnach dann allerdings im allgemeinen in dem Sinne geordnet zu denken, dass der Berechtigte die Rückleistung des Fehlenden oder Ersatz schuldet, wenn es ihm nicht gelingt, zu beweisen, dass die Sache ohne sein Verschulden ver­loren gegangen sei oder an Wert verloren habe. Für die Verwen­dungen darf am richtigsten auf die Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen werden. Denn der Nutzniesser, der, ohne das Einver­ständnis des Eigentümers nachzusuchen, solche macht, wird in der Tat einem Geschäftsführer gleichzustellen sein. Vgl. dementspre­ chend Art. 472 des OR.(3)
3.  Endlich darf berücksichtigt werden, dass die Verhältnisse in der Regel eine glatte Ausscheidung wünschenswert machen, bei der nicht nach langer Zeit noch allerlei Ansprüche erhoben werden. Aus diesem Grunde rechtfertigt sich eine Verjährungsfrist für die Reklamationen betreffend die Rückleistungen und was damit zu­sammenhängt, ähnlich derjenigen für die Klage auf Gewährleistung im Kaufgeschäft, Art. 257 OR. (4) Vorrichtungen, die dem Nutz­niesser gehören, soll er an sich ziehen können, wie ein Pächter.
(') ZGB 750, insbesondere Abs. 3. (2) Vgl. ZGB 772. (3) Nunmehr OR 422. (4) Nunmehr OR 210.



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In der Regel wird es sich um Verwendungen handeln, die ohne­dies seiner Verfügung unterstellt sind, oder dann um Dinge, die mit dem Nutzniessungsgegenstand nicht verbunden werden und demgemäss auch nach gewöhnlichen Grundsätzen dem Nutzniesser verblieben sind.(1) Allerdings hat der Nutzniesser dabei die Pflicht, jede Schädigung des Eigentümers zu unterlassen.
IV. Inhalt der Nutzniessung. 1. Rechte des Nutzniessers. Art. 749
bis 753. (2) Diese Rechte ergeben sich im allgemeinen aus dem Begriffe der Nutzniessung und bedürfen nur in wenigen Punkten der näheren Bestimmung. Besitz, Gebrauch, Nutzung, Verwaltung sind die unmittelbaren Ausflüsse der Berechtigung an der Sache, und dass dabei nach den Regeln einer ordentlichen oder sorgfäl­tigen Wirtschaft verfahren werden soll, ist ebenfalls nichts Neues. Vgl. Schweiz. PR III, S. 400 ff.
In bezug auf den Erwerb der Früchte durch den Nutzniesser ist von dem Grundsatze auszugehen, dass diese bis zur Trennung Bestandteil des Grundstückes und demgemäss Eigentum des Sach­eigentümers sind. Gleichwohl muss schon ein Recht des Nutzniessers an ihnen anerkannt werden vor der Trennung, sobald nur reife Früchte vorhanden sind. Dies berücksichtigt der Entwurf in der vorliegenden Fassung dergestalt, dass er die Früchte dem Nutzniesser zuweist, sobald nur ihrer Bestimmung gemäss ein separates Eigentum durch Trennung an ihnen hergestellt werden kann, d. h. sie fallen mit ihrer Reife in sein Eigentum, womit der allgemeinen Regel des Art. 646 (3) eine Ausnahme angefügt ist, von der wir schon oben gesprochen haben. Werden sie erst nach der Zeit der Nutzniessungsberechtigung reif, oder hat der Nutzniesser reifende Früchte angetreten, die er nicht bestellt hat, so ergibt sich ein Ausgleichungsanspruch, auf den wir schon bei den Eigen­tumsregeln hingewiesen haben. Vgl. Art. 751 und 646.(4) Bei Zinsen und andern Gefällen entsteht eine entsprechende Schwierigkeit deshalb nicht, weil sie einfach, für die Zeit der Nutzniessung berechnet, ohne Rücksicht auf ihre Fälligkeit dem Nutzniesser zugewiesen werden können.
Die Übertragung seiner Berechtigung darf dem Nutzniesser, da sein Recht kein höchst persönliches ist, nicht verwehrt werden. Allein er kann natürlich nur sein eigenes Recht übertragen, so dass an und für sich zwischen dem Übertragungsempfänger und dem
(l) Vgl. ZGB 754. In ZGB 753 u. 754 werden neben den „Verwendungen" auch noch die „Neuerungen" genannt. (2) Vgl. ZGB 755 bis 758. (3) ZGB 643. (4) ZGB 756 u. 643.



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Eigentümer kein direktes Verhältnis entsteht. Allein wie bei der Sachenmiete und dem Auftrag nach Art. 295 und 397 des OR,(1) wird es sich auch bei der Nutzniessung empfehlen, die Berechtigung dem Eigentümer in dem Sinne zu gewähren, dass er sich direkt an den Empfänger halten kann, wenngleich dieser sein Recht nur in Vertretung des eigentlich Berechtigten inne hat.
2.   Rechte des Eigentümers, Art. 754 bis 756. (2) Neben der all­gemeinen Wahrung der Eigentumsrechte darf dem Eigentümer ein Sicherungsanspruch nicht versagt werden, so lange er nicht darauf verzichtet hat. Frage ist nur, ob in allen Fällen ohne weitere Voraussetzung dieses Recht anerkannt werden soll oder nur bei Gefahr für den Eigentümer. Das geltende Recht teilt sich in dieser Hinsicht, vgl. Schweiz. PR III, S. 410 ff. Der Entwurf hat sich dazu entschlossen, die Sicherheitsleistung von dem Nachweis einer Gefahr abhängig sein zu lassen, indem für die Fälle, wo etwas anderes als billig erscheinen würde, die nötige Hilfe sonstwie gegeben sein wird. Bei den gesetzlichen Nutzniessungsrechten wird ohnedies auf die besonderen Regeln abgestellt, vgl. im ehelichen Güterrecht Art. 233, (3) bei den Elternrechten Art, 325,(4) im Erb­recht Art. 508 u. a. (5) Die Bestellung durch Rechtsgeschäft aber hat es in der Hand, eine Sicherstellung zur Bedingung zu machen, und ist dies nicht geschehen, so erscheint die Annahme nicht als unbillig, dass nur unter der Voraussetzung einer besonderen Gefahr die Sicherstellung verlangt werden dürfe. Nichtleistung der begrün­deterweise verlangten Sicherstellung führt zur Verwaltung durch einen Beistand, wie dies auch im geltenden Rechte regelmässig angeordnet ist. Vgl. Schweiz. PR III, S. 410 ff.
3.   Inventarpflicht, Art..757.(6) Das Inventar stellt sich als ein gemeinsames Rechtsmittel beider Beteiligten in dem Sinne dar, dass jede Partei die Aufnahme desselben verlangen kann, sowie dass das Inventar für und gegen jeden Beweis macht, bis zu erbrachtem Beweise seiner Unrichtigkeit.
4.   Lasten der Nutzniessung, Art. 758 bis 761. (7) Sie betreffen vor allem die Erhaltung der Sache, wobei die Ausbesserungen und Erneuerungen, die zum gewöhnlichen Unterhalte gehören, dem Nutzniesser zugewiesen sind. Andere Vorkehrungen fallen dem Eigen­tümer zur Last, der Nutzniesser hat diesen aber von deren Not-
(') Nunmehr OR 272, Abs. 2, u. 399, Abs. 3. (2) Vgl. ZGB 759 bis 762. (') ZGB .05, spez. Abs. 2. (4) Vgl. ZGB 297. (5) Vgl. ZGB 489 f., 463, 464 u. a. (6) ZGB 763. (7) ZGB 764 bis 767.



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wendigkeit in Kenntnis zu setzen und deren Vornahme zu gestatten. Er kann aber auch, wenn keine Abhilfe erfolgt, die Sache von sich aus in Ordnung bringen, und zwar auf Rechnung des Eigen­tümers.
Im übrigen verteilen sich die Leistungen in der Weise, dass der gewöhnliche Unterhalt der Sache dem Nutzniesser zufällt, ebenso Steuern und Abgaben aus der Nutzniessungszeit. Der Eigentümer dagegen trägt alles weitere, also namentlich alle Hauptreparaturen. Dabei fällt in Betracht, dass der Eigentümer die untergegangenen Sachen an sich nicht zu ersetzen hat, während doch solche Repa­raturen einer Wiederherstellung sehr nahe kommen können. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, dem Eigentümer das Recht zu geben, diese Wiederherstellungen aus den Nutzniessungsmaterialien selbst vorzunehmen, wobei aber freilich nicht an die Nutzung zu denken ist, sondern an die Substanz der genutzten Sache selber. Wird diese Inanspruchnahme des Nutzniessungsgegenstandes dem Berechtigten lästig, so soll er den Eigentümer auf die Weise schadlos halten können, dass er ihm das Kapital vorschiesst, mit dem die Reparaturen vorgenommen werden können. Diese Leistung stellt alsdann für den Nutzniesser das Äquivalent für die Nicht­inanspruchnahme von Nutzungsgegenständen dar, oder der Zins­verlust von den Vorschüssen gleicht sich aus mit dem Nutzungs­gewinn an der nicht zur Reparatur verwendeten Nutzungssache. Erwachsen während der Zeit der Nutzniessung andere Auslagen, wie z. B. Prozesskosten, so sind sie nach dem gleichen Gesichts­punkte zu tragen: Sie belasten, wo keine besonderen Umstände eine andere Verteilung rechtfertigen, den Eigentümer, wenn der Rechtsstreit die Sache selbst betroffen, sind aber vom Nutz­niesser zu übernehmen, wenn die Nutzniessung in Frage gestan­den hat.
Bei der Nutzniessung an einem ganzen Vermögen fällt in Be­tracht, dass den Aktiven Passiven gegenüberstehen. Der Nutz­niesser darf jedenfalls die Werte des Vermögens zur Tilgung der Schulden, seien es Zins- oder Kapitalschulden, verwenden, ohne dass dem Eigentümer ein Einspruch gegeben wäre. Schulden des Eigentümers müssen, wenn sie aus der Zeit vor der Begründung der Nutzniessung herrühren, aus dem Aktivvermögen bezahlt werden. Der Nutzniesser hat kein Recht auf dieses, soweit es zur Tilgung der Schulden notwendig ist. Allein diese Überlegung hebt nicht alle Schwierigkeiten. Einmal können auf dem Vermögen Schulden haften, die während der Nutzniessungszeit verzinst sein wollen. Der Nutzniesser wird zu dieser Zinsleistung verpflichtet werden können, im Verhältnis zu dem Wert der Nutzniessungs-



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sache. Also nicht die ganze Schuld, die auf dem Grundstücke haftet, wird er zu verzinsen haben, sondern nur so viel, als dem Werte der belasteten Nutzniessungssache verhältnismässig ent­spricht. Nutzt der Berechtigte die mit Schulden belastete Sache, ohne die Zinse zu entrichten, so übersteigt seine Nutzung den wirklichen Ertrag des Vermögens. Zahlt er den ganzen Zins, der auf einer Sache liegt, die zu seinem Nutzniessungsvermögen gehört, während in dem Vermögensteil, der dem Eigentümer verbleibt, eine Sache mit entsprechender Belastung sich nicht vorfindet, so würde er umgekehrt zu viel belastet. Das richtige ist demnach, dass er die Verzinsung insoweit als eine Last der Nutzniessung anzuerkennen hat, als sie seiner Berechtigung am Vermögen ver­hältnismässig entspricht. Bei der Nutzung einer einzelnen Sache kann diese Relation nicht wohl angenommen werden, sondern wird richtiger einfach darauf abgestellt, dass die Nutzung der Sache auch die Verzinsung der Schuld bedingt. Dazu kommt dann für den Nutzniesser noch die Frage der Vermögenssteuer des Eigen­tümers. Dass der Eigentümer der öffentlich-rechtliche Schuldner der Steuer bleibt, wird nicht geändert werden wollen oder können. Dagegen erscheint es als unbillig, wenn der Eigentümer eine Ver­mögenssteuer von einem Vermögen soll tragen müssen, dessen Ertrag ihm gar nicht zukommt. Man darf ihm daher wohl die Berechtigung zuerkennen, vom Nutzniesser den Ersatz der Steuer zu verlangen, die er von dem Vermögen zu entrichten hat.(') Vgl. §§ 296 und 297 des PGB von Zürich.
Einer Anregung, über die Tragung von Prozesskosten etwas zu bestimmen, wurde unter der Annahme keine Folge gegeben, dass die Entscheidung sich im einzelnen Falle darnach richten müsse, ob die Streitsache das Eigentumsrecht oder die Nutznies­sung betroffen habe. Im ersteren Falle werde es, abgesehen von besonders motivierten Ausnahmen, Sache des Eigentümers sein, die Prozesskosten aufzubringen, während sie im letzteren Falle den Nutzniesser belasten.
Was endlich die Versicherungsprämien anbelangt, so wird, wenn nichts anderes festgestellt ist, dem Nutzniesser die Ver-
(') Das Gesetz hat die Belastung des Nutzniessers mit den Zinsen für die auf dem Nutzniessungsgegenstand haftenden Kapitalschulden in Art. 765, Abs. 1, mit den Auslagen für den gewöhnlichen Unterhalt und die Bewirt­schaftung der Sache zusammengestellt und spricht in Art. 766 von der Tra­gung der Zinsen für Kapitalschulden bei Nutzniessung an einem Vermögen, indem es sie dem Nutzniesser zuweist, soweit nicht, wo die Umstände (wie sie oben erwähnt sind) es rechtfertigen, eine Tilgung der Schulden durch die Nutzniessungswerte stattfindet.



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Sicherung auf seine Kosten zugemutet werden können, sobald diese als Pflicht einer sorgfältigen Verwaltung betrachtet werden darf.(') Der Entwurf stellt hierin auf die in Entwicklung begriffenen Anschauungen ab. Eine Viehversicherung mag heute in einzelnen Gegenden noch als etwas so Ausserordentliches aufgefasst werden, dass sie dem Nutzniesser nicht zugemutet werden kann, in andern dagegen beurteilt man das Verhältnis umgekehrt. Versicherungen, die nur die Nutzung angehen, wie Hagelversicherung, muss natür­lich der Nutzniesser immer auf seinen Wirtschaftskonto nehmen. Das gleiche darf billigkeitshalber auch für den Fall bestimmt werden, dass eine bereits versicherte Sache in die Nutzniessung des Berechtigten gelangt. Die Versicherungspflicht bildet hier wiederum eine Belastung des Nutzniessungsgegenstandes, die dessen Wert für den Berechtigten vermindert, aber von diesem gerade deshalb getragen werden muss, weil er nur auf die Sache mit Inbegriff dieser Last einen Anspruch hat.
V. Besondere Fälle der Nutzniessung, Art. 762 bis 768. (2) 
Die angeführten allgemeinen Nutzniessungsregeln genügen für gewisse Fälle nicht, die wir in bezug auf den Inhalt am Schlusse der Nutzniessungsordnung in dem Sinne zusammenstellen, dass überall die gewöhnlichen Vorschriften gelten sollen, soweit hier nicht besondere Bestimmungen aufgestellt sind. Sie betreffen folgende Verhältnisse:
1. Nutzniessung an Grundstücken. Der Nutzniesser hat nur die­jenige Nutzung zu beanspruchen, die in der regelmässigen Benut­zungsmöglichkeit des Gegenstandes liegt. Geht er darüber hinaus, so muss er das Zuvielbezogene zurückgeben. Man kann dies ent­weder so herstellen, dass man den Nutzniesser auch in bezug auf das Zuviel zum Eigentümer des Bezogenen macht und dem Eigen­tümer nur einen Ersatzanspruch gewährt, oder so, dass das Zu­vielbezogene dem Eigentümer zugewiesen wird, der aber, soweit der Nutzniesser es bereits für sich verwendet hat, dann doch auf einen Ersatzanspruch angewiesen ist. Die erstere Lösung ist bei dem einfachen Raubbau die offenbar angemessene. Allein hier hilft dem Eigentümer bereits die Verantwortlichkeitsregel des Art. 749. (3) Anders, wenn es sich um eine Inanspruchnahme des Nutzungsgegenstandes über seine Nutzbarkeit hinaus oder also in seiner Substanz handelt. Da hilft es offenbar dem Eigentümer
(1) ZGB 767 verweist diesfalls auf die ortsübliche Auffassung. (2) ZGB 768 bis 775. (3) ZGB 755.



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weit mehr, wenn er als Eigentümer der Übernutzungsprodukte auf­treten und diese, soweit noch möglich, vindikationsweise an sich ziehen kann. Ist dies nicht mehr tunlich, so bezieht sich die Berechtigung des Eigentümers ja ohnedies nur auf Schadenersatz. Aus diesen Erwägungen hat sich der Entwurf der letzteren Lösung angeschlossen.(1) Vgl. auch Schweiz. PR III, S. 395.
Eine zweite Frage bei der Nutzung an Grundstücken betrifft die Art der Bewirtschaftung derselben. Der Eigentümer muss sich nicht jede Nutzungsart gefallen lassen. Er darf wohl ver­langen, dass auf seine Stellung gebührend Rücksicht genommen werde, denn nach gewisser Zeit ist eben doch er wieder der Nutzungsberechtigte. Das Verhältnis, das hieraus für die beiden sich ergibt, will in Art. 763 (2) geordnet werden, wobei betr. Abs. 2 an eine Umwandlung von Ackerland in Bauland, von Rebbergen in Ackerland oder Weide, von Wald in Wiese und dgl. zu denken ist. Vgl. Schweiz. PR III, S. 394.
Für den Wald kommen die gleichen Gesichtspunkte zur Ver­wendung, nur muss dabei noch auf einige weitere, besondere Ver­hältnisse Rücksicht genommen werden. Herr Oberforstinspektor Dr. Coaz schlug auf unsere Information hierfür in Anlehnung an die erste Fassung des Entwurfs (1899) folgende Bestimmung vor:
„Ist ein Wald Gegenstand der Nutzniessung, so kann der Nutzniesser, im Verhältnis zur Zeit seiner Berechtigung, den Ertrag aus demselben (Holz, Weide, Streue usw.) nur insoweit beanspru­chen, als ein ordentlicher (guter) Wirtschaftsplan denselben nach­haltig festsetzt.
„Wenn durch Naturereignisse (Sturm, Schneeschaden usw.) oder Brand ein erheblich grösseres Holzquantum anfällt, so ist der Erlös aus demselben, nach Bestreitung der Kosten, welche die Wiederbestockung verlangt, zinstragend anzulegen und die Übernutzung allmählich wieder einzusparen oder der Wirtschaftsplan einer Revision zu unterwerfen.
„Gegen einen Wirtschaftsplan, der im Verhältnis zur Dauer der Nutzniessung die Rechte des Eigentümers oder Nutzniessers wesentlich beeinträchtigen würde, kann der eine wie der andere Einsprache erheben."
Diesem Vorschlag ist der vorliegende Art. 764 nachgebildet worden. (3)
Für Bergwerke und ähnliches darf auf die gleiche Grundregel verwiesen werden.
(') ZGB 768, Abs. 2. (2) ZGB 769. (3) Dem entspricht im wesentlichen auch die Fassung von ZGB 770, spez. Abs. 3.



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2.   Verbrauchbare Sachen machen eine Ausnahme von der Regel, die wir oben angetroffen haben, wonach der Nutzniesser in bezug auf die Nutzung nicht verantwortlich wird, wenn er die Sache nur seinem Rechte gemäss und ihrer Bestimmung entsprechend gebraucht oder verbraucht. Unter diesem Gesichtspunkte würde es eigentlich eine Nutzniessung an verbrauchbaren Sachen gar nicht geben. Denn der Eigentümer würde gar kein Eigentum mehr haben, sobald der Nutzniesser seinem Rechte gemäss gehandelt hätte. Nun kann aber nicht bestritten werden, dass die Aner­kennung einer Nutzniessung an solchen Sachen doch einem prak­tischen Bedürfnis entgegenkommt. Handelt es sich bei ihnen auch um eine unregelmässige Nutzniessung, so stellt sich das Recht an ihnen doch als ein Fall wirklicher Nutzniessung dar, und dies soll in der Ordnung zum Ausdrucke kommen, dass, andere Beredung vorbehalten, der Nutzniesser Eigentümer der Sachen wird und im Betrage ihres Wertes, berechnet nach der Zeit der Bestellung, Restitution zu leisten hat. Vgl. Schweiz. PR III, S. 396 f. Doch sind dabei noch zwei besondere Fälle zu beachten. Einmal kann es gestattet werden, dass auch nicht verbrauchbare Sachen wie verbrauchbare behandelt werden, wenigstens in betreff der Ersatz­leistung und der Verfügungsbefugnis. So nimmt der Entwurf dies an für den Fall einer bei der Übergabe der Nutzniessungsgegenstände erfolgten Schätzung. Sodann darf der Ersatz für Fehlendes in allen Fällen gewiss auch in Ersatzstücken geleistet werden, sobald es nach der Natur der Verhältnisse nicht als ausgeschlossen erscheint, dass in solchen die Rückleistung vollzogen werde. (1)
3.   Die Rechte des Nutzniessers an Forderungen sind in unseren kantonalen Rechten nach drei verschiedenen Systemen geordnet. Vgl. Schweiz. PR III, S. 397 ff. Die einen Rechte geben dem Nutz­niesser nur den Zinsgenuss in Verbindung mit dem Anspruch auf eine sichere Neuanlage bei Eingang des Kapitals (Bern u, a.). Andere verschaffen ihm die Stellung eines Verwalters mit Kündungs- und Einziehungsbefugnis unter Sicherung des Gläubigers gegen Verluste durch Verantwortlichmachung des Nutzniessers für die allfällige Neuanlage (so im wesentlichen Zürich), und endlich andere lassen den Nutzniesser Gläubiger werden unter voller Ver­antwortlichkeit gegenüber dem Proprietar (C. c. fr., Solothurn u. a.). Diesen Verschiedenheiten gegenüber hat der Entwurf sich für eine Kombination entschieden, bei der dem Nutzniesser in Verbin­dung mit dem Gläubiger die Geltendmachung der Gläubigerrechte zugewiesen wird, beide aber wechselseitig einander verantwortlich
( ' ) ZGB 772.



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sind, während der Nutzniesser in allen Fällen den Ertrag der Geldanlage für sich beanspruchen kann. Diese Anordnung hat den Vorzug, die Verwaltung der Forderung nicht allzusehr zu binden, ohne doch die etwa im modernen Geldverkehr notwendigen Muta­tionen übermässig zu erschweren. Doch müssen diese Vorschriften dann noch durch zwei Regeln ergänzt werden: Der Nutzniesser muss vom Gläubiger die Mitwirkung zu einer entsprechenden Neu­anlage beanspruchen können und bleibt berechtigt zur Nutzniessung am eingegangenen Kapital.(1)
B. Das Wohnrecht, Art. 769 bis 772. (2) Der Entwurf hebt diese Art von Gebrauchsrecht im Anschluss an das geltende Recht (Schweiz. PR. III, S. 414 ff.) besonders hervor, weil bei dessen Ord­nung verschiedene Fragen der besonderen Regelung bedürfen. Vom Nutzniessungsrecht unterscheidet es sich durch seinen ganz persönlichen Charakter. Wer eine ganze Wohnung in Nutzung hat, wird regelmässig als Nutzniesser erscheinen, und kann dem­ zufolge auch wohl die Räume, die er benutzen darf, an andere vermieten. Wer dagegen nur Wohnrecht hat, darf dieses Recht nur persönlich nach seinen Bedürfnissen ausüben und kann seine Berechtigung nicht auf einen andern übertragen. Die Bezeichnung dafür ist in den alten Überlieferungen „Winkel im Hause".(3) Aus dieser engen Verbindung mit der Person erklärt sich die Abgren­zung nach den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Falles, sowie die Vorschrift, dass die Berechtigung, wenn sie nicht auf die Person des Berechtigten im engsten Sinne beschränkt ist, sich nur noch auf die nächsten Familien- und Hausgenossen, wie Kinder, Ehegatte und etwa notwendige Bedienstete, bei Krankenpflege u. dgl., erstreckt. Anderseits muss der berechtigten Person doch dasjenige zur Verfügung stehen, was zum Wohnen überhaupt gehört, woraus sich das persönliche Mitbenutzungrecht der gemein­samen Einrichtungen ergibt. (4)
In bezug auf die Unterhaltungslast betreffend die der Berech­tigung unterstellten Räume ist bestimmt, dass der Berechtigte sie nur dann zu tragen hat, wenn er die Wohnung allein benützt. Besteht Mitbenutzung durch den Eigentümer, so würde in Ana­logie zu den Vorschriften über die Grunddienstbarkeiten an eine
(1) Mit dieser Ordnung, Art. 773 u. 774, ist im Gesetz durch Beschluss der Bundesversammlung in Art. 775 die Alternative verbunden worden, dass der Nutzniesser innerhalb drei Monaten die Abtretung der Forderungen gegen Ersatzpflicht und Sicherstellung verlangen kann (2) Vgl. ZGB 776 bis 778. (3) In das Gesetz ist diese Bezeichnung nicht aufgenommen worden. (4) Vgl. ZGB 777, spez. Abs. 3.



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verhältnismässige Teilung der Last zu denken sein. Allein die Stellung der wohnungsberechtigten Person tritt regelmässig so sehr zurück von derjenigen des Eigentümers, dass es der Billigkeit besser zu entsprechen scheint, wenn mangels anderer Abrede die ganze Last dem letztern zugewiesen wird. (1) Endlich darf man dem Berechtigten im Zweifelsfalle unbedenklich das Wahlrecht unter den verschiedenen in Frage kommenden Räumen zuweisen, da doch auch hier das persönliche Bedürfnis im engern Sinne als massgebend betrachtet werden muss. (2)
C.   Das Baurecht, Art. 773.(3) Es ergibt sich dieses aus Art. 676,(4) von dem wir oben gesprochen haben. Anzuführen ist hier nur noch, dass diese Dienstbarkeit sich den Grunddienstbarkeiten mit der Bestimmung nähert, dass sie im Zweifelsfalle ihrer wirtschaft­ lichen Bestimmung gemäss als dauernd betrachtet werden darf. (5)
D.     Andere Gebrauchsrechte. Art. 774. (6) Auch hierüber haben wir bereits oben gesprochen. Den persönlichen Dienstbarkeiten schliessen sie sich an, indem sie im Zweifelsfalle als nicht über­tragbar erachtet werden müssen. Im übrigen stehen sie unter den Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten.
Der Entwurf wollte anfänglich in diesem Zusammenhang auch noch die dingliche Miete und Pacht anfügen, und offenbar müssten denn auch diese Institute, wenn man sie überhaupt in das einheit­liche Recht aufnähme, in diesem Zusammenhange genannt werden. Für die vorliegende Redaktion hat man es alsdann vorgezogen, Pacht und Miete, entsprechend dem geltenden Rechte, durchaus als persönliche Verhältnisse geordnet zu lassen. Beibehalten ist nur die Möglichkeit einer Vormerkung, wie wir sie oben bereits begründet haben. Vgl. O.-R. 281, Abs. 3, und 314, Abs. 3, sowie Art. 1002 des Entwurfes. (7)
Dritter Abschnitt.
Die Grundlasten.
A. Der Gegenstand der Grundlast, Art. 775. (8) Der Entwurf gibt hier eine einfache Umschreibung des Zweckes oder Inhaltes der Grundlast. Wir haben kein Bedenken, im Gegensatz zur mittel­alterlichen Reallast, nicht nur periodische Leistungen, sondern auch
(') ZGB 778. (2) In das Gesetz ist dieses Wahlrecht (VorE 770, Abs. 2) nicht aufgenommen worden. (3) ZGB 779. (4) ZGB 675. (5) Das Gesetz er­wähnt in diesem Zusammenhang auch das Quellenrecht, Art. 780, vgl. 704. (6) ZGB 781. (7) Nunmehr OR 260 u. 282, sowie ZGB 959. (8) Vgl. ZGB 782.



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unregelinässig wiederkehrende und sogar bloss einmalige Leistungen mit Grundlastcharakter begründen zu lassen. Schon die mittel­alterliche Entwicklung zeigt Beispiele von unregelmässig wieder­kehrenden Prästationen, wie Spanndienst für einzelne, sehr ungleich sich wiederholende Unternehmungen. Vgl. Schweiz. PRIV, S. 779 f. Gewiss aber gibt es auch Fälle, wo eine nur auf einmal in Aus­sicht genommene Leistung mit allem Grund als Grundlast auf ein Grundstück gelegt werden möchte. Man denke an das Beispiel, wo ein Grundbesitzer einem andern für den Fall, dass dieser zu einer Korrektion des Bodens, Abtragung des Terrains, Anbringung von Wegen oder dgl. schreitet, einen Beitrag verspricht. Jeder nachfolgende Eigentümer hat das gleiche Interesse an einer solchen Anlage, ist also in gleicher Weise um der Vorteile seines Grund­stückes willen daran beteiligt und geneigt, seinen Beitrag zu leisten. Wir fragen umsonst nach einem Grunde, weshalb nicht eine solche Verpflichtung als Grundlast solle konstituiert werden dürfen. Man kann ja allerdings gegen eine soche Belastung ein­wenden, Grund und Boden werden dadurch zu sehr gebunden, und nachfolgende Eigentümer sollten sich nicht ohne ihren Willen zu solcher Gebundenheit bekennen müssen. Aber das ist ein Argument, das gegen die Anerkennung der Grundlasten überhaupt gerichtet ist und dem entgegen gehalten werden kann, dass in den Dienstbarkeiten und Nutzungsrechten und im Grundpfand ohne Bedenken Belastungen mit der gleichen dinglichen Wirkung an­erkannt werden, die in ihrer Tragweite der Grundlast mindestens ebenbürtig sind Wird die Grundlast in das Gesetz aufgenommen, so ist es unsere Aufgabe, sie mit modernem Inhalt zu versehen, mithin die Belastung mit einer bloss einmaligen Forderung zuzu­lassen In einer früheren Redaktion war dies ausdrücklich gesagt. Man hat später gefunden, dass die Nichtaufnahme einer Be­schränkung in Verbindung mit Art. 776, Abs. 2,(') der gewollten Möglichkeit hinreichend deutlich Ausdruck gebe. Diese Ordnung stellt dann auch die richtige Verbindung mit der Gült her, indem diese in der Kapitalforderung ja auch nur auf eine einmalige Leistung gerichtet ist.
Die Möglichkeit, die Berechtigung mit dem Eigentum an einem Grundstück zu verbinden, von der Abs. 2 des Art. 775 (2) spricht, ist der einzige im Entwurf beibehaltene Hinweis auf die Grund­gerechtigkeit, deren Aufnahme in das Gesetz im übrigen aus den oben angeführten Gründen abgelehnt worden ist. (3)
(') ZGB 783, Abs 2. (2) ZGB 782, Abs. 2. (3) Das Gesetz hat in Art. 782, Abs. 1, die ausschliessliche Haftung des belasteten Grundstückes
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B. Errichtung und Untergang der Grundlast. I. Die Errichtung. Art. 776 bis 779. (') Der Entwurf unterscheidet hier, wie bei allen dinglichen Rechten am Grundstück, Erwerbsgrund und Eintragung. Durch die Eintragung wird eine Belastung des Grundstückes mit Spezialität hergestellt, d. h. mit einer bestimmten Summe, in deren Umfang es für die Erfüllung der Grundlast zu haften hat. Damit ist dann auch das Maß bestimmt, in dem die Grundlast mit andern Belastungen durch dingliche Rechte an fremder Sache zu konkurrieren hat, Art. 776. (2)
Was die durch Gesetzesvorschrift geschaffenen Grundlasten anbelangt, so darf für diese eine Eintragung deshalb unterlassen werden, weil das Grundbuch als Publizitätsorgan offenbar da nicht zu funktionieren berufen ist, wo die Gesetzesvorschrift, wie z. B. betr. die Grundsteuer, ohnedies das Verhältnis öffentlich macht.
Es liegt also hier eine ähnliche Beziehung vor, wie betr. die gesetzlichen Pfandrechte für gewisse dem öffentlichen Recht entspringende Forderungen, Art. 822, Abs. 2,(3) denen die ent­sprechenden Grundlasten gewiss gleichgestellt werden dürfen. Der Entwurf von 1898 hatte für das gesetzliche Pfandrecht vor­gesehen, dass gewisse allgemein gekannte Forderungen, die regel­mässig auf kleinere Beträge lauten und nicht lange pendent zu bleiben pflegen, von der Eintragung befreit sein sollen. Der vor­ liegende Entwurf dagegen hat mit Art. 822, Abs. 2, auch für die gesetzlichen Pfandrechte die Ordnung vorgesehen, wie sie in Art. 777 für die Grundlasten aufgestellt ist. Hiernach wird die Grundlast durch das Gesetz auf zwei verschiedene Arten be­gründet. Entweder erklärt es einfach gewisse öffentlich-rechtliche Forderungen als Grundlasten, und dann dürfen wir auch annehmen, dass diese Forderungen ohne Eintragung in das Grundbuch den Grundlastcharakter besitzen. Oder es gewährt gewissen Forderungs­berechtigten einen Anspruch auf eine Forderung mit Grundlast­charakter, und dann bildet das Gesetz für den Berechtigten nur den Erwerbsgrund und ist also die Eintragung notwendig, damit das dingliche Recht zur Entstehung gelange. Wir glauben diese Unterscheidung in Art. 777 und 778 genügend hervorgehoben zu haben. (4)
hervorgehoben und in Abs. 3 die Anwendbarkeit der rechtsgeschäftlichen Grundlast (mit Vorbehalt der Gült) auf die Fälle beschränkt, wo der Inhalt der Leistung sich entweder aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstückes ergibt oder für die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines berech­ tigten Grundstücks bestimmt ist. (1) Vgl. ZGB 783 bis 785. (2) ZGB 783. (3) ZGB 836. (4) Vgl. ZGB 784 u. 836.



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Die Anfügung in Art. 779 (l) erfolgt zu dem Zwecke, um die Funktion der Grundlast als Grundpfand im allgemeinen zu
reser­
vieren. Die Grundlast kann ja sehr wohl auch eigentlichen
Siche­rungszwecken dienen, und wir meinen, es sei nötig, zu sagen, dass für diesen Fall die Grundpfandbestimmungen, Abschnitt der all­gemeinen Bestimmungen und Vorschriften über die Gült, Anwendung finden müssen. Andernfalls würde leicht eine Umgehung des Gesetzes in einer den grundpfändlichen Verkehr beunruhigenden Weise stattfinden können.
II. Der Untergang der Grundlast. Art. 780 bis 784. (2) Zum Unter­ gang der Grundlast bedarf es formell der Löschung des Eintrages im Grundbuch. Die Untergangsgründe bilden nur einen Titel, aus dem die Löschung der Eintrages verlangt werden kann, mit Aus­nahme des Falles, wo das belastete Grundstück vollständig unter­ geht, Art, 780, Abs. l.(3)
Von den Untergangsgründen ist nur die Ablösung näher zu ordnen. Der Verzicht vermag zwar nach einer Richtung eine Unsicherheit zu schaffen, indem es fraglich werden kann, unter welcher Voraussetzung der Eigentümer des belasteten Grundstückes auf Grund eines Verzichtes des Berechtigten die Löschung des Eintrages beanspruchen könne. Es darf dies jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte mit hinreichender Deutlichkeit den Eigentümer ermächtigt, die Löschung vorzu­ nehmen. Doch wird es kaum nötig sein, diesen Satz in das Gesetz selbst aufzunehmen.
Was nun aber die Ablösung anbelangt, so bietet sie ver­ schiedene Schwierigkeiten. Wir fassen hier zunächst die Ablösung durch den Gläubiger ins Auge.
Dem Gläubiger kann ein Ablösungsrecht, durch Vertrag zu­gestanden werden, sei es, dass der Grundlast von vornherein die Ablösbarkeit beigefügt wird, oder dass der Schuldner diese Ablösungsberechtigung dem Gläubiger während des Verhältnisses ein­ räumt. Überdies muss der Gläubiger auch von Gesetzes wegen eine Ablösungsbefugnis besitzen und zwar jedenfalls, gleich wie der Pfandgläubiger (Art. 799), (4) bei Verschlechterung des belasteten Grundstückes ohne Ersatz für die verminderte Sicher­ heit. Dazu fügt Art. 781(5) für die Grundlast den Fall der Zer­stückelung (6) und den Verzug des Grundlastschuldners, der längere
(') ZGB 785. (2) Vgl. ZGB 786 bis 790. (3) ZGB 786, Abs. 1. (4) Vgl. ZGB 809, Abs. 3. (5) ZGB 787. (6) ZGB 787, Zif. 1, beschränkt das Ab­lösungsrecht bei Zerstückelung auf den Fall, wo das Recht des Gläubigers dadurch erheblich beeinträchtigt wird.



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Zeit angedauert hat, und zwar im Gegensatz zum Grundpfandrecht. Wenn nämlich der Grundpfandschuldner seiner Verpflichtung nicht nachkommt, so schützt den Gläubiger sein gerade für diesen Fall wirksames Pfandrecht, indem das Verhältnis auf dem Wege der Pfandverwertung zur Liquidation gebracht wird. Bei der Grund­last dagegen besteht keine pfandrechtliche Sicherung im eigent­lichen Sinne, sondern das Grundstück ist direkt und prinzipal mit dem Forderungsrecht des Gläubigers belastet. Wenn nun ein Grund­lastschuldner die Grundlastleistungen nicht entrichtet, so kann der Gläubiger gegen das Grundstück gerade so vorgehen, wie beim Pfandrecht, es fragt sich nur, ob damit eine Ablösung der Grund­last ohne weiteres verbunden sein müsse. Setzen wir zunächst den Fall der Grundlast, die auf eine einmalige Leistung geht: Der Schuldner leistet nicht auf Termin, und der Gläubiger betreibt ihn und schreitet zur Pfandverwertung. Damit wird augenscheinlich das Verhältnis zur Liquidation gebracht. Es ist also für diesen Fall nicht erforderlich, eine besondere Ablösungsbefugnis auf­zustellen. Der Gläubiger hat ohnedies das Recht, zuzuwarten oder sofort vorzugehen gegen den Schuldner und hiermit das Verhältnis zur Aufhebung zu bringen. Anders nun aber bei periodischen Leistungen. Hier kann der Gläubiger jeweils nur wegen der ein­zelnen versäumten Leistung den Schuldner belangen. Die Pfand­verwertung würde nur in bezug auf diese statthaben. Der Schuldner aber kann Jahr für Jahr saumselig sein und dem Gläubiger dadurch fortgesetzte Unannehmlichkeiten bereiten. In diesem Falle scheint es uns gerechtfertigt, dass der Gläubiger, nachdem er drei Jahre Geduld mit dem Schuldner gehabt hat, die Ablösung des ganzen Verhältnisses soll verlangen dürfen, immerhin natürlich nur unter der Voraussetzung, dass er dem Schuldner nicht freiwillig Stundung gewährt hat. Der Entwurf gibt aus diesen Gründen im Falle dreijährigen Rückstandes dem Gläubiger von Gesetzes wegen ein Ablösungsrecht. (1) In allem übrigen dagegen kann der Gläubiger die Ablösung nicht beanspruchen, wenn sie ihm nicht vertraglich zugesichert ist. Es werden also unablösliche Grundlasten, wenigstens im Verhältnis zum Gläubiger, statthaft sein.
Stellen wir diesem das Ablösungsrecht des Schuldners gegen­über, so kann natürlich auch für ihn zunächst die Vertragsberedung, Platz greifen. Allein hier liegen nun Interessen vor, die es als wünschenswert erscheinen lassen, dass der Schuldner unter allen Umständen sich von der Last soll befreien dürfen. Die Boden­belastung darf in dem Sinne keine ewige werden, dass der Eigen-
(1) ZGB 787, Zif. 3.



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tümer, auch wenn er sich die Ablösung nicht ausbedungen hat, doch die Last nach gewisser Zeit einseitig soll aufheben dürfen. Die Freiheit des Bodens verlangt eine zeitliche Einschränkung der Belastungsdauer. Wir finden nun, dass diese Begrenzung angemessen auf dreissig Jahre gesetzt werden könnte und zwar in dem Sinne, dass ein Verzicht auf diese Befugnis rechtlich nicht anerkannt wird. Diese Bestimmung bedeutet nun aber einzig den Ausschluss der Unablösbarkeit und nicht eine gesetzliche Beschränkung der Gültigkeit auf eine gewisse Zeit, so dass also Grundlasten über­haupt mit dem alten Rang ruhig auf beliebige Zeit hinaus sollen bestehen bleiben dürfen, wenn der Schuldner sie nicht ablöst. Nur die Gebundenheit des Schuldners im Sinne der Unablöslichkeit will das Gesetz verhindern, während es ihm sehr wohl gestattet, die Last weiter zu führen. Endlich ist noch zu bemerken, dass die Ablösung, wenn die Last dreissig Jahre gedauert hat, vom Schuldner immer doch nur unter der Voraussetzung soll beansprucht werden dürfen, dass er dem Gläubiger sein Begehren bei Zeiten kundgebe, und es dürfte hierfür eine Aufkündungsfrist von einem Jahr nicht als zu lang erscheinen. (')
Der Ablösungsbetrag kann selbstverständlich durch Abrede beliebig festgesetzt werden. Ferner kann schon bei der Begründung ein bestimmter Ablösungsbetrag festgesetzt worden sein, an den sich Gläubiger und Schuldner nun halten müssen. Fehlt es an einer solchen Feststellung, dann darf auf jene Summe zurück­gegangen werden, die bei der Begründung der Grundlast als ihr Wert bezeichnet und im Grundbuch eingetragen worden ist. Hier namentlich wird dann auch die Bestimmung praktisch, dass bei periodischen Grundlastleistungen der Wert des gesamten Rechts auf das zwanzigfache einer Jahresleistung soll angeschlagen werden (Art. 776, Abs. 2). (2) Es entspricht einer sehr alten Tradition, dass derart die Gesamtleistung als ein Kapital aufgefasst wird, das sich mit den Jahresleistungen zu fünf vom Hundert verzinsen soll. Vgl. Schweiz. PR IV, S. 782.
Endlich kann es sich fragen, ob ein Untergang der Grundlast durch Verjährung anzuerkennen sei. Bei der Grundpfandordnung schliessen wir die Verjährung für die grundversicherte Forderung ausdrücklich aus, Art. 796, (3) und gewiss bestehen die gleichen Gründe für den Ausschluss auch bei der Grundlast, die ja in
(') Vgl. ZGB 788. Die Ausschliessung des Verzichts auf das Ablösungs-recht (VorE 782, Abs. 3) ist im Gesetz, weil schon in Zif. 2 des Art. 788 enthalten, weggelassen worden. ZGB 788, Abs. 3. fügt an, die Ablösung sei ausgeschlossen im Falle der Verbindung der Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit. (2) ZGB 783, Abs. 2. (3) ZGB 807.



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gleicher Weise im Grundbuch eingetragen ist, wie das Grundpfand. Dies gilt aber nicht nur für die Belastung im ganzen, sondern auch für die einzelnen Leistungen, solange sie Grundlastcharakter haben. Fällt dieser weg, was nach Art. 785 (1) mit einem drei­jährigen Rückstande der Fall ist, so beginnt die Verjährung für jede einzelne Leistung, und zwar beträgt die Frist nach Art. 147, Ziff. 1, des O.-R. fünf Jahre. (2) Eine Löschung der verjährten Leistung im Grundbuch ist nicht nötig, da ja die Zahlung auch nicht eingetragen wird, Art. 784, Abs. 2.(3)
C. Der Inhalt der Grundlast, Art. 785 und 786. (4) In erster Linie ist, hier die Verknüpfung der Schuldnerschaft mit dem Eigentum am Grundstück hervorzuheben, wonach der neue Eigentümer ohne weiteres Schuldner wird, und zwar an Stelle des alten und zu dessen Entlastung, Art. 786, Abs. l.(5) Eine persönliche Schuld­pflicht besteht also nicht, wenngleich ein persönliches Verpflich­tungsverhältnis neben oder hinter der Grundlastpflicht sehr wohl gegeben sein kann. Anderseits aber haftet der jeweilige Eigen­tümer nicht nur für die während seiner Eigentumszeit fällig werdenden Leistungen, sondern für alle, die nicht geleistet sind, überhaupt, mit der Beschränkung, dass bei Nichteinforderung die fällige Leistung nach drei Jahren sich in eine durch das Grund­stück nicht mehr gedeckte persönliche Schuld desjenigen, der in diesem Augenblicke Grundlastschuldner ist, verwandelt und dann auch der bereits besprochenen Verjährung unterliegt.
Das Verhältnis des abtretenden zu dem neuen Eigentümer in betreff der schwebenden und der verfallenen Leistungen kann füglich dem Rechtsverhältnis, das zwischen den beiden besteht, überantwortet werden. Ihre Sache ist es, miteinander zu ver­rechnen, was dabei der eine dem andern an Schuldverpflichtung abnimmt.
Für den Fall der Handänderung am belasteten Grundstück ergibt sich die einfache Folge, auf die wir schon hingewiesen haben. Wird das Grundstück zerstückelt, so kann für die Grund­last die gleiche Vorschrift zur Anwendung kommen, wie für die Gült (Art. 834). (6) Die Verteilung richtet sich dabei nach Art. 791, Abs. 3, (7) soweit es nicht anders vereinbart ist. Dazu kommt das Ablösungsrecht des Art. 781, (8) wovon wir schon gesprochen haben. Verschiedene Rücksichten mögen hier jeweils in Frage kommen. Nehmen wir beispielsweise an, ein an einem Gewerbekanal liegendes
(') ZGB 790 u. 791, Abs. 2. (2) Nunmehr OE 128, Zif. 1. (3) ZGB 790, Abs. 2. (4) ZGB 791 u. 792. (5) ZGB 792, Abs. 1. (6) ZGB 852. (') Vgl. ZGB 798, Abs. 2 u. 3. (8) ZGB 787, Zif. 1.



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Grundstück ist mit der Grundlast beschwert, jährlich an die Erhal­tung dieses Kanals ein Gewisses beizutragen, und nun veräussert der Eigentümer einen Teil dieses Grundstückes, der ganz und gar von dem Kanal abliegt. Da haben die Beteiligten ein Interesse daran, die Leistungspflicht ganz auf das Reststück am Kanal an­weisen zu lassen. Wird danach das andere entlastet, so ist es dann Sache des Abkommens zwischen dem Erwerber und dem Veräusserer des Teilstückes, entweder den Gesamtwert der Be­freiung an dem Preise des entlasteten Stückes anzurechnen, oder vielleicht auch sich so zu helfen, dass der Veräusserer das Teil­stück des andern mit der neuen Grundlast beschwert, ihm einen Teil der übernommenen alten Last durch jährliche Leistungen tragen zu helfen. Findet aber der Berechtigte, dass ihm das Uferteilstück nicht genügend Sicherheit bietet, so mag er von seinem Ablösungsrecht Gebrauch machen. Andere Umstände werden andere Lösungen erfordern. (') Die gesetzliche Grundlage wird aus­reichen, ihrer so oder anders Herr zu werden.
Die Verweisung des Gläubigers auf den Weg der Pfand­verwertung (Art. 785, Abs. 1)(2) empfiehlt sich der Einfachheit wegen. Der innere Grund der Gleichbehandlung mit dem Grund­pfandrecht, der hier indirekt Anerkennung findet, liegt darin, dass eine dingliche Belastung dem Werte nach sowohl bei der Grund­last wie beim Grundpfand gegeben ist. Der Gläubiger kann bei der Grundlast dann allerdings nie mehr als den Wert des Grund­stückes beanspruchen, und was aus diesem von seiner Forderung nicht gedeckt wird, ist und bleibt für ihn verloren, es wäre denn, dass ein mit dem Reallastverhältnis nicht identisches, persönliches Schuldverhältnis neben der Grundlast bestehen würde.
Zweiundzwanzigster Titel.
Das Grundpfand.
I. Die allgemeinen Grundlagen.
Das Grundpfand stellt sich juristisch als ein beschränktes dingliches Recht dar, das dazu bestimmt ist, für eine Forderung akzessorisch Sicherheit zu bieten. Allein wirtschaftlich reicht die
(1) Vgl. nun aber hierzu ZGB 782, Abs. 3, oben S. 161 f., Anm. 3. (2) ZGB 791, Abs. 1.



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Bedeutung des Grundpfandes viel weiter, und wir finden in der modernen Rechtsordnung in dem Institut des Grundpfandes ein Mittel ausgebildet, das eine Wechselwirkung zwischen Kapital und Grundbesitz zustande bringt, die nach beiden Seiten die wohltätigsten Dienste zu leisten vermag. Es setzt einerseits den das Land Bebauenden in den Stand, auch mit geringen Mitteln Eigentümer zu werden, und gestattet anderseits dem Nichteigen­tümer, ohne Grunderwerb seine Interessen auf das engste mit dem Boden zu verknüpfen. Es vervielfältigt also in seiner modernen Ausgestaltung, das heisst, sobald es sich loslöst von der Idee der blossen Sicherung eines persönlichen Schuldverhältnisses und zum selbständigen Bodenweite wird, die Wege, auf denen die wirt­schaftlichen Wohltaten des Grund und Bodens grossen Massen zugänglich gemacht werden können.
Keine moderne Grundpfandordnung wird dieser Betrachtung sich verschliessen können. Sie bildet auch den Ausgangspunkt des vorliegenden Entwurfes, dessen Vorschriften wir vor jedem Eintreten ins einzelne nach folgenden drei Richtungen näher zu betrachten haben:
1.   Umfang und Tragweite der öffentlich-rechtlichen und zwin­genden Vorschriften in der Ordnung des Grundpfandes;
2.   Feststellung der wirtschaftlichen Aufgaben des Grundpfandes in ihren Hauptrichtungen, sowie der verschiedenen Bedeutung und inneren Verwandtschaft dieser Richtungen;
3.   Gestaltung des Grundpfandes in den Formen, die der Ent­wurf zur Bewältigung dieser Aufgaben für das Grundpfand in Vorschlag bringt.
Auf die Einzelheiten des Entwurfes selbst haben wir in dem zweiten Abschnitt einzutreten.
1. Die öffentliche Ordnung. Die zwingenden Vorschriften des Privatrechtes über die Gestaltung des Grundpfandes, — wie sie auch der Entwurf für unentbehrlich gehalten hat —, sind zum Teil altüberliefert und erhalten im neuen Recht nur eine andere Perspektive oder Formulierung, zum Teil aber auch haben in ihnen moderne Postulate, die erst in unserer Zeit aufgestellt worden sind, ihre Anerkennung erfahren. Sie betreffen teilweise blosse Nebenfragen der Grundpfandordnung, müssen von uns aber doch vorweg in Betracht gezogen werden. Denn sie bezeichnen die Schranken, innerhalb derer der Verkehr sich des Grundpfandes bedienen soll. Sie stellen sich einerseits dar als Bestimmungen, die aus Rücksicht auf den Schuldner zur Wahrung seiner wohl­ verstandenen Interessen aufgestellt werden, anderseits aber ver­danken sie ihre Existenz der Rücksicht auf den Gläubiger und



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die Bedürfnisse, die aus seiner Stellung heraus billigerweise Aner­kennung finden müssen, sowie der Rücksicht auf den allgemeinen Verkehr mit Bodenwerten oder den Landeskredit.
Die erste Frage, vor die wir uns hier gestellt sehen, betrifft die Freiheit der Grundpfanderrichtung überhaupt. Soll diese Frei­heit ungehemmt sich entfalten, soll sie zur Belastung der Grund­stücke über ihren Wert hinaus und zur Überschuldung führen dürfen, oder empfiehlt es sich, hierin eine Schranke aufzustellen? Man kann hierbei an zwei Erwägungen denken, an eine Sorge für den Grundbesitzer selbst und an eine Sorge für die Kreditwürdig­keit der Pfandtitel, die in den Verkehr kommen. Beide Gedanken finden wir in dem geltenden Recht, in der Gestalt einer alther­gebrachten Beschränkung der Verpfändungsmöglichkeit auf Drei­viertel des Wertes, s. Schweiz. PR III, S. 475 (Obwalden), und der Entwurf eines Hypothekargesetzes für den Kanton St. Gallen von l893, sowie derjenige des Spezialgesetzes für Basellandschaft vom 3. Februar 1897 haben aus diesen Erwägungen eine Beschrän­kung der Pfanderrichtung wenigstens auf den Wert des Pfand­gegenstandes in Vorschlag gebracht. Auch scheint überhaupt in jüngster Zeit der Gedanke starke Verbreitung gewonnen zu haben, dass der Überschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes nur mit einer solchen Beschränkung der Verpfändungsmöglichkeit wirksam entgegengearbeitet werden könne. Nun hat doch offenbar der Schuld­ner in allen Fällen, wo er den Bodenwert nicht in Verkehr bringen will, ein sehr berechtigtes Interesse daran, sein Grundstück unter Umständen auch für eine Schuld, die grösser ist als dessen Wert, verpfänden zu können. Man darf nicht von der Voraussetzung ausgehen, dass eine jede solche Belastung ein wirtschaftliches Übel bedeute. Dem Personalkredit wird gegebenenfalls zur grossen Erleichterung des Schuldners dadurch aufgeholfen, dass dieser sein Grundstück unbeschränkt als Sicherheit darbieten kann, und für die Fälle der Frauengutsversicherung und ähnliches hätte eine Beschränkung der Belastungsmöglichkeit vollends keinen Sinn. Erwägt man weiter, dass die Bestimmung des Wertes des Grundstückes doch niemals für alle Fälle mit voller Genauigkeit erfolgen kann, dass ferner der Eigentümer vielleicht in beweg­lichem Vermögen ein mehr als ausreichendes Äquivalent für die Belastung besitzt, dass er beispielsweise die auf die Liegenschaft aufgenommenen Gelder in seinem Geschäfte nutzbringend arbeiten lässt oder .zur Steigerung des Betriebes verwendet, so kommt man zum Resultat, dass jene Beschränkung, vom Standpunkt des Schuldners aus betrachtet, jedenfalls nicht immer und für alle Ver­hältnisse eine günstige Wirkung ausüben würde. Für die Bundes-



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gesetzgebung wäre es daher wohl zu gewagt, eine solche Schranke als allgemeine Vorschrift aufzustellen. Dagegen mag es den Kan­tonen unbedenklich vorbehalten bleiben, für ihr Gebiet auch auf dem Boden des einheitlichen Grundpfandrechtes solche Versuche zu riskieren, wie etwa mit der Beschränkung der Verpfändung auf den Ertragswert des Grundstückes in Verbindung mit der Eröff­nung von persönlichen Krediten zur Verbesserung des wirtschaft­lichen Betriebes durch kantonale und genossenschaftliche Kassen. Was dann aber die Interessen des Verkehrs anbelangt, so wird man diesen gerecht, wenn nur eine besondere Pfandart unter­schieden wird, bei der eine gewisse Belastung, bis z. B. Zwei­drittel oder Dreiviertel des Bodenwertes, nicht überschritten werden darf. Aus diesen Gründen schien uns eine allgemeine Beschrän­kung des Grundpfandes auf den Schatzungswert der Grundstücke nicht empfehlenswert, während bei einer der Grundpfandarten (der Gült) eine Beschränkung nur zu dem Zwecke aufgestellt worden ist, diesen Pfandtiteln in vollem Masse das wünschenswerte Ver­trauen in ihre Kreditwürdigkeit zu verschaffen.
Dem gleichen Bestreben, die Grundpfandtitel des Landes be­liebt und zuverlässig zu machen, entspringt als weitere zwingende Ordnung die obligatorische Schatzung des Grundstücks, wie sie bis heute in einigen wenigen Kantonen beibehalten worden ist, s. Schweiz. PR III, S. 489 ff., mit der sich dann zugleich an einigen Orten eine Haftung nicht bloss für sorgsame Schatzung, sondern für den Schatzungsbetrag selbst, sei es der schätzenden Behörde oder der Gemeinde oder des Kantons verbindet. So z. B. in den Kantonen Schaffhausen, Thurgau und in letzterer Hinsicht namentlich in Bern betreffend die Haftung der Gemeinden für die Pfandbriefe der Hypothekarkasse (vgl. die Beilage II zudem Teil­entwurfe von 1898). (1) Es liegt bei diesen Einrichtungen nahe, die Titel, die nur bis zum halben Betrag der Schatzung reichen, von den andern zu unterscheiden, wie dies in St. Gallen und in Appenzell A.-Rh. geübt wird, vgl. die Pfandbriefe des st. gallischen, die zweifachen und einfachen Zedel des appenzellischen Rechts. Alle diese Massregeln können unzweifelhaft in der angedeuteten Rich­tung von wohltätiger Wirkung sein. Sie heben den Kredit der Pfandtitel und beeinflussen damit die Stellung des Schuldners wie des Gläubigers in günstigem Sinne. Es konnte sich für den Ent­wurf einzig fragen, ob dieser Vorteil nicht wegen der Neben­wirkungen, die mit solchen Einrichtungen verbunden sind, zu teuer erkauft werde.
(') Siehe Beilage II am Schlusse dieses Bandes.



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Fast in allen Kantonen ist die obligatorische Versicherung der Gebäude gegen Brandschaden mit amtlicher Schatzung der ver­sicherten Objekte eingeführt. Ferner besteht in einigen Kantonen die Grundsteuer mit einer besondern Schatzung der Liegenschaften. Wenn nun die Kundgebung des Wertes der Grundstücke für die Beteiligten von Bedeutung ist, so sieht man nicht ein, weshalb sich die Grundpfandordnung nicht zum mindesten des so nahe­liegenden Hilfsmittels bedienen und die Schatzung, die zu anderem Zwecke erfolgt ist, nicht auch für ihre Zwecke nutzbar machen sollte. Gewiss ist es für den Gläubiger von Wert zu wissen, wie hoch das Gebäude, auf das er sein Geld hergeben will, versichert ist, oder wie hoch die Liegenschaft für die Steuererhebung ge­wertet wird. Der redliche Schuldner hat auch kein Interesse daran, diese Wertung zu verheimlichen. Überdies ist der Zusam­menhang der Grundpfandeinrichtungen mit jenen andern staat­lichen Institutionen in diesem Punkt leicht herzustellen. Es ver­dient daher gewiss Billigung, wenn im Grundbuch und in den Grundpfandtiteln nach verbindlicher Anordnung des Gesetzgebers die beiden Schatzungsbeträge für jedes Grundstück aufgeführt werden. Diese Angabe dient zur Orientierung für den Gläubiger, zum Ausweis für den Schuldner. Weitere Wirkungen brauchen damit nicht verbunden zu sein, namentlich besteht keine Haftbar­keit von irgendeiner Seite dafür, dass aus der Liegenschaft auch wirklich der Wert erhältlich sein werde, auf den die Schatzung lautet (Art, 988). (1)
Nun möchten wir es aber hierbei nicht bewenden lassen. Dient nämlich derart die Schatzung den Interessen der Beteiligten, so sieht man nicht ein, weshalb es ihnen nicht gestattet sein sollte, auch eine Schatzung zu vereinbaren, ja noch weiter, weshalb man nicht dem Schuldner wie dem Gläubiger das Recht geben sollte, sie einseitig zu verlangen. Die Grundsteuerschatzung möchte der Schuldner leicht für den Fall der Geldaufnahme nicht gerade als maßgebend betrachten und dem Gläubiger ist mit den beiden erwähnten Angaben auch nicht immer die wünschenswerte Sicher­heit geboten. Die staatliche Ordnung hat genügend Veranlassung, dem Verlangen des einen oder des andern dadurch entgegenzu­kommen, dass sie Organe bezeichnet, die mit amtlichem Charakter die Schatzung vornehmen, und weiterhin dadurch, dass sie gestattet, diese Schatzungsbeträge, obgleich eventuell einseitig provozierte
(') Das Gesetz spricht nicht von der Anmerkung der Schatzungs- und Versicherungssumme auf dem Grundbuchblatt, vgl. Art. 916. GVO 4 verweist auf das Formular der Liegenschaftsbeschreibung, resp. des Grundbuchblattes.



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Schatzung vorliegt, in die öffentlichen Bücher und in die Grund­pfandtitel einzutragen (Art. 827). (1)
Bei diesen Zugeständnissen kann die Grundpfandordnung wohl stehen bleiben, solange es sich um das Verhältnis der blossen pfandrechtlichen Sicherung einer beliebigen Forderung handelt. Umstände, die dazu zwingen, die Schatzung des Pfandobjektes den Parteien mit absoluter Gesetzesvorschrift zur Pflicht zu macheu, liegen hier nicht vor. Beruhigt sich der Gläubiger bei der Siche­rung durch das ungeschätzte Objekt, so kann auch der Gesetz­geber sich dabei beruhigen. Findet der Schuldner kein Interesse daran, sein Eigentum zum Zweck der Pfandbelastung amtlich werten zu lassen, so besteht für die Allgemeinheit ein solches nicht mehr als für ihn. Die öffentliche Ordnung hat also, wenig­stens bei den akzessorischen Grundpfandbelastungen, keine Ver­anlassung, die Grundstücke obligatorisch schätzen zu lassen.
Anders dagegen stehen die Verhältnisse bei den Grundpfand­arten, die als mobilisierte Bodenwerte für den Verkehr bestimmt sind. Hier fallen weitere Erwägungen in Betracht und liegen Interessen vor, die mit denen des jeweiligen Gläubigers oder Schuldners nicht identisch sind, sich in diesen nicht erschöpfen. Die Grundpfandtitel eines Landes gemessen einen bestimmten Ruf. Sie erhalten nach den Durchschnittserfahrungen, die mit ihnen gemacht werden, eine gewisse allgemein verbreitete Würdigung. Der Erwerber solcher Titel verlässt sich auf diesen Ruf oder rechnet mit ihm. Kommt der Titel auf einen entferntem Markt, so ist es schon gar nicht möglich, dass der Erwerber die Zuverlässigkeit der Verschreibung im einzelnen Falle erst prüfe oder prüfen lasse. Er hat nicht die Verbindungen, kennt nicht die Zutrauen verdie­nenden Organe, um in den ihm fremden Landesgegenden sich die wünschenswerten Aufklärungen über die Sicherheit des Grund­pfandes zu verschaffen, und lieber verzichtet er überhaupt auf die Anschaffung, als dass er noch umständliche und kostspielige Nach­forschungen anstellt. Kann nun aber ein Grundpfandtitel aus einer bestimmten Gegend auf die Erlangung eines guten Rufes und des allgemeinen Zutrauens rechnen, wenn in jedem einzelnen Fall die Leichtgläubigkeit oder Saumseligkeit des Gläubigers oder die Zudringlichkeit des Schuldners es zu bewirken vermag, dass ein minderwertiger Titel geschaffen und in Umlauf gesetzt wird? Soll durch derartige Nachlässigkeiten das Interesse von hundert und tausend andern Beteiligten, die nach ihren Verhältnissen das beste Zutrauen verdienen würden, geschädigt werden dürfen? Es liegt
(') ZGB 843.



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im Interesse des ganzen Landes, dass der Gesetzgeber hierin Ord­nung schaffe und zur Begründung des guten Rufs der Titel im allgemeinen alle die Massregeln treffe, die mit der freien Entwick­lung des Verkehrslebens verträglich sind. Zu diesen Massregeln aber rechnen wir auch die obligatorische Schatzung verbunden mit der Haftung der schätzenden Organe oder des Gemeinwesens für eine gewisse Zeit, oder die Herstellung eines engern Zusammen­hangs des Wertes des Grundstückes mit dem Betrage, auf den der Pfandtitel lautet. Doch lässt sich dies wieder in verschiedener Abstufung denken.
Wo der Gläubiger einen persönlichen Schuldner erhält, da darf immerhin angenommen werden, dass die Beziehung zu diesem dem Gläubiger nicht ganz gleichgültig sei. Man darf es mithin dem Gläubiger überlassen, ob er mehr auf das Grundpfand oder mehr auf die Person des Schuldners Vertrauen setzen wolle, er mag entscheiden, ob er am Ende den Titel sich erwerben wolle trotz Mangels an genügender Sicherung durch das Pfandobjekt, oder nicht. Man darf es ihm auch nicht verwehren, über den Wert dieses Objektes hinaus Gläubiger zu werden. Was er beanspruchen kann, ist nur, dass er sich, wenn er es wünscht, darüber Auf­schluss verschaffen könne, welcher Wert nach zuverlässiger Schat­zung dem Grundstück zukomme. Für diese Art der Grundpfand­titel, die zwar auch für den Verkehr bestimmt sind, aber doch nicht einzig und allein aus dem Werte des belasteten Grundstückes heraus ihren Inhalt erfahren, genügt darnach, wie uns scheint, eine fakultative Schatzung, wie sie Art. 827, Abs. 1, (1) für die Schuldbriefe vorsieht. Diese muss aber allerdings eine amtliche sein und zum mindesten mit der Wirkung ausgerüstet werden, dass die schätzende Behörde dafür haftbar ist, die Schatzung mit aller Umsicht, die zu dem Zweck erforderlich, vorgenommen zu haben, worüber jedoch der Bund die Ordnung den Kantonen über­lassen kann.
Ein weiterer Schritt empfiehlt sich dagegen, wo es sich um ein Grundpfand handelt, bei dem die Person des Schuldners ganz zurücktritt. Hier fällt die Berücksichtigung einer Möglichkeit der persönlichen Kreditgewährung weg. Wer auf ein Grundstück ohne persönliche Haftung des Schuldners sein Geld hingibt, der ver­traut einzig und allein auf den Wert des Grundstückes. Zwar könnte man auch da sagen, es sei doch Sache des Gläubigers, in solchen Fällen zu bestimmen, wie hoch er das Grundstück zu werten gedenke. Allein hier ist nun entscheidend, dass der Gläu-
(') ZGB 843, Abs. 1.



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biger bei den im Verkehr stehenden Grundpfandtiteln in den aller­meisten Fällen gar nicht in die Lage kommt, eine solche indivi­duelle Wertung vorzunehmen, sondern sich einzig und allein in guten Treuen auf die gesetzliche Grundlage des Titels verlassen muss. Eine obligatorische und amtliche Schatzung ist hier daher angezeigt, mit der zugleich auch die Grenze angegeben würde, über die hinaus die Errichtung solcher Titel für unzulässig erklärt werden müsste. Ja wir halten es für ratsam, hier noch den wei­tern Schritt zu tun, von dem wir oben gesprochen haben. Die Schatzung trägt notwendig immer ein willkürliches oder subjek­tives Element in sich und auch bei der sorgfältigsten Ausübung des Schätzerberufes können allzuleicht Täuschungen vorkommen, die dem Gläubiger Verlust zu bereiten und den Ruf der Pfand­titel im allgemeinen zu schädigen vermögen. Will man also sicher gehen, so bleibt nichts anderes übrig, als die Errichtung solcher unpersönlicher Pfandtitel nur bis zu einer gewissen Quote des Schatzungsbetrages, sei es Zweidrittel oder Dreiviertel, zu gestatten. Vgl. Art. 830, Abs. l.(') Wird aber diese weitere Beschränkung aufgestellt, so hat es dann auch wenig Bedenken mehr, eine Haf­tung der Gemeinden oder der Kantone für das Vorhandensein des Schatzungswertes zur Zeit der Schatzung anzufügen (Art. 831). (2) Mit solchen Vorschriften der öffentlichen Ordnung würde es unzweifelhaft gelingen, für den bessern Teil der liegenschaftlichen Werte einen, man kann füglich sagen, absolut zuverlässigen Pfand­titel zu schaffen. Die den Grundeigentümern auferlegten Beschrän­kungen aber würden deshalb wohl erträglich sein, weil die grössere Kreditwürdigkeit der Titel dem Schuldner zu desto günstigeren Bedingungen verhelfen müsste, und weil ja andere Pfandtitel über diese Schranken hinaus, wenn auch allerdings ohne Gewähr für die gleiche Sicherheit, jederzeit zur Errichtung gebracht werden könnten.
Zu den Vorschriften der öffentlichen Ordnung sind im weitern die Formen zu zählen, nach denen die Errichtung der Grund- pfänder stattfindet. Die kantonalen Rechte weisen hierin eine grosse Mannigfaltigkeit auf, stimmen aber bis auf wenige in dem Grundgedanken überein, dass die Grundpfänder mit Wirkung gegenüber jedermann nur unter Heranziehung einer Amtsstelle errichtet werden können. Diesen Vorschriften wohnen freilich sehr verschiedenartige Tendenzen inne. Bald ist es die Sorge für die
(') Vgl. ZGB 848. (2) Nach ZGB 849 sind die Kantone dafür haftbar, dass die Schatzung mit aller erforderlichen Sorgfalt vorgenommen werde.



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wünschenswerte Achtsamkeit der Parteien, insbesondere des Ver­pfänders, was der amtlichen Mitwirkung das charakteristische Ge­präge verleiht, bald die Sorge für die Publizität des Verpfändungs­aktes, dass also niemand aus solchen verborgenen Akten getäuscht werden möge. Bald auch richtet sich die Ordnung vornehmlich auf die Herstellung eines kreditwürdigen, umlaufsfähigen Titels. Fertigung oder Grundbuch, Inskriptionsregister oder Hypotheken­protokoll verfolgen hier in mannigfaltigster Weise die gleichen Ziele, und es ist auch einleuchtend, dass eine Hypothekenordnung, die Vertrauen erwecken will, solch zwingender Massregeln nicht entbehren kann.
Was zunächst die Fürsorge für die Wachsamkeit der Parteien selbst anbelangt, so bildet die Wichtigkeit des Geschäftes in bezug auf Umfang und Dauer der einzugehenden Verpflichtungen den Maßstab, an dem die Notwendigkeit schützender Formen abge­schätzt werden muss, wobei sich die Wichtigkeit nicht bloss nach dem ökonomischen Wert des Geschäftes, sondern überhaupt nach seiner Eigenart und nach den in ihm liegenden Schwierigkeiten bestimmt. Das alles sind Momente, die bei der Regelung des Grund­pfandes es sicherlich als gerechtfertigt erscheinen lassen, wenn für die Errichtung des Pfandvertrages die öffentliche Beurkundung verlangt wird. Es kommen allerdings auch Grundpfanderrichtungen von kleinerem Belange vor, für die eine mündliche Beredung ge­nügen würde. Allein es ist sicher empfehlenswerter, diese unter eine den wichtigeren und zahlreicheren Geschäften angepasste Form zu stellen, als umgekehrt diese um jener willen des Schutzes zu berauben. Zwar dürften allerdings in vielen Gegenden die Vorteile der Form mit der Schriftlichkeit in Verbindung mit einer wirksamen Kontrolle des Grundbuchverwalters, als genügend gesi­chert erachtet werden können. Allein in andern würde diese Kon­trolle ohne vorgängige öffentliche Beurkundung den überlieferten Gepflogenheiten im Rechtsverkehr durchaus nicht entsprechen (wir denken namentlich an die romanischen Kantone, siehe insbesondere die Vernehmlassung von Genf, Beilage I, F., zum Teilentwurf von 1898), (l) und zudem ist es den Kantonen ja überlassen, in welcher Form sie neben dem eigentlichen Notariat die Beurkundung durch geeignete Personen anordnen wollen, so dass sie also den Grund­buchverwalter selbst, wenn es ihnen so gefällt, mit diesem Amte betrauen oder die Notare zu Grundbuchbeamten machen können, wie wir dies im geltenden Recht bekanntlich in Zürich vor uns haben und wie es auch den gegenwärtigen Einrichtungen von Thurgau
(') Siehe Beilage I am Schlusse dieses Bandes unter F.



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und St. Gallen sehr nahe liegen würde. Wir haben bereits an anderer Stelle hervorgehoben, dass es überhaupt von Wert sein dürfte, für alle dinglichen Rechte an Grundstücken als Voraus­setzung der grundbuchlichen Eintragung die öffentliche Beurkun­dung zu verlangen. Eine vorsichtige Gesetzgebung wird sich die Vorteile nicht entgehen lassen dürfen, die in der Forderung eines durch kundige Hand aufgesetzten Vertrages gegeben sind. Erst die öffentliche Beurkundung soll die Gebundenheit der Parteien nach sich ziehen. Allerdings macht der vorliegende Entwurf, im Gegensatz zu demjenigen von 1898, der in Art. 908 für jeden Vertrag über die Errichtung eines Grundpfandes die öffentliche Beurkundung verlangt hat, dann doch eine Ausnahme, indem er die öffentliche Urkunde nur für die Grundpfandverschreibung vorsieht (Art. 815), (') während bei Schuldbrief und Gült hievon nicht die Rede ist. Man hat in den Kommissionsberatungen ge­glaubt, für diese zwei Pfandarten auf die öffentliche Beurkundung bei der so knappen und formalistischen Ausgestaltung der Pfand­titel verzichten zu können. Allein es wird sich doch empfehlen, auch für sie, und zwar selbst wenn sie auf den Inhaber gestellt werden, an der öffentlichen Beurkundung festzuhalten, (2) wobei ja die Kantone in angeführter Weise, wo dies ihrer bisherigen Gepflogenheit entspräche, die Urkunde durch den Grundbuch­verwalter aufsetzen lassen könnten. Die Urkunde würde also in den Fällen der Gült- oder Schuldbrieferrichtung zunächst einen „Entwurf" darstellen, der auf Grund der Eintragung im Grund­buch die Ausfertigung als Pfandtitel zu erfahren hätte, durch diesen Entwurf aber erst würden die Parteien obligatorisch ge­bunden.
Neben der öffentlichen Beurkundung fallen als zwingende Vor­schriften nach dem geltenden Recht noch einige weitere Momente in Betracht, die sich auf die Gestalt der Forderung, die der Ver­trag begründen soll, beziehen. Wir meinen das Anfordernis der Spezialität, d. h. der Fixierung der Forderungsbeträge, die grund-pfändlich sichergestellt werden sollen, verbunden mit der Anwei­sung bestimmter Grundstücke, womit die Frage der Zulassung der Gesamtgrundpfänder und des Ausschlusses jedes Generalgrund­pfandes zusammenhängt. Doch werden wir über die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift (Art. 788 bis 791)(3) unten in anderm Zusammenhang näher zu handeln haben.
(') Das Gesetz hat die öffentliche Beurkundung für alle Verträge auf Errichtung eines Grundpfandrechtes vorgeschrieben, Art. 799, Abs. 2. (3) Das Gesetz verlangt für diesen Fall keine öffentliche Urkunde. Vgl. GVO 20. (3) ZGB 794 bis 793.



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Eine weitere Vorschrift öffentlicher Ordnung beschlägt die Form, mit deren Erfüllung die dingliche Belastung des zu Pfand gesetzten Grundstückes hergestellt wird. Der Entwurf sieht, wie schon erwähnt, hierfür die Eintragung in das Grundbuch vor, dessen Einrichtung und Bedeutung wir bei dem diesem Institut gewid­meten Abschnitt des Gesetzes ausführlicher darlegen werden.
Mit dem Rechtsgrund für die Entstehung des Grundpfandes, im Gegensatz zur Form der Errichtung hat sich die zwingende Ordnung nur nach zwei Richtungen zu beschäftigen. Auf die eine, die Form des Rechtsgeschäftes, das der Grundpfanderrichtung zu­grunde liegen soll, haben wir eben hingewiesen. Die andere betrifft die Anerkennung und Feststellung der gesetzlichen Grundpfand­rechte. In welchem Umfang soll das gesetzliche Pfandrecht an Grundstücken anerkannt werden? Als leitenden Grundsatz müssen wir hier festhalten, dass die Anerkennung nur in dem Umfang gerechtfertigt ist, in dem ganz gewichtige Gründe sie empfehlen. Sie kann in den einen Fällen einer als selbstverständlich anzuneh­menden Willensmeinung der Parteien Ausdruck geben, wie beim gesetzlichen Pfandrecht für die Kaufpreisschuld. Sie kann aber auch gewissen Übelständen, die bei den gegebenen Verhältnissen aus der Parteiinitiative heraus schwerlich überwunden würden, steuern wollen, wie mit Gewährung eines gesetzlichen Pfandrechtes an die Unternehmer und Bauhandwerker. Die Mündel- und Frauen­gutsforderung wird durch die Privilegierung im Konkurse hin­reichend geschützt. Dagegen gibt es noch eine Anzahl Fälle, wo nach kantonalem Recht öffentliche oder den öffentlichen verwandte Forderungen für Leistungen im Interesse von Grundstücken an diesen ein gesetzliches Pfandrecht erhalten haben. Der Entwurf von 1898 hat hierfür auf kantonaler Grundlage ein Pfandrecht ohne Eintragung in das Grundbuch bis zum Betrag eines Jahreszinses vom Wert der Liegenschaft oder fünf vom Hundert des Wertes zur Anerkennung bringen wollen, während darüber hinaus das Pfandrecht auch auf dieser Grundlage nur durch Eintragung sollte begründet werden können, da doch die Interessen des Verkehrs mit den Grundpfandwerten durch eine allzu ausgedehnte Anerken­nung solcher gesetzlicher Ansprüche schwer geschädigt werden müssten. Nach den vorliegenden Bestimmungen wird eine solche Schranke nicht mehr aufgestellt, vielmehr soll für die Gültigkeit eines gesetzlichen Pfandrechts die Eintragung überall als erforder­lich erachtet werden, sobald dieses nicht auf einer öffentlich-recht­lichen oder für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen Vor­schrift beruht. Im übrigen mögen praktische Erwägungen, im
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Zusammenhang mit dem Verwaltungsrecht der Kantone überhaupt, es empfehlen, die Gewährung des gesetzlichen Pfandrechtes bei den öffentlich-rechtlichen Forderungen der kantonalen Gesetzgebung vollständig zu überlassen (Art. 822, Abs. 2). (1)
Daran reihen wir, als weitere Regelung öffentlicher Ordnung, die Zinsbeschränkungen, die speziell für die grundversicherten Darlehen aufgestellt sind. Die Mehrzahl der Kantone kennt solche Beschränkungen, s. Schweiz. PR III, S. 461 ff., 477, 668 f., und hat sie entweder in Verbindung mit der Wuchergesetzgebung oder als zivilrechtliche Vorschriften, entweder im allgemeinen für die Darlehensforderungen oder besonders für die grundversicherten Schulden aufgestellt, und zwar ist nach dem geltenden Recht den Kantonen wenigstens in letzterer Hinsicht, was die Darlehen mit Grundpfand anbelangt, freie Hand gelassen, während für die ge­wöhnlichen Darlehen das Obligationenrecht den Kantonen nur die Vorschriften gegen Missbräuche im Zinswesen vorbehalten hat. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Darlehensarten würde nun offenbar innerlich keine Berechtigung besitzen, demgemäss abzulehnen sein, wenn das Grundpfand einfach als Sicherung einer persönlichen Forderung in Betracht fiele. Denn das Grundpfand kann gegebenen Falls eine so geringe Sicherheit bieten, dass der höhere Zins vom Standpunkt des Gläubigers aus als eine Risiko­prämie, beim pfandversicherten Darlehen so gut wie bei einem andern, vollauf gerechtfertigt erscheint, während vom Standpunkte des Schuldners aus es unter Umständen für den Geldsuchenden immer noch als vorteilhafter erscheint, Geld gegen hohe Zinse als gar kein Geld zu finden. Das Obligationenrecht tritt allerdings auf solche Erwägungen nicht ein, und ob ein Missbrauch in der Höhe der Zinse liege oder nicht, gilt ihm bei den grundversicherten Forderungen gleichviel. Es behält hier einfach die Kompetenz den Kantonen vor und mischt sich nicht in das Immobiliarsachenrecht. Aber da nun der Bund auch auf diesem Gebiete zu legiferieren unternimmt, kann die Entscheidung der Frage nicht wohl umgangen werden. Wünscht man dabei die Zinsbeschränkung von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus für alle Forderungen zu ordnen, so kann vernünftigerweise, in Übereinstimmung mit den Anschau­ungen der modernen Gesetzgebung überhaupt, eine Beschränkung doch nur da gerechtfertigt sein, wo unter dem Gesichtspunkte des Wucherverbotes im einzelnen Falle die Zinse als zu hoch angesetzt erscheinen.
(') Vgl. ZGB 836.



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Sonach würden wir dazu gelangen, diese zwingende öffent­lich-rechtliche Regel aus dem Grundpfandrecht vollständig zu ent­fernen und auch für die grundversicherten Darlehen es bei den allgemeinen Wucherbestimmungen bewenden zu lassen. Allein nun hat die Grundpfandordnung doch nicht einfach davon auszugehen, dass das Grundpfand, mehr oder weniger Sicherheit bietend, zu einer beliebigen Forderung hinzutrete, sondern als Ausgangs­punkt dient ihrer Vorschrift die Gestalt des Grundpfandes, in der dieses sich als ein mobilisiertes Wertstück des Bodens darstellt. In dieser Basis liegt der Wert des Grundpfandes, und über die Grenzen dieses Wertes hinaus gibt es kein Grundpfand mehr in solch modernem Sinne. Die Forderung erscheint also in allen Fällen durch den Immobiliarwert gedeckt und die zu leistenden Zinse haften am Boden und erhalten aus diesem ihren Wert und ihre genügende Sicherheit.
Damit ist nun aber für den Gläubiger gegenüber dem Schuld­ner eine ganz andere Stellung geschaffen, als bei den gewöhn­lichen Forderungen. Der Gläubiger kann hier sein Verlangen nach aussergewöhnlich hohen Zinsen nicht mehr damit rechtfertigen, dass er nach den vorliegenden besondern Umständen ein aussergewöhnliches Risiko laufe, und für den Schuldner hat ebenso die Erwägung keinen Wert, dass er sich gegen die hohen Zinse einen Kredit verschaffe, den er sonst gar nicht erhalten könnte. Denn in den Formen des Grundpfandes erscheint eine Geltendmachung seines persönlichen Kredites überhaupt ausser Frage, und er erhält das grundversicherte Darlehen nur mit der Folge, dass er ein Stück seines Immobiliareigentums mobilisiert, d. h. dem Werte nach beweglich macht, oder also den Realkredit im Umfange der vor­handenen reellen Werte verwertet. Es kann mithin weder von der einen noch von der andern Seite die Erhöhung der Zinsen über das landläufige Maß als gerechtfertigt erscheinen, und auf solcher Grundlage gewinnen die Zinsbeschränkungen eine ganz andere, innere Berechtigung.
Freilich geht diese Berechtigung nur soweit, als die Gesetz­gebung das Grundpfand als mobilisiertes Stück des Bodenwertes ausgestaltet hat, und darüber hinaus ist das Grundpfand auch im modernen Recht eben doch nur die nebensächliche Sicherung für ein persönliches Schuldverhältnis. Das würde zu dem Resultate führen, dass jene altüberlieferten Zinsbeschränkungen als berechtigt erscheinen müssten, wo die Deckung der Forderung des Gläubigers nach der ganzen Organisation des Institutes ohnehin gegeben ist, nicht aber in allen andern Fällen. Oder es würde also unter­schieden: Bietet das Grundpfand dem Gläubiger ohne weiteres



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alle nötige Sicherheit, so darf der Zins überhaupt nicht das gesetz­liche Maximum übersteigen. Bietet es dagegen diese Sicherheit nicht, so ist der höhere Zins wohl zulässig, wo er als Risiko­prämie für den Gläubiger oder im wohlverstandenen Interesse des Schuldners selbst nach allgemein gebilligter Verkehrsauffassung als zulässig erscheint und mithin von dem Wucherverbot nicht erreicht wird. Allein es könnte vermutlich dem Verkehre wenig dienen, wenn in jedem einzelnen Fall untersucht werden müsste, ob die Sicherung durch das Grundpfand gegeben sei oder nicht. Vielmehr dürfte es genügen, darauf Bezug zu nehmen, dass bei gewissen Grundpfandarten ohnedies dafür Sorge getroffen ist, dem Gläubiger aus dem Grundpfand eine zuverlässige Sicherung zu verschaffen. Wo dies der Fall ist, da darf der Gesetzgeber sicherlich zugleich auch mit der Zinsbeschränkung einsetzen und den höchsten Betrag der erlaubten Zinse bestimmt vorschreiben. Dies trifft aber nach dem vorliegenden Entwurf zu: in jedem Falle für die Gült, und in Betracht der Verkehrsfunktionen auch für den Schuldbrief, während für die blossen Pfandverschreibungen die allgemeine Regel stehen bleiben würde, dass die Zinse von den Parteien beliebig angesetzt werden dürfen, so lange sie nicht dem Wucherverbot überhaupt unterliegen.
Nun hat der Entwurf aber gleichwohl für die Schuldbriefe und Gülten kein bestimmtes Zinsmaximum aufgestellt. Die Höhe des landläufigen Zinsfusses ist nach den Kredit- und Geldverhält­nissen gewissen Schwankungen unterworfen, und wenn auch das Zinsmaximum dieser Bewegung nicht Schritt für Schritt zu folgen haben wird, so erscheint es doch gerechtfertigt, dem Zuge der Zeit im ganzen nachzugeben und bei fallenden Zinsen den Betrag herabzusetzen, bei steigenden ihn zu erhöhen. Wird dies zugegeben, so muss es sich empfehlen, eine Möglichkeit zu schaffen, dass ohne Revision des Zivilgesetzbuches die Zinsgrenze für Grundpfänder auf dem Wege der Spezialgesetzgebung in grösseren Perioden fest­gesetzt werden kann. Auf diese Spezialgesetzgebung oder die Kompetenz des Bundes überhaupt begnügt sich also schliesslich der Entwurf zu verweisen, in dem Sinne, dass durch Bundes­vorschrift für Schuldbriefe und Gülten von Zeit zu Zeit, in Perio­den, die nach Generationen zählen werden, die erlaubten Zinsgrenzen festzusetzen wären, während die Pfandverschreibungen der all­gemeinen obligationenrechtlichen Regelung und den Vorschriften der Wuchergesetzgebung unterstellt bleiben könnten. (1)
(') ZGB 795 hat den Kantonen in Alis. 2 die Befugnis zugewiesen, den Höchstbetrag des Zinsfusses für Grundpfandforderungen gesetzlich festzulegen.



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Die Aufnahme einer Bestimmung über den Zinsnachlass bei Grundpfandtiteln, wie sie in Art. 308 des Obligationenrechts (1) für den Fall von aussergewöhnlichen Unglücksfällen beim Pachtzins vorgesehen ist, möchten wir nicht befürworten. Sie findet sich zwar in dem zitierten Entwurf des Kantons St. Gallen, und in betreff der obligatorischen Annuitäten auch in demjenigen von Basellandschaft. Aber es scheint uns, dass mit einer solchen Vor­schrift der Kredit der Pfandtitel allzusehr geschädigt werden könnte, so dass die darin liegende Erleichterung mit einer all­gemeinen Erschwerung der Kreditgewährung erkauft werden müsste. Das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner ist im modernen Verkehr lange nicht in dem gleichen Grade individuell persönlichen Charakters, wie dasjenige zwischen Pächter und Verpächter, und es erscheint schon deshalb eine Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, wie sie aus Unglücksfällen sich ergeben können, im allgemeinen beim Grundpfand nicht als angemessen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass unter besondern Umständen bei Pfand­verschreibungen eine besondere Abrede zwischen Gläubiger und Schuldner getroffen werde.
Endlich tritt bei der öffentlichen Ordnung des Grundpfandes noch ein letzter Gesichtspunkt hervor, der sich mit den eben be­trachteten Erscheinungen wenigstens geschichtlich verknüpft. Wir fanden, dass der Gesetzgeber ein Zinsmaximum für die durch Grundpfand gesicherten Forderungen aufstellt, um den Schuldner vor einem ungerechten Druck des Gläubigers zu schützen. In derselben Richtung zeigen sich auch Bestimmungen über die Kündbarkeit der grundversicherten Darlehen, die entgegen der altüberlieferten Unkündbarkeit dem Schuldner nach seinem Ver­trag gestattet wird, während der Gläubiger entweder gar nicht kündigen kann oder an bestimmte gesetzliche Minimalfristen gebunden ist, die dann freilich den Schuldner meist ebenso binden wie den Gläubiger (vgl. Schweiz. PR III, S. 464 ff., 477 ff., IV, S. 801 ff.). Die neuere Gesetzgebung hat sich jedoch in steigen­dem Maße solchen Beschränkungen der Vertragsfreiheit als abhold erwiesen, wie denn auch in der Tat bei dem raschen Verkehr der Geldwirtschaft kaum mehr ein Bedürfnis dafür vorliegt. Immerhin mit einem Vorbehalt, der das Institut betrifft, das die Bodenbelastung in Gestalt einer dauernden Geldanlage auf Grund und Boden unter Ausstellung negotiabler Titel darstellt. Dieses verträgt sich mit einer Unkündbarkeit seitens des Gläubigers auch im modernen Verkehr insofern sehr wohl, als der Gläubiger,
(') Nunmehr OR 287.



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um zu barem Gelde zu kommen, es nicht nötig hat, das Schuld­verhältnis zu kündigen, sondern einfach den Titel entweder ver­setzen oder veräussern kann. Diese Frage wird uns bei der Betrachtung der verschiedenen Verpfändungs- und Grundpfand­arten näher beschäftigen.
Dazu kommt in der modernen kantonalen Gesetzgebung ein weiteres Mittel, den durch die Freiheit von Gläubiger und Schuld­ner hervorgerufenen Übelständen beizukommen und den Schuldner so viel als möglich von der Person des Gläubigers unabhängig zu stellen: Die Gründung der Hypothekenbanken mit staatlicher Unterstützung und Privilegierung, oder der Kantonalbanken. Diese haben die Aufgabe, den Schuldnern das Geld als neutrale Gläu­biger gegen von vornherein gesetzlich und reglementarisch fixierte Bedingungen als Darlehen zu gewähren, so dass das Eingreifen des Kantons oder des öffentlichen Rechts den Borger in ein Ver­hältnis bringt, das gewissermassen dem allgemeinen Recht, der allgemeinen Ordnung entspricht und von den persönlichen Ein­flüssen des einzelnen Falles möglichst abgelöst ist. Man kann unter diesem Gesichtspunkt die Kantonalbanken geradezu als das letzte Glied in der Entwicklung bezeichnen, die den Schuldner vom Gläubiger emanzipiert und jede aus dem Schuldverhältnis sich ergehende Abhängigkeit vom Gläubiger, wie sie im hofrecht­lichen Verhältnisse des Mittelalters zum politischen System und zur Grundlage der öffentlichen Ordnung gemacht worden war, abgestreift hat.
Wo dergestalt der Staat im Sinne des gemeinen Besten sich dem geldsuchenden Eigentümer als Geldleiher und als grundpfändlich gesicherten Gläubiger direkt oder indirekt darbietet, wird das Schuldverhältnis mithin nicht nur dem doch etwas engen Gesichtspunkt des Schutzes des Schuldners vor einem unbilligen Gläubiger, sondern den Interessen eines einsichtigen Schuldners entsprechend gestaltet und also die Schuld in die Gestalt gekleidet, die den wohlverstandenen Interessen der Grundeigentümer selbst und damit dem gesamten Wohle am besten dient. Dies zeigt sich in der Angabe einer Grenze, über die hinaus im Verhältnis zu ihrem Schatzungsbetrag die Grundstücke mit Pfandtiteln der öffentlichen Anstalten nicht belastet werden dürfen. Der Schuld­ner, der sich der Vorteile der Darlehenserhebung bei dem öffent­lichen Institut bedienen will, muss also die Schranke auf sich nehmen, dass ihm nur nach einem allgemeinen Plan und nach Maßgabe des objektiven Wertes seiner Liegenschaft — abge­sehen von der gleichfalls mit Recht sehr beschränkten Zulassung der Sicherung durch Bürgschaft — Kredit gewährt wird, eine



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Beschränkung, die wir als gesetzliche Norm überhaupt unter andern Gesichtspunkten schon oben besprochen haben. Noch typischer ist für das Bestreben, die Schuldverhältnisse dem öffentlichen Wohle selbst anzupassen, die Vorschrift, die bei den öffentlichen Hypo­thekarbanken vielfach wiederkehrt, dass das grundversicherte Dar­lehen für die Regel amortisiert werden soll, so dass der Schuldner sich verpflichten muss, in sogenannten Annuitäten die Schuld zur Abzahlung zu bringen, wobei freilich dem Schuldner nicht verboten ist, soweit er durch die Amortisation von der Last befreit wird, sofort wieder zu neuen Belastungen zu schreiten.
Wo nun der Staat derart, zunächst für seine Hypothekar­institute, die Gestalt der richtigen Grundpfandschuld feststellt, liegt der Schritt zu dem Postulat nahe, überhaupt für die Grund­pfandforderungen die den allgemeinen Interessen am ehesten ent­sprechende Form zu verlangen. So namentlich die Amortisation bei allen grundversicherten Darlehen, mit dem Zwang für den Gläubiger, die Amortisationsbeträge in kürzerer Frist auch wirk­lich einzufordern, bei Verlust seines Forderungsrechtes, wie dies ein Gesetzesentwurf von Basellandschaft vom 3. Februar 1897 vorsieht, oder auch die Gestalt der Grundpfandbriefe als Obli­gationentitel auf den Inhaber in runden Beträgen zur Erhöhung der Umlauffähigkeit des Papiers, wie dies von dem Zürcher Bauernbund in einer Petition an den Kantonsrat des Kantons Zürich, vom November 1895, verlangt ist. Endlich den letzten Schritt tun jene Initianten, des Kantons Basellandschaft, die geradezu die Mono­polisierung der Ausgabe der Pfandtitel zugunsten der Gemeinden oder des Kantons verlangt haben. Man vergleiche darüber die Berichte des Regierungsrates vom 5. Juli 1893 und vom 30. Sep­tember 1896. Eine Motion betreffend die Monopolisierung wurde freilich bereits im Landrat mit 50 gegen 6 Stimmen abgelehnt und die von 2163 Bürgern ergriffene Initiative in der Volksab­stimmung mit 4782 gegen 1828 Stimmen verworfen.
Mit solcher öffentlichen Ordnung soll erst die völlige Los­lösung des Schuldners von der Abhängigkeit gegenüber dem Privatkapital erzielt werden. Die öffentliche Organisation soll dafür sorgen, dass das Kapital, das auf Grund und Boden ausgegeben wird, im Lande selbst zur Erhebung gelange und die unmittelbare, wie (in den Zinsbezügen) die mittelbare Bodennutzung nicht ausser Landes gebracht werde, die gesamte organische Verteilung des Bodenwertes also im Rahmen des einheimischen Rechtsgebietes selbst stattfinde — wobei das Problem natürlich unvollständig gelöst ist, so lange Fremde dann doch Eigentümer von einheimischen Grundstücken werden können und nicht ausgeschlossen wird, dass



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der Staat selbst das Geld, mit dem er die Grundpfänder erwirbt, sich aus dem Ausland borge, so dass durch die Zahlung der Zinse oder Renten seitens des Staates an ausländische Gläubiger der Bodenertrag indirekt doch wieder zum Teil dem Auslande zugeführt würde.
Doch mag es sich mit der Annehmbarkeit der Verstaat­lichung des Grundpfandes verhalten, wie immer es will, so wird doch der Gesetzgeber stets sich vor Augen halten müssen, dass einerseits die Gestaltung des Grundpfandes an sich und ander­seits die Verstaatlichung des Bodenkredites zwei Fragen sind, die nicht zusammenfallen. Die Beantwortung der einen ist durch die der andern nicht gegeben. Auch bei der Verstaatlichung könnte die Ordnung des Grundpfandes als Rechtsinstitut nicht entbehrt werden, auch auf diesem Boden würden sich aus der Ordnung privatrechtliche Forderungen und Pflichten zwischen Gläubiger und Schuldner ergeben, oder also die Ordnung des Institutes selbst bleibt an sich privatrechtlich. Man kann mithin sagen, die Ord­nung des Grundpfandes in bezug auf Entstehung, Wirkung und Untergang ist und bleibt eine Frage des Privatrechts, die Mono­polisierung ist eine Frage des öffentlichen Rechtes. Scheiden wir aber dergestalt, so liegt es dann auch auf der Hand, dass uns in dem vorliegenden Entwurf nur die privatrechtliche Frage beschäf­tigen kann. Die Ordnung des öffentlichen Rechtes ruht, sobald nicht nur einzelne zwingende Hilfssätze des Privatrechtes, sondern die öffentliche Ordnung selber in Frage steht, auf einer andern Grundlage. Damit ist dann aber auch gesagt, dass die Zuständig­keit des Bundes zur Gesetzgebung im Privatrecht seine Zustän­digkeit in bezug auf die Monopolisierung des Grundpfandes durch­aus nicht in sich schliesst. Um diese zu erwerben, bedürfte es für den Bund einer neuen Verfassungsrevision. Dagegen ist es Sache des bestehenden Staatsrechtes, darüber zu entscheiden, ob die Kantone die Befugnis besitzen würden, solche Monopolisierungen durchzuführen. Auch darüber hat aber der Entwurf sich nicht auszusprechen. Vielmehr wird sich aus dieser Unterscheidung für unsere Vorlage das Resultat ergeben, dass die privatrechtliche Ordnung dem Monopol der Kantone, wo ein solches eingeführt, werden wollte, nicht entgegenstehen würde, und dass also, wenn das Bundesrecht die Kantone an der Einführung des Monopols hindert, solches nicht durch das Zivilgesetz, sondern durch die Bundesverfassung geschieht.
Aus solchen Erwägungen wird es der Entwurf den Kantonen überlassen müssen, durch die Schaffung von Kantonalbanken den Verkehr zwischen dem geldsuchenden Grundeigentümer und dem



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Kapital in bestimmte, ihren öffentlich-rechtlichen Grundsätzen ent­sprechende Bahnen zu lenken. Sache der Kantone wird es ferner sein, den Amortisationszwang einzuführen oder durch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, soweit sie nach Bundesverfassungs­recht hierzu befugt sind, das freie Vertragsrecht der Parteien im Hypothekarverkehr einzuengen. Zu bedenken ist dabei nur, dass einzelne Äusserungen der öffentlichen Ordnung, wie Zinsbeschrän­kungen, Kündungsvorschriften u. a. m., den zivilrechtlichen Ord­nungen angefügt zu werden pflegen. Und soweit es sich um solche Ordnung des Privatrechtes an sich handelt, besitzt gewiss auch der Bund eine Zuständigkeit, vermöge seiner Kompetenz zur Zivil­gesetzgebung. Der zwingende Charakter einer Vorschrift macht diese noch nicht zu einer Vorschrift des öffentlichen Rechtes, son­dern erst der Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Ord­nung des Gemeinwesens überhaupt, während die Regel, die zur Ordnung des privatrechtlichen Verhältnisses geschaffen wird, ohne Zweifel trotz ihrer absoluten Geltung dem Privatrecht angehört. Strafrechtliche Vorschriften des Entwurfes stützen sich auf die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung im Strafrecht, wäh­rend ohne diese Kompetenz nur die zivilrechtliche Verantwort­lichkeit und die zivile Klage aus den privaten Rechtsverhältnissen geordnet werden dürften. Grundbuch, Schatzung, Pfanderrichtungsgrenze, Kündungsvorschriften, Zinsmaximum u. a. haben denn auch unter dem einen oder andern Gesichtspunkte in dem Entwürfe unbedenklich Aufnahme gefunden. Ja auch den bundesrechtlichen Zwang zur Amortisation würden wir an sich für zulässig erachten. Wenn wir von dieser absehen und sie den Kantonen überlassen, so geschieht es, weil wir keinen Grund erkennen können, aus dem diese Vorschrift zwingend für die ganze Schweiz erlassen werden sollte. Die Berücksichtigung der territorial verschieden gestalteten Verhältnisse ist hier in erster Linie empfehlenswert, indem die Notwendigkeit einer Amortisation in Gegenden mit grösserem Kapitalbesitz doch unter ganz anderem Lichte erscheint als in ärmeren Landesteilen. Überall dagegen, wo es sich um die staat­liche Organisation handelt oder wo der Staat mit seinen Organen in bezug auf Berechtigung und Verpflichtung direkt oder indirekt als beteiligt erscheint, da gebietet uns das Privatrecht, Halt zu machen und die Ordnung dem öffentlichen Rechte des Bundes und der Kantone zu überlassen.
2. Die wirtschaftlichen Interessen. Wir haben schon oben her­vorgehoben, dass dem Grundpfand zwei wirtschaftliche Funktionen zufallen, nämlich einerseits, wie althergebracht, die Sicherung von



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persönlichen Ansprüchen und anderseits, nach der modernen Ent­wicklung, die Mobilisierung des Bodenwertes. Nach diesen beiden Richtungen hat also der Gesetzgeber ein für die wirtschaftlichen Aufgaben taugliches Institut zu schaffen, sei es, dass er dazu gelangt, das Grundpfand auf die eine zu beschränken und für die andere etwas Neues zu schaffen, sei es, dass es ihm gelingt, die beiden Aufgaben mit einem Gebilde zugleich zu lösen, wobei dann freilich immer noch die Möglichkeit besteht, die eine Funktion als Nebensache der andern oder beide als gleichwertig zu behandeln. Geschichtlich haben wir die beiden Funktionen typisch entwickelt vor uns, einerseits die Sicherung in der gemeinrechtlichen Hypo­thek und anderseits die Mobilisierung des Bodenwertes in der mittelalterlichen Rente.
Die Sicherung wird dadurch hergestellt, dass man einem Gläu­biger durch das Grundpfand das Recht verschafft, im Falle dass ihn der Schuldner nicht befriedigt, in dem Werte der Pfandsache seine Befriedigung zu suchen. Zu diesem Zwecke wird irgend­einer beliebigen Forderung einfach als dem Hauptrechte das ding­liche Recht des Pfandgläubigers als Nebenrecht angehängt. Mag die Forderung so oder anders beschaffen sein, gegenwärtig oder künftig, bestimmt oder unbestimmt, bedingt oder unbedingt, das Pfandrecht tritt stets mit der Wirkung hinzu, dass der Gläubiger gerade für die Ansprüche, die er nach dem vorliegenden Rechts­verhältnis dem Schuldner gegenüber erheben kann, sich nötigen­falls aus dem Wert des verpfändeten Grundstückes befriedigen darf. Das Pfandrecht braucht auf die Forderung durchaus keinen Einfluss auszuüben, ja es vermag es nicht, indem es ja nur die Nebensache der Forderung, d. h. der Hauptsache ist. Es hat keine Existenz für sich, sondern nur insoweit die Forderung besteht, es kann nicht entstehen ohne Forderung und also nicht älter sein als das Forderungsrecht, und es geht unweigerlich unter mit dem Untergang der Forderung.
Aber bei diesem klaren Bild des der Sicherung ausschliesslich dienenden Grundpfandes kann man selbst vom Sicherungszweck aus nicht stehen bleiben. Schon bei einem einzigen Gläubiger in bezug auf eine erst künftige Forderung hat es seine Schwierig­keit mit der blossen Behandlung des Grundpfandes als Accessorium, als Nebenrecht. Denn unter Umständen kann der Gläubiger sein Geld nicht hergeben oder will es nicht, ohne dass vorgängig das Grundpfand erstellt wird, und ein bloss persönlicher Anspruch auf Errichtung dieses Grundpfandes gleichzeitig mit der Begrün­dung seiner Forderung dient ihm nicht, wenn er etwa mit andern,



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unversicherten Gläubigern seines Schuldners zu konkurrieren kommt. Er muss darauf Wert legen, dass zum mindesten gleichzeitig mit der Errichtung des Schuldverhältnisses seine Sicherung dingliche Kraft erhalte, oder dass das Pfandrecht für seine erst durch spätere Auszahlung des Darlehens zu begründende Forderung schon jetzt gültig mit aller dinglichen Wirkung errichtet werde. Noch deutlicher tritt das Ungenügende der Behandlung des Grundpfandes als eines blossen Nebenrechtes zu Tage, wenn der Gegenstand mehreren Pfandgläubigern verhaftet ist. Es ergeben sich aus ihr sowohl in bezug auf die Höhe der zu sichernden Forderung, als in betreff des Ranges oder der Konkurrenz der Pfandgläubiger untereinander bei der Liquidation ihrer Ansprüche sehr empfind­liche Nachteile.
Die Höhe der zu sichernden Forderung eines vorgehenden Pfandgläubigers ist für die Begründung eines nachgehenden Pfand­rechtes von maßgebender Bedeutung. Der zweite Pfandgläubiger muss wissen, wie viel vom Wert der Pfandsache der erstberech­tigte ihm vorweg nehmen werde. Unter Umständen findet der Schuldner und Eigentümer gar keinen zweiten Gläubiger, wenn er nicht bestimmt anzugeben vermag, wie hoch die Sicherung für den ersten Gläubiger geht. Und doch gibt es Forderungen, die nicht nur nach dem Vertragswillen der Parteien, sondern ihrer Natur nach unbestimmt sind. Hier können sich der zweite Gläu­biger und sein Schuldner auch bei dem ausschliesslich der Siche­rung dienenden Grundpfand nicht anders helfen, als dass sie darauf drängen, dass der vorgehende Gläubiger seine Forderung genau fixiere, und wo das nicht ausreicht, muss der Gesetzgeber helfen und dafür sorgen, dass überhaupt kein Pfandrecht be­gründet werde ohne Fixierung der Forderung. Zu diesem Ergebnis gelangen denn in der Tat die neuesten Hypothekarrechte, auch wenn sie auf der gemeinrechtlichen Grundlage ruhen. Sie ver­langen zur Begründung des Pfandrechtes eine numerisch fixierte Geldforderung, und ist die zu sichernde Forderung nicht ihrer Natur nach bereits fixiert, so muss sie zum Zweck der Versiche­rung künstlich oder formal fixiert werden. Der bestimmte Betrag, die fixe Summe bildet alsdann die Maximalgrenze, bis zu welcher der Gläubiger Sicherung verlangen kann. Daraus ergibt sich dann aber eine eigentümliche Folge. Das Pfandrecht wird formal gültig begründet für einen genau bestimmten Forderungsbetrag, vielleicht — wie beispielsweise bei der Versicherung eventueller künftiger Schadenersatzforderungen — für eine Forderung, die gar nie zur Entstehung gelangt. Das Nebenrecht kommt, zur Existenz ohne die Entstehung eines Hauptrechtes, oder also der Sicherungszweck



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selbst führt auf diesem Wege zur Anerkennung eines Grundpfand­rechtes, das selbständig ist.
Zu dem gleichen Resultat gelangen wir bei Betrachtung der Rangordnung verschiedener Gläubiger, sobald für eine Forderung, die noch nicht besteht, ein Pfandrecht im Verhältnis zu andern Gläubigern des Schuldners, und insbesondere andern Pfandgläubigern an derselben Sache, gültig errichtet werden muss. Abgesehen von dem Fall der noch ganz ungewissen künftigen Schadenersatz­forderung ist zu denken an die Krediteröffnung, wo der Schuldner nicht nur in wechselnden Beträgen Schuldner ist, sondern zu Zeiten ganz aufhört, Schuldner zu sein, während doch das Pfandrecht seinen Rang behält, so wie er einmal begründet ist. Auch hier tritt uns alsdann ein Pfandrecht ohne Forderung zu blossen Siche­rungszwecken entgegen. Auch von dieser Betrachtung aus kann man es also nicht bei dem Satze bewenden lassen, es sei das Pfandrecht einfach ein Nebenrecht der irgendwie existierenden Forderung und in seinem Schicksal ganz von dem ihrigen ab­hängig. Es kann vielmehr entstehen ohne Forderung, es besteht unabhängig von dem Forderungsbetrag für die Summe, auf die es lautet, es geht nicht unter mit der Forderung, es behauptet im ganzen seine Kraft als ein prinzipales Verhältnis, dem die For­derung sich formal angliedert, während materiell allerdings ein ganz beliebiges Forderungsverhältnis vorliegen kann.
Stellen wir dieser Entwicklung diejenige der mittelalterlichen Rente gegenüber, so haben wir hier als Ausgangspunkt das Forderungsrecht eines Gläubigers vor uns, der gar nichts anderes zu verlangen berechtigt ist, als dass ihm der Eigentümer eines be­stimmten Grundstückes jährlich einen bestimmten Zins bezahle. Eine Kapitalforderung hat der Gläubiger nicht, nur im Falle der Säumnis des Schuldners in der Erfüllung seiner Pflichten steht dem Gläubiger das Recht zu, auf das Grundstück zu greifen, und auch da hat dieser einen persönlichen Anspruch gegen den Eigen­tümer darüber hinaus in keiner Weise. Aber nun sehen wir, dass auch diese „Ewig-Zins"-Verhältnisse im Laufe einer längeren Zeit einer grossen Umbildung unterworfen worden sind (s. Schweiz. PR IV, S. 782 ff., 805 ff.). Die Gläubiger haben sich je länger je allgemeiner die Haftpflicht des Eigentümers hinter dem belasteten Grundstück auch mit dem übrigen Vermögen des Schuldners zusichern lassen. Die Gesetzgebung hat angefangen, eine solche persönliche Schuldnerpflicht des Eigentümers ohne weiteres zu vermuten. Und in bezug auf die Ewigkeit der Anlage hat sich die Ablösbarkeit oder Kündbarkeit sozusagen ausnahmslos zugunsten



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des Schuldners und Eigentümers Anerkennung verschafft, während für das Kündungsrecht des Gläubigers sich wenigstens die Mehr­zahl unserer kantonalen Rechte ausgesprochen hat. Die mittel­alterliche Rente ist hiermit als neuere Gült der Hypothek in bedeutendem Grade näher gerückt. In ihrer Grundlage ist freilich die Gült gleichwohl ein anderes Institut als diese geblieben, sie hat ihr wesentlichstes Unterscheidungsmerkmal getreulich beibehalten. Sie wahrt ihren Charakter als Grundlast und als mobilisierten Bodenwert stetsfort weiter und zeigt ihn namentlich darin, dass Schuldner, auch wenn eine persönliche Schuldpflicht anerkannt wird, stets der Eigentümer des belasteten Grundstückes ist, so dass also eine solche Belastung nicht direkt zur Sicherung der Schuld eines Dritten errichtet werden kann, und wer für eine fremde Schuld sein Grundstück derart belastet, nach Vorschrift der anzuwendenden Gesetzgebung jedenfalls mit dem Wert des Grundstückes und eventuell auch persönlich und unabhängig von der Existenz jener von ihm ins Auge gefassten Schuldnerschaft des Dritten als Schuldner verpflichtet ist. Schuldner ist auch stets derjenige, der Eigentümer des belasteten Grundstückes wird, so dass mit dem Wechsel des Eigentumes am Grundstück notwen­digerweise der neue Eigentümer Schuldner ist und der alte aufhört, es zu sein. Im weitern stellt sich, auch bei der Anerkennung einer persönlichen Schuldpflicht, die Kündigung eigentlich als eine Ablösung der Last vom Grundstück dar, was namentlich praktisch wird, wenn der Schuldner von seinem Kündungsrecht Gebrauch macht und durch die Abzahlung das Grundstück befreit, unabhängig davon, ob eine persönliche Schuldpflicht weiter bestehe oder nicht. Dann liegt es hier ferner in der Natur der Sache, dass die Belas­tung des Grundstückes stets nur in bestimmten Beträgen stattfinden kann. Die zu begründende Forderung muss also hier notwendig numerisch fixiert sein, ohne diese Bestimmtheit ist ihre Errichtung an sich nicht möglich. Endlich kann die Errichtung stattfinden ohne jede notwendige Beziehung zu einem bestimmten persönlichen Schuldverhältnis. Das persönliche Verhältnis, um dessen willen die Gült errichtet wird, kann entweder schon vorher bestehen, oder es kann erst für die Zukunft in Aussicht genommen werden, oder es wird gleichzeitig mit der Belastung begründet, das alles bleibt sich gleich. Die Hauptsache ist stets die Belastung des Grund­stückes, die unabhängig von der Existenz irgend eines persön­lichen Schuldverhältnisses zu Recht besteht.
Daraus geht auch ohne weiteres hervor, dass diese Belastung mit einem Anspruch auf einen gewissen Betrag des Boden wertes einen ganz abstrakten Charakter hat. Aus dem Geschäft selbst



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heraus hat der Gläubiger ein Recht auf Zins und Kapital, wie bei dem mittelalterlichen Rentenkauf auf die Rente. Einer weiteren Begründung des Anspruchs bedarf es nicht. Das Belastungsgeschäft ist ein Rechtsgrund für sich, oder man könnte in Analogie zu der Bezeichnung des Rentengeschäftes als Rentenkauf auch sagen, es liege ein Gültenkauf vor, ein Kauf von Zins und Kapitalforderung aus dem Grundstück, sei es mit persönlicher Gewährpflicht des Bestellers, d. h. des Verkäufers der Gült oder, wie zumeist und dem Grundlastcharakter des Verhältnisses einzig entsprechend, ohne eine solche.
Gewiss kann dieser Gläubigeranspruch dann auch zur Siche­rung künftiger, unbestimmter oder irgendwie beschaffener Forderungsrechte verwendet werden. Aber wenn diese sich nicht in die bestimmte Gültforderung umwandeln, in eine solche durch Schulderneuerung überführen lassen, so ist das Verhältnis zu ihnen doch sehr unbefriedigend. Das haben die kantonalen Rechte er­fahren, die mit der Gült die Versicherung gewisser schwankender oder unbestimmter Forderungsrechte, wie Frauengutsversicherung, Kreditversicherung, Schadensversicherung, versucht haben. Es ist stets nur ein Notbehelf, diese abstrakte Schuldgestalt auf jene unbestimmten konkreten Verhältnisse anwenden zu wollen, und die Kautionsscheine, Kreditverschreibungen, Widerlegbriefe, gardances de dam, Schadlosbriefe und wie sie sonst noch heissen, zeugen überall mehr oder weniger von der Verlegenheit, in der man sich unter dem alten Gültrecht gegenüber solchen blossen Versicherungs­aufgaben befunden hat. Natürlicherweise wird nach Gültrecht eben der Schuldner ohne weiteres Schuldner, auch wenn nach der materiellen Unterlage seine Schuldpflicht gar nicht oder doch nur in geringerem Grade begründet wäre, und hat er auch gegen den Mitkontrahenten die Einrede der Arglist, wenn dieser etwas von ihm verlangen wollte, was bei der Gülterrichtung durch solche Nebenbeziehung zur materiellen Zweckbestimmung des Geschäftes ausgeschlossen worden ist, so versagt diese Einrede doch nach den Gültrechtsgrundsätzen gegenüber einem redlichen Erwerber der Gült. Es erklärt sich also zur Genüge, wieso die Gültrechte fast allgemein dazu gekommen sind, Nebenformen neben der Gült zu schaffen, mit angeführtem konkreten Rechtsgrund, sei es als Frauengutsversicherung oder als eines der andern genannten Verhältnisse, wozu gelegentlich auch noch die Versicherung von Kaufpreisschulden gerechnet worden ist, vergl. Schweiz. PR III, S. 466 ff. u. IV, S. 810 f.
Wir kommen also bei der Betrachtung des Sicherungszweckes zu dem doppelten Resultat: Einerseits kann das Grundpfand



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diesem Zwecke nicht vollständig genügen, wenn nicht eine selb­ständige Belastung der Grundstückes, die unabhängig von jedem Bestand einer persönlichen Forderung entstehen und bestehen kann, anerkannt wird. Anderseits aber genügt die selbständige Boden­belastung in Gestalt der abstrakten Anweisung des Gläubigers auf einen Teil des Bodenwertes nicht für diejenigen Verhältnisse, in denen nach der Natur der Sache ein persönliches Verhältnis nicht unbeachtet bleiben kann, insbesondere bei unbestimmten, unge­wissen oder schwankenden materiellen Forderungsverhältnissen. Der Sicherungszweck verlangt also nach einer Gestalt des Grund­pfandes, die weder mit der gemeinrechtlichen Hypothek noch mit der überlieferten Gült befriedigend gegeben ist, sondern in Anlehnung an die kantonalrechtlich entwickelten Institute in besonderer Weise geordnet werden muss.
Wenden wir uns nunmehr dem zweiten Zwecke des Grund­pfandes, der Mobilisierung des Bodenwertes zu. so finden wir von vornherein diese auf ganz andern Überlegungen aufgebaut. Zwar wird auch dieser Zweck nur dadurch erreicht, dass der Gläubiger­anspruch durch die Anweisung auf den Bodenwert, d. h. das Grund­stück in seinem eventuellen Liquidationswert, sichergestellt ist. Aber dies ist gleichsam nur der Stoff, aus dem das Institut der mobilisierten Bodenansprüche gebildet werden kann. Der Anspruch wird verselbständigt, so dass der darauf lautende Titel in seinem Wertbestand nicht mehr die schwerfällige Natur, des Grundstückes selbst besitzt, sondern eine bewegliche Sache darstellt, und die Mobilisierung des Bodenwertes geht gerade darauf aus, das Institut so zu gestalten, dass es trotz der engsten Verbindung mit Grund und Boden im Rechtsverkehr die Vorteile einer beweglichen Sache geniessen kann.
Man wird von dieser Richtung verlangen dürfen, dass der mobilisierte Bodenwert in eine Gestalt gekleidet werde, die ihn auch äusserlich tauglich mache, wie eine bewegliche Sache von Hand zu Hand zu wandern. Also ist eine Beurkundung geboten. die mit der Wirkung ausgerüstet ist, dass sie den Wert repräsen­tiert, dass an sie die Forderung sich knüpft, wenn sie auch nicht ohne weiteres durch sie gegeben ist, dass ohne sie der Wert weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Sie muss mithin ein Wertpapier sein. Ferner wird man die Sicherheit, des Gläubigers dergestalt verstärken müssen, dass er sich in guten Treuen auf den Inhalt der Urkunde verlassen kann, es muss das Wertpapier öffentlichen Glauben geniessen. Endlich muss der Eigentümer selber über diese, den Wert seines Bodens darstellende



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Urkunde ein freies Verfügungsrecht besitzen, er muss sie ver­kaufen, verpfänden, zurückerwerben können, ohne dass die Gültig­keit der Urkunde im mindesten davon berührt wird. Die Urkunde muss also nicht nur übertragbar sein, sondern sie muss auch so lauten, dass deutlich der Eigenerwerb durch den Eigentümer statthaft erscheint. Das aber wird am besten dadurch erreicht, dass man die Urkunde auf den Inhaber ausstellt.
Endlich muss es aus dem Gesichtspunkt der Mobilisierung des Bodenwertes auch als statthaft erscheinen, verschiedene ideelle Stücke dieses Wertes dem Range nach aufeinanderfolgend aus­zugeben und jedem Stück einen ganz bestimmten Teil des Boden­wertes zuzuweisen, so dass also beispielsweise der Eigentümer eines Grundstückes im Wert von 40,000 Fr. ein Stück des Wertes im zweiten Rang für 10,000 Fr. mobilisieren und das bessere Stück im Wert von 20,000 Fr. unbenützt lassen, den Titel gar nicht errichten oder ihn, wenn er errichtet ist, für sich behalten darf. Auch da kann, wenn nur der Standpunkt der nebensächlichen Sicherung durch Grundpfand ganz ausser acht gelassen wird, an der Zulässigkeit einer solchen Operation gar nicht gezweifelt werden.
Auf solche Weise wird der Wert des Bodens, mit oder ohne persönliche Garantie des Eigentümers oder Schuldners, in ein Forderungspapier gekleidet, das abstrakt lautet, für jeden gut­gläubigen Erwerber zuverlässig ist, die Einreden aus der materiellen Unterlage und aus der Person der Vormänner des Erwerbers ausschliesst, durch Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnereigen­schaft in einer Person nicht untergeht und auf den Wert, und nur auf diesen, Anspruch verschafft, der ihm mit bestimmtem Rang im Verhältnis zu andern Titeln am gleichen Grundstück angewiesen worden ist.
Daraus lässt sich dann allerdings erkennen, dass das Anfordernis an das Grundpfand, von dem Zweck der Mobilisierung aus betrachtet, weit über dasjenige, was wir unter dem Zweck der Sicherung in betreff der Verselbständigung des Grundpfandes angetroffen haben, hinausgeht. Es kann sich also fragen, ob die beiden Zwecke überhaupt mit einem einzigen Institute zu erreichen seien, und sollten wir das bejahen, wie sich dann die beiden Zwecke gegenseitig ausgleichen lassen.
Zur Beantwortung dieser Frage gehen wir auf die Natur der beiden Zwecke selbst zurück, aus der sie beide zu erklären sind und überhaupt erst möglich werden. Und hierbei finden wir den gemeinsamen Untergrund in dem Wert des Grundstückes, der zur



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Sicherung oder zum Verkehr dient, dabei aber doch, ob er in dem einen Falle Geld sicherstellen oder in dem andern Geld verschaffen soll, der gleiche ist. Es wird also im Grunde doch in beiden Fällen eine Operation mit dem Wert des Grundstückes vorge­nommen, und diese Operation bedeutet eine Anweisung auf den Wert, die in beiden Fällen das Grundstück zur Liquidation bringt, oder also das Grundstück einem Gläubiger haftbar macht. Darin liegt im Grunde immer ein Pfandrecht, ein Grundpfand, und die Verschiedenheit, die bei der Ausgestaltung der beiden Zwecke zu Tage tritt, ist sekundärer Natur. Das Grundpfand dient zur Sicherung in beiden Fällen, nur in dem einen direkt gegenüber einem materiellen Verhältnis, in dem andern indirekt gegenüber einem papierenen Wert, der mit dem Pfandtitel geschaffen worden ist. In beiden Fällen liegt aber anderseits auch eine Mobilisierung des Bodenwertes insofern vor, als das Grundstück mit einer For­derung eines Gläubigers belastet wird und die Forderung eine bewegliche Sache darstellt, nur dass in einem Fall diese Mobili­sierung zu keiner selbständigen Funktion gelangt, sondern einzig dem Sicherungszwecke dient, während sie im zweiten direkt für den Verkehr geschaffen wird. Das moderne Grundpfand ist also in keinem Fall mehr das frühere blosse Nebenrecht. Es ist zu einer selbständigen Belastung des Bodens geworden, die zur Sicherung oder zum Verkehr verwendet werden kann. Die Belastung ist formal mit dem Bestellungsakt vollzogen, und welche Bedeutung ihr alsdann zur Schaffung der Gläubigerrechte zuerkannt ist, hängt von dem Zwecke ab, für den die formale Belastung verwendet wird: Sicherung oder Verkehr. Aus dieser Betrachtung schöpfen wir die Überzeugung, dass die Einheit des Grundpfandinstitutes durchaus gewahrt werden kann und muss. Man kann nach dem wirtschaftlichen Zweck das einheitliche Institut nicht spalten und auseinanderreissen. Man hat nur dafür Sorge zu treffen, dass mit dem einheitlichen Institut und auf der einen gewonnenen Grund­lage die zwei wirtschaftlichen Funktionen sich in aller Zuver­lässigkeit so betätigen können, wie dies vom Grundpfand im modernen Leben erwartet wird.
Allein bei all dieser Einheit im Grundcharakter ist ein erheb­licher Antagonismus zwischen den zwei Funktionen nicht zu ver­kennen. Der Sicherungszweck verlangt nur formal eine selbständige Belastung durch das Grundpfand, der Verkehrszweck bedarf dieser Belastung mit der Folge, dass daraus unmittelbar Werte entstehen, die von Hand zu Hand gehen und so viel als möglich vom all­gemeinen Zutrauen getragen sind. Die Mobilisation des Boden­wertes tritt beim Sicherungsgeschäfte, obgleich auch hier formal




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gegeben, nicht lebendig hervor, während sie beim Verkehrszwecke die Seele der ganzen Funktion bildet. Das persönliche Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner kann bei der Sicherung gar nicht entbehrt und niemals auch nur weggedacht werden, wo­gegen es bei der Verkehrsfunktion eine sekundäre Beigabe des mobilisierten Bodenwertes bildet. Bei dem Sicherungsgeschäft bleibt, trotz aller formalen Selbständigkeit der Grundpfänder, die persönliche Forderung die Hauptsache und das Pfandrecht das Nebenrecht. Bei dem Verkehrsgeschäft erscheint umgekehrt der mobilisierte Bodenwert als die Hauptsache und die persönliche Haftbarkeit des Schuldners als eine der Bürgschaft vergleichbare Zugabe. Ein solch tiefgreifender Antagonismus muss notwendig auch in der äussern Einrichtung des Grundpfandes zum Ausdruck gelangen, und es können unmöglich die gleichen Rechtssätze dem einen wie dem andern Zwecke gleichmässig dienen. Sehen wir zu, in welchen Anordnungen diese Verschiedenheit zu Tage tritt. Bei der blossen Sicherung bedarf der Gläubiger keiner weitern Hilfsmittel, um alles vornehmen zu können, wozu ihn das Rechts­verhältnis berechtigt. Ist nur das Grundpfand gültig und nament­lich formrichtig erstellt, so kann er, sobald die Umstände es ver­langen, zu seiner Sicherung sich darauf berufen. Es fällt ja nur sein Verhältnis zum Schuldner und zum Pfandeigentümer in Be­tracht. Dabei bestimmt sich das erstere aus dem Obligationsver­hältnis ganz unabhängig von dem nebenrechtlichen Pfandgeschäft, und zwar auch dann unabhängig, wenn eine Fixierung des For­derungsbetrages nur zum Zwecke der Pfandbestellung erfolgt ist und durch das obligationenrechtliche Verhältnis nicht gegeben war, oder wenn die Forderung formal als existent vorausgesetzt worden ist, während sie in Wirklichkeit zur Zeit der Pfanderrich­tung materiell gar nicht bestanden hat. Das Verhältnis aber zum Pfandeigentümer oder zur Pfandsache regelt sich ganz und gar aus dem Pfandrecht heraus. Der Gläubiger wird sich also der obligationenrechtlichen Ausweise bedienen, um sein persönliches Recht darzutun, und sich auf die Pfandbestellung berufen, um die nötige Deckung zu erlangen. Weiterer Hilfsmittel bedarf er nicht. Anders dagegen bei den mobilisierten Bodenwerten, die in den Verkehr gebracht werden. Hier muss der Wert eine Gestalt bekommen, die ihn tauglich macht, im Verkehr zu zirkulieren. Der Gläubiger, als erster Kontrahent oder als irgend ein Nach­folger in die Rechte desselben, muss sich über sein Recht ganz anders ausweisen. Er kann, wenn er bei einer Bank sein Recht verwerten will, diese nicht darauf verweisen, dass in abgelegener Gegend über die Existenz und den Wert seines Rechts Nachschau



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gehalten werden könne, denn auf diesem Wege würde er schwer­lich erwerbslustige Gläubiger finden. Er bedarf also eines formalen und unbedingt wirkenden Ausweises, der ihm mit der Urkunde, als Träger des Wertes und mit öffentlichem Glauben ausgerüstet, in die Hand gegeben wird. Der Grundpfandtitel — im Sinne der Verbriefung — ist also die praktisch wesentlichste Unter­scheidung in der Ordnung für die zwei Grundpfandzwecke: Er fehlt bei der Sicherung — oder er hat zum mindesten dort bloss die Bedeutung eines Beweisdokumentes —, er ist dagegen ein un­entbehrliches Hilfsmittel bei dem Verkehr mit den mobilisierten Werten.
Sonach könnte man eine Ordnung für angemessen erachten, bei der das Grundpfand im allgemeinen zur Entstehung und Wir­kung gebracht würde, zunächst ohne Rücksicht darauf, ob es der Sicherung oder dem Verkehr zu dienen habe. Dann aber würde die Ausstellung einer Urkunde auf Begehren der Parteien hinzu­treten und damit die Wirkung des Grundpfandes nach den Ver­kehrszwecken modifiziert. Man würde also sagen: das Grundpfand an sich ist so eingerichtet, dass es in jedem Falle dem Sicherungszweck dient. Soll es aber dem Verkehr dienen, so muss eine Ur­kunde ausgestellt werden, mit der sich alsdann die besondern Mobilisationswirkungen verknüpfen. Wir hätten mithin eine Zwei­teilung der ganzen Grundpfandordnung vor uns: Grundpfand an sich und Grundpfandtitel. Aber eine solche Scheidung würde in zwei Beziehungen, wie uns scheint, auf grosse Schwierigkeiten stossen. Einmal ist es nicht zutreffend, dass die Parteien an sich ein gewöhnliches Grundpfand errichten wollen und dann bloss zu dem Verkehrszwecke die Ausfertigung einer Urkunde hinzu ver­langen. Sie betrachten vielmehr die Pfandbestellung, wenn sie blosse Sicherung anstreben, mit der Verschreibung als abgeschlossen und weiter nicht veränderlich, sie wollen umgekehrt, wenn sie sich die Mobilisation zum Zwecke setzen, von vornherein das Grundpfand nur als Grundlage für diese Mobilisation errichten. Das Geschäft ist für sie in diesem Falle erst fertig mit der Be­stellung des Titels, und sie wären höchst erstaunt, wenn das Pfandrecht doch zu Sicherungszwecken gültig errichtet sein sollte, falls aus irgend einem Grund die Ausfertigung des Titels unter­bleiben würde. In zweiter Linie aber muss gesagt werden, dass der Grundpfandtitel dem Pfandakte doch notwendig entsprechen muss, und dass für den dem Verkehre dienenden Pfandtitel etwas andere Eigenschaften notwendig sind, als sie sich bei dem Zweck der Sicherung als wünschenswert erweisen. Damit der Pfandtitel als blosse fliegende Kopie des Pfandaktes seinen Funktionen



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entsprechen kann, muss der Pfandakt selber, sobald man die Ausstellung eines Titels ins Auge fasst, anders beschaffen sein, als in den Fällen, wo dies nicht gegeben ist. Oder also: Der in dem Pfandtitel mobilisierte Bodenwert ist nicht gleich zu achten der Vereinigung von Sicherungsgrundpfand und Pfandtitel, sondern er ist von Anfang an, aus seiner ganzen Errichtung heraus, etwas anderes.
Nun möchte man sich aber fragen, ob denn nicht das Grund­pfand, auch wenn es zu blossen Sicherungszwecken aufgestellt ist, ohne Schaden so gestaltet werden könnte, dass der darauf ab­stellende Brief alsdann ohne jede Veränderung als Grundpfandtitel Verwendung finden dürfte. Damit hätte man wieder die Einheit in der Grundpfandordnung, nämlich in dem Sinne, dass das blosse Sicherungsgeschäft sich den Bedürfnissen der Mobilisation zu fügen hätte. Dann wäre wieder die Pfandbestellung in allen Fällen die gleiche und die Mobilisation würde sich nur dadurch von der Sicherung unterscheiden, dass bei ihr die Ausstellung des Titels zur Pfanderrichtung hinzutreten würde. Also auch wieder die zwei Richtungen: Pfanderrichtung einerseits und Titelausfertigung anderseits.
So bestechend diese Ordnung sein möchte, so beachte man wohl, mit welchem Opfer sie erkauft werden müsste. Wir ver­langen von dem mobilisierten Bodenwert, dass er als Belastung des Grundstückes erscheine und als Schuldner den jeweiligen Eigen­tümer aufweise, wir verlangen, dass bei Zerstückelung des Grund­stückes der mobilisierte Bodenwert in klarer Weise auf die ein­zelnen Stücke angewiesen und jedes den Verkehr belastende und das Verhältnis verwirrende Übergreifeu von einem Grundstückteil auf den andern in der Ausübung der Gläubigerrechte vermieden werde. Wir würden es weiter für empfehlenswert erachten, dass bei der Mobilisierung des Bodenwertes eine Wertung der Grund­lage eintrete und bestimmte Grenzen der Belastungsmöglichkeit festgehalten werden, wir halten es für ein Bedürfnis, dass die Mobilisierung möglich gemacht werde ohne Hinzutreten der persön­lichen Haftbarkeit des Eigentümers. Soll nun in allen diesen und andern Richtungen die nur zu Sicherungszwecken erfolgende Pfandbestellung solch strengen, für sie gar nicht nötigen Regeln unterstellt werden, bloss um jene Einheit der Grundlage zu wahren ? Dafür scheint es uns an einem zureichenden Grunde zu fehlen. Vielmehr darf und soll in all den genannten Beziehungen das der Sicherung dienende Grundpfand freier gestaltet werden können als die Grundlast. Es soll dem Belieben der Parteien einen viel



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weiteren Spielraum gewähren, als es bei dem Verkehrsinstitute möglich ist.
Ist hienach also weder auf dem Boden der Sicherung noch auf demjenigen der Verkehrsbedürfnisse ein einheitliches Grund­pfand aufzubauen, so gelangen wir allerdings dazu, die Grundpfandbestellung zur Sicherung als etwas anderes zu behandeln, denn als eine blosse Mobilisierung des Bodenwertes ohne Aus­stellung eines Titels, und umgekehrt das dem Verkehr dienende Grundpfand als etwas anderes, als die Sicherungsbestellung mit hinzutretendem Pfandtitel. Die Parteien sollen von Anfang an sich darüber entscheiden müssen, ob sie des einen oder des andern Instituts sich bedienen wollen, und je nachdem erfolgt die Pfand­errichtung nach der einen oder der andern Ordnung.
Das schliesst nun freilich nicht aus, dass die beiden Institute eben doch die oben beschriebenen gemeinsamen Grundlagen be­halten, und ferner schliesst es nicht aus, dass sie in den zahl­reichsten Fällen miteinander am selben Grundstück konkurrieren werden. Eine gewisse Gemeinsamkeit der Ordnung für jede Grund­pfanderrichtung lässt sich unschwer herstellen, ja sie ist geradezu ein Bedürfnis. Wir rechnen zu diesen gemeinsamen Bestimmungen die Formvorschriften für die Erstellung des dinglichen Rechts durch Eintragung in das Grundbuch, die Umschreibung der Pfand­haft am Objekt und die Festsetzung der Rechte, die dem Gläubiger bei Verschlechterung des Pfandgegenstandes sowie bei der Pfand- verwertung zukommen. Im fernem verdient für jede Grundpfand­bestellung die Vorschrift Anerkennung, dass nur bestimmt fixierte Forderungsbeträge der Pfandbestellung zu Grunde gelegt und nur bestimmt genannte Grundstücke verpfändet werden können, und weiter empfiehlt es sich gewiss auch, die Ausdehnung der Pfand­sicherung auf die Zinse der Pfandforderung für alle Grundpfand­arten in gleicher Weise zu regeln. Zweifelhaft dagegen erscheint die Möglichkeit, für alle Grundpfandarten das Verhältnis der mehreren Gläubiger zum Grundpfand übereinstimmend zu ordnen. Die Mobilisation des Bodenwertes verlangt hier, wie wir sahen, eine Ordnung, wonach die einzelnen Gläubiger auf ganz bestimmte Stellen des Wertes des Objektes angewiesen werden, so dass jeder von vornherein seinen Rang hat und das Wegfallen eines früheren das Nachrücken eines spätern Rechtes nicht nach sich zieht. Also ist es hier geboten, den Grundsatz der Verpfändung nach ideellen Pfandstellen rückhaltlos anzuerkennen. Gewiss lässt sich diese gleiche Regel auch auf das blosse Sicherungsgrundpfand anwenden, so dass man die Pfandbestellung nach ideellen Pfandstellen als eine weitere allgemeine Regel für alle Grundpfandarten den er-



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wähnten anreihen kann. Da nun aber die Mobilisation nicht als Grundlage der ganzen (Trundpfandordnung zu gelten hat, so erschien es uns zunächst doch als sehr fraglich, ob dieser Schritt zur An­erkennung der Pfandstellen als allgemeine Regel empfehlenswert sei, namentlich in Anbetracht der zahlreichen Fälle, wo eine Mobilisation des Bodenwert.es gar nicht in der Absicht des Grund­eigentümers liegt, sondern nur die Sicherung, wie beispielsweise der Frauengutsansprüche oder der Rechte der Miterben. Aus dieser Überlegung hatte der Entwurf von 1898 die Verpfändung nach ideellen Pfandstellen nur für Schuldbrief und Gült und nicht für die Grundpfandverschreibung vorgesehen. Allein aus der Kon­kurrenz zwischen den Pfandrechten mit ideellen Pfandstellen und den andern ergab sich doch wieder mancher Zweifel, so dass es schliesslich in dem vorliegenden Entwurf vorgezogen worden ist, diese Frage der Pfandhaft einheitlich zu ordnen und die Vorschrift betreffend die ideellen Stellen unter die allgemeinen, d. h. die für alle Pfandarten gleichmässig geltenden Bestimmungen zu bringen (Art. 804 bis 806). (1)
Von einer Seite ist endlich auch noch darauf hingewiesen worden, dass das Bedürfnis nach den einzelnen Verpfändungsarten in den verschiedenen Landesteilen sehr differiere, wie denn auch die Vorbedingungen in bezug auf die katastrale Vermessung des Landes u. a. nicht überall in gleicher Weise gegeben seien. Von dieser Überlegung aus sei zu empfehlen, für das Hypothekarrecht ein Regionalsystem, d. h. verschiedenes Recht für diese verschie­denen Landesteile von Bundes wegen einzuführen. (Siehe den Be­richt von Tessin in Beilage I D. zum Entwurf von 1898.) (2) Allein die Gründe, die uns im ehelichen Güterrecht das Regionalsystem ablehnen liessen, (3) haben ihre Gültigkeit auch für das Hypothekar­recht, ja sie treffen hier noch in verstärktem Masse zu. Die Ver­schiedenheit der Bedürfnisse muss in der Gewährung einer Aus­wahl unter einigen gesetzlich geordneten Grundpfandarten zur Berücksichtigung gelangen. Gerade für die hauptsächlichste Ver­wendung des Grundpfandes aber, nämlich für den Verkehr mit mobilen Bodenwerten, ist das Bedürfnis nicht nur im ganzen Lande ein einheitliches, sondern es kann auch diesem Bedürfnis nur entsprochen werden durch die Schaffung eines durchaus einheit­lichen Pfandtitels. Man würde auf diesem Gebiete geradezu die beste Wirkung der Rechtseinheit preisgeben, wenn man nicht
(') ZGB 813 bis 815. (2) Siehe Beilage I am Schlusse des Bandes unter D. (3) Siehe Erläuterungen I, S. 123 f.



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unbedingt an der Einheit der Hypothekarordnung für die ganze Schweiz festhalten wollte.
3. Die Arten des Grundpfandes. Die kantonalen Rechte unter­scheiden in mannigfaltiger Weise einzelne Grundpfandarten. Neben der Gült steht die Hypothek, die Pfandobligation und hat diese zum Teil umgestaltet, zum Teil verdrängt. Im Rahmen der Hypo­thek selber aber lässt sich das Bestreben wahrnehmen, die besser begründeten Titel von den schlechter gesicherten auch in der Art und der Bezeichnung zu unterscheiden. Unsere bisherigen Betrachtungen würden für den Entwurf zu zwei Grundpfandarten führen, wenn nicht Umstände vorlägen, die eine weitere Unter­scheidung zu empfehlen vermöchten, und zwar zum Teil gerade in der Richtung der letzt angedeuteten kantonalrechtlichen Ent­wicklung.
Der mobilisierte Bodenwert, die Rentenschuld oder Gült, eignet sich in jedem Falle nicht zur blossen accessorischen Sicherung. Er eignet sich aber auch nicht für alle Fälle des Verkehrszwecks, nämlich da nicht, wo mit diesem sich noch ein erhebliches Stück Risiko oder persönlicher Kreditgewährung des Gläubigers gegen­über dem Schuldner verbindet. Ferner liegt in der Gült, mit der wenigstens einseitigen Unablösbarkeit, eine Starrheit der Geldanlage, die, sowie sie überliefert ist, wiederum nicht allen berechtigten Interessen zu dienen vermag. Davon geben alle die Nebenformen Kunde, die die Gültrechte bei sich einzuführen für nötig erachtet haben, nicht nur die Schadlosbriefe, Kautionsscheine, sondern auch die kanzlei'schen Versicherungen, Pfandobligationen, Termin- und Handwechselzedel usw. (vgl. Schweiz. PR III, S. 466 ff.).
Die mit der Hypothek versicherte persönliche Schuld dagegen ist anderseits wieder nicht geeignet, im Verkehr den Kredit mit der wünschenswerten Sicherheit zu gewinnen. Sie bietet eine nicht ganz zuverlässige Grundlage, sobald der Kreditor sich nicht selbst von der Kreditwürdigkeit des Schuldners und Grundstückes überzeugen kann, so dass er sich auf grössere Entfernungen schwer dazu entschliesst, sein Kapital in diese accessorische, wenn auch für den Verkehr tauglich gemachte Hypothek zu legen und den Pfandtitel zu kaufen. Daher das Bemühen einiger Kantone, durch Unterscheidung der bessern Titel dem Vertrauen nachzuhelfen, wie wir dies bei der althergebrachten Bezeichnung der spätern Anlagen als Überbesserungsbriefen und dann noch in neuesten Gesetzen in der Wahl eines besondern Namens für die besser gedeckten Pfandtitel antreffen, auf die schon oben hingewiesen worden ist.



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Gewiss darf dann auch für das einheitliche Recht der Zu­sammenhang mit den bestehenden kantonalen Rechten nicht ausser Betracht fallen. Denn nicht nur wird sich eine jede Gegend mit einem neuen Recht leichter befreunden können, wenn in diesem die ihr geläufigen Formen sich wieder finden, sondern es muss auch die Zeit des Übergangs und die Abrechnung zwischen den alten Ver­hältnissen und den neuen viel leichter sich bewerkstelligen lassen, wenn das neue Recht die Haupterscheinungen des alten Rechts in gebührender Weise berücksichtigt hat. Zwar wird etwa hiergegen eingewendet, dass die Rechtseinheit nicht gewahrt sei, wenn in dem einheitlichen Recht verschiedene Grundpfandformen Aner­kennung finden. Allein der Irrtum einer solchen Auffassung liegt auf der Hand. Wir haben jetzt in den kantonalen Rechten an die sechzig verschiedene Grundpfandarten. Schon deren Reduktion auf drei würde sicherlich eine wesentliche Vereinheitlichung bedeuten. Dann aber geht aus unsern frühern Ausführungen bereits genügend hervor, dass die Unterscheidung der Grundpfandarten in unserm Entwurf doch nur eine beschränkte Bedeutung hat, indem ihnen eine einheitliche Auffassung zu grunde liegt, die sie als die Er­scheinungsformen eines einzigen Institutes auftreten lässt. Wir legen auch Wert darauf, dieser Einheit äusserlich Ausdruck zu geben, in der Wahl der Ausdrücke, in der Zusammenstellung der gemeinsamen Bestimmungen, und vollends ist es das Grundbuch, dessen klare und durchsichtige Struktur alle diese Rechte engstens miteinander verknüpft. Wie sie bei der Liquidation der Werte, bei der Pfandverwertung und im Konkurse miteinander konkurrieren und nach den gleichen Grundsätzen ihre Berücksichtigung erfahren, so werden sie durch den starken Rahmen des Grundbuches zu einem einzigen Institut, dem modern ausgestalteten Grundpfand zusammengehalten.
Aus diesem Grunde glauben wir auch nicht, in einem wirk­lichen Gegensatz zu den kantonalen Vernehmlassungen zu stehen, die allerdings in ihrer Mehrzahl sich für die Ausgestaltung einer einheitlichen Hypothekenform ausgesprochen haben, wie Zürich, Bern, Graubünden, Neuenburg und Genf (vgl. betr. Bern, Grau­bünden und Genf, Beilage I zum Entwurf von 1898). (1) Denn was diesen Kantonen vorschwebt, ist gerade die Einheit in der Grund­lage, wie wir sie mit aller Entschiedenheit befürworten. Über­dies sind auch die genannten kantonalen Eingaben, sobald sie einigermassen sich ins einzelne eingelassen haben, dazu gelangt, neben der einheitlichen Grundform doch wieder für gewisse
(') Siehe Beilage I am Schlusse dieses Bandes.



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besondere Zwecke des Grundpfandes eine oder mehrere Nebenformen in Vorschlag zu bringen, wie solche im kantonalen Rechte vielfach bestehen (vgl. Schweiz PR III, S. 466 ff.). Vergl. insbesondere die Ausführungen von Bern, Graubünden, Waadt und Genf. Wir würden also den Ratschlägen dieser Kantone auch äusserlich ent­sprochen haben, wenn wir eine der hypothekarischen Formen des Entwurfes, z. B. den Schuldbrief, als Hauptform und die andern als Nebenformen dargestellt hätten. Wenn wir eine solche Dar­stellung dann doch nicht in Vorschlag gebracht, sondern die ver­schiedenen Formen auf der gemeinsamen Grundlage als gleich­wertig hingestellt haben, so ist das nicht bloss deshalb geschehen, weil für den Gesetzgeber eigentlich alle Formen, die er für not­wendig hält, die gleiche Beachtung verdienen, also nicht einzu­sehen ist, weshalb z. B. die Frauengutsversicherung nur in einer Nebenform zur Ausgestaltung kommen soll, sondern auch deshalb, weil nur die Gleichwertung der verschiedenen Formen unseres Erachtens der historischen Überlieferung und den vorhandenen Volksanschauungen entspricht.
Wir glauben daher auch von Seiten der genannten Kantone keinen grundsätzlichen Widerspruch zu erfahren, wenn der Ent­wurf innerhalb des entwickelten Rahmens aus den angefühlten Gründen, sowie in Anlehnung an die bisherige geschichtliche Ent­wicklung (siehe Schweiz. PR IV, S. 813 ff.), folgende Arten des Grundpfandes unterscheidet:
a) Die Grundpfandverschreibung, d. h. die blosse Verschreibung, bei der keine Urkunde, kein Pfandtitel ausgegeben wird. Materiell ist dabei das Pfandrecht abhängig von der Existenz der Forderung, die sichergestellt wird. Formell besteht es mit der Eintragung in die öffentlichen Register bis zur Löschung.
b) Den Schuldbrief, d. h. das einer persönlichen Forderung beigegebene Grundpfand, bei dem eine Urkunde, ein Pfandtitel erstellt wird, der dem Gläubiger ein begebbares Recht am Boden, der zu Pfand gesetzt ist, verschafft, während ein persönliches Schuldverhältnis damit verbunden ist.
c) Die Gült, d. h. die Belastung des Bodens mit einem Gläubigeranspruch auf Zins und Kapital, ohne persönliche For­derung an den Schuldner und demgemäss mit blosser Bodensicherung, bestimmt für den besten Teil des Bodenwerts, als sozusagen absolut sichere Anlage.
Diese drei Arten haben wir nun näher zu entwickeln.
a) Die Grundpfandverschreibung. Die Grundpfandverschreibung besteht darin, dass für irgend eine beliebige, gegenwärtige oder



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künftige, bestimmte oder unbestimmte, bedingte oder unbedingte Forderung durch Eintragung in das öffentliche Register auf Grund der gesetzlichen Voraussetzungen ein Pfandrecht als Nebenrecht begründet wird. Sie dient einzig und allein dem Sicherungszweck, und ein Pfandtitel ist bei ihr daher nicht nötig. Die Urkunde, die der Gläubiger allerdings auch hier verlangen kann, ist eine blosse Abschrift des Registereintrages, ein Auszug oder eine Beweis­urkunde. (1) Die Beteiligten mögen erwägen, für welche Fälle ihnen diese Art der Pfandbestellung dienlich erscheint. Sie ist angezeigt, wo durchaus nur Sicherung des Gläubigers und durch­aus nicht irgend welcher Verkehr mit dem Bodenwert beab­sichtigt ist.
So wird bei der Versicherung des Frauengutsanspruchs, der für das in das Eigentum des Mannes übergehende Barvermögen oder für die verbrauchten Bestandteile entsteht, der Ehemann diese Verschreibung in bestimmten Beträgen dergestalt gewähren, dass das ganze bewegliche Frauengut, das der Mann zur Ver­waltung und Disposition erhält, sichergestellt wird, die Forderung der Frau selbst aber nach den Umständen sich höher oder niedriger belaufen kann. Hört die Ehe auf, oder verliert der Mann die Dis­position über das Gut, so dass der Grund des Verhältnisses dahinfällt, so hört auch die Verschreibung auf, und der Mann kann, soweit er nicht Frauengutsschuldner ist, verlangen, dass sie getilgt werde. Ohne Löschung bleibt sie formell erhalten und namentlich anch stets wieder verwendbar, immerhin auch nur für das Forde­rungsverhältnis, das im Verhältnis zu der Ehefrau begründet ist, während für andere Forderungsverhältnisse die materiell leer gewordene Pfandstelle nur mit einer neuen Grundpfanderrichtung wiederum dienstbar gemacht werden darf.
Ebenso wird die Verschreibung Platz greifen, wenn ein Kapitalist einem Geschäftsfreund einen Kredit eröffnet, während der Kredit­empfänger durchaus nicht mit seinem Anspruch irgendwelche Spe­kulation vorhat. Der Gläubiger erhält alsdann die Sicherung bis zu dem in der Verschreibung angegebenen Maximalbetrag mit dem Rang, der bei der Gründung des Verhältnisses festgestellt worden ist, und ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Kreditbeträge früher oder später gewährt, Abzahlungen ganz oder teilweise erfolgt, überhaupt irgendwelche Transaktionen innerhalb des Kredit­verhältnisses eingetreten sind.
Ferner eignet sich die Pfandverschreibung für die Kautions­leistung, die in irgend einem Verhältnis verlangt wird. Der Gläu-
(') Vgl. nun ZGB 825, Abs. 2 u. 3.



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biger der Verschreibung hat zurzeit keine Forderung, gewinnt auch vielleicht, ja sogar aller Wahrscheinlichkeit nach niemals eine. Aber er will doch, für den Fall, dass ein Schaden entstünde, gedeckt sein, und diesen Dienst leistet ihm die Verschreibung, deren Wert für ihn gar nichts anderes bedeutet, als die Deckung für das möglicherweise eintretende Forderungsverhältniss, so dass jeder Gedanke an eine Negotiation ausgeschlossen ist.
Endlich kann die Verschreibung auch bestimmten gegenwärtigen Schuldverhältnissen dann dienen, wenn der Gläubiger wesentlich der Person des Schuldners Kredit gewährt und nur für alle Fälle wenigstens sich die Sicherung verschaffen will, dass das vorhandene Immobiliarvermögen, wenn es doch einmal zur Liquidation kommen sollte, ihm und nicht etwa einem andern Gläubiger Sicherheit bieten möge. Für ein Darlehen, das der Vater dem Sohne zur Errichtung eines Geschäftes gewährt, verschreibt ihm dieser sein Haus zur Sicherung, obgleich das Darlehen vielleicht 50,000 Fr. beträgt und der Wert des Hauses nur auf 20,000 Fr. angeschlagen ist. Und weiter mag bei vorübergehender Sicherung von Erb­ansprüchen unter Geschwistern, bis zur Zeit der durchgeführten Liquidation des Verhältnisses, unter Gesellschaftern und in andern ähnlichen Verhältnisen mit Vorliebe zu dieser blossen Verschrei­bung gegriffen werden, die alle Umstände und Gefahren der Titel­ausfertigung vermeidet und dem Nebenrecht den Charakter sichert, der den Parteien hinreichend die gewünschten Dienste zu leisten vermag.
Es ist ja nun freilich richtig, dass die gleiche Versicherung auch mit den andern Arten des Grundpfandes erreicht werden kann: Der Ehemann lässt zugunsten der Ehefrau Schuldbriefe oder Gülten errichten und diese an einem sichern Ort hinterlegen, ebenso der Kreditgewährer gegenüber dem Kreditsuchenden, wer Schaden fürchtet gegenüber dem, der den Schaden stiften könnte. Aber man braucht diese beiden Wege nur nebeneinander zu halten, um zu sehen, wie wenig der zweitgenannte seinem Wesen nach dem ganzen, bei solchen Verhältnissen gesetzten Zweck entspricht. Muss denn der Ehemann, der Borger, der Angestellte wirklich sich zum abstrakten Schuldner machen, um seinen nur möglichen, nicht wirklichen Gläubiger sicherzustellen? Und läuft er nicht Gefahr, dass die Titel trotz aller Vorsicht in andere Hände kommen und dass gutgläubige Erwerber Rechte geltend machen, an deren Begründung ernstlich gar nie gedacht worden ist? Allen diesen Gefahren beugt die blosse Verschreibung vor, die der Entwurf als die einfachste Verpfändungsart, wenn auch durchaus nicht, als das wichtigste Institut, in erster Linie zur Regelung bringt.



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b) Der Schuldbrief. In der zweiten Grundpfandart findet sich ein Institut gebildet, das Eigenschaften der gemeinrechtlichen Hypothek, oder also den Sicherungszweck, mit Eigenschaften der Gült, oder der Mobilisierung des Bodenwertes, zu verbinden sucht. Mehrere Kantone besitzen diese Kombinationen in ihren Rechten schon seit Generationen. Von dem vornehmlichsten Beispiel dieses Entwicklungsresultates, wie es das zürcherische Recht aufweist, nennen wir diese Art des Grundpfandes den Schuldbrief, und würden uns freuen, wenn auf diese Weise die eigenartige und glückliche Entwicklung im zürcherischen Recht auch im einheitlichen schwei­zerischen Gesetzbuch die ihr gebührende Anerkennung fände und aus dem zürcherischen Schuldbrief ein schweizerischer sich zu entwickeln vermöchte.
Wie der Schuldbrief des zürcherischen Rechtes, so soll auch derjenige des Entwurfes für alle Grundpfandzwecke tauglich sein. In der zürcherischen Entwicklung sehen wir, wie der Schuldbrief alle die verschiedenen Funktionen des Grundpfandes an sich reisst, wenn auch neben ihm noch einzelne Arten, wie der Kaufschuld­brief u. a. fortgeführt werden. Namentlich aber sehen wir sowohl die blosse accessorische Hypothek als die Gült allmählich zurück­treten vor dem neuen sich entwickelnden Institut. Es kann denn auch gar nicht verkannt werden, dass diese einheitliche Funktion eine Einfachheit in der Ordnung des Grundpfandes mit sich führt, die für ein enger begrenztes Wirtschafts- und Rechtsgebiet sehr grosse Vorzüge aufweist, wogegen allerdings für einen ausgedehnteren Umlauf die Titel durch weitere Hilfen noch tauglicher gemacht werden können.
Mit dem Schuldbrief stellt der Gläubiger zunächst nicht auf den Wert des Grundpfandes direkt seine Kreditgewährung, sondern auf die Person des Schuldners, diesem gewährt er sein Geld, und es kann daher die Forderung mit irgend einem Schuldgrund ver­sehen und das Institut bei irgendwelchen Obligationsverhältnissen verwendet werden. In den meisten Fällen handelt es sich aber beim Schuldbrief doch um ein effektives Darlehen und um eine Geldanlage, und diese wird nun in zweiter Linie in der Gestalt des Briefes, und zwar, falls eine damit nicht vereinbare Entstehung des persönlichen Schuldverhältnisses vorausgegangen ist, auf dem Wege einer Schulderneuerung zum mobilisierten Bodenwert gemacht, unter Fortdauer der persönlichen Haftung, aber mit dem Resultat der gesteigerten Zirkulationsfähigkeit des Wertes. Freilich ist dieser Bodenwert vielleicht nicht von genügender Höhe, um den Gläubiger für seine persönliche Forderung auch wirklich sicher zu stellen, aber das ist eine Sorge, die den Parteien und den



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folgenden Erwerbern des Briefes überlassen wird und ja auch in der althergebrachten Gült vielfach nicht unbegründet erscheint.
Das Eigene und Schwierige liegt bei dieser Grundpfandart in der Abgrenzung des Maßes, in dem die zwei verschiedenartigen Elemente kombiniert werden sollen, und hier lassen sich nun folgende Gesichtspunkte auseinanderhalten.
Die Eigenschaft der blossen Sicherung tritt vor allem darin hervor, dass der Grundschuldner stets auch persönlicher Schuldner ist und mit seinem ganzen Vermögen dem Gläubiger haftet. Ferner kommt sie darin zum Ausdruck, dass, allerdings nach dem vor­liegenden Entwurf (Art. 835) (') nicht in demselben Maße, wie im Entwurf von 1898, die Parteien frei sind, das persönliche Ver­hältnis beliebig zu gestalten. Die Fixierung der Summe, die Spezialität des Betrages, wird aus den Gesichtspunkten des Sicherungszweckes selbst heraus, wie oben entwickelt, auch hier verlangt, ebenso findet die Zinsbeschränkung, wie bei jeder Grund­pfandart, so auch beim Schuldbrief ihre Anwendung. Des weiteren ist es eine Äusserung des persönlichen Verhältnisses, dass der Schuldner nicht Eigentümer des zur Sicherung dienenden Grund­stückes zu sein braucht, auch ein Dritter also beim Schuldbrief für den Schuldner ein Pfand geben kann, wobei die Pfandver­wertung alsdann sich gegen diesen Dritten nach den Regel richtet, die im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht hierfür aufgestellt sind. Endlich gehört es zu den persönlichen Momenten, dass das Verhältnis nötigenfalls auch ohne Brief bestehen kann, namentlich also auch durch die Existenz des Briefes nicht bedingt wird, und dass beim Untergang des Sicherungsobjektes selbst der Untergang des persönlichen Forderungsrechtes nicht eintritt, Also wir sehen : in erheblichem Umfang einfach ein persönliches Forderungsver­hältnis zwischen Gläubiger und Schuldner.
Nun aber gesellen sich zu diesen Vorschriften andere, die den mobilisierten Bodenwert charakterisieren. So soll insbesondere, wenn der Schuldner zugleich, wie regelmässig, der Eigentümer des verpfändeten Grundstückes ist, die Veräusserung oder Zerstückelung dieses Grundstückes auf das Schuldverhältnis nicht ohne Einfluss sein. Bei der Veräusserung soll zwar mangels anderer Alfrede die Haftung des Grundpfandes und des bisherigen Schuldners unverändert fortbestehen. Bei der Zerstückelung aber hat schon das Zürcher Recht eine eigene Art von Gemeinschaftsverhältnis entwickelt, die sogenannte Einzinserei mit den Einzinsern, d. h. den Parzelleneigentümern, von denen einer als Träger die fort-
(') Vgl. ZGB 854.



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dauernde Einheit des Schuldverhältnisses dem Gläubiger gegenüber mit Zinszahlung usw. zu vertreten hat. Die neueste zürcherische Entwicklung selbst sucht freilich dieses Institut, wegen der grossen Verwicklungen, die sich damit verbinden können, so viel als möglich zu verdrängen, und möchte es allmählich ganz zum Verschwinden bringen. Nach dem Entwurf soll der Schuldbrief von der Zer­stückelung des Unterpfandes insofern beeinflusst werden, als die Haftung auf die neuen Teilparzellen verlegt wird, ohne Teilung der Forderung selbst (Art. 820). (') Der Entwurf von 1898 hatte den Gläubiger vor die Alternative gestellt, entweder die Parzellen­eigentümer nach der Zerstückelung als blosse Teilschuldner anzu­nehmen — wobei er allerdings selber bestimmen konnte, wie die persönliche Schuld nun sich gestalten und auf die einzelnen mit dem Pfandrecht verteilt werden soll — oder aber, wenn er, der Gläubiger, dies nicht will, gegenüber allen Teileigentümern zur Liquidation des Verhältnisses zu schreiten. Des fernern tritt der Charakter des mobilisierten Bodenwertes darin hervor, dass die Forderung aus dem Schuldbrief im Verkehr von dem persönlichen Verhältnis losgelöst und der Gläubiger damit auf den Brief selbst verwiesen wird, der durch den Errichtungsakt aus Grund und Boden seinen zuverlässigen Wert erhalten soll. So kommt dem Gläubiger, wenn er den Brief gutgläubig erworben hat, das Forderungsrecht gegen den Schuldner in jedem Falle zu. Der Schuldner kann ihm nicht die Einrede entgegen halten, dass das Schuldverhältnis materiell gar nicht entstanden sei, dass er das Darlehen nicht erhalten habe, dass es bereits ganz oder teilweise abbezahlt sei. Der Brief, wie er lautet, gibt dem Erwerber das dinglich gesicherte Recht auf den Wert des Grundstückes unter persönlicher Mitverhaftung des Schuldners. Wohl kommt eine solche Verselbständigung des Papiers mit der Eigenschaft des öffentlichen Glaubens auch bei andern Urkunden vor. Aber man kann darüber nicht zweifeln, dass sie dem Schuldbrief um der Sicherung durch das Grundpfand willen gegeben ist. Man will umlauffähige Titel schaffen aus dem Wert, den die Liegenschaften darstellen. Das zeigt sich noch deutlicher in den Vorschriften über den Verkehr mit den Schuldbriefen. Auch da wird vor allem das Ziel verfolgt, eine bequeme, zum Erwerb einladende Negotiabilität, eine möglichst freie Abtretung der Forderung herzustellen. Alle die Übertragungsformen, die sonst auch bei grundpfand-versicherten Forderungen angetroffen werden, ja oft hier gerade besonders geschaffen sind, wie Eintragung in öffentliche Bücher,
(') Vgl. die im Gesetz hierfür aufgestellte Ordnung, ZGB 832 bis 834.



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Vormerkung auf der Urkunde selbst, Transfix usw., treten schon im zürcherischen und in anderen Schuldbriefrechten vor der Anerkennung der formlosen Übertragung von Hand zu Hand zurück. Wird, wie der Entwurf es vorsieht, zugleich die Möglichkeit gegeben, den Brief geradezu auf den Inhaber auszustellen, so ist dadurch nur in der Form zugestanden, was der Sache nach bereits das geltende Recht anerkannt hat. Gerade in dieser Begebungsart des Schuld­briefes tritt alsdann der mobilisierte Bodenwert deutlich zu Tage. Die Urkunde zirkuliert wie eine bewegliche Sache, sie ist ein mobiles Wertstück, sie vertritt gewissermassen das Grundstück, um als bewegliche Sache in den Verkehr zu treten. Endlich ist es eine Konsequenz aus diesem Mobilisierungsprozess, wenn der Eigen­tümer und Schuldner in gültiger Weise den Brief selbst erwerben, formal also Gläubiger und Schuldner zugleich sein, oder an seiner eigenen Sache ein Pfandrecht haben kann. Jeder Untergang durch das Zusammenfallen der Person des Schuldners und des Gläubigers ist also ausgeschlossen. Mit dem alten, eingetragenen Rang, wie er in der Urkunde verzeichnet ist, kann der Schuldner den Brief immer wieder ausgeben. Bezahlt er seinen Gläubiger, so kann er verlangen, dass die Urkunde ihm ungetilgt herausgegeben werde. Die Abzahlung ist in diesem Falle dann aber nicht Tilgung der Schuld, sondern Ankauf des mobilisierten Bodenwertes durch den Schuldner selbst. Ferner kann der Eigentümer und Schuldner auch sehr wohl bei der Errichtung auf den Inhaber den Brief zunächst für sich behalten, so dass er diesen Wertteil seiner Liegenschaft beliebig zu verwerten vermag, entweder zu verkaufen oder zu verpfänden, oder auch in der Weise, dass er zunächst einen Brief zweiten Ranges ausgibt, um denjenigen ersten Ranges für schlimmere Zeiten in Reserve zu halten.
Gewiss kann man gerade in diesen letztern Beziehungen vollends nicht verkennen, dass es der mobilisierte Bodenwert ist, der durch den Schuldbrief dargestellt wird. Je nach den Verhältnissen des einzelnen Falles aber wird dabei in der Funktion des Schuld­briefes bald diese eine Seite massgebend hervortreten, bald auch umgekehrt nur der Sicherungszweck zu praktischer Bedeutung gelangen, ein Verhältnis, das in seinem schillernden Charakter gerade geeignet ist, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, wenn auch unter Verzicht auf die gesteigerte Wirkung, die bei der konsequenten Ausbildung für einen einzigen Zweck erreicht werden kann.
c) Die Gült. Die dritte Art des Grundpfandes, die der Ent­wurf vorschlägt, basiert ausschliesslich auf dem Realkredit, Der



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Eigentümer will ein Stück des Bodenwertes in den Verkehr bringen, der Kapitalist hat eine dauernde Anlage seines Geldes in Bodenwerten im Auge. Diesen Zwecken dient direkt die Gült als Grundlastforderung mit Zinsen, die gleichfalls Grundlastcharakter haben.
Die Gült des Mittelalters, die gekaufte Eente, hat insofern die entsprechenden Funktionen bereits versehen, als der Kapital­besitzer sein Geld dauernd anlegen, auf ewig in eine jährliche Rente verwandeln konnte. Als dann aber die Gült in unseren Rechten mehr und mehr die Funktionen des Grundpfandes über­nahm, gelang es nicht allen Gesetzgebungen, deren Umwandlung in den mobilisierten Bodenwert in einer den Verkehrsansprüchen genügenden Weise durchzuführen. Man griff zu andern Grund­pfandformen, die eine freiere Gestaltung der Verhältnisse gestatteten, und in dieser Konkurrenz war es eine sehr erklärliche und auch mehrfach wiederkehrende Erscheinung, dass die neuen Formen die Gült zu überflügeln, ja einigen Orts ganz zu verdrängen ver­mochten. Genf, der Jura, Wallis, Neuenburg, Tessin, beide Basel haben die Gült vollständig fallen lassen und seit langem die gemeinrechtliche Hypothek bei sich eingeführt und weiter ent­wickelt. Solothurn, St. Gallen, Graubünden, Aargau, ferner Thurgau, Zürich, Schaffhausen, Glarus haben die Gült durch ein gemischtes Institut ersetzt, indem bei den ersteren das Gemeine Recht oder auch die neuere Satzung, bei den letzteren die Gült vorherrschend wurde. Andere Kantone, wie Bern, Waadt, Frei­burg, haben zwar die Gült, die lettre de rente beibehalten, aber es werden solche kaum mehr neu errichtet. Die neueren Formen, Pfandobligation, Pfandbriefe der Hypothekarkasse, Obligations hypothecaires, haben im Verkehr die Gült sozusagen vollständig aus dem Felde geschlagen. Alle übrigen kantonalen Rechte dagegen haben die Gült nicht nur beibehalten, sondern es hängt in den Kantonen der Urschweiz, in Luzern, Zug und namentlich auch in den beiden Appenzell die Bevölkerung mit grosser Liebe und Zähig­keit an diesem alten Institut, das allerdings entweder wesentlich umgebildet, namentlich kündbar, d. h. ablösbar gemacht und in dem Verkehr leichter dienende Formen gekleidet, oder dann auch durch Nebenformen von wesentlich anderem Charakter ergänzt worden ist.
Die Gründe, die solchen Rückgang der mittelalterlichen Gült erklären, sind bereits angedeutet. Zwei Schwächen haben sich in einer bestimmten Art des Verkehrs mit dem Institut verknüpft und sind jeweils gar nicht oder nur schwer überwunden worden. Einmal ist es die starre Form, in die sich die Gült kleidet, was



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sie als ungeeignet für das moderne Verkehrsleben hat erscheinen lassen. Sie wendet sich ab von jedem persönlichen Verhältnis, sie ist nichts als eine Forderung auf Rente, auf Zinse, mit der der Verpflichtete, ohne Rücksicht auf den materiellen Rechtsgrund der Errichtung, aus dem belasteten Grundstück als Schuldner erscheint. Für alle die vielen Fälle, wo der materielle Rechtsgrund wesentlich mit in Betracht fällt, wie namentlich für Frauenguts­versicherung und Kreditversicherung, ist die Gült ganz ungenügend. Die Kantone mit fortdauernd praktisch gebliebenem Gültrecht haben denn auch in dieser Einsicht, wie schon oben berührt, sich mit Nebenformen behelfen müssen. Sodann leidet die alte Gült in den meisten der hergebrachten Formen an einer Unbeweglichkeit, die dem modernen Verkehr nicht dienen kann. Sie ist unkünd­bar, zwar nirgends mehr für den Schuldner, wohl aber für den Gläubiger, ohne dass dieser überall in den Übertragungsvorschriften eine Kompensation dadurch erhalten würde, dass er den Titel leicht durch Verkauf in Geld verwandeln kann. Sicher bedeutet diese Unbeweglichkeit für den Schuldner auch einen gewissen Schutz, aber der durch die Gült gewährte Schutz ist auf dieser Grundlage denn doch gegenüber den Anfordernissen des modernen Verkehrslebens mit Recht als zu teuer erkauft erachtet worden.
Trotz dieser beiden Mängel müssen wir nun aber, sobald wir die Kehrseite des Verhältnisses ins Auge fassen, uns gestehen, dass die Beibehaltung der Gült nicht nur für die Gegenwart erklärlich, sondern auch für die Zukunft erwünscht ist. Drei Vorzüge haben sich nämlich allmählich im modernen Verkehr bei der Gült Eingang verschafft, die sie zu einem Institut auszu­gestalten vermochten, das den modernen mobilisierten Bodenwert in besonderer Vollkommenheit darstellt und über die moderne, sog. selbständige Hypothek weit hinaus reicht. Diese Vorzüge liegen in Folgendem:
Die Verbindung der Gült mit dem Grundstück, die ausschliess­liche Verweisung auf den Bodenwert gibt dem Verhältnis eine ganz besondere Zuverlässigkeit. Die Person tritt zurück, das Grund­stück bedeutet alles. Die behördliche Schatzung erhält dadurch eine ganz andere Bedeutung. Der Gläubiger und jeder Rechts­nachfolger weiss, dass nur auf diesem Wert die Sicherheit für das Forderungsverhältnis beruht. Er braucht dem persönliclien Verhält­nisse in keiner Weise nachzugehen. Er hat unter allen Umständen die Sicherheit, die das Grundstück zu gewähren vermag, und wird nicht veranlasst, irgend andere Umstände mit in Betracht zu ziehen. Das rechtliche Schicksal des Grundstückes berührt ihn nicht, denn wird es veräussert, so tritt der neue Eigentümer
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einfach in das Schuldverhältnis ein, an Stelle des alten. Dieses einfache und durchaus zuverlässige Verhältnis bereitet nur in einem Falle Schwierigkeiten, nämlich wenn das Grundstück zerstückelt wird. Hier führt die blosse Konsequenz zu dem Verhältnis, dass die mehreren Parzelleneigentümer, jeder für die ganze Schuld, haftbar werden, während der Gläubiger ihnen gegenüber ein Gesamt­schuldverhältnis geltend machen kann. Denn die Einheit für das Gläubigerrecht muss gewahrt bleiben, und es ist ein rein inneres Verhältnis unter den Eigentümern selbst, wie sie sich die Beteili­gung an der Gesamtschuld auferlegen wollen. Daraus entstehen dann aber unleidliche Beschwerungen. Auf einem Grundstück im Werte von 30,000 Fr. ruht eine Gült von 24,000. Wird es nun in drei Teile, z. B. unter drei Brüder geteilt, so muss für jeden derselben auf seinem Stück, das nur 10,000 wert ist, die Schuld von 24,000 lasten, während in Wirklichkeit nur 8000 zu tragen sein würden und 2000 also zu weiterer Verpfändung frei stehen sollten. Dazu kommt, dass bei fortgesetzten Teilungen und bei Belastungen aus verschiedenen Zeiten vor und nach den sich folgenden Zerstückelungen diese Belastungsverhältnisse zu einem fast unentwirrbaren Knäuel sich ballen können, wie dies in den „Überzeigungen" einiger Rechte, wie in Zug und Schwyz, als grosser Übelstand beklagt wird. Aber es ist auch nicht nötig, bei solchen Zerstückelungen die Konsequenz der fortdauernden Belastung aller Teilstücke für die ganze Last fest zu halten. Schon das Einzinserverhältnis bringt eine Erleichterung, obgleich auch dieses Institut, wie wir es von Zürich bereits bemerkt haben, nach­teilig auf die Bodenkreditverhältnisse einwirkt. Es wird daher, in Verfolgung anderer Beispiele, ein Schritt weiter getan werden dürfen. Entweder man lässt die Einzinsereien und eventuell auch die Überzeigungen entstehen, sorgt aber dafür, dass sie bald liquidiert werden, ein Ziel, das z. B. mit der Einzinserkasse in Luzern seit einigen Jahrzehnten mit guten Resultaten verfolgt wird. Oder man lässt bei Zerstückelung, wie dies in Appenzell seit langem geübt wird, die Gült, den Zedel, der Grösse der Teilstücke entsprechend in Teilzedel zerfallen. Das Recht des Gläubigers auf ein einheitliches Verhältnis, das hiermit gekränkt wird, kann immerhin dadurch einigerniassen berücksichtigt werden, dass der Gläubiger, der sich mit diesem Zerfallen in Teilstücke nicht befriedigt erklärt, das Recht erhält, das ganze Verhältnis abzulösen. Derart gelangen wir dann für die Gült zu derselben Lösung der Schwierigkeit, wie wir sie bereits beim Schuldbrief angetroffen haben, mit dem Unterschied freilich, dass beim Schuld­brief nur eine Verlegung und Teilung der Haftung der Parzellen,



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unter Fortdauer des einheitlichen persönlichen Forderungsverhält­nisses hergestellt wird, während bei der Gült die Schuld selbst zerteilt und auf die verschiedenen Parzellen gelegt werden soll (Art. 834). (1)
Die Loslösung der Gültschuld von jeder materiellen Unter­lage führt sodann zu andern Vorzügen. So wie der Gläubiger die Gültforderung erhält, so kann er sie geltend machen, und jeder Rechtsnachfolger hat sie in gleichem Sinne, ohne in irgend einer Weise der Gefahr von persönlichen Einreden ausgesetzt zu sein, es wäre denn, dass dem Schuldner sie ganz persönlich gegen ihn zustehen würden. So verhält es sich mit der Einrede, dass das materielle Verhältnis gar nicht begründet worden sei, dass die Zahlung des Darlehens z. B. nicht erfolgt sei, dass eine Neben­abrede in bezug auf die Zinszahlung oder dergleichen, aus dem Gültakte nicht ersichtlich, getroffen worden, dass Gegenleistungen verabredet seien usw. An Stelle aller solcher sonst im persön­lichen Verhältnis möglichen Abreden tritt die eine, klare, zuver­lässige Kapital- und Zinsforderung, mit der der Gläubiger, ohne irgendwelche persönliche Beziehungen mit berücksichtigen zu müssen, den Wert seines Gläubigerrechtes in den Verkehr bringen kann. Was dieses Verhältnis an Gefahren in sich birgt, dass der Schuldner unter Umständen an einen redlichen Erwerber die Gült noch einmal bezahlen muss, während er schon vorher an einen andern bezahlt hat, oder dass er vielleicht gegen den früheren Gläubiger eine wirksame Einrede hätte, die er nun gegen den neuen nicht erheben kann, das wird reichlich aufgewogen durch die Vorteile, die diese Klarheit dem Gläubiger bietet, durch die grössere Zuverlässigkeit, die diesen Titeln zukommt, und damit dann für den Schuldner durch die günstigeren Bedingungen, die er bei der Geldaufnahme gegen solche Titel erwirken kann. Auch ist es ja im Grunde genommen nichts als ein wenig Vigilanz. was dem Schuldner zugemutet wird und womit er sich vor jedem Schaden aus der abstrakten Natur der Geldforderung bewahren kann. Er braucht nur den Titel erst errichten oder aushändigen zu lassen, nachdem das Verhältnis materiell begründet ist, er braucht nur keine Zahlung zu leisten, ohne dass ihm der Titel ausgehändigt oder, wenn es sich um Teilzahlung handelt, die Ver­ringerung der Schuld auf dem Brief angemerkt wird. Freilich verliert er auch solche Einreden, die er persönlich gegen einen Gläubiger sonstwie gehabt haben mag, wie z. B. die der Verrech­nung, sobald ein neuer Gläubiger den Titel erwirbt, Aber diese
(') ZGB 852.



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andern persönlichen Einreden verdienen auch keine besondere Beachtung, da sie rein zufällig dem Schuldner erwachsen sind und ebenso zufällig wieder wegfallen können.
Nicht zum mindesten ist es dann endlich auch die formale Gestaltung der Gült, die der Mobilisierung der Bodenwerte den für den Verkehr wünschenswerten Charakter zu verleihen vermag. Die Gült entsteht mit der Errichtung in der Gestalt, die sie im Grundbuch und im Gültbriefe angenommen hat. In dieser formalen Gestaltung verbleibt sie, solange nicht im öffentlichen Buch eine Löschung erfolgt und der Titel getilgt ist. Alle Schicksale, die ihr weiter begegnen können, berühren ihre Existenz nicht, nicht die Leistungen des Schuldners, nicht der Übergang in das Eigentum des Schuldners, es gibt keine Fusionswirkung für sie, der Schuldner kann den von ihm erworbenen Titel weiter begeben, ohne dass die Gült irgendwie von diesem Durchgang der Gläubigerschaft durch seine Person berührt wird. Der Gläubiger kann unter allen Um­ständen auf den Rang Anspruch erheben, den ihm die Gült zusichert, aber auch niemals auf einen bessern, sodass also Gülten zweiten Ranges in diesem Range verbleiben, auch wenn die Gült ersten Ranges vom Schuldner zurückerworben und erst nach dem Datum der zweiten Gült wieder weitergegeben worden ist. Ja auch die Möglichkeit ist gegeben, dass die Gült gleich von vornherein auf einen spätern Rang gelegt wird, während für den ersten noch gar keine Gülterrichtung stattgefunden hat. Oder der Schuldner kann die Gült auf den Inhaber oder auf den eigenen Namen errichten lassen und sie für sich behalten, um sie erst später zu verwerten. Alle jene Vorteile, von denen wir bezüglich der Mobilisierung der Bodenwerte schon früher sprachen, sind auf Grund der reinen formalen Begründung des Verhältnisses bei der Gült leicht durchzuführen und auch in einzelnen Kantonen, wie in Luzern und Appenzell, bereits durchgeführt. Für den Verkehr aber gewinnt die formale Existenz dann die weitere Bedeutung, dass der Gläubiger sich durchaus auf den Wortlaut der erworbenen Urkunde verlassen kann, dass also diese für ihn zu einem Papier öffentlichen Glaubens wird, sodass er nur diejenigen Einreden zu fürchten hat, die entweder aus dem Papier oder der Gülterrich­tung selbst heraus sich ergeben, wie Fälschung der Urkunde und dergleichen, oder die ihn seitens des Schuldners direkt und persön­lich treffen, wie Einrede der Arglist oder der Kompensation.
Diese gesteigerte Funktion des Verkehrs mit mobilisierten Bodenwerten soll nun aber die Gült nur erhalten auf Grund einer genügenden Fürsorge für ihre materielle Zuverlässigkeit. Da der Eigentümer sich ja auch der beiden andern Grundpfandarten



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bedienen kann, geschieht ihm kein Unrecht, wenn er die Gült für ­den Teil des Bodenwertes reservieren muss, der dann auch wirk­lich in allen Fällen der Idee der Gült entspricht, dass sie nämlich errichtet wird ohne jede Rücksicht auf den persönlichen Kredit des Schuldners, also ausschliesslich mit Anweisung auf den Bodenwert. Dieses Resultat wird dadurch erreicht, dass die Gülterrichtung auf den besten Teil des Bodenwertes, etwa auf zwei Dritteile der Schätzungssumme eingeschränkt wird. Und geschieht dies, so hat es dann auch keine Gefahr, überdies die Gemeinden oder die Kantone für ihre Gülten haftbar zu erklären (vgl. Art. 830 und 831). (1)
Mit diesen Vorkehrungen wird die Gült zu der besten Geld­anlage, die auf Bodenwert gemacht werden kann, die ausschliess­lich aus diesem Wert in allen Fällen ihre Sicherung zieht und vermöge ihrer abstrakten und formalen Gestalt in leichter Weise dem Gläubiger den Verkehr gestattet. Sie erhält ihre Existenz­berechtigung neben dem Schuldbriefe, der freilich den gleichen Zwecken zu dienen vermag, der aber auch andere Richtungen ein­schlägt und deshalb, sowie weil er sich in beliebiger Ausdehnung mit der Gewährung persönlicher Kredite verbindet, nicht die gleiche absolute Vertrauenswürdigkeit geniesst. Bei der Gült ist die Geldanlage selbst die genügende Sicherheit, beim Schuldbrief muss man sich eventuell noch nach den persönlichen Verhältnissen des Schuldners erkundigen, sofern nicht die Schuldbriefsumme innerhalb des Schätzungsbetrages durch den Bodenwert von vorn­herein gesichert erscheint. Freilich könnte man ja auch diesem Schuldbriefe die Sicherung zuwenden, dass man beispielsweise sagen würde, für die zwei Drittel des geschätzten Bodenwertes haften die Gemeinden oder Kantone in allen Fällen. Aber die Rücksichten auf den Verkehr lassen es sicherlich als wünschens­wert erscheinen, gerade auf Grund dieser Haftung auch ein Grund­pfand und einen Titel zu schaffen, der sich schon äusserlich von den übrigen Arten unterscheidet, abgesehen davon, dass die per­sönliche Haftbarkeit der Schuldner doch nur für diese best­begründeten Verhältnisse ohne Gefahr für den Ruf der Papiere abgestreift werden kann.
Endlich bietet das Gültverhältnis noch eine letzte Seite dar, nach der es zu befriedigenden Zuständen zu führen vermag. Bei der Bedeutung des Grundpfandes für die Beteiligung an den Boden­werten denkt man gewöhnlich nur an die Stellung des Gläubigers,
(') Vgl. nun im Gesetz betreffend die Belastungsgrenze Art, 848 und betreffend die Haftung des Staates Art. 849.



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der, ohne Eigentümer zu sein, von dem Pflichtigen aus Grund und Boden eine Rente zieht. Ebenso wichtig ist nun aber die Gestal­tung dieses Verhältnisses für den Eigentümer und Schuldner selbst. Will er Eigentümer werden, ohne genügendes Kapital zur vollen Abzahlung des Kaufpreises zu besitzen, so muss er nach dem über­lieferten Recht bis zu verhältnismässig hohen Beträgen persön­licher Schuldner werden, und überdies ist er der Willkür des Gläubigers insofern ausgesetzt, als er stets eine Aufkündung des persönlichen Darlehens gewärtigen muss, wobei für ihn, wenn er nicht Ersatz für die Gläubigerschaft findet, der Verlust des Grund­eigentums zu befürchten ist. Die Gültwirkungen führen zu andern Resultaten. Einmal ist der Eigentümer in diesem Falle nicht persönlicher Schuldner und also der Exekution in sein übriges Vermögen nicht ausgesetzt. Dann aber ist auch zu beachten, dass die Gült auf der Gläubigerseite unkündbar ist, dass der Schuldner infolgedessen ruhig auf seinem Gute sitzen bleiben kann, keine Aufkündung des Kapitals riskiert und mit verhältnis­mässig geringen Mitteln Grundeigentümer zu werden vermag, mit aller Zuversicht, das Grundeigentum behalten zu können, solange er nur die Zinse an den Gültgläubiger richtig abführt. Man ersieht denn auch aus den Verhältnissen, wie sie beispielsweise in Appenzell bestehen, von welch günstigen Wirkungen diese Rechts­ordnung begleitet ist. Auch der kleine Bürger, der wenig Kauf­kraft besitzt, kann Eigentümer einer bescheidenen „Heimat" werden, ohne in bezug auf sein übriges persönliches Vermögen irgend einer Gefahr ausgesetzt zu sein und ohne sich über die weitere Beschaffung der Kapitalien, die auf dem Gute liegen, irgendwelche Sorgen machen zu müssen. Er ist in durchaus gesicherter Stellung, solange er nur die Zedel richtig verzinst. Es kann darüber kaum ein Zweifel bestehen, dass diese Ordnung ethisch und ökonomisch wohltätiger wirkt, als beispielsweise die Pacht in irgend einer Form. Denken wir uns diesen kleinen Bauern oder Sticker als Pächter, so wird er das Gut ausnützen und nichts für die Zukunft tun, da er nur vorübergehend, bis er sich etwas zur Seite gelegt hat, das Pachtverhältnis fortzusetzen gedenkt. Aber auch der Eigentümer des Pachtgutes sieht in diesem nur die Zinsquelle, ist von jeder Auslage, die er auf das Gut machen muss, unangenehm betroffen, so dass tatsächlich das Gut leicht niemanden hat, der sich seiner mit Hingebung annimmt. Auch hat die Zinsschuld des Pächters für den Eigentümer des Pacht­hofes nicht den gleichen Wert, wie eine zinstragende Gültforde­rung, er kann das Verhältnis gar nicht oder nur schwer zu Markte bringen. Ganz anders verhält sich dies alles bei der unaufkünd-



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baren Gült. Hier bedeutet das Gut die soziale Existenz des Eigen­tümers: Er hält es wert, er nimmt sich seiner mit allen möglichen Opfern an. Er gestaltet es sich zur wirklichen Heimat, Und der Gläubiger hat in der Gült den Wert in der Hand, der ihm eine leichte Negoziation auf dem Kapitalmarkt gestattet.
Man könnte nun freilich noch einwenden, die Interessen des Kapitals, des Gültengläubigers seien bei der Unablöslichkeit der Gülten nicht gehörig gewahrt, es werde der Gläubiger bei dieser Pfandart in der Benützung des Kapitals wesentlich beeinträchtigt. Allein dieser Einwand entspringt einer falschen Beurteilung der Funktionen der Gült auf der Gläubigerseite. Sobald es sich um einen wirklich mobilisierten Bodenwert handelt, so bewegt sich derselbe wie eine mobile Sache und kann derart in den Verkehr gebracht werden, dass seine Verwertung möglich ist, ohne dass eine Liquidation erfolgen muss. Anstatt zu kündigen, verkauft der Gläubiger den Titel und hat damit sein Geld erlangt wie mit einer Abzahlung. Nötig ist zu diesem Zwecke nur die Umlaufsfähigkeit für das Papier und die Sicherheit des Wertes, indem andernfalls der Gläubiger seinen Titel nur zu einem Betrag unter dem Nominalwert wird veräussern können. Wir haben bereits in verschiedenen Verbindungen die Massregeln besprochen, die zu diesem Zwecke dienen. Andere lassen sich mehr denken, wodurch die Umlaufsfähigkeit bedeutend gesteigert würde, wie denn einzelne Ansätze zu solcher besondern Ausgestaltung der Pfandtitel sich bereits im geltenden Recht vorfinden. Sie lehnen sich überall an die Grundgedanken an, die wir in dem mobilisierten Bodenwert lebendig getroffen haben. Wir haben sie nach einer Richtung noch näher zu betrachten.
Die Loslösung von der Person des Schuldners und seinem Kredit, wie sie in dem Grundlastcharakter der Gült liegt, kann zur Erhöhung der Umlaufsfähigkeit des Papiers dadurch gesteigert werden, dass man einen Zahler zwischen Gläubiger und Schuldner einsetzt, der mit geschäftsmässiger Regelmässigkeit die Zinse bezahlt und dem Gläubiger die Mühe abnimmt, sich mit einem zahlungssäumigen Schuldner herumzuschlagen. Nichts drückt so sehr auf den Bodenkredit, wie der schwerfällige Verkehr mit den Grund­eigentümern. Muss man alle Jahre riskieren, erst nach langen Monaten die Zinse zu erhalten, während der Gläubiger des baren Geldes auf die vertragsmässige Zeit ebenso notwendig bedarf als der Schuldner, so entschliesst man sich am Ende eher dazu, in Handelspapieren sein Geld anzulegen, wo man doch auf einen regel­mässigen Eingang der Zinse zählen kann. Man würde also einen grossen Übelstand beseitigen, wenn hier eine Abhilfe geschaffen



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werden könnte. Die Intervention einer Zahlstelle aber könnte dadurch noch besonders praktisch gestaltet werden, dass man den Gültentitel mit Coupons für die Jahreszinse versehen würde, die an der Kasse der Zahlstelle eingelöst würden. Als Zahlstellen hätte man sich Genossenschaftskassen, ländliche Spar- und Leih­kassen oder geradezu die grossen Hypothekar- und Kantonalbanken zu denken. Natürlich müssten diese für die Übernahme des Risikos und ihre Mühe eine Entschädigung erhalten, die aber mit einigen Promille, die der Schuldner mehr bezahlen müsste, als die Gläubiger erhielten, hoch genug angeschlagen wäre und durch die Vermehrung der Nachfrage nach Gülten und die dabei zu erreichenden Erleichterungen der Schuldbedingungen mehr als ausgeglichen würde.
In Verbindung hiermit liesse sich die Umlaufsfähigkeit noch weiter dadurch erhöhen, dass die Gültentitel auf bestimmte Be­träge angesetzt würden, in denen sie in grösserer Zahl zur Aus­gabe gelangten, wie beispielsweise zu 100 Fr. und einem Viel­fachen von hundert. Es würde also der Bauer, der ein Grund­pfand von 10,000 Fr. auf seine Liegenschaft zu erheben wünschte, bei der Hypothekarkasse um die Ausgabe von 20 Titeln zu 500 Fr. ersuchen, die im gleichen Formular nach einem für die Anleihen, die dieses Institut vermittelt, aufgestellten Plan zur Ausgabe kämen. Sie wären mit Nummern versehen, würden auf den Inhaber lauten, als Pfandobjekt die zu Pfand gesetzte Liegenschaft des Schuldners aufführen und für die Zinse Coupons tragen. Darnach würde alsdann die Kasse die Zinse an den Gläubiger mit Ein­lösung der Coupons auszahlen und ihrerseits von dem Schuldner einfordern. Ferner würde die Kasse auch in anderer Beziehung den Schuldner gegenüber dem Gläubiger und den Gläubiger gegen­über dem Schuldner vertreten, würde also Kapitalabzahlungen oder Rückzahlungen leisten, die der Schuldner vornehmen will oder dem Titel gemäss vorzunehmen hat, ferner die Pfandentlassungen und andere Gläubigererklärungen bei ihrer Verantwortlichkeit aus­sprechen, die etwa im Verlauf des Verhältnisses, bei Erwerbungen, Grenzbereinigungen, Errichtung von Dienstbarkeiten, Verkauf des Grundstückes oder Zerstückelung desselben nötig würden, wobei man aber leicht einsieht, dass bei der Teilung des ganzen Anleihens in kleine gleichwertige Titel im Falle der Zerstückelung des be­lasteten Grundstückes eine Verteilung auf die einzelnen Parzellen sehr leicht durchzuführen wäre. Die Kasse aber könnte bei der Begebung solcher Titel mit Vorteil so verfahren, dass sie über die Anleihen, die im ganzen in Aussicht genommen würden, eine grössere Serie von Titeln ausfertigen liesse, z. B. 2000 Stück zu



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500 Fr. und von diesen alsdann auf den Markt bringen würde, was von wirklichen Schuldnern anbegehrt würde, unter Einsetzung des Pfandobjektes, auf das der auszugebende Titel zu ruhen kommt. Für die effektive Gleichwertigkeit aller der so ausgegegebenen Titel würde der Umstand sorgen, dass ja die Gülten ohne­ dies nur auf den sichersten Teil des Bodenwertes und mit Garantie der Gemeinde oder Kantone (1) ausgegeben wären, sowie dass auf die Person des Schuldners im einzelnen Falle gar nichts mehr an­ kommen würde, weil die Kasse dem Gläubiger allen Verkehr mit jenem abgenommen hätte.
Endlich würde es möglich sein, mit dieser Einrichtung noch ein weiteres zu verbinden. Die Emission der ganzen Serie von 2000 Titeln könnte so erfolgen, dass mit derselben eine Über­nahme durch die Bank gegenüber einem oder mehreren Schuldnern, vielleicht sogar solchen, die sich erst sukzessive zur Aufnahme von Darlehen melden würden, stattfände. Die Bank würde die Titel, sowie sie von den Schuldnern verlangt werden, auf den Markt werfen, könnte aber inzwischen bereits einen Emissionsplan zur Durchführung bringen. Das Anleihen würde im ganzen auf eine bestimmte Zeit amortisierbar erklärt, mit lº/oo Aufschlag zum Zins in 80 Jahren, mit1/5% in 67 Jahren, mit 1/4º/º in 63 Jahren, mit 1/2% in 50 Jahren, mit 1% in 37 Jahren, wie es gerade für das ganze Anleihen als praktisch erachtet würde. Dann aber würden die Titel dieser Serie regelmässigen Auslosungen unter­ worfen, die ausgelosten Titel den Gläubigern von der Kasse aus­ bezahlt, im übrigen aber von den Schuldnern bis zur Abzahlung der ganzen Serie an die Kasse weiter verzinst. Der Schuldner könnte durch Abzahlung an die Bank, wie es bei dem Anleihen ihm vorbehalten worden wäre, oder wie es seine Transaktion mit dem Grundstück, bei Erwerbungen, Zwangsversteigerungen u. a. notwendig machen würde, die schuldige Summe entweder abzahlen oder einen andern Titel derselben Serie aufkaufen und der Kasse zur Verrechnung übergeben. Wo solche Abrede getroffen wäre, würde also der einzelne Schuldner durch die Auslosung des Titels aus der Serie zunächst nicht berührt. Er würde die Zinse und Amortisationsquoten in einem festen Posten von beispielsweise zusammen 4% des Darlehens nach wie vor weiter bezahlen, auch nachdem gerade sein Titel ausgelost und zurückbezahlt wäre. Diese planmässige Amortisation mit Auslosung fände nur für die Rechnung der vermittelnden Kasse statt. Erst nach Ablauf der ganzen Amortisationsperiode würde alsdann auch das Grundstück des
(') Vgl. oben S. 213, Anm. 1, und S. 174, Anm. 2.



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Schuldners befreit. In der Zeit zwischen der Auslosung und Rück­zahlung des Titels durch die Kasse bis zum Ablauf der Amorti­sationsperiode würde allerdings Sorge zu tragen sein, dass der Titel nicht wieder in Umlauf gesetzt werden könnte. Der Gläubiger würde ihn der Bank herausgeben und diese ihn für den Umlauf kassieren und in Verwahrung bringen müssen. Ferner könnte in der Zwischenzeit bei Teilungen, Zwangsversteigerungen u. dgl. es auch nötig werden, den genauen Betrag der noch bestehenden Last kennen zu lernen, durch Festsetzung dessen, was bereits amortisiert ist an der bis zum Ablauf der Amortisationsperiode noch fortdauernden Last. Diese Summe ist kleiner je näher man sich dem Ende der Periode befindet, wird auch nach den Tabellen der Kasse leicht zu berechnen sein, und es würde mit zu den Obliegenheiten der vermittelnden Stelle gehören, den Interessierten, den Schuldnern oder ihren Gläubigern, jeweils fachmännisch darüber Aufschluss zu geben, auf welchen Betrag zu einem gewissen Zeitpunkte die schwebende Schuld zu be­rechnen sei.
Inwiefern die Amortisation geradezu vorgeschrieben werden wollte ist eine Frage des öffentlichen Rechts, die wir schon oben der Kompetenz der Kantone zugewiesen haben.
Das Bedürfnis nach Ausgabe solcher in besonderem Sinn um­lauffähiger Titel hat sich schon oft in den Kantonen gezeigt. In Genf führte es zur Schaffung eines eigenen Instituts, der hypotheque par action, die durch ein Gesetz von 1858 ihre Ausbildung erfahren hat. In andern Kantonen hat man sich, so gut es eben ging, mit dem bestehenden Recht abzufinden gesucht durch Aus­gaben von Partialen oder Delegationen eines umfassenden Pfand­titels, für den eine Vertrauensstelle als Gesamtgläubiger aufge­stellt wird. Waadt hat hierüber im Jahre 1897 ein Gesetz erlassen. Ohne gesetzliche Grundlage ist die Sache oft unsicher, wie man beispielsweise daraus ersehen kann, dass sich über die Gültigkeit solcher Partialen im Kanton Zürich in öffentlichen Blättern eine ernste Diskussion zu entspinnen vermochte (vergl. N. Zürcher Zeitung 1897 Nr. 350. M. Bl. und 355. M. BI.). Dann liegen offenbar auch den Anregungen des Zürcherischen Bauernbundes die gleichen Bedürfnisse und verwandte Anschauungen zu grunde, wie sie in unserm Entwurf zur Ausgestaltung der umlauffähigen Pfandtitel geführt haben. (1) Ferner muss es natürlich gegenüber
(') Die Hauptbestimmungen dieser Eingabe des Bauernbundes an den Bankrat, vom 18. Januar 1896 (Erläuterungen zum Entwurf von 1898, S. 90



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der vorgeschlagenen Ordnung stets als zulässig erachtet werden, auch in Zukunft, wo es angezeigt erscheint, in freier Weise Treu­händer zu bestellen, die die Vermittlung zwischen Gläubiger und Schuldner in dem oben angedeuteten Sinne übernehmen, oder in anderer Weise Emission grundpfändlich gesicherter Obligationen zu bewerkstelligen (vgl. Art. 841 und 854). (') Fürsorge ist dabei allerdings stets zu treffen, dass die Öffentlichkeit mit solchen Verhältnissen genügend vertraut gemacht wird. Hierfür dürfte aber die Eintragung der Vertrauensstelle in die öffentlichen Bücher und die Titel selber gute Dienste leisten.
Dann muss im fernern auch zugegeben werden, dass die Aus­gabe solcher Titel nicht nur auf der Basis der Gült, sondern auch für die Schuldbriefe sehr wohl möglich ist. Für die Umlauffähigkeit leisten die besprochenen Vorschriften dem Schuldbriefe den gleichen Dienst wie der Gült. Nur wird im Falle der Aus­gabe von Schuldbriefen solchen Charakters die grundpfändliche Sicherung für sie derjenigen der Gült nachgebildet werden müssen. Geschieht dies, so darf wohl unbedenklich die Emission solcher Titel sowohl für die Gült als für den Schuldbrief, so wie der Ent­wurf es vorschlägt, zugestanden werden. Es wird dann Sache der Ausbildung des Instituts im Verkehr sein, der einen oder andern Art den Vorzug zu geben. Die Freiheit der praktischen Ausge­staltung darf der Gesetzgeber auch hier ohne Gefahr anerkennen.
Mit solchen Anordnungen wird eine Mobilisierung des Boden­wertes erreicht, die dasjenige, was in dieser Richtung in einzelnen Kantonen bereits erreicht ist, wohl verwertet und doch nicht weiter geht, als in einer ruhigen Entwicklung dem ganzen Lande zugemutet werden kann. Freilich ist es möglich und auch bei uns schon angeregt worden, noch einen Schritt weiter zu gehen und geradezu das Institut der sogenannten Bodengelder einzuführen. Eine solche Einrichtung würde darin bestehen, dass von einer staatlich autorisierten Kasse den Grundeigentümern auf einen kleinen Teil des Wertes des Grundstückes (vielleicht bis zu 30 oder 40%) mit Grundpfand im ersten Rang gegen eine kleine Provision un­verzinsliche Scheine zu hundert oder fünfzig Franken ausgehändigt würden, die den Banknoten gleich als Zahlungsmittel in den Ver­kehr gesetzt werden könnten. Der Vorteil, den der Eigentümer damit gewänne, würde in dem unverzinslichen Geldwerte liegen, die Gefahr aber in der Belastung des Grund und Bodens mit

und 91) werden in der Beilage III am Schlusse dieses Bandes mitgeteilt.
(') Vgl. ZGB 860 u. 875.



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Grundpfand, an dessen Ablösung der Eigentümer auch gar kein Interesse mehr hätte, sodass tatsächlich sein Grundstück auf immerdar um den Betrag dieser Belastung entwertet sein würde. Freilich könnte diese Gefahr durch Amortisationszwang einiger-massen vermindert werden, und es ist möglich, dass in einem mit den modernen mobilisierten Bodenwerten vertrauten Verkehrskreise schliesslich doch einmal eine Form gefunden werden kann, die es als tunlich, ja ratsam erscheinen lässt, gesetzgeberische Versuche in dieser Richtung zu wagen. Zurzeit wird man wohl finden, dass die im Entwurf dargebotene Mobilisierung gerade weit genug gegangen sei, und wird geneigt sein, die fernere Ausgestaltung in dieser Richtung einer in dem Verkehr mit der Gült geschulten Zukunft anheim zu stellen.
Die hiermit gezeichneten drei Grundpfandarten bereiten sich unter einander keine Schwierigkeiten. Häufig dürfte es nach ihrer Einführung vorkommen, dass ein Grundstück im ersten Range mit einer Gült, im zweiten mit einem Schuldbrief, im dritten mit einer Grundpfandverschreibung zu gunsten eines Miterben oder der Ehe­frau belastet ist. Eine jede Art hat ihren Platz angewiesen, und jede hat auch ihr eigenes Schicksal, bis die Liquidation sie zur wechselseitigen Auseinandersetzung bringt. Pfandverschreibung, Schuldbrief oder Gült bleiben unentwegt auf den ihnen angewie­senen Pfandstellen und kennen auch beim Wegfallen vorgehender Grundpfänder kein Vorrücken. Bleibt oder wird eine Stelle leer, so bedeutet sie ein noch nicht verwertetes Stück des Bodenkredites, über das der Eigentümer frei verfügen kann, während allerdings bei der Pfandverwertung nach dem vorliegenden Entwurf die leeren Pfandstellen einfach unbeachtet bleiben und also nachfolgende Pfandrechte vorrücken (Art. 806). (') Trotz der verschiedenartigen Zwecke, denen die drei Pfandarten dienen, kommt in dieser ganz und gar unbedenklichen Konkurrenz jene innere Einheit des modernen Grundpfandes zum Ausdruck, von der wir schon oben gesprochen haben.
Verwandt mit dem Institut des modernen, selbständigen und dem Verkehre dienenden Grundpfandes, ist endlich noch ein letztes Gebilde, auf das wir in diesen allgemeinen Erörterungen zu ver­weisen haben, wir meinen die Pfandbriefe der norddeutschen land­schaftlichen Institute und Aktienbanken und die französischen obligations foncieres. Sie sind in der neuesten Gesetzgebung einigen
(') ZGB 815.



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Ortes nachgeahmt worden, und es bestehen gewichtige Gründe dafür, dass auch bei der schweizerischen Hypothekarreform dieses Institut nicht übergangen werde. Freilich gehört es nicht in das Grundpfandrecht, denn das Pfandrecht, das für diese Pfandbriefe begründet wird, besteht nicht an Grund und Boden. Pfandsicherung verschaffen diesen Briefen vielmehr die Forderungen der Kasse, die ihrerseits allerdings durch Grundpfandrecht gedeckt sind. Also handelt es sich um ein Pfandrecht an Forderungen oder an einer beweglichen Sache. Gleichwohl haben wir alle Veranlassung, diese Einrichtung hier zu erwähnen, nicht nur wegen der indirekten Verbindung dieser Titel mit den Grundpfändern der Kasse, sondern vornehmlich wegen der wirtschaftlichen Funktion der Titel. Diese dienen dem gleichen Zweck, wie die besprochenen Serientitel, in­dem die Bank, die solche Pfandbriefe ausgibt, dadurch das Mittel erhält, ihrerseits grundversicherte Darlehen an Grundeigentümer zu verabfolgen.
Der Vorgang ist hierbei folgender. Ein hypothekarisch arbei­tendes Institut macht ein Anleihen mit Ausgabe von Inhaberpapieren. Schuldner dieser Papiere ist die Kasse, und wenn nichts weiteres hinzuträte, würde den Gläubigern dieser Papiere einfach in Kon­kurrenz mit allen andern Kontokorrent- oder sonstigen Gläubigern das Vermögen der Bank insgesamt haften. Demgemäss würden die Obligationen auch nur gerade so viel Kredit finden, als die Kasse an und für sich beanspruchen kann. Nun wird aber das mit solchen Anleihen gewonnene Geld zu dem bestimmten Zweck aufgenommen, gegen Grundpfand als Darlehen ausgegeben zu werden. Man erhält also die Zusicherung, dass in dem Vermögen der Bank sich dem Anleihen entsprechend durch Grundpfand gesicherte Forderungen befinden werden, und sicherlich ist dieser Umstand geeignet, die Absetzung der Obligationen dieser Bank zu erleichtern. Aber im Falle der Insolvenz müssten doch die Inhaberpapiergläubiger mit allen andern konkurrieren. Namentlich kann der Geschäftskreis der Bank je unter Umständen auf Gebiete ausgedehnt sein, wo Verpflichtungen, die weit über die in jenen Grundpfandforderungen liegenden Sicherheiten hinaus steigen, eingegangen werden. Dieser Umstand drückt auf den Markt der Bankobligationen und ver­hindert die Bank dann auch ihrerseits wieder, den geldsuchenden Grundeigentümern Bedingungen zu gewähren, die möglich sein würden, wenn die Bank selber einen gesteigerten Kredit besässe. In diesen Verhältnissen befinden sich zurzeit und nach geltendem Recht die Hypothekarinstitute der Schweiz, wo bei den Kantonal­banken und verwandten Instituten allerdings noch hinzukommt, dass die Staatsgarantie ihre Stellung bedeutend erleichtert. Nun



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kann aber für alle solche Kassen noch ein Schritt weiter gegangen werden, wenn man sich entschliesst, die Grundpfandforderungen der Bank als Pfand der Anleihensgläubiger zu bezeichnen. Damit würde allerdings eine Ausnahme besonderer Art von der Kegel begründet, dass an beweglichen Sachen nur in der Form des Faustpfandes ein Pfandrecht begründet werden könne. Aber man darf gewiss nicht zaudern, eine solche Ausnahme aufzustellen, wenn gewichtige Interessen sie fordern und keine Gefahren für ­den Verkehr daraus erwachsen. Und nach diesen beide Richtungen glauben wir dieses Pfandrecht der Anleihensgläubiger an den Grund­pfandforderungen der Anleihensschuldnerin hinreichend rechtfertigen zu können.
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass durch eine Ver­mehrung der Sicherheit für die Anleihen die Bedingungen, zu welchen diese abgesetzt werden können, verbessert werden. Da­durch wird die Bank dann ihrerseits auch in die Lage versetzt, günstigere Bedingungen gewähren zu können, so dass z. B. wenn das Anleihen zu 3 1/4% placiert werden kann, die Grundpfand­forderungen der Bank auf 3 1/2%gestellt werden dürften. Es liegt also im Interesse der Mobilisierung des Bodenwertes, dass solche Bedingungen geschaffen werden, nach der Seite sowohl der geld­suchenden Grundeigentümer, als der Anlage von Geldern. Für die erstern ist der Gewinn dabei ohne weiteres fest begründet, sobald wenigstens die Bank den Vorteil der bessern Anleihensbedingungen nicht für sich behält, und dafür wird durch die Konkurrenz der Anstalten genügend Sorge getragen werden. Wir dürfen uns dabei um so mehr beruhigen, als diese Konkurrenz mit den Kantonal­banken zu rechnen hat, die ihrerseits die Grundpfandbedingungen durch Anweisungen geregelt erhalten, die nicht mit Spekulations­absicht, sondern im Interesse des allgemeinen Wohles aufgestellt werden. Was dagegen die Sicherung der Anleihegläubiger anbe­trifft, so stehen diese allerdings unter zwei Gefahren. Einmal nämlich könnte das Anleihekapital gar nicht zur Ausgabe von Grundpfanddarlehen in der im Anleiheprospekt zugesicherten Weise verwendet werden, sondern zu andern Zwecken, Spekulationen irgendwelcher gewagten Art, oder es könnte die Anlage gegen Grundpfänder nicht mit der nötigen Vorsicht vorgenommen werden, so dass die Anleihegläubiger im Notfall die hinreichende Deckung gar nicht erhalten, sei es wegen Fehlens der Pfänder oder wegen deren Wertlosigkeit. Sodann aber wäre es möglich, dass die Grund­pfandtitel von der Bank nicht in Verwahrung gehalten, sondern zu Spekulationszwecken ausgegeben würden, und da müsste selbst­verständlich sowohl der Eigentumserwerb, als das Faustpfand an



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solchen Titeln für den gutgläubigen Dritten auch gegenüber den Anleihensgläubigern anerkannt werden. Diese beiden Gefahren sind so erheblich, dass den Hypothekarkassen die geplante Ver­günstigung nicht gewährt und eine Gestattung des Pfandrechtes an den Grundpfandforderungen nicht eingeräumt werden darf, wenn sie nicht vollauf dafür die nötigen Garantien geben, dass sie die Interessen der Obligationäre wahren werden. Diese Garantien aber erblicken wir: Einmal in der genauen Umschreibung des Geschäftsbetriebes der Banken, die alle gefährlichen, dem Zweck der die Geldbedürfnisse in genannter Richtung vermittelnden Geschäfte fremden Spekulationen kategorisch ausschliesst. Und sodann in einer Kontrolle der Behörden, die in der Gestalt eines vom Bunde bestellten Inspektorates, entsprechend dem Banknoteninspektorat, mit genügenden Mitteln ausgerüstet sein müsste und die Depots der Banken von Grundpfandtiteln, sowie ihren Geschäfts­kreis regelmässig zu prüfen hätte. Diese Einrichtung würde dann vorraussetzen, dass nur unter der Bedingung der Unterwerfung unter diese Aufsicht und Geschäftsbeschränkung das Pfandrecht an den Grundpfandforderungen und damit allerdings eine Privi­legierung der Bank durch den Bund anerkannt würde. Immerhin würde gegenüber den Notenbanken noch der bedeutende Unter­schied bestehen, dass jede Bank, die sich den aufgestellten Bedin­gungen unterwerfen wollte, die Vorteile dieses Grundpfandverkehrs geniessen könnte. Es würde also nicht ein andere Institute ausschliessendes Privileg vorliegen, sondern nur eine Sonderordnung für diejenigen, die solchen Geschäftsbetrieb anstreben, für diese aber allerdings mit durchaus zwingendem Charakter.
Herr E. Boivin, Direktor der Banque foncière du Jura in Basel, hat zur Regelung des Pfandbriefinstitutes im Jahre 1897 einen Entwurf ausgearbeitet, dem der Abschnitt über diese Materie in dem vorliegenden Entwurf (Art. 902 bis 916) (') im wesentlichen nachgebildet ist. Der Entwurf des Herrn Bovinn ist dem Entwurfe von 1893 als Beilage III angefügt. (2)
Bei der Ordnung aller dieser Pfandarten verfolgt der Entwurf das eine Ziel, dass die Einrichtungen, die sich an einzelnen Orten und nicht zum mindesten in einzelnen Kantonen bewährt halten, dem gesamten Schweizervolke zugänglich gemacht werden sollten. zur Erleichterung der wirtschaftlichen Existenz, zur Mehrung des
(1) Vgl. ZGB 916 bis 918 und oben S. 12, Anm. 9. Das Institut der
Pfandbriefe ist darnach zunächst, den Kantonen zur Einführung und näheren Ordnung überlassen, ZGB 916 u. 918, Abs. 3. (2) Siehe Beilage IV am Schlusse dieses Bandes.



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Wohlstandes durch Verminderung der Zinsenlast des Schuldners und Steigerung der Sicherheit des Gläubigers.
Als zweites Ziel von gleich starker Bedeutung aber ist die Befestigung des Landeskredites im Auge zu behalten, die Be­gründung des Rufes, dass die Grundpfandordnung der Schweiz wohl bestellt sei und Zutrauen verdiene. Jede der entwickelten Grundpfandarten hat ihre eigene Bedeutung, die sich wirtschaft­lich je länger je deutlicher herausheben wird. Zunächst allerdings möchte es bei der Einführung der verschiedenen Institute begegnen, dass die einzelnen Landesteile sich mit Vorliebe dem einen oder anderen zuwenden, nur weil es ihrem bisherigen Recht am meisten verwandt ist. Aber allmählich wird sich bei der Geltung der In­stitute im ganzen Land und beim freien Verkehr über alle Kantons­grenzen hinweg für eine jede der Arten ein besonderes Anwendungs­gebiet herausentwickeln und in diesem die Praxis sich festsetzen, sei es, dass sie alle nebeneinander jedes an seiner Stelle ihre Funktionen erfüllen, oder dass das eine neben den andern im all­gemeinen Verkehr den Vorzug erhält. Mag es bis dahin auch einige Zeit dauern, die Bedürfnisse werden schliesslich den Vor­teil, den eine jede Art bietet, doch entdecken lassen, gerade so wie aus Genf berichtet wird, dass das oben angeführte Gesetz von 1858 erst in den neunziger Jahren sich einzuleben begonnen habe.
Die allgemeine Sicherung für alle Grundpfandarten wird dabei in dem Rahmen vornehmlich gefunden werden müssen, in den sie alle hineingehören, im Grundbuch. Dieses ermöglicht den raschesten Überblick über alles, was mit dem Grundstück im dinglichen Rechts­verkehr geschehen ist. Die Rangverhältnisse werden auf den ersten Blick erkenntlich, für die Verpfändung nach Pfandstellen wird eine ausreichende Grundlage geschaffen, sowohl die reservierte Stelle, als der Eigentümertitel erfahren ihre deutlich erkennbare Gestal­tung. Ohne gleichzeitige Einführung des Grundbuches würde die vorgeschlagene Grundpfandordnung zwar auch möglich sein, zu der Bedeutung und Wohltat aber, die wir in ihr voraussehen, wird sie sich erst ganz zu entwickeln vermögen, wenn alle die verschiedenen Grundpfandarten durch das Grundbuch zu einem festen Gefüge zusammengehalten werden.



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II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.
Die Anordnung des Stoffes innerhalb des zweiundzwanzigsten Titels ist nach unsern bisherigen Ausführungen im allgemeinen gegeben. Der Titel zerfällt in vier Abschnitte: Allgemeine Vor­schriften, Pfandverschreibung, Schuldbrief und Gült, und Emission von Anleihen. Die allgemeinen Vorschriften bloss mit der einen Grundpfandart zu verbinden und bei den andern darauf zu ver­weisen, würde nur scheinbar eine Vereinfachung bedeutet, sicher aber die Übersichtlichkeit und Klarheit der Gesetzesvorschriften beeinträchtigt haben. Sobald man den Inhalt des allgemeinen Teils näher betrachtet, sieht man auch, dass er von einer Reihe von Fragen handelt, die sehr wohl zusammengestellt werden können, ohne dass deshalb die Darstellung der Institute selbst, an Anschaulichkeit und direkter Brauchbarkeit verlieren würde. Die Grundpfandarten erhalten in ihren Abschnitten jede die äussere Gestalt nach Entstehung und Untergang und den besonderen in ihrem Wesen begründeten Wirkungen, während der allgemeine Teil den gemeinsamen Charakter aller und die Haupteigenschaften des Grundpfandes im ganzen gebührend hervortreten lässt.
Weit mehr Bedenken hat uns eine andere Frage gemacht, ob nämlich die Ordnung der Urkunde, nach ihrer Wirkung und ihrem Zusammenhang mit dem Grundbuch, für Schuldbrief und Gült ge-­ meinsam erfolgen solle. In der Hauptsache kehren für Schuld­brief und Gült die gleichen Vorschriften wieder, in der Stellung des Schuldtitels und im Verkehr mit diesem sind die beiden In­stitute einander gleich. Das hat uns schliesslich dazu geführt, die Vorschriften über die beiden Pfandtitel im vorliegenden Ent­wurf zusammen zu fassen, soweit sie mit Bücksicht auf den Ver­kehr mit den Titeln übereinstimmenden Regeln unterworfen sind. Im vierten Abschnitt werden die Bestimmungen über die Serien­titel (Schuldbriefe oder Gülten) angefügt, mit einer Hinweisung auf die andern Wege, die zur Emission von Anleihen gegeben sind. Wer sich unterrichten will, welche Vorschriften für diese Emission gelten, sucht diese nicht bei der Gült oder dem Schuld­brief, sondern findet es angemessen, wenn sie in einem besondern Abschnitt dargestellt werden. Die Anordnung innerhalb der ein­zelnen Abschnitte bedarf keiner allgemeinen Begründung.
Es erschien uns anfangs als wünschenswert, dem Gesetze gewissermassen eine Anleitung oder geradezu eine Anweisung an die Grundbuchverwalter darüber beizugeben, für welche Zwecke die verschiedenen Pfandarten Verwendung finden sollen, um deren Verschiedenheit nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich




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aus dem Gesetze selbst erkennen zu lassen. So würde bei der Grundpfandverschreibung gesagt worden sein: „Die Grundpfandverschreibung bezweckt irgend eine beliebige Forderung pfand­rechtlich sicher zu stellen. Sie findet namentlich bei der Frauen­gutsversicherung, der Kreditversicherung, der Schadensversicherung und der Kaufschuldversicherung Anwendung." Ferner bei dem Schuldbrief: „Durch die Errichtung eines Schuldbriefes wird irgend eine Forderung pfandrechtlich sicher gestellt, zugleich aber dem Gläubiger eine Urkunde gegeben, mit der er den Wert seines Rechtes in den Verkehr bringen kann." Bei der Gült würde man es bei einer Verweisung auf den Grundlastcharakter haben be­wenden lassen, wogegen wieder bei den Serientiteln eine einläss­lichere Anweisung angezeigt gewesen wäre: „Zur Erleichterung des Schuldbrief- und Gültenverkehrs ist es den Grundeigentümern, sowie öffentlichen Kassen oder Banken usw. gestattet, Serientitel zur Ausgabe zu bringen." Und endlich würde, dieser ganzen Anordnung entsprechend, auch bei den allgemeinen Vorschriften eine Beschreibung des Grundpfandes selbst angefügt worden sein: „Das Grundpfand hat den Zweck, eine Forderung durch pfand­rechtliche Anweisung auf ein Grundstück sicher zu stellen." Ge­rade diese letztere Sentenz hat uns aber daran erinnert, dass solche Beschreibungen nicht in den Rahmen des Gesetzes passen. Wir haben daher absichtlich alle solche unterscheidenden Charak­terisierungen oder praktischen Anweisungen ausgemerzt und ver­weisen sie in die der Praxis dienenden Bearbeitungen des Gesetzes. Der Verkehr wird sich ohne dies rasch genug über das relative Verwendungsgebiet der verschiedenen Pfandarten zu orientieren verstehen.
Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.
A. Voraussetzungen des Grundpfandes, I. Arten des Grundpfandes, Art. 787. (1) Wenn wir eine Aufzählung der Arten des Grund­pfandes an die Spitze des Entwurfes stellen, so geschieht dies nicht nur, um im allgemeinen die Anwendung des Gesetzes klar zu machen, sondern auch mit der Absicht, hervorzuheben, dass nur die genannten Arten des Grundpfandes dem Gesetz bekannt, und andere wenigstens in dem Sinne ausgeschlossen sind, dass sie in der Schweiz und über schweizerische Grundstücke nicht errichtet werden können. Es wird das insbesondere darin Bedeu-
(') ZGB 793.



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tung haben, dass hiermit ein Faustpfand an Grundstücken, eine sogen. Antichresis (Schweiz. PR. Bd. III, S. 445 f., IV, S. 796), als unzulässig erklärt wird und ebenso auch die gemeinrechtliche Hypothek ausgeschlossen erscheint. Eine nähere Beschreibung der drei Arten, wie etwa die Bezeichnung der Pfandverschreibung als nebensächliches Pfandrecht, des Schuldbriefes als nebensäch­liches Pfandrecht, verbunden mit der Ausstellung eines Wert­papiers, wurde erwogen, aber nicht aufgenommen. Solche Andeu­tungen würden für Nichtfachkundige doch keinen Wert gehabt haben und sind für den Kundigen entbehrlich, so dass es kein Bedenken hat, bei der blossen Nennung der Pfandarten stehen zu bleiben.
II. Die Gestalt der Forderung. Art. 788 und 789. (1) Besondere Voraussetzungen der Pfanderrichtung bestehen, abgesehen von dem formalen Errichtungsakt, in zwei Richtungen: betreffend die Forde­rung und betreffend den Pfandgegenstand. Wenden wir uns zu­nächst der ersteren zu, so kann im allgemeinen die Forderung, für die ein Grundpfand errichtet wird, entweder schon vor der Errichtung des Grundpfandes bestehen, oder auch erst künftig oder zugleich mit der Errichtung des Grundpfandes begründet werden. Dies ist das Verhältnis, wie es nach dem Begriff des Grundpfandes gegeben ist, insofern dieses seinem Wesen nach überhaupt dazu bestimmt ist, eine Forderung sicher zu stellen. Beim Schuldbrief und bei der Gült verbinden sich mit der Pfand­bestellung dann allerdings weitere Wirkungen. Es ist aber nicht nötig, hierüber bei der allgemeinen Vorschrift etwas zu sagen. Vgl. Art. 826 und 829. (2) Das allgemeine Verhältnis zur Forde­rung braucht im Gesetz als selbstverständlich nicht besonders hervorgehoben zu werden.
Anders verhält es sich dagegen mit der Gestalt, die die Forderung annehmen muss, um durch ein Grundpfand sicher ge­stellt werden zu können. Das Prinzip der Spezialität verlangt hier eine Spezialisierung der Forderung für alle Fälle. Die Fixie­rung in einem bestimmten Geldbetrag ist also unerlässlich und muss auch bei den Forderungen mit unbestimmtem Betrag erfolgen. Das geschieht beispielsweise bei Kautionen oder bei Frauengutsversicherungen mit der einfachen Ansetzung einer von den Par­teien vereinbarten Maximalsumme, mit der sich die Meinung ver­bindet, dass die ganze vertragsgemässe Forderung, also Kapital und Vertragszinse, in dem Maximalbetrag inbegriffen sein soll.
(1) Vgl. ZGB 794 u. 795. (2) ZGB 842 u. 847.



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während die gesetzlichen Nebenansprüche über das Maximum hinaus gemäss Art. 809 Pfandsicherung erlangen. (') In diesem Sinne ist die Fassung von Abs. 2 festgestellt worden, während man im übrigen die Sorge für die richtige Ansetzung des Höchstbetrages ruhig den Beteiligten selbst überlassen kann. Nur eines war bei den Expertenberatungen fraglich, ob es nicht wünschenswert wäre, entsprechend dem Art. 2148 des Code civil francais, eine beson­dere Vorschrift für die Rentenforderungen aufzunehmen, des Inhalts, dass der Höchstbetrag des Grundpfandes durch Festsetzung eines Gesamtwertes für Kapital und Renten anzugeben sei. Schliesslich haben wir dann aber doch, um nicht eine Verwechslung mit der Grundlast oder Gült herbeizuführen, von jeder besondern Bestim­mung Umgang genommen, in der Annahme, dass es ja ohnedies selbstverständlich sei, dass auch Rentenforderungen durch Grund­pfand gesichert werden können und sich für diesen Fall der all­gemeinen Vorschrift des Art. 788 (2) anpassen müssen. Einer bei den Kommissionsberatungen gemachten Anregung, auch für die neben dem Pfandrecht bestellten Bürgschaften die Aufnahme in den Pfandtitel vorzuschreiben, wurde ebenfalls keine Folge gegeben.
Wie wir oben bereits ausgeführt haben, ist eine Beschränkung der Zinse bei Grundpfandarten, die nach ihrer Einrichtung genü­gende Gewähr für die Einbringlichkeit der Forderung darbieten, für vollkommen gerechtfertigt zu erachten. Dennoch haben wir Bedenken getragen, im Gesetz selbst eine Bestimmung vorzu­schlagen, mit der etwa hätte gesagt werden müssen, bei Gülten bestehe die Zinsschranke von vier Prozent, bei den andern Grund­pfandarten aber die Freiheit. Der Entwurf verweist daher nur auf die allgemeinen Vorschriften, die im geltenden Recht über das Zinsenehmen aufgestellt sind, muss aber immerhin auch bestimmen, durch welche Gesetzgebungshoheit solche Zinsvorschriften künftig­hin aufgestellt werden dürfen. Sowohl vom Standpunkt des Zivilrechtes, als dem des Strafrechtes (betreffend die Wucher­gesetzgebung) erschien es uns als unzweifelhaft, dass die Regelung der Grundpfandzinsen und namentlich die Festsetzung eines Maxi­malbetrages der erlaubten Zinsen der Bundesgesetzgebung zuzu­weisen sei.(3)
Fraglich kann es scheinen, ob eine Veränderung in der An­setzung eines solchen Maximalzinses sofort auf alle Grundpfand-
(') Vgl. ZGB 818. Das Gesetz verlangt nach dem Beschluss der Bundes­versammlung in Art. 794, Abs. 2, die Angabe des Maximalbetrages der Haf­tung mit Einschluss aller Anspräche des Gläubigers. (2) ZGB 794. (3) Das Gesetz hat in Art. 795, Abs. 2, die kantonale Gesetzgebung hierfür als zu­ständig bezeichnet.



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forderungen Anwendung finden müsse, oder ob nur auf die neu zu errichtenden. Fasst man den Zins über diese Grenze schlechtweg als wucherisch auf, so ist das Gebot ein solches der öffentlichen Ordnung, erblickt man dagegen in dieser Massregel nur eine zivil­rechtliche, die ihre Begründung aus der Natur der Obligation ab­leitet und den Minimalkündungsfristen in andern privatrechtlichen Instituten parallel steht, so kann von einer solchen Anwendung auf bereits bestehende Verhältnisse nicht die Rede sein. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass wohl ein Zusammenhang dieser Zinsvorschrift mit den Wuchervorschriften besteht, dass aber die zivilrechtliche Natur der Zinsbeschränkung nicht absolut abgelehnt werden darf. Unter solchen Umständen kann die Frage zweifelhaft sein und würde vorkommenden Falles von den Ge­richten möglicherweise verschieden beantwortet, wie solches denn auch in einigen Kantonen mehrfach vorgekommen ist. Kann der Gläubiger das Verhältnis durch Kündung in kürzerer Frist zur Ablösung bringen, so hat die Sache nicht viel auf sich. Aber wenn es sich um unablösbare Gülten handelt oder auch nur um ein Verhältnis, bei dem der Gläubiger das Darlehen gegen höheren Zins auf längere Dauer und auf gesteigerte Gefahr offenbar nur gewährt hatte gegen die Risikoprämie eines erhöhten Zinses, da kann man sich fragen, ob nicht die Rückwirkung der Zinsbe­schränkung überhaupt auszuschliessen, oder doch dem Gläubiger eine rasche Ablösung der Forderung, sobald er den höhern Zins nicht mehr erhält, zuzusichern sei. Die Wichtigkeit dieser Frage für die Interessen des Grundpfandverkehrs würde uns veranlassen hierüber in das Gesetz selber eine Bestimmung aufzunehmen und zwar etwa in dem Sinne: „Wird der Höchstbetrag des Zinses durch die Gesetzgebung herabgesetzt, so gilt der neue Ansatz nach Ab­lauf eines Jahres auch für die alten Grundpfandforderungen, die Gläubiger können jedoch innerhalb dieses Jahres mit halbjährlicher Kündigung die Abzahlung der Forderung verlangen." Nun würde aber einer solchen Bestimmung das Bedenken entgegenstellen, dass die Gesetzgebung möglicherweise eine feste Zinsschranke je nur für die durch den Wert des Grundpfandes gedeckten Forderungen aufstellt und dann würde das Ablösungsrecht des Gläubigers doch sehr wenig gerechtfertigt sein. Oder es kann der Gesetzgeber umgekehrt geradezu anordnen, dass die Zinsbeschränkung über­ haupt nur für die neu zu begründenden Verhältnisse Anwendung finden soll. Erwägt man diese Möglichkeiten, so muss man, wie das bei der Expertenberatung einstimmig gefunden worden ist, zu dem Schlusse kommen, es sei besser von einer solchen Bestimmung in diesem Entwurf vollständig Umgang zu nehmen. Sache des



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Gesetzgebers würde es alsdann sein, in Verbindung mit der Auf­stellung der Zinsschranken überhaupt auch über die Frage der Rückwirkung sich auszusprechen und so oder anders eine verbind­liche Anordnung zu treffen.
III. Das Grundstück, Art. 790 und 791. (1) Drei Fragen sind hier zu beantworten : Was kann Objekt des Grundpfandes sein ? In welcher Weise muss das Grundpfand als Objekt bestimmt werden? Können mehrere Grundstücke als Pfand gesetzt werden und wenn ja, mit welcher Wirkung ?
Was zunächst das Objekt des Grundpfandes anbelangt, so kann auf die Umschreibung der unbeweglichen Sache überhaupt verwiesen werden, Art. 658 und 985. (2)
Da das Grundpfand nur mit Eintragung im Grundbuch ent-­ stehen kann, so folgt des weitern, dass Grundpfänder nur auf dem im Grundbuch eingetragenen Grundeigentum errichtet werden können. Wer also Grundeigentum besitzt, das nicht im Grundbuch eingetragen ist, kann ein Grundpfand darauf erst errichten, nach­dem er es hat eintragen lassen. Die Zuverlässigkeit des Grund­buches verlangt diese Vorschrift unbedingt. Für die Zeit der Ein­führung des Grundbuches müssen freilich Übergangsbestimmungen die nötigen vorsorglichen Massregeln treffen und namentlich die zur Begründung des neuen Zustandes und für den Übergang erforder­lichen Fristen gewähren.
Als unerlässlich erscheint es dann ferner, einerseits bei der Ordnung des Grundbuches für Alpen, Allmenden, Möser, Waldungen von beträchtlicher Ausdehnung besondere Vorschriften für die Durch­führung des Grundbuchrechtes vorzubehalten und anderseits im Grundpfandrecht den Kantonen die Befugnis einzuräumen, die Ver­pfändung von öffentlichem Grund und Boden, sowie von Allmenden, Alpen u. dgl., die sich im Eigentum von Körperschaften befinden, an besondere Voraussetzungen zu knüpfen oder vollständig zu unter­sagen.(3) Auch für die Zusammenlegung (Art. 698) müssen den Kantonen besondere grundpfändliche Vorschriften vorbehalten bleiben. (4) Selbstverständlich dürfen aber die Voraussetzungen den Vorschriften des Bundesrechtes, insbesondere betreffend das Grund­buch, nicht widersprechen. Die Verpfändung der Alprechte wird hiernach durch das kantonale Recht wie bishin näher geordnet werden können. Vgl. z. B. Schweiz. PR Bd. III, S. 62, N. 1, und
(') Vgl. ZGB 796 bis 798. (2) ZGB 655 u. 943. (3) Vgl. ZGB 796, Abs. 2. (4) Vgl. ZGB 703, und oben S. 58, Anm. 1. Das Gesetz hat entsprechend dem Art. 703 in Art. 802 bis 804 die Ordnung der Grandpfandrechte bei Güterzusammenlegungen selbst aufgestellt.



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die Vernehmlassung von Tessin betreffend Einführung des Grund­buches. (') In den Übergangsbestimmungen ist eventuell darauf hinzuweisen, in welcher Weise kantonales und Bundesrecht hierin miteinander zu konkurrieren haben, z B. betreffend Anschluss der kantonalen Alprechtsregister an die Grundbuchführung.
Was die zweite Frage, die Bestimmung des Objektes des Grundpfandes anbelangt, so folgt der Entwurf dem Spezialitäts­prinzip, wonach jedes Grundstück, das verpfändet werden soll, genau angegeben werden muss. Die Spezialität in der Belastung des Grundstückes mit Pfandrechten ist im Grunde schon gewahrt durch das Anfordernis, dass die Pfandrechte in das Grundbuch eingetragen werden müssen, um überhaupt dinglich wirksam zu werden, und dass das Grundbuch jedes einzelne Grundstück beson­ders registriert. Es ist aber nötig, diese Spezialität gleichwohl unter den Voraussetzungen des Grundpfandes zu nennen, um für die Errichtung des Pfandrechtes im Grundbuch die richtige Grund­lage herzustellen. Generalpfandrechte in dem Sinne, dass alle Liegenschaften eines Schuldners ohne nähere Bezeichnung von dem Pfandrecht ergriffen sein sollen, finden darnach keine Aner­kennung, wogegen allerdings ein Anspruch auf Begründung von Pfandrechten auf allen Liegenschaften des Schuldners als bloss persönliches Recht auch nach dem Entwurfe denkbar ist. Die Liegenschaften würden im Sinne dieses Anspruches hinreichend klar bezeichnet, um nachher spezialisiert zu werden. Die eigent­liche Belastung würde aber natürlich jeweils erst unter dem Datum der Eintragung auf jedes einzelne Grundstück erfolgen, so dass solch ein genereller Anspruch den Rechten anderer Gläubiger und also dem Zweck der Spezialität in keiner Weise zu nahe treten würde. Man beachte dabei, dass die Voraussetzung dieser Spezialität allgemein aufgestellt ist, also auch die gesetzlichen Pfandrechte betrifft.
Die dritte Frage, ob für eine Forderung mehrere Grundstücke zugleich zu Pfand gesetzt werden können, steht mit der Speziali­sierung des Pfandobjektes in enger Verbindung. Im geltenden Recht wird hierauf nur in einem Kanton eine, und zwar ver­neinende, Antwort erteilt, nämlich in Solothurn, wo schon das Zivilgesetzbuch der frühern Redaktion bestimmt hat, dass eine Forderung, um auf mehrere Grundstücke gelegt werden zu können, in mehrere Teilforderungen zerteilt werden müsse, so dass auf jedes Grundstück eine Teilforderung, auf jede von diesen nur je ein Grundstück als Pfand angewiesen werde (vgl. Schweiz. PR,
(') Siehe Beilage I am Schlusse dieses Bandes.



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Bd. III, S. 485). Die übrigen kantonalen Hechte beschäftigen sich überhaupt nicht mit dieser Frage im allgemeinen, sondern berühren sie nur in einem Punkte, nämlich in den Vorschriften darüber, wie es mit dem Forderungsrecht zu halten sei, wenn ein mit einer Forderung belastetes Grundstück zerteilt werde. Fünf verschiedene Lösungen werden in den kantonalen Hechten hierüber angetroffen. Vgl. Schweiz. PR, Bd. III, S. 537 ff. Wir haben sie hier, zur Vervollständigung dessen, was oben bereits kurz angedeutet worden ist, des nähern zu würdigen, um uns darüber ein Urteil zu verschaffen, wie die Belastung mehrerer Grundstücke mit dem Pfandrecht für eine Forderung am richtigsten geordnet werde.
Nach den einen Rechten wird bei solcher Zerteilung einfach daran festgehalten, dass das Grundstück als Ganzes belastet bleibe und der Schuldner in seiner persönlichen Pflicht verharre, wie vor der Zerstückelung des Pfandobjektes. Sache der Beteiligten soll es sein, ihre Beziehungen den neuen Umständen gemäss zu ordnen. Der Gesetzgeber hält es nicht für erforderlich, sich in diese Dinge zu mischen, so sehr auch im allgemeinen eine einfache Gestaltung der Gläubiger- und Schuldnerbeziehungen in der Praxis als er­strebenswert erachtet werden mag. So wird es namentlich von den Kantonen mit gemeinrechtlicher Grundlage, in der romanischen Schweiz, dann in St. Gallen, Graubünden und Thurgau, gehalten, ferner auch in Basel, wenngleich in Baselstadt u. a. 0. bei der Zerstückelung eines Unterpfandes die Anweisung der Pfandschuld an die Teileigentümer oder die Ablösung so oft als möglich durch­geführt wird.
Einen zweiten Standpunkt nehmen einige Rechte der Zentral­schweiz ein, indem sie verlangen, dass zwar bei Zerstückelungen die ganze das Grundstück belastende Forderung einem einzigen der Teileigentümer zugewiesen werde, dabei aber doch die andern Stücke in der Pfandhaft verharren lassen. Die Forderungen, die dergestalt über das Grundstück des Schuldners hinaus auf andere Grundstücke greifen, bilden alsdann nach diesen Rechten, die sämtliche die Gült zur Grundlage haben, eine grosse Anomalie, indem eine Haftung, wenn auch nur subsidiär, aufgestellt wird, während der Eigentümer des haftenden Grundstückes doch nicht der eigentliche Schuldner ist. Man nennt diese Forderungen überzeigende, überlangende oder übergreifende Kapitalien. Sie werden in Zug, Schwyz, beiden Unterwalden und Uri angetroffen. Aber die Erfahrungen, die man in diesen Rechten mit einem solchen System gemacht hat, werden nicht überall gerühmt. Wo nämlich Zerteilungen häufiger vorkommen, namentlich also in



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Gegenden, die ein Anwachsen der Ortschaften und damit eine Verwandlung der Äcker und Wiesen in Bauplätze aufweisen, ent­stehen aus dieser Ordnung, wie Teilung, Unterteilung und noch­malige Zerstückelung, im Laufe der Jahrzehnte — oder da wir es zum Teil mit unablöslichen Gülten zu tun haben, der Jahrhunderte — unerträgliche Verwicklungen, die den Verkehr mit Liegen­schaften in lästigster Weise hemmen. Namentlich in Zug und Schwyz sind darüber Klagen laut geworden, und man erachtet wenigstens in diesen Kantonen eine Vereinfachung der Verhältnisse für sehr wünschenswert, wie denn auch in Zug Schritte zur Auf­hebung aller dieser Überzeigungen bereits getan sind. Vgl. auch die gesetzgeberischen Erlasse von Uri (1898), Schwyz (1898) und Nidwalden (1900).
Bei einem dritten System, das im Mittelalter ziemlich ver­breitet war, und heute noch in Zürich und Luzern, übungsgemäss auch an einzelnen Orten in der Zentralschweiz angetroffen wird, schreitet man bei den Zerteilungen zu der sogenannten Einzinserei. Die mehreren Teileigentümer erhalten dabei jeder nach der Grösse seines Grundstückes einen Teil der Forderung zugewiesen, für den ihr Teil des Grundstückes unmittelbar haftet. Subsidiär aber haften alle Teileigentümer und Teilgrundstücke doch für das Ganze, und der Gläubiger behält die Einheit der Forderung dergestalt in der Hand, dass einer der Einzinser als „Trager" die Zahlungen der ganzen Schuld leistet, um seinerseits die Teileigentümer für ihre Anteile um Ersatz anzugehen. Das System ist sinnreich ausgedacht und scheint die Interessen des Gläubigers wie der Teileigentümer glücklich zu verbinden, indem bei normalen Verhältnissen jeder Teileigentümer faktisch nur als Teilschuldner in Betracht fällt und der Gläubiger doch eine einzige Forderung gegen den Trager äusserlich beibehält. Aber in der Praxis haben sich in der neuem Zeit doch auch bei dieser Ordnung allzuviele Schwierigkeiten ge­zeigt. In Luzern hat man daher eine Einzinserkasse gegründet mit der Aufgabe, solche Einzinserforderungen aufzukaufen und zur Liquidation zu bringen, und in Zürich sind die Fertigungsbeamten angewiesen, die Errichtung solcher Einzinsereien so viel als mög­lich zu vermeiden, und wird überdies eine Frist von zehn Jahren gesetzt, nach deren Ablauf die Schuldner die Liquidation der Ein­zinserei verlangen können.
Die vierte Ordnung besteht einfach darin, dass man bei der Zerteilung des Grundstückes auch die diese belastenden Grund­pfandforderungen in entsprechende Stücke zerfallen lässt, wie dies namentlich in Appenzell seit langem geübt wird. Damit führt man für dieses Teilungsverhältnis das gleiche Ergebnis herbei, wie es



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in Solothurn durch den allgemeinen Grundsatz gegeben ist, es wird als unmöglich betrachtet, dass die Pfandhaft an mehreren Grund­stücken für eine Forderung Bestand haben soll.
Endlich hat Aargau, namentlich mit einem Spezialgesetz von 1880, ein fünftes System entwickelt, wonach bei Zerteilung des Unterpfandes der Gläubiger das Recht erhält, binnen eines Jahres die Ablösung und Rückzahlung der Forderung zu verlangen. Nimmt er aber binnen dieser Frist die Ablösung nicht vor, so zerfällt die Forderung entsprechend der Grösse der Teilstücke in diese bela­stende Teilforderungen. Das vierte System erscheint also hier in der Gestalt modifiziert, dass der Gläubiger, wenn er sich mit einer solchen Zerteilung nicht befreunden mag, binnen einer gesetzlichen Frist die ganze Forderung zur Ablösung bringen kann.
So haben wir also nur eine kleinere Zahl von Rechten vor uns, die bei der Zerstückelung des Unterpfandes die mehreren Teilgrundstücke einfach für die ganze Forderung weiter haften lassen. Allein die andere Frage, ob von Anfang an mehrere Grund­stücke insgesamt für eine einheitliche Forderung verpfändet werden dürfen, ist damit nicht beantwortet. Sie ist auch in der Tat mit der Frage der Zerstückelungsfolge nicht identisch. Bei der Zer­stückelung tritt ein Ereignis ein, das die tatsächlichen Verhält­nisse und die Grundlage des Gläubigerrechtes nachträglich ver­ändert. Weder der Schuldner noch der Gläubiger haben eine solche Mehrheit von Grundpfändern bei der Errichtung des einheitlichen Grundpfandes gewollt. Die Zerteilung erfolgt auch gar nicht mit Rücksicht auf die Belastung, sondern vielmehr trotz dieser, indem die Pfandrechte der ganzen Operation nur Schwierigkeiten bereiten. Dazu kommt, dass solche Zerteilungen ziemlich häufig eintreten und tatsächlich eine viel grössere praktische Tragweite besitzen, als die Frage der anfänglichen Errichtung eines Grundpfandes mit mehreren Grundstücken sie beanspruchen kann. Man erkennt daraus, dass die Gesetzgebung weit mehr Veranlassung hat, sich mit jenen Zerstückelungen zu befassen, als mit der Verpfändung mehrerer Grundstücke, und ferner, dass bei der Ordnung der ersten Frage sehr wohl eine andere Lösung gegeben sein kann, als bei der Ordnung der zweiten. So haben auch wir in dem vorliegenden Entwurf eine besondere Ordnung der Zerstückelungsfolge für nötig erachtet, die bei den verschiedenen Grundpfand­arten nach den Bedürfnissen ihrer Zweckbestimmung verschieden beantwortet ist und ihre nähere Entwicklung und Begründung bei den Art. 820, 828, 834 erfahren wird. (') Hier dagegen bleibt
(') Vgl. ZGB 833 u. 834, 845 u. 852.



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uns die Aufgabe, die Frage der Belastung mehrerer Grundstücke mit einem Grundpfande näher zu prüfen, und da nehmen wir nun keinen Anstand, eine solche Grundpfanderrichtung im Prinzip für zulässig zu erklären, oder also der Entwurf erkennt die Möglichkeit der Begründung eines Gesamtgrundpfandes an, und zwar als allgemeine Regel, und bei allen Grundpfandarten, wenn­gleich bei der Gült diese Belastungsart nicht sehr praktisch ist.
Nun ist aber mit der Zulassung des Gesamtgrundpfandes die Sache noch nicht erledigt. Das Institut bedarf einer nähern Regelung durch die Gesetzgebung. Denn das ist nicht zu be­streiten : es kann sich aus ihm eine Reihe von Schwierigkeiten ergeben und zwar schon, wenn ein einziger Schuldner mehrere Grundstücke verpfändet, noch mehr, wenn diese Grundstücke ver­schiedene Eigentümer haben und die Schuld von mehreren solidarisch Verbundenen geschuldet ist, die alle oder zum Teil Eigentümer der betreffenden Grundstücke sind. In einzelnen ausländischen Rechten ist denn auch diesen Verhältnissen, mit denen sich im Grossher­zogtum Baden und in andern deutschen Staaten grössere prak­tische Schwierigkeiten als bei uns zu verbinden scheinen, von seiten der Gesetzgebung eine besondere Aufmerksamkeit zuge­wendet worden.
Was zunächst die Errichtung eines solchen Gesamtgrundpfandes anbelangt, so ergibt sich aus der Grundbuchunterlage nach dem Spezialitätsprinzip, wenn keine besonderen Vorschriften aufgestellt werden, notwendig die Folge, dass der ganze Betrag der Forde­rung auf jedem Grundstück eingetragen wird, mithin eine Forde­rung von 20,000 Fr. auf fünf Grundstücke, deren jedes auf 8000 Fr. gewertet ist, im Grundbuch auf jedem der fünf Grundbuchblätter in ihrem ganzen Betrage erscheint.
Welche Wirkung soll nun aber dieser Belastung zukommen ? Der Eigentümer des belasteten Grundstückes, der nach dem innern Verhältnis, wenn fünf Solidarschuldner zu gleichen Teilen in dem Schuldverhältnis stehen, nur 4000 Fr. zu tragen hat, sieht sich im Bodenkredit ganz übermässig belastet. Er sollte eigentlich auf seinem zu 8000 Fr. gewerteten Grundstück nur 4000 als Grund­pfand eingetragen haben, denn wenn alles gut geht, hat er nur mit diesem Betrag für die Schuld einzustehen. Die formal höhere Belastung aber hindert ihn an jeder weiteren Ausnutzung seines Bodenkredites, trotzdem vielleicht der Gläubiger des Gesamt­grundpfandes durch blosse Teilbelastungen vollständig sicher gestellt wäre. Und diese Schwierigkeiten steigern sich, wenn Abzahlungen oder sonstige Veränderungen am Schuldverhältnis erfolgen.



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Wird nämlich von einem der Schuldner ein Teil der Schuld zurückbezahlt, so bewirkt er nicht um so viel, als er zahlt, eine Verringerung seiner Belastung allein, sondern die gleiche Erleich­terung kommt auch den andern zu gut. Wird vollständig abbezahlt, so fällt die Pfandhaft für alle Grundstücke dahin, ohne dass des­halb ohne weiteres auch ein Pfandrecht für die Regressforderung gegeben wäre, die der zahlende Schuldner gegen die Mitschuldner nach dem innern Verhältnis haben kann (vgl. immerhin Art. 817)(1) Haben aber die einzelnen Grundstücke hinter dem Gesamtgrund­pfand noch weitere Grundpfänder auf sich lasten, so entsteht, da nach ideellen Pfandstellen belastet ist, eine unbesetzte Lücke, die der Eigentümer zum Schaden der Mitschuldner sofort anderswie verwerten kann. Dazu kommen Machenschaften, wie sie etwa da­durch möglich sind, dass der eine Schuldner den Gläubiger durch unlautere Verabredungen dazu bestimmt, sein Recht nicht gegen ihn, sondern gegen die Mitschuldner geltend zu machen, womit leicht ein Mittel zu wahrhaft wucherischer Bedrückung eines Teils der Verpflichteten gegeben sein kann.
Zur Beseitigung oder Verminderung solcher Übelstände liesse sich einmal denken, dass die Regel aufgestellt würde, es seien die einzelnen Grundstücke, wo keine andere Abrede getroffen werde, nicht mit der ganzen Summe, sondern nur mit verhältnismässigen Beträgen zu belasten, so dass demgemäss die Forderung in Teil­forderungen zerlegt würde. Die Bestimmung könnte lauten : „Wird das Grundpfand an mehreren Grundstücken bestellt, so erfolgt die Belastung jedes einzelnen mangels einer andern Abrede in der Weise, dass die Forderung zerteilt und jedes Grundstück nach seinem Schatzungswert mit einer solchen Teilforderung belastet wird." Aber man kann sich nicht verhehlen, dass diese subsidiäre Regel unter dem Zwang, den der Gläubiger den geldsuchenden Grundeigentümern gegenüber meist auszuüben vermag, in zahl­reichen Fällen keine Anwendung zu finden vermöchte.
Des fernem könnte daran gedacht werden, bei dem Gesamtgrundpfand jedem Grundstück nach Wertverhältnis eine Belastung zuzuweisen, für das übrige aber eine subsidäre Haftung auf­zunehmen, die jedoch auf eine bestimmte Zeit, z. B. auf zwei Jahre beschränkt würde. Oder man könnte bestimmen, dass der Gläu­biger jeden Schuldner zunächst nur für einen solchen Teilbetrag belangen könne, und dass ihm das freie Wahlrecht in der Verfol­gung der Schuldner für den ganzen Betrag nur zustehe, wenn es im Grundbuch selbst vorgemerkt sei. Und auch in diesem Falle
(') ZGB 827.



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hätte der Haftende Regress gegen die andern Eigentümer nach dem Verhältnis des Wertes ihrer Grundstücke.
Allen diesen und andern Möglichkeiten und Vorschlägen gegen­über verdient dann gewiss auch die Erwägung Beachtung, dass im ganzen diese Gesamtgrundpfandverhältnisse, wie sehr damit auch der Kredit des einzelnen, durch die Verbindung mehrerer, gesteigert werden kann, keine Begünstigung erfahren sollen. Sie verketten allzuleicht den gesunden mit dem ungesunden Kredit, indem die nachbarlichen Rücksichten den einen gegen seine eigenen Inter­essen zwingen können, mitzumachen und Lasten zu übernehmen, die für ihn nicht berechtigt sind. Aus diesem Grunde ist der Entwurf von 1898 einfach bei der strengen Konsequenz der ordent­lichen Grundpfandregeln stehen geblieben und hat das Gesamt­grundpfand schlechtweg diesen unterworfen. Der Einzelne sollte es sich überlegen, ob er zu einem solchen Verhältnis die Hand bieten wolle oder nicht, und er würde um so eher geneigt sein, auf eine Teilung der Schuld oder auf eine Liquidation der Ver­hältnisse hin zu wirken, je weniger Kautelen das Gesetz gegen die schlimmen Wirkungen des Grundpfandes aufstellt.
Wenn nun der vorliegende Entwurf in Abs. 3 von Art. 791 doch eine Lösung versucht, die den angeführten Übelständen zum Teil begegnen würde, ohne die Einheit des Forderungsrechtes preiszugeben, so bringt er einen Vorschlag, der nach dem früheren Entwurf, der die Verpfändung nach ideellen Pfandstellen nicht als allgemeine Regel aufgestellt hatte, nicht möglich gewesen ist. Diese ideelle Pfandstelle macht er sich zu nutze und bestimmt, dass nicht die mehreren Grundstücke in ihrem Umfange, sondern jedes nur mit einer Quote seines Wertes zu einem Gesamtgrund­pfand für die einheitliche Forderung vereinigt werden solle, und zwar in der Weise, dass alle die Quoten zusammen ihrem Werte nach nicht mehr als den Gesamtbetrag der Forderung ausmachen, die Verteilung der Haftung auf die Grundstücke aber nach Abrede und eventuell im Verhältnis des Schatzungswertes derselben erfolgen soll. Wir glauben hiermit eine Lösung vorzuschlagen, die die gewiss mit Recht gefürchteten Nachteile der Zerstückelung der Forderung vermeidet, ohne doch die einzelnen Grundstücke übermässig zu belasten. Für die Gült wird sich daraus allerdings gemäss Art. 833 und 834(') die Folge ergeben, dass die mehreren Grundstücke mit Grundlasten beschwert werden, die nur durch die Einheit des Gülttitels und nicht durch ein einheitliches, persön­liches Schuldverhältnis zu einem Ganzen vereinigt werden. Hält
(') Vgl ZGB 851 u. 852.



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man auch diese beschränkte Einengung der Parteiabrede für allzu gewagt, so könnte die Vorschrift des Abs. 3 von Art. 791 am Ende auch nur für den Fall aufgenommen werden, da die mehreren zu verpfändenden Grundstücke nicht dem gleichen Eigentümer gehören, und beliebt auch dieses nicht, so wird am Ende freilich nichts anderes übrig bleiben, als bei der Ordnung des Entwurfes von 1898 es bewenden zu lassen, wonach einfach zu sagen wäre (alt Art. 905, Abs. 2): „Das Grundpfand darf für eine Forde­rung an mehreren bestimmt angegebenen Grundstücken bestellt werden"(1) Dabei ist dann aber noch auf ein Moment hinzuweisen. Der Vorschlag des Art. 791 würde selbstverständlich nicht ausschliessen, dass für gewisse Verhältnisse durch Zusammenstellen der Grundbesitzer im Sinne der Garantiegenossenschaften oder auf andere Weise bedeutende Erleichterungen in der Beschaffung der Geldmittel erlangt werden könnten. Das Mittel hierzu würden etwa die Genossenschaftskassen bilden, die für eine Anzahl zusammen­stehender Grundeigentümer ein Anleihen in Serientiteln, Gülten oder Schuldbriefen, ausgäben. Wir verweisen darüber auf die Aus­führungen zum fünften Abschnitt des
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Erläuterungen zu diesem Entwurfe. Endlich mag hier auch an die Vorschläge betreffend die sogenannten Inkorporationen erinnert werden, wie sie vor längeren Jahren in Deutschland und bei uns in Anregung gebracht worden sind. Wir nennen z. B. Schäffle, der den Bodenkredit dergestalt in eine feste Organisation bringen möchte, dass die mittlern und kleinen Grundbesitzer sich zum Zwecke der Ordnung und Sicherstellung des Hypothekarkredits, zu gemeinde- und bezirks­weisen Genossenschaften vereinigen würden, welchen alsdann alle auf den Bodenkredit bezüglichen Geschäfts zu übertragen wären. Mit diesen könnten sich Personalkreditgenossenschaften verknüpfen, die für die verschiedenen Arten des Betriebskredites zu sorgen hätten. Man vergleiche diesfalls auch die bereits oben angeführte Eingabe des Zürcher Bauernbundes an den Kantonsrat. (2)
Schliesslich muss hier die Frage aufgeworfen werden, wie es mit dem Eigentum am Pfandobjekt im Verhältnis zur Schuldner-
(') Das Gesetz hat den Vorschlag des VorE in der Gestalt aufgenommen, dass die mehreren Grundstücke mit dem Pfandrecht für die ganze Forderung belastet werden können, wenn sie dem nämlichen Eigentümer gehören oder im Eigentum solidarisch verpflichteter Schuldner stehen. In allen andern Fällen ist bei der Verpfändung mehrerer Grundstücke für die nämliche Forderung ein jedes von ihnen mit einem bestimmten Teilbetrag zu belasten. Vgl. ZGB 798. (2) Siehe Beilage III dieses Bandes.



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schaft zu halten sei. Dass bei der Gült Eigentum und Schuldner­ schaft zusammenfallen müssen, liegt in der Natur des Verhält­ nisses. Dass bei den andern Grundpfandarten dieses Postulat nicht aufgestellt wird, entspricht dem Zweck des Grundpfandes, wo es zur Sicherung dient, während beim Schuldbrief man Zweifel haben kann, ob es zulässig sein soll, dass der Schuldner ein fremdes Wertobjekt in Gestalt des Wertpapieres in den Verkehr bringe. Nun lässt sich aber beim Schuldbrief die Verkehrsfunktion von der Sicherungsfunktion nicht so unterscheiden, dass man aus jener für seine Gestaltung zwingende Schlüsse ziehen dürfte, und so glauben wir ohne Bedenken für diese Verpfändungsart bei der allgemeinen Regel stehen bleiben zu dürfen. Damit fällt dann auch die Notwendigkeit weg, bei den allgemeinen Vorschriften hiervon überhaupt etwas zu sagen.
Freilich kann dann, wenn der Eigentümer des Pfandgegen-­ standes nicht zugleich Schuldner ist, noch eine weitere Frage zu Bedenken Anlass geben. Soll die Verpflichtung des Eigentümers, mit dem Grundstück zu haften, oder also soll das auf seinem Grundstück lastende Pfandrecht in allen Teilen nur als Neben­recht behandelt werden, so dass es steht und fällt mit der Forderung und überall deren Schicksal teilt? Oder kann nicht, ja muss nicht eine Verselbständigung der Rechte auch dieses Eigentümers, der nicht Schuldner ist, anerkennt werden? Wir denken dabei namentlich an folgendes:
Einmal, wenn es sich um die Einreden handelt, die der Schuldner dem Gläubiger entgegensetzen kann, darf es sich fragen, inwiefern sie auch als Einreden des Eigentümers zugelassen und diesem zu eigenem Recht zugestanden werden sollen. Doch dürften für die grundpfändlich gesicherten Forderungen im allgemeinen hieraus wohl keine Schwierigkeiten erwachsen, sobald der Pfand­ eigentümer sich dabei nicht anders stellt als beim Fahrnispfand und gegenüber jeder Pfandverwertung, und wird daher von einer allgemeinen Vorschrift für diesen Fall wohl besser Umgang ge­ nommen. Für die Pfandverschreibung ist damit auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze verwiesen. Bei der Gült kann die Frage nicht auftreten. Beim Schuldbrief, wo die Einreden des persönlichen Schuldners in besonderem Sinne beschränkt erscheinen, dürfte es sich empfehlen, dem Eigentümer einfach die Einreden des Schuld­ners zu gewähren, vgl. Art. 828, Abs. 2.(')
Ähnlich stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner in bezug auf die Kündigung der Forderung,
(') ZGB 845, Abs. 2.



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indem auch hier die Regel genügen dürfte, dass der Schuldner dem Gläubiger und dieser jenem die Kündigung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen anzubringen habe. Bei der Gült ist der Schuldner immer zugleich der Eigentümer. Beim Schuldbrief wird das gleiche regelmässig der Fall sein, soweit nicht besondere Verhältnisse die persönliche Schuld von der Belastung der Pfandsache abtrennen, und bei der Pfandverschreibung ist die Pfandhaft nur ein Neben­recht der Forderung. Es ist kein Grund vorhanden, die Kündungsbefugnis für und gegen den Eigentümer zu gewähren, und eine ausschliessliche Kündungsbefugnis diesem gegenüber würde in den meisten Fällen das Recht des Schuldners in unbilliger Weise ver­letzen. Selbstverständlich kann aber ein Kündungsrecht des Eigen­tümers durch Vertrag vorgesehen werden, und dass die Kündung des Gläubigers erst von der Mitteilung an den Pfandeigentümer an gegenüber diesem wirksam wird, liegt in der Natur der Verpflich­tung ohne weiteres begründet. Vgl. die Analogie zur Bürgschaft, OR Art. 500, Abs. 2 und 3. Es dürfte also genügen, auf dieses Ver­hältnis hinzuweisen. Eine Bestimmung, wie sie in Art. 924, Abs. 2, des Entwurfes von 1898 enthalten war, wurde aus diesem Grunde, sowie weil sie Missverständnissen ausgesetzt war, weggelassen.
Sodann kann es sich fragen, wie es mit der Pfandstelle zu halten sei, wenn der Eigentümer zugleich Gläubiger wird, oder wenn die Schuld zur Tilgung gelangt. Soll die Pfandstelle dem Eigentümer in diesem Falle reserviert bleiben? Aber auch da scheint uns das von der Schuldnerschaft getrennte Eigentum am Pfandgegenstand zu keinen besondern Vorschriften Veranlassung zu geben. Vielmehr reicht man damit aus, einfach die Regel der Grundpfandart anzuwenden, wie wenn es sich um das Grundstück des Schuldners selbst handeln würde, also nach unserm Entwurfe die leere Pfandstelle anzuerkennen.
Endlich ist noch daran zu erinnern, dass, wo der Eigentümer nicht Schuldner ist, ihm in den Fällen, wo der Schuldner sich von der Schuldverpflichtung befreien kann, auch ein Anspruch auf die Ablösung des Grundpfandes zustehen muss, und zwar in der Weise, dass alsdann das Forderungsrecht des Gläubigers auf ihn über­geht. Dem Gläubiger geschieht hierdurch kein Unrecht, da er ja auch vom Schuldner die Auflösung des Verhältnisses annehmen müsste, und dem Schuldner kann es recht sein, wenn er statt des ursprünglichen Gläubigers den Eigentümer des für seine Schuld verpfändeten Grundstückes zum Gläubiger erhält. Vgl. Art. 817, Abs. 2, (1) der übrigens für die Grundpfandverschreibung die Regel
(') ZGB 827, Abs. 2.



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zum Ausdruck bringt, die sich in Art. 126, Zif. 1, des O.-R. (1) bereits im allgemeinen aufgestellt findet. Für den Schuldbrief muss nach Art. 828 (2) dasselbe gelten, während bei der Gült als Grundlast der Fall nicht vorkommen kann. Ist der Eigentümer dem Schuldner regresspflichtig, so muss gewiss aus der gleichen Überlegung auch dem Schuldner der Eintritt in das Pfandrecht im Umfang seines Forderungsrechtes gesichert sein, sobald er den Gläubiger befriedigt, und wir hatten denn auch in diesem Sinne in dem ersten Entwurf noch eine Bestimmung angefügt, die aber, da sie, soweit sie am Platze ist, aus der Regel des zit. Art, 126 ohne weiteres abgeleitet werden kann, in den Kommissionsberatungen gestrichen worden ist,
B. Errichtung und Untergang des Grundpfandes. I. Die Errichtung, Art. 792 bis 794. (3) Wir unterscheiden hier, wie bei den andern dinglichen Rechten, zwischen dem Erwerbsgrund an sich, der Grundlage der Eintragung, und der Eintragung in das Grundbuch selber. Mit dem erstern ist ein persönliches Band unter den Par­teien geschaffen, die letztere gibt dem Gläubiger das dingliche Recht. Beide Momente zusammen sind notwendig, um das Grund­pfand zur Entstehung zu bringen. Dass der Erwerbsgrund allein niemals das dinglich wirkende Grundpfand schaffen kann, ergibt sich aus der Rechtskraft des Grundbuches, das negativ insoweit durchaus massgebend ist, als was nicht in ihm eingetragen ist, auch keine dingliche Kraft beanspruchen kann. Hiervon gibt es nur einige bescheidene Ausnahmen, indem gewissen öffentlich­rechtlichen Forderungen ein Pfandrecht am Grundstück, oder ein Exekutionsprivileg in das Grundstück, auch ohne Eintragung in das Grundbuch zukommen soll, was sich sowohl aus ihrer Notorietät, als auch aus der verhältnismässigen Unbedeutendheit ihrer Be­träge, die überdies kaum jemals aus längern Jahren rückständig sein werden, hinreichend rechtfertigt oder entschuldigt (Art. 822. Abs. 2). (4)
Aus dem Grundbuchrecht ergibt sich, dass eine Eintragung, die formrichtig, aber ohne gültigen Erwerbsgrund stattgefunden hat, das dingliche Recht zur Entstehung bringt, soweit es sich um Personen handelt, die in gutem Glauben, d. h. ohne Kenntnis von diesem Mangel, und auch ohne dass sie bei gehöriger Auf­ merksamkeit den Mangel hätten merken sollen, sich auf den Eintrag, d. h. auf die Publizität des Grundbuches verlassen haben
(1) Nunmehr OR 110, Zif. 1. (2) Vgl. ZGB 846. (3) ZGB 799 bis 801. (4) Vgl. ZGB 836.
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(Art. 1015). (') Eine Folgerung aus dem im Entwurf angenommenen Verhältnis zwischen Urkunde und Eintrag ist es dann weiter, dass die gleiche Rechtskraft in gewissem Sinn auch dem Schuldbrief- und dem Gülttitel zukommt, worüber später näher zu handeln ist. Der Entwurf von 1898 hatte diesfalls der Bestimmung des Art. 792 (damals Art. 906) den Satz beigefügt, dass die Rechte des gut­gläubigen Erwerbers des Pfandtitels vorbehalten bleiben. Vgl. jetzt Art. 845 und 846. (2)
Der Errichtungsakt selbst ist beim Grundbuch geordnet. Dass nur der im Grundbuch eingetragene Grundeigentümer ein Grund­pfand grundbuchlich bestellen kann, Art. 1005, (3) bedarf der nähern Aufklärung für die Fälle von Miteigentum oder Gesamteigentum. Es würde an und für sich zur Vereinfachung viel beitragen, wenn stets nur über das ganze Grundstück ein Pfandrecht errichtet werden könnte. Für das körperliche Ganze wird das ohne weiteres als Recht angenommen werden müssen. Die Parzellenverpfändungen, wie sie in Baselstadt u. a. 0. vorgekommen sind, werden mit vollem Recht ausgeschlossen, Art. 791, Abs. 2, (4) mit Vorbehalt natürlich des Falles, wo ein Eigentümer sein Grundstück grundbuchlich parzelliert, um die alsdann mit eigenen Nummern versehenen Parzellen zu verpfänden. Aber auch eine Verpfändung nach einem Wertteil vermag nicht zu befriedigen, indem der Eigen­tümer des andern Wertteiles durch die Gläubigerrechte am Anteil seiner Mitbeteiligten doch in allerlei Verlegenheiten gebracht werden kann. Es würde sich daher fragen, ob man nicht für die Errichtung des Grundpfandes am Miteigentum, soweit es sich um die Ein­tragung in das Grundbuch handelt, die formale Zustimmung aller Miteigentümer verlangen sollte. Allein man findet anderseits doch wohl nicht ohne Grund, dass mit einer solchen Vorschrift das Recht des einzelnen Miteigentümers allzusehr beeinträchtigt würde, und lässt es daher besser bei der allgemeinen Regel be­wenden, die in Art. 793 (5) aufgenommen ist, und zwar in der Meinung, dass diese Verpfändung eines ideellen Miteigentumsanteils auch dann bestehen bleiben muss, wenn nachträglich das Grundstück in Alleineigentum kommen sollte. Anders dagegen liegen die Verhältnisse beim Gesamteigentuin. Hier sind die mehreren Eigentümer in der Art miteinander verbunden, dass sie über die Sache im Wege der Gesamthand, d. h. im Namen aller verfügen, was für die Errichtung des Grundpfandes noch besonders
(') ZGB 973. (2) Vgl. ZGB 799, wo die gesetzlichen Ausnahmen aus­drücklich vorbehalten werden, und 866 u. 867. (3) ZGB 963. (4) ZGB 797, Abs. 2. (5) ZGB 800.



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hervorgehoben zu werden verdient (vgl. Art. 793, Abs. 2, und Art. 656, Abs. 2). (1)
Die Erwerbsgründe brauchen auch beim Grundpfand nicht alle aufgezählt zu werden. Es genügt, diejenigen hervorzuheben, für die eine besondere ordnende Vorschrift als nötig erscheint. Aus diesem Grunde ist nur von der auf Grund von Vertrag und von Gesetzesvorschrift erfolgenden Grundpfanderrichtung zu sprechen, und auch dies nur mit Hinsicht darauf, wie sich die beiden Vor­aussetzungen zur dinglichen Bestellung des Grundpfandes ver­halten. Der Entwurf von 1898 hatte in Art. 908 und 909 die beiden Gründe für alle Arten des Grundpfandes, mithin unter den allgemeinen Vorschriften geordnet, während die jetzige Vor­lage sie in die Regelung der Grundpfandverschreibung verweist. Mit der jetzigen Anordnung wird für die vertragsmässige Pfandbestellung indirekt gesagt, dass Schuldbrief und Gült der vor­gängigen Errichtung eines notariellen Aktes zur Eintragung in das Grundbuch nicht bedürfen, und dass das gesetzliche Grund­pfand nur eine Pfandverschreibung und nicht Schuldbrief oder Gült sein kann. Für die gesetzlichen Grundpfänder wird diese Lösung ohne Bedenken angenommen werden. Wollte man aber für vertragliche Errichtung von Schuldbrief und Gült die öffentliche Urkunde als Voraussetzung der Eintragung beibehalten, so müsste der Art. 815 (2) wieder unter die allgemeinen Vorschriften aufge­nommen, dann aber auch bei der Regelung von Schuldbrief und Gült angemerkt werden, wie die Errichtung auf den Eigentümer selber und überhaupt ohne Verpfändungsvertrag zu erwirken sei, ob auf Grund blosser Erklärung des Eigentümers oder auch hier mit vorgängiger Aufsetzung einer öffentlichen Urkunde. Im übrigen haben wir von den Gründen, die für die öffentliche Beurkundung als Requisit der Gültigkeit des Verpfändungsvertrages sprechen, schon oben bei den allgemeinen Ausführungen gehandelt. Hervor­zuheben ist hier nur noch einmal, dass die öffentliche Beurkundung nach den Bestimmungen des Entwurfes in keinem Falle so gemeint ist, als würde die Urkunde den Pfandtitel (sei er Gült oder Schuldbrief) darstellen. Vielmehr ist für diesen eine amtliche Aus­fertigung vorgesehen, Art. 838, (3) woran auch für den Fall fest­zuhalten ist, dass bei Gült und Schuldbrief überhaupt eine vor­gängige öffentliche Beurkundung verlangt werden will. Ferner
(1) ZGB 800, Abs. 2, und 653, Abs 2. (2) Das Gesetz hat die Vorschrift, dass der Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandes zur Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung bedürfe, unter die allgemeinen Bestimmungen ge­stellt, Art. 799, Abs. 2. (3) ZGB 857.



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versteht es sich von selbst, dass der Grundbuchverwalter über die eingereichte öffentliche Urkunde Kontrolle ausübt. Gefälschte Unter­schriften darf er, wenn sie ihm erkennbar sind, in keinem Falle passieren lassen. Ebenso wird er die Ausweise über Vollmacht und gesetzliche Vertretung nach allgemeinen Vorschriften vor­gelegt verlangen müssen, wogegen über die Realität der Parteibehauptungen, ob Zahlungen, die im Vertrage angegeben sind, auch wirklich erfolgt seien, oder in anderer Beziehung ob eine Simu­lation vorliege u. dgl., von ihm eine Prüfung nicht zu verlangen ist. Alle diese Regeln über die Stellung des Grundbuchverwalters zur Grundlage der Eintragung fallen unter die Obliegenheiten, die im allgemeinen dem Grundbuchverwalter zugewiesen werden (vgl. Art. 1008 ff.) (1)
Über den Errichtungsgrund der gesetzlichen Vorschrift werden wir im übrigen nach den angeführten Erwägungen bei der Grund­pfand verschreibung, Art. 822 bis 825, (2) einlässlicher zu sprechen haben.
Wir haben uns endlich gefragt, ob der Entwurf nicht einen dritten Errichtungsgrund anerkennen sollte, in Gestalt des gericht­lichen Urteils. Doch muss darüber Klarheit bestehen, was unter der gerichtlichen Hypothek zu verstehen wäre. Das französische Recht spricht von einer solchen in dem Sinne, dass der Gläubiger, dem seine Forderung gerichtlich zugesprochen worden ist, ein Recht hat, seinen Anspruch durch Errichtung einer Hypothek auf ein Grundstück des Schuldners sicher zu stellen, C. c. f. Art. 2117, 2123 und Schweiz. PR III, S. 531. In dieser Form stellt die gerichtliche Hypothek sich als eine Reminiszenz an das alte Institut dar, wonach Forderungen, die irgendwie gerichtlich bekannt oder anerkannt oder zugesprochen waren, vor andern einen Vorrang beanspruchen konnten, vgl. Schweiz. PR IV, S. 826 und 837. Das moderne Recht und speziell auch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs kennt keine solche Bevorzugung mehr. Keine besondern Interessen fordern, soviel wir sehen, diese Begünstigung, wie sie denn auch in den schweizerischen Nach­ahmungen des französischen Rechts nur vereinzelt und mit starken Einschränkungen Aufnahme gefunden hat. Vgl. Schweiz. PR III, S. 532. Wir könnten also die gerichtliche Hypothek in dieser Bedeutung nicht zur Aufnahme empfehlen. Nun spricht man aber von gerichtlicher Hypothek auch in dem Sinne, dass man darunter den Anspruch versteht, wonach ein Gläubiger, der arrestberechtigt
(') Vgl. ZGB 965 ff. (2) ZGB 836 bis 841.



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ist, anstatt die Liegenschaft mit Arrest zu belegen, ein Grundpfand auf sie eintragen lassen kann, eine Arresthypothek, die an und für sich nicht unbillig ist, aber unseres Erachtens sich in das System des eidg. Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes nicht leicht einfügen liesse. Die Konkurrenz mit andern Gläubigern würde hier offenbar Schwierigkeiten bereiten, ohne dass dringende Gründe eine solche Begünstigung des Gläubigers, wie sie in der Arresthypothek gegeben wäre, zu rechtfertigen vermöchten. Wir halten daher auch diese Art von gerichtlichem Grundpfand nicht für empfehlenswert. Was der Gesetzgeber auf diesem Wege fin­den Gläubiger im Sachenrechte tun kann, ist im Grundbuchrecht mit der Vormerkung des Art. 1003 (1) vorgesehen worden. Sonach bleibt das gerichtliche Grundpfand für uns nur noch in einem letzten Sinn zu erwägen, wonach nämlich der Richter in einem speziellen Fall dem Schuldner die Sicherheitsleistung in Gestalt der Errichtung eines Grundpfandes auferlegen kann. Die Vor­schrift würde dann etwa lauten: „Durch richterliches Urteil kann einem Gläubiger das Recht auf Eintragung eines Grundpfandes auf eines oder mehrere bestimmte Grundstücke seines Schuldners zugesprochen werden." In diesem Sinne wäre die Vorschrift un­verfänglich, aber auch unnötig, denn mit Recht haben die Experten gefunden, diese Befugnis des Richters verstehe sich von selbst. Der Entwurf ist daher dazu gekommen, von jeder Erwähnung eines richterlichen Grundpfandes abzusehen und es bei der Auf­führung der zwei Errichtungsgründe: Vertrag und Gesetz, be­wenden zu lassen.
In bezug auf das Verhältnis der Eintragung zu dem Errichtungsgrund haben wir noch eine letzte Vorschrift hier anzu­führen. Das Rechtsgeschäft gibt dem Erwerbenden in jedem Falle nur einen persönlichen Anspruch gegen den Eigentümer, dass er in die Belastung einwillige, und zwar in der Art, wie das Grundbuch es vorsieht, wonach der Eigentümer angehalten werden kann, diese Belastung vorzunehmen, indem es doch immer der Eigentümer ist, der beim Rechtsgeschäft die Eintragung verfügt (Art. 1005, Abs. 1). (2) Dagegen verschaffen das Gesetz und ebenso das richterliche Urteil, soweit es in dem angeführten Sinne in Be­tracht fällt, zwar auch nur ein Recht auf Eintragung und nicht das dingliche Recht selbst. Allein das Recht auf Eintragung ist in diesem Falle doch nicht der blosse persönliche Anspruch gegen den Eigentümer, der ja kein Recht hat, die Eintragung zu ver-
(') ZGB 960, Zif, 1. (2) ZGB 963, Abs. 1.



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weigern, sondern es bedeutet ein Recht, das der Grundbuchverwaltung direkt die Pflicht auferlegt, die Belastung auf Begehren des Berechtigten vorzunehmen (Art. 1005, Abs. 2). (') Man könnte allerdings sich fragen, ob nicht auch in dem Falle des gesetz­lichen Anspruchs, wie des richterlichen Urteils, in erster Linie das Begehren sich gegen den Eigentümer richten sollte, so dass erst im Weigerungsfalle die Eintragung von Amtes wegen als Exekutions­massregel erwirkt werden dürfte. Allein es scheint uns, dass der Rechtsgang durch eine solche Anordnung unnötig erschwert würde. Nur insofern darf den Interessen des Eigentümers allerdings ent­gegengekommen werden, dass verfügt wird, der Grundbuchver­walter habe die Eintragung dem Eigentümer mitzuteilen und diesem bleibe das Recht, die Eintragung gerichtlich anzufechten, vorbehalten (Art. 1011). (2) Hiermit scheint uns dann aber alles Nötige getan, um eine Begründung des dinglichen Rechtes sowohl mit der erforderlichen Garantie für den Eigentümer, als auch mit dem in solchen Fällen oft sehr wünschenswerten schnellen Verfahren auszurüsten.
Wie nun aber, wenn aus dem Errichtungsgrund, z. B. einem Ehevertrag zugunsten der Ehefrau, Anspruch auf ein Grund­pfand an einem Grundstück gegeben wird, das erst später in das Eigentum des Pflichtigen kommt? Die Antwort auf diese Frage geht nach der Grundlage des Entwurfes einfach dahin, dass der Berechtigte seinen Anspruch erst geltend machen kann, wenn das Grundstück zum Eigentum des Pflichtigen geworden ist, vor­ausgesetzt natürlich, dass nicht etwa der Anspruch bereits gegen den früheren Eigentümer erhoben werden könnte. Der Entwurf von 1898 hatte diesen Fall in Art. 913 vorgesehen, bei den seit­herigen Beratungen wurde dann aber die Vorschrift für entbehrlich erachtet und gestrichen. Andere Möglichkeiten, wie beispielsweise der Fall der irrtümlichen Annahme von Eigentum seitens des Pflichtigten oder des Berechtigten, brauchen im Entwurf nicht berücksichtigt zu werden. Sie erfahren ihre Lösung aus andern Vorschriften, insbesondere aus der Kraft des persönlichen Bandes, das den Anspruch begründet. Für die Errichtung des Grundpfandes selbst schafft hierbei das Grundbuch eine formal durchaus zuver­lässige Regel, indem in allen Fällen, wer als Eigentümer einge­tragen ist, die Belastung vornehmen kann, aber auch nur der Eingetragene mit einer belastenden Verfügung zugelassen wird.
II. Der Untergang des Grundpfandes. Art. 794. (3) Der Untergang des Grundpfandes kann der Errichtung ganz parallel geordnet
(1) ZGB 963, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 969. (3) ZGB 801.



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werden. Insbesondere werden auch hier, entsprechend dem Errichtungsgrund und der Eintragung, der Untergangsgrund und die Löschung unterschieden werden müssen, mit der Folge, dass nicht schon der Untergangsgrund den Untergang herbeiführt, sondern erst die Löschung des Eintrages im Grundbuch. Nur in einem Fall muss eine Untergangswirkung ohne Löschung angenommen werden: beim Untergang des Grundstückes selbst, worunter aber nur der vollständige Untergang, wie z. B. durch Bergsturz, ge­meint sein kann. Dabei ist aber zu beachten, dass die Löschung des Eintrages den Rechten der gutgläubigen Erwerber von Schuld­briefen oder Gülten nicht schädlich sein darf, indem ihnen die aus diesen Grundpfandarten zugesicherten Rechte vorbehalten bleiben, vgl. Art, 843. (1)
Das Verhältnis der Untergangsgründe zur Löschung wird in dem Sinne geordnet, dass aus dem Untergangsgrund, sei es Rechts­geschäft, Tilgung der Forderung oder ein anderes, der Eigentümer ein Recht auf Löschung des Eintrages erhält und zwar in dem Sinne, dass er den Berechtigten anhalten kann, zur Löschung seine Zustimmung zu geben. Doch halten wir es nicht für nötig, diesen Satz als allgemeine Vorschrift auszusprechen, sondern lassen es dabei bewenden, für die einzelnen Arten des Grundpfandes die nötigen besondern Vorschriften auszusprechen, vgl. Art. 816 ff. und 842 f. (2) Eine Ausnahme von der Regel, entsprechend den Pfand­errichtungen auf Grund von richterlichem Urteil oder Gesetzes­vorschrift, scheint beim Untergang nicht nötig zu sein. Fällt also der Grund weg, aus dem das Gesetz das Grundpfand zur Ent­stehung kommen liess, so soll auch in diesem Falle die Befreiung durch den Eigentümer gegen den Berechtigten geltend gemacht werden. Wollte man für diesen Fall eine dem Abs. 2 des Art. 1005 (3) entsprechende Vorschrift aufstellen, so müsste gesagt werden, dass der Eigentümer, sobald die Gesetzesvorschrift weggefallen sei, die Löschung anordnen könne, ohne der in Art. 1006 (4) vorgesehenen Zustimmung des Berechtigten zu bedürfen. Anders verhält es sich natürlich mit jenen kantonalen gesetzlichen Pfandrechten, die nach Art. 822, Abs. 2,(5) ohne Eintragung wirksam sind, indem hier selbst­verständlich der Untergangsgrund unmittelbar das Pfandrecht tilgt. Doch wird man auch hier eine Vorschrift im Entwurf nicht ver­missen. Hinzuweisen ist nur noch darauf, dass ausnahmsweise die Gesetzgebung einen Untergang anordnen kann, der ohne Not­wendigkeit der Einwilligung des Berechtigten unmittelbar zum
(') ZGB 864. (2) Vgl. ZGB 826 ff., 863 f. (3) ZGB 963. (4) Vgl. ZGB 964, der nur die Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Personen ver­langt. (5) ZGB 836.



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Verlangen der Löschung im Grundbuch berechtigt. Man denke an die zwangsweise Befreiung von Grundlasten, Grundpfändern u. dgl. zu Zwecken des öffentlichen Wohles. Allein hier wird die andere Meinung der Rechtsvorschrift sich eben, wo sie vorliegt, der Regel mit genügender Klarheit als eine Ausnahme anfügen.
Betreffend die Stellung des Eigentümers der Pfandsache, der nicht Schuldner ist, und seine Befugnis, die Schuld abzulösen, und die darauf eintretende Subrogation des zahlenden Eigentümers ist auf Art. 818 und 827, Abs. 3,(1) zu verweisen, wonach der Grund­eigentümer, der nicht Schuldner ist, das Pfandrecht unter den gleichen Voraussetzungen ablösen darf, unter denen der Schuldner zur Tilgung der Forderung befugt ist.
Was endlich das Recht der Grundpfandgläubiger auf den Er­satz anbelangt, der aus irgend einem Grunde dem Eigentümer für ­den ganzen oder teilweisen Untergang des Pfandgegenstandes zu­teil wird, so verweisen wir diese Regeln in die Ordnung der Befriedigung aus dem Pfande, vgl. insbesondere Art. 811. (2)
C. Die Wirkungen des Grundpfandes. I. Umfang des Gläubiger­ rechtes, Art. 795. (3) Die Grundregel bietet hier keine Schwierigkeit. Das Grundpfand erstreckt sich auf das belastete Grundstück mit Einschluss aller Bestandteile und Zugehör. Sobald man nun aber diese Ausdehnung näher ins Auge fasst, so treten zahlreiche Schwierigkeiten auf, die auch dem überlieferten Rechte nicht un­bekannt sind (s. Schweiz. PR III, S. 573 ff.). Der Entwurf unter­scheidet die Bestandteile, die Zugehör und die Früchte oder Er­trägnisse. Vgl. Art. 645 bis 648. (4) Die Bestandteile gehören ohne weiteres zum Pfandgegenstand, die Zugehör aber kann verschieden behandelt werden, und ebenso gehen auch die Ansichten über das Recht des Pfandgläubigers an den Früchten oder Erträgnissen der Pfandsache sehr auseinander. Vgl. Schweiz. PR III, S. 576 ff.
Wir haben betreffend Zugehör oben bei Art. 647 und 648(5) näher angegeben, wie diese nach dem Entwurfe für den Fall der Verpfändung behandelt werden soll: Auch ohne jede besondere Erwähnung gilt sie als in der Pfandhaft stehend, allein im Falle der Bestreitung hat der Ansprecher dafür den Beweis zu erbringen, was als Zugehör ihm zu haften habe. Diese an sich gegebene Folge des gesetzlichen Verhältnisses vermag jedoch dadurch den
(') Das Gesetz überlässt die Einführung dieser Ablösung den Kantonen, Art. 828 ff. u. 845 f. (2) Vgl. ZGB 822. (3) Vgl. ZGB 805. Das Gesetz fügt in Art. 806 eine Vorschrift an betreffend Erstreckung der Pfandhaft auf Miet- und Pachtzinse. (4) ZGB 642 bis 645. (5) ZGB 644 u. 645, oben S. 65, Anm. 2 und S. 66, Anm. 1 f.



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Bedürfnissen des Verkehrs entsprechend abgeändert zu werden, dass die Zugehörstücke bei der Verpfändung namentlich angeführt und im Grundbuch angemerkt werden. Dann gelten die so ge­nannten Gegenstände als Zugehör, solange nicht vom Gegner dar­ getan wird, dass ihnen nach der gesetzlichen Umschreibung oder der Meinung des Vertrages die Zugehörqualität nicht zukommen könne, (') und überdies dürfen auch bei diesem Vorgehen die Rechte Dritter an der Zugehör nicht verletzt werden. So wird der Eigen­tümer einer Maschine, die als Zugehör auf einem nicht ihm ge­hörigen Grundstück angebracht ist, indem er beispielsweise die Maschine dem Käufer unter Eigentumsvorbehalt übergeben hat, auf sein Eigentum sich berufen können, soweit nicht in gutem Glauben das Grundpfandrecht daran erworben worden ist. (2) Der Entwurf hat hierüber freilich keine Bestimmung aufgestellt, allein es versteht sich von selbst, dass der Grundpfandgläubiger einem solchen Eigentumsvorbehalt gegenüber den gleichen Schutz bean­spruchen kann, wie ein Faustpfandgläubiger. Der Eigentümer hat die Sache dem Grundeigentümer anvertraut und muss infolge hier­ von sein Recht verlieren, wenn das Pfandrecht an der Maschine für einen andern rechtsgültig und gutgläubig begründet worden ist. Vgl. Art. 976. (3) Ebenso muss das Recht des Grundpfand­ gläubigers der Fahrnisverschreibung, die an dieser Maschine be­stellt sein kann, vorgehen, sobald ersteres im guten Glauben er­ worben ist, vgl. Art. 885, Abs. 1,(4) wogegen die Bestellung eines Faustpfandes an diesem Gegenstand, sobald sie in gutem Glauben erfolgt ist, dem Grundpfandrecht vorgeht, Art. 885, Abs. 2. (5) Wird aber Eigentum mit Besitzesübergabe für einen Dritten an der Maschine begründet, so entzieht dies den Gegenstand dem Grundpfandrecht, vorausgesetzt wieder, dass der Dritte sich in gutem Glauben befinde. Nicht als gutgläubig könnte aber offenbar der Erwerb gelten, durch den die Pfandsache im Sinne des Art. 797 im Werte vermindert worden wäre, wovon wir jedoch schon bei Art. 647 und 648 gesprochen haben. (6)
Andere Schwierigkeiten bereiten die Früchte und Erträgnisse. Es ist auch bei uns vielfach überliefert, dass die Pfandgläubiger auf den Ertrag eines Grundstückes ein besonderes Recht erhalten, in dem Sinne, dass die Früchte, auch wenn sie selbständige Sachen
(') Art. 805, Abs. 2, sagt ersteres ausdrücklich. (2) Vgl. nun aber die Publizität des Eigentunisvorbehalts gemäss ZGB 715. (3) Vgl. ZGB 933. (4) Die Fahrnisverschreibung ist in diesem Umfang dem Gesetz unbekannt, eine dem Art. 885 entsprechende Vorschrift daher in das Gesetz nicht auf­ genommen. (5) Vgl. die vorige Anmerkung. (6) Vgl. ZGB 808 und oben S. 68, Anm. 3.



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geworden sind, weil aus dem Pfandgegenstand gewonnen, verhaftet erscheinen. Vgl. insbesondere das Recht auf den „Blumen", Schweiz. PR III, S. 576 ff, und IV, S. 809. Schwierig ist dann nur die Bestimmung der zeitlichen und sachlichen Grenze, bis zu der die Haftung fortdauern soll. Während einige Rechte sogar das Vieh von der Pfandhaft ergriffen sein lassen, das den Blumen frisst, be­endigen andere mit dem Wegbringen der Früchte von dem Pfand­gegenstand auch die Pfandhaft. Endlich wird in betreff der andern Erträgnisse, Zinse und Gefälle, hie und da eine ähnliche Ausdeh­nung der Rechte des Gläubigers angenommen. Vgl. die kantonalen Rechte, die dieser Ausdehnung folgen, in dem Kommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz von Jäger bei Art. 94. Allein alle diese Abgrenzungen erweisen sich bei näherer Prüfung bald so, bald anders als von misslichen Folgen begleitet. Das blosse Wegbringen vom Grundstück ist ein zu äusserliches Merk­mal, die Entfernung zur Aufspeicherung oder zum Verkauf zu unbestimmt, zu unsicher, und immer wird man einwenden können, dass der Gläubiger ja doch in einem bestimmten Moment seine Rechte verlieren müsse, da nun einmal die Früchte wirtschaftlich zur Verselbständigung bestimmt sind und nicht ewig in der Pfand­haft bleiben können, in der sie als Teile des Grundstückes ge­standen haben.
Bei den Miet- und Pachtzinsen ist zu unterscheiden: Ist das Nutzungsrecht dinglich begründet durch Eintrag im Grundbuch, so wird einfach das ältere Pfandrecht dem Jüngern Nutzungsrecht gemäss Art. 803 (1) vorgezogen oder der Anspruch auf die Gewin­nung der Früchte dem Anspruch des Gläubigers auf Sicherung aus den noch nicht getrennten Früchten hintangestellt, und Sache des Nutzungsberechtigten ist es alsdann, sich darüber mit dem Eigentümer auseinanderzusetzen. Ist aber die Berechtigung nur persönlich begründet, so steht dein Berechtigten nur der persön­liche Anspruch gegen den Vermieter oder Verpächter zu, und der Grundpfandgläubiger kann anstandslos auf die Erträgnisse greifen, soweit sie Teile des Grundpfandes sind, also bei der Pacht auf die ungetrennten Früchte und bei der Miete auf den Gegenstand in seinem ganzen Eigentumswert, also mit Einschluss seiner Ver­wertungsmöglichkeit. Endlich kann gegenüber einem ältern ding­lichen Nutzungsrecht der jüngere Pfandgläubiger sich über eine Benachteiligung deshalb nicht beklagen, weil er das Vorgehen jenes Rechtes bei der Begründung seines Grundpfandes aus dem Grundbuch hat ersehen können.
(') ZGB 812, Abs. 2 u. 3.



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Von solchen Überlegungen aus erscheint es als die sicherste und einfachste Ordnung, wenn man sich gar nicht durch die Rück­sicht auf Früchte und Erträgnisse von dem Grundsatz ablenken lässt, dass dem Gläubiger einzig und allein ein Recht auf das Grundstück oder den liegenschaftlichen Wert zukommt Dieser Wert bestimmt sich nach der Ertragsfähigkeit im allgemeinen und nicht nach den Früchten, die gerade ausgesäet sind oder in Reife stehen. Auf die Früchte des einzelnen Jahrganges soll der Gläu­biger überhaupt gar nicht speziell angewiesen sein, sondern auf die Ertragsfähigkeit im ganzen. Allerdings muss sich der Eigen­tümer bei dem Satze behaften lassen, dass das Grundstück in seinem jeweiligen Zustand dem Gläubiger zu haften habe. Er kann nicht, wie der Pächter, wenn er das Gut abgeben muss, für die ausstehende Saat eine Entschädigung oder Anrechnung verlangen. Aber es ist eine Übertreibung der Gläubigerrechte, wenn man den Anspruch des Pfandgläubigers auch auf die Früchte ausdehnt, die nicht mehr zum Grundstück gehören. Der Entwurf lässt es daher bei der Vorschrift bewenden, dass das Grundpfand das Grund­stück in seinem jeweiligen Zustand erfasst, also auch die Früchte, so lange sie auf dem Grundstück stehen, d. h. nicht getrennt sind, und ebenso auch andere Erträgnisse, so lange sie aus dem Grund­stück erlangt werden können, dass aber die Pfandhaft aufhört, sobald der Eigentümer die Früchte als selbständige Sachen in sein Eigentum bekommen oder der Pfandgläubiger mit einem seinem Rechte vorgehenden dinglichen Anspruch zu rechnen hat. Für diese Ordnung genügt die Vorschrift des Art. 646. (1) Die Regelung des Verfahrens bei der Pfandverwertung wird durch das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz getroffen und in den Über­gangsbestimmungen näher geordnet werden müssen.
Mit diesem Vorschlag schliessen wir uns denn auch der Mehr­zahl der geltenden Grundpfandrechte an, die gar keine besondere Bestimmung über die Früchte der Pfandsache aufgestellt haben, vgl. Schweiz. PR III, S. 576. Man nimmt dabei regelmässig an, dass der Gläubiger, sobald er sich gefährdet sieht, sich entweder des Mobiliarpfandes am Pachtzins oder der Pfändung der stehen­den Früchte bedienen werde. Denn Veräusserung oder Verpfän­dung und Pfändung, wie sie vor der Trennung an den Früchten bereits stattfinden darf, stehen auch dem Grundpfandgläubiger zu Gebote und zwar nach der Regel, dass eventuell sein Recht dem Jüngern des Erwerbers oder Mobiliarpfandgläubigers vorgeht, oder also, dass für den Zeitpunkt der Trennung der Früchte auch der
(') ZGB 643.



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Grundpfandgläubiger sich ein Mobiliarpfand sichern kann, dem die andern, jüngern Pfandrechte nachgehen. Wollte man über dieses hinaus dem Grundpfandgläubiger ein Pfändungsvorrecht einräumen. so würde auch hiervon im Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz zu handeln sein, oder dieses durch die Einführungsbestimmungen zum Zivilgesetzbuch entsprechend abgeändert und ergänzt werden müssen. Ebenso verhält es sich mit der in neuerer Zeit mehrfach angeregten Vorschrift, dass die Früchte und Erträgnisse vom Tage der Pfändung oder des Konkursausbruches an vorweg zur Deckung der Grundpfandzinse verwendet werden sollten. Wir würden es hier wiederum nicht mehr mit einer Folge der Pfandhaft, sondern mit einem Exekutionsvorrecht zu tun haben, das seine Regelung in dem angeführten Zusammenhang zu erfahren hätte.
Diese Lösung der Frage gestattet uns schliesslich, für Zugehör, Früchte und Erträgnisse die zusammenfassende Regel in Abs. 1 des Art. 795 (') aufzustellen, wonach das Grundpfand sich auf die Bestandteile (mit Einschluss der Früchte) und die Zugehör des Pfandgegenstandes erstreckt, so lange sie die Eigenschaft von Bestandteil oder Zugehör haben. Gegenüber der Gefahr einer nicht der ordentlichen Wirtschaft entsprechenden Nutzung am Grund­stück, wie z. B. Kahlschlag eines Waldes, der verpfändet ist, oder Veräusserung unentbehrlicher Zugehör, Abtrennung von Bestand­teilen u. a., muss und kann dem Gläubiger die Regel des Art. 797 (2) Hilfe leisten, da es sich doch in allen diesen Fällen, sobald sie fin­den Gläubiger einige Bedeutung haben, sicherlich um eine Ver­schlechterung des Grundpfandes handeln wird. Unter Umständen wird der Gläubiger sich mit Erfolg auch darauf berufen können, dass die Sache nach Art. 647 (3) trotz ihrer Wegführung nach der eigentlichen Meinung des Eigentümers gar nicht aufgehört habe, Zugehör zu sein, so dass ihre Pfandhaft zugunsten des Grund­pfandgläubigers weiter dauert.
II. Verjährung, Art. 796. (4) Entsprechend den überlieferten kan­tonalen Rechten — nur Genf hat in seiner Vernehmlassung sich gegen den Ausschluss der Verjährung ausgesprochen — und der Ordnung, die das Obligationenrecht beim Faustpfand aufstellt (siehe Art. 146, Abs. 2),(5) wird in Art. 796 (6) der Ausschluss der Verjährung bei Forderungen verfügt, für die ein Grundpfand be­stellt ist Immerhin besteht dann gegenüber der Ordnung des
(') Vgl. ZGB 805, dem jedoch der oben S. 248, Anm. 3 zitierte Art. 806 beigefügt worden ist und zwar schon im Entw. d. BE, Art. 795. (2) ZGB 808 f. (3) ZGB 644. (4) ZGB 807. (5) Vgl. nunmehr in anderer Abgrenzung OR 140. (6) ZGB 807.



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zitierten Art. 146, Abs. 2, (') noch die Verschiedenheit, dass beim Mobiliarpfand die Verjährung nur insoweit ausgeschlossen wird, als die Forderung durch das Pfand gedeckt ist, während beim Grundpfand die Existenz dieser Belastung überhaupt die Verjährungseinrede ausschliessen soll. Dort also kann der Schuldner die Verjährung schon geltend machen, aber sie nützt ihm nichts, so­weit der Wert des Pfandes bei der Pfandverwertung den Gläubiger deckt. Hier dagegen wird er überhaupt mit der Einrede der Verjährung nicht gehört. Auch abgesehen davon, dass die Ordnung, wie sie das Obligationenrecht aufstellt, vielleicht doch für das Mobiliarpfand gleichfalls besser anders gefasst würde, lässt sich gewiss dieser Unterschied zwischen Mobiliarpfand und Grundpfand wohl begründen. Das Grundpfand, namentlich in Gestalt des Schuldbriefes und der Gült, stellt ganz anders auf den Wert des Pfandgegenstandes ab, als dies bei Mobiliarpfändern der Fall zu sein pflegt. Ferner übt die Errichtung eines Grundpfandes auf die Gestalt der Forderung eine Wirkung aus — zum mindesten durch den Zwang, diese zu spezialisieren — wie sie beim Mobi­liarpfand nicht gegeben ist. Und dann darf auch berücksichtigt werden, dass die Liquidation eines Grundstückes von ganz anderer Tragweite ist, als die Verwertung einer beweglichen Sache. Die Vorschrift des Art. 796 (2) scheint also sicherlich für die Grund­pfandforderungen in der vorgeschlagenen Fassung sich vollständig zu rechtfertigen.
Andere Vorschriften für die Gestaltung der Schuldpflicht aus der Wirkung des Grundpfandes heraus wurden nicht für nötig erachtet. Es konnte sich etwa noch um drei Fragen handeln, die in diesem Zusammenhang eine direkte Antwort hätten erfahren können.
Einmal würde es gewissen Ansätzen in der kantonalen Ent­wicklung, in Gesetzesvorschriften weniger als in der Gerichtspraxis, entsprechen, wenn man aus der Errichtung des Grundpfandes oder also der Eintragung des Grundpfandes für eine Schuld des Eigen­tümers des belasteten Grundstückes eine Vermutung für den Be­stand der Schuld in der Höhe des eingetragenen Betrages ableitete. So würde dies beispielsweise bei der Kreditversicherung anzu­nehmen sein, ebenso bei Darlehen usw. Bei näherer Prüfung erscheint es aber doch als richtiger, diesfalls auf die allgemeinen Rechtsregeln abzustellen. Denn wo diese Wirkung wirklich sich rechtfertigen liesse, finden wir sie auf anderem Wege ohnedies
(') Vgl. nunmehr OR 140. (2) ZGB 807.



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anerkannt, wie bei der Novationswirkung, die mit der Errichtung ­eines Schuldbriefes oder einer Gült gemäss Art. 836 (1) des Ent­wurfes eintritt, oder bei der besondern Wirkung, die Schuldbrief- und Gülttitel als Wertpapiere für sich in Anspruch nehmen. Aus dieser Erwägung wird die Aufstellung der genannten Vermutung wohl besser unterlassen.
Ebenso erscheint eine Hinweisung auf die besondern Verhält­nisse, wie sie bei der Pfandbestellung für einen Höchstbetrag bei schwankender Forderung gegeben sind, als wohl entbehrlich, so dass der Gläubiger auch hier aus der Bestellung des Grundpfandes selbst sein Forderungsrecht nicht zu beweisen vermag, sondern in jedem Falle mit besondern Beweismitteln wird dartun müssen, wie hoch sich in Wirklichkeit sein Forderungsrecht belaufe, immerhin wiederum unter Vorbehalt der Rechte aus Gült und Schuldbrief.
Fraglich war endlich auch noch, ob hier einige Vorschriften über das Verhältnis der Schuld zum Pfandrecht eingefügt werden sollten. Der Entwurf hat davon Umgang genommen, sagt also nichts über das Verhältnis von Forderungsrecht und Pfandrecht im Falle der Abtretung der Forderung. Das Pfandrecht ist als Nebenrecht der Forderung ohne weiteres an das Schicksal der letztern gebunden, so weit nicht für Schuldbrief und Gült besondere Regeln aufgestellt sind, und eine Übertragung des Pfandrechts ohne die Forderung erscheint mit Vorbehalt der Subrogationsfälle, Art.817,(2) und der eigentümlichen Wirkung der leeren Pfandstelle als ausgeschlossen. Auch in betreff der Einreden des Schuldners lassen wir es bei den allgemeinen Regeln bewenden und stellen nur für den Schuldbrief und die Gült in Art. 851 (3) eine besondere Beschränkung auf, mit der Wirkung, dass für die Grundpfandverschreibung das gewöhnliche Recht massgebend bleibt.
III. Sicherungsbefugnisse, Art. 797 bis 802. (4) Das überlieferte Recht gibt dem Gläubiger während des Bestehens des Schuldverhältnisses die Befugnis, zu seiner Sicherung Sorge zu tragen, vgl. Schweiz. P. R. III, S. 580 ff., und zwar in erster Linie mit einem Anspruch auf Abzahlung, falls nicht Sicherstellung durch entsprechende Erhöhung der Sicherheiten erfolgt, sobald der Pfandgegenstand verschlechtert wird. Diese Regel haben wir dadurch erläutert, dass, der bisherigen Praxis entsprechend, bei drohendem Fort­schreiten der Verschlechterung dem Gläubiger das Recht gegeben wird, verhältnismässige Abzahlung oder Sicherstellung zu ver-
(') Vgl. ZGB 855. (2) ZGB 827. (3) ZGB 872. (4) Vgl. ZGB 808 bis 811.



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langen, Art. 798, (1) und ferner soll der Gläubiger, wenn seinem Verlangen überhaupt nicht binnen richterlich festzusetzender Frist entsprochen wird, die sofortige Abzahlung der ganzen Schuld bean­spruchen können, Art. 799. (2) Im weitern hielten wir es für emp­fehlenswert, in einem besondern Artikel zu sagen, was unter Wertverminderung zu verstehen sei, Art. 800, (3) wobei aber in Art 801 (4) die vielumstrittene Frage, ob der Gläubiger seine Sicherungsbefugnisse auch dann geltend machen könne, wenn die Wertverminderung am Pfandgegenstand ohne jede Schuld des Eigen­tümers, z. B. infolge einer Liegenschaftskrisis eingetreten sei, aus­drücklich in verneinendem Sinne beantwortet wird. Immerhin muss der Gläubiger dann doch die Befugnis haben, seinerseits zweckdienliche Vorkehrungen zur Bekämpfung der ungünstigen Einflüsse, wie z. B. Trockenlegung bei drohenden Rutschungen, zu treffen, und wenn ihm für die Kosten solcher Massregeln alsdann eine Pfandsicherung wie für seine Hauptforderung zugestanden wird, so entspricht dies dem allgemeinen Grundsatz, der in Art. 810 (5) aufgestellt ist, und den wir bei dessen Begründung näher zu besprechen haben, vgl. Art. 801, Abs. 2.(6)
Daran muss sich für den Gläubiger und sein Recht ein zweiter Fall reihen, der Fall der Zerstückelung des belasteten Grund­stückes. Aber hier konnte der Entwurf im allgemeinen zu einer einheitlichen Regelung der Gläubigerrechte für alle Grundpfandarten sich nicht entschliessen, und deshalb ist die Antwort unter den allgemeinen Vorschriften, wie wir bereits oben hervorgehoben haben, weggelassen worden. Allein nun gibt es doch Fälle, wo die Zerstückelung in einer Gestalt auftritt, die die Behandlung der Sache nach den besondern Gült- und Schuldbriefregeln nicht wohl zulässt, vielmehr nach einer Analogie zur Verschlechterung dringend verlangt, wenn es sich nämlich um die blosse Abtren­nung eines verhältnismässig kleinen Stückes vom Unterpfand, etwa zur Abrundung gegenüber dem Nachbar oder dergleichen, handelt. So fanden wir es für angezeigt, in Anlehnung an bereits bestehendes Recht, Schweiz. PR III, S. 584 ff., hierfür eine beson­dere Vorschrift aufzustellen, wonach der Gläubiger die Entlassung des abgetrennten kleinen Stückes aus der Pfandhaft nicht ver­weigern darf, wenn für seine Sicherheit sonst genügend gesorgt ist, Art. 802. (7)
(') Vgl. ZGB 809, Abs. 2 u. 3. (2) Das Gesetz hat diese Bestimmung nicht aufgenommen, vgl. Art. 809, Abs 3. (3) Auch diese Bestimmung fehlt im Gesetz. (4) Vgl. ZGB 810, der in Abs. 1 für den Fall einen Vorbehalt macht, wo der Eigentümer für den Schaden gedeckt wird. (5) ZGB 819. (6) ZGB 810, Abs. 2. (7) Vgl. ZGB 811.



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In diesem Zusammenhang mussten wir uns endlich auch noch fragen, ob nicht der Fall der Vereinigung mehrerer Grundstücke unter den allgemeinen Vorschriften geregelt werden sollte. Man könnte hierbei an die Bestimmung denken: „Wird ein Grundstück ganz oder teilweise grundbuchlich mit einem andern vereinigt, so bleiben die Grundpfänder auf den Teilen in dem Sinne bestehen, dass die Pfandverwertung für das ganze erfolgt, der Erlös aber auf die Pfänder im Verhältnis des Schatzungswertes der ursprüng­lichen Teile verteilt wird." Allein eine solche Vereinigung, die nicht nur wirtschaftlich, sondern im Grundbuch erfolgen würde, mit Löschung der ursprünglichen Parzellen-Nummern oder durch Veränderung der Eintragungen von Inhalt und Grenzen des Grund­stückes, ist einmal ein seltenes Ereignis. Sodann wird vorkommendenfalls die Lösung auch ohne besondere Vorschrift, wo die Verhältnisse nicht anderweitig klargelegt worden sind, in dem beschriebenen Sinne erfolgen müssen, da ein anderer Ausgleich leicht die billige Bücksicht auf alle Beteiligten verletzen würde. Endlich ist es auch nicht Aufgabe des Gesetzes, eine Verwicke­lung der Verhältnisse dadurch zu begünstigen, dass es sie noch besonders ordnet. Aus diesen Erwägungen konnten die Experten einer solchen Regelung nicht beipflichten. Man fand, dass viel wünschenswerter als die gesetzliche Regelung dieser Verhältnisse geradezu der Zwang erscheinen würde, bei Vornahme von solchen Vereinigungen eine Liquidation vorzunehmen, etwa in dem Sinne, dass eine Vereinigung der Teilstücke im Grundbuch nicht erfolgen dürfe, bevor die Grundpfandgläubiger ihre Zustimmung zu einer Neuordnung der Belastungen, die dem frich geschaffenen Zustand angepasst wäre, erfolgt sei. Doch halten wir auch eine solche zwingende Vorschrift nicht für geboten, in der Meinung, dass das Stillschweigen des Gesetzes die vernünftige Lösung allseitig den Beteiligten hinreichend nahelegen wird. Der Entwurf hat es daher schliesslich unterlassen, für diesen Fall der Vereinigung mehrerer belasteten Parzellen irgend eine Regel aufzustellen.
IV. Weitere Belastungen, Art. 803. (1) Ein eigentümlicher Fall der Wertverminderung kann sich in der Gestalt darbieten, dass der Eigentümer das Grundpfand mit weiteren dinglichen Rechten belastet. Die Befugnis zu solchen Belastungen muss dem Eigen­tümer gewahrt bleiben und zwar in dem Sinne, dass das Ver­sprechen, solche zu unterlassen, das er einem Gläubiger gegeben haben mag, höchstens persönliche Wirkungen auszuüben vermag,
(') ZGB 812.



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ins Grundbuch nicht eingetragen werden kann und folglich die dingliche Kraft der gleichwohl errichteten Ansprüche nicht hindert. Wie aber sollen sich diese spätem Belastungen zu den frühern verhalten? Handelt es sich um ein weiteres Grundpfand, so ist freilich die Lösung der Frage einfach, das spätere Recht geht eben dem frühern nach. Wie aber bei andern Belastungen, Dienst­barkeiten oder Grundlasten? Das geltende Recht ist in der Be­handlung dieses Falles nicht einig, bald wird er als ein beson­derer Fall der Wertverminderung angesehen, so dass bei seinem Eintritt der Gläubiger die in Art. 797 (1) beschriebenen Rechte geltend machen kann, bald umgekehrt wird er dem Fall der Errichtung weiterer Grundpfänder gleichgestellt, so dass das jüngere Recht dem altern nachgeht, dieses sich um jenes gar nicht zu kümmern braucht, vgl. Schweiz. Privatr. III, S. 583 ff. Wenn wir nun abwägen, welche dieser beiden Lösungen die vorzüglichere sei, so spricht für die letztere einmal offenbar, dass sie das Ver­hältnis der Parteien unberührt lässt, ohne doch die Beredung unter ihnen und freiwillige Anerkennung der neuen Belastung durch den altern Grundpfandgläubiger auszuschliessen. Dem Gläu­biger, der nach der erstern Ordnung sich zu strengem Vorgehen gegen den Eigentümer entschliessen müsste, weil z. B. ein Weg­recht auf das Grundstück gelegt worden ist, wird diese oft schwie­rige Entscheidung erspart, der Schuldner und Eigentümer vor der Möglichkeit einer blossen Schikane seitens des Gläubigers geschützt. Dazu kommt, dass das Grundbuchrecht das gewichtig­ste Bedenken gegen die zweite Lösung, dass nämlich das Ver­hältnis der verschiedenen Belastungen untereinander oft zeitlich und materiell unklar sei, im wesentlichen beseitigt, indem jeder­mann aus dem Grundbuch das Verhältnis der dinglichen Rechte, die es belasten, leicht entnehmen und feststellen kann, welche Lasten nach dieser Regel für jedes der eingetragenen Verhält­nisse anerkannt werden müssen und welche nicht. So erscheint uns denn diese zweite Lösung auf der Grundbuchunterlage den Vorzug zu verdienen, Art. 803. (2) Mit der Vorschrift des Art. 797 (3) vereinigt sich diese Regel aus dem Grunde ohne Schwierigkeit, weil nach dem Entwurfe kein dingliches Recht an einem Grund­stück ohne Grundbucheintrag bestehen kann, und kommt es etwa vor, dass die dingliche Belastung zugleich eine Verschlechterung in körperlichem Sinne mit sich bringen würde, z. B. Niederreissen einer Baumallee zur Begründung eines Rechtes des Nachbars auf
(1) ZGB 808. (2) ZGB 812. (3) ZGB 808.
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freie Aussicht, so stehen dann eben dem Berechtigten konkur­rierend die Wege der Art. 797 und 803 (1) zur Verfügung.
Die Konkurrenz des ältern Pfandrechts mit der jüngern Dienst­barkeit muss man sich für den Fall der Pfandverwertung mit der Wirkung ausgerüstet denken, dass der Pfandgläubiger, wenn er aus dem für das belastete Grundstück erzielten Erlös nicht gedeckt, wird, Anspruch auf die Verwertung des unbelasteten hat. Wie jetzt schon in den Rechten, die diese Ordnung besitzen, müssen mithin eventuell zwei Versteigerungen stattfinden. Ist das Ergeb­nis der beiden dasselbe, so erkennt man daraus, dass die Dienst­barkeit den Pfandgläubiger gar nicht schädigt, und kann Abs. 3 zur Anwendung bringen. Ergibt sich bei der zweiten Steigerung ein Erlös, der unter dem Ergebnis der ersten bleibt, immerhin aber über die Forderung des Pfandgläubigers hinausgeht, so fällt der Überschuss auch dann an den eventuell nachfolgenden Pfand­gläubiger, wenn diesem die Dienstbarkeit vorgegangen ist. Denn dieser Vorgang war doch auch nur mit Inbegriff der Folgen begründet, die sich aus der Nichtzustimmung des ersten Pfandgläubigers zur Dienstbarkeit für den Dienstbarkeitsberechtigten bei der Pfandverwertung ergeben konnten. (2)
Eine ganz andere Frage ist es, wie sich der Grundpfandgläubiger zur Löschung einer Dienstbarkeit stelle, die zur Zeit der Errichtung seines Pfandrechtes zugunsten des Unterpfandes bestanden hat. Man kann in der Preisgabe einer solchen Dienst­barkeit unter Umständen eine Wertverminderung erblicken und demgemäss Art. 800 (3) für anwendbar erachten. Genügenden Schutz gewährt jedoch dem Pfandgläubiger die Bestimmung des Art. 1006 und 1007 (4). Nach dieser Vorschrift gilt für die Löschung der Dienstbarkeiten im Verhältnis zu vorgehenden Rechten eine andere Regel als für die Eintragung. Die verschiedene Behandlung ist aber gerechtfertigt aus der Verschiedenheit der Voraussetzungen, unter denen Eintragung oder Löschung im Grundbuch überhaupt sollen erfolgen können.
V. Die Pfandstellen, Art. 804 bis 806. (5) Wir haben bereits oben hervorgehoben, dass der Entwurf das System der ideellen Pfandstellen aufgenommen hat und zwar für alle drei Pfandarten, für alle aber auch mit der Ausnahme, dass leere Pfandstellen bei der Pfandverwertung nicht berücksichtigt werden, so dass nach-
(') ZGB 808 u. 812. (2) Vgl. auch im Schl.t. Art. 58 (60) den Zusatz von Abs 3 zu SchKG Art. 141. (3) ZGB 808. (4) ZGB 964 u. 968. (5) ZGB 813 bis 815.



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folgende Pfandrechte in diesem Momente in die vorgehende Lücke von selbst nachrücken. Diese Ordnung ist weniger folge­richtig, aber einfacher und in der Praxis leichter zu handhaben, als diejenige, die der Entwurf von 1898 aufgestellt hatte. Nach diesem wurde zwischen den Pfandarten unterschieden. Bei Schuld­brief und Gült war die fixe Pfandstelle mit aller Konsequenz durchgeführt, also auch bei der Pfandverwertung festgehalten. Die Pfandverschreibung sollte mit ihrem rein akzessorischen Pfand­recht wie nach gemeinrechtlicher Ordnung auf das ganze Pfand­objekt gehen und zwar auch in Konkurrenz mit andern Pfand­rechten, die alle, soweit nicht die feste Pfandstelle eines Schuld­briefes oder einer Gült vorlag, in der Weise miteinander konkur­riert hätten, dass das erste vor dem nachfolgenden und dieses nur, so weit es nach Berücksichtigung des vorgehenden tatsächlich noch möglich wäre, Befriedigung erfahren konnte. Wäre bei dieser Ordnung ein vorhergehendes Pfandrecht weggefallen, so würde das nachfolgende eine um so bessere Stellung erhalten haben, das heisst nachgerückt sein. Der Sicherungszweck, schien es uns, konnte für die Pfandverschreibung zu keinen andern Konsequenzen führen, es wäre von seiner einseitigen Berücksichtigung aus geradezu als unbillig zu bezeichnen gewesen, einem nachfolgenden Pfand­gläubiger, wenn ein vorgehender weggefallen, die erste Befriedi­gung aus dem Pfanderlös zu verweigern, um das weggefallene Stück Sicherheit einem andern Berechtigten jüngern Datums zuzu­wenden. Allein da nun für Gülten und Schuldbriefe die Verpfän­dung nach Pfandstellen angenommen war und an dem gleichen Grundstücke Gülten, Schuldbriefe und Verschreibungen bestehen konnten, so ergab sich hieraus für den allgemeinen Verkehr eine wenig luzide wechselseitige Abgrenzung. Nehmen wir an, es wäre ein Grundstück mit einer Frauengutsversicherung (Pfandverschreibung) von Fr. 20,000 belastet gewesen, darauf eine Gült von 10,000, ein Schuldbrief von 15,000 und endlich eine Pfandverschreibung unter Miterben für den Rest des Schatzungswertes mit 25,000 gefolgt, so hätten sich die Verhältnisse nach dieser frühern Ord­nung folgendermassen gestalten müssen: Fiel die Frauenguts­versicherung weg, so blieben Gült und Schuldbrief an ihren Stellen, denn ihre Gläubiger hätten schlechterdings kein anderes Recht gehabt, als die Pfandstelle im zweiten und dritten Rang es ver­schaffen konnte. Die Erbenversicherung dagegen rückte über Gült und Schuldbrief hinweg in die entstandene Lücke ein, soweit eine solche bestand, also für 20,000, während 5000 im vierten Bang verblieben. Denn sie hätte ein Recht am ganzen Pfandobjekt und daher ein Recht auch auf die frei gewordene Lücke gehabt.



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Fiel aber die Gült von Fr.10,000 weg, so rückte der Schuldbrief nicht nach, und ebensowenig die Erbenversicherung, denn letztere hatte ein Recht auf das ganze Pfandobjekt doch nur mit dem Vorbehalt, dass die Pfandstellen, die älter sind als sie, davon aus­genommen werden mussten. Der Gläubiger der Frauengutsversiche­rung hätte daher gar kein Interesse daran und daher auch kein Recht gehabt, die Errichtung einer ihm folgenden Gült zu ver­hindern. Sein Recht an der Pfandsache wäre allerdings nicht mehr ein einziges, aber doch immer noch, so weit sein Interesse reicht, ein Recht an der ganzen Pfandsache gewesen. Und ebensowenig konnte der auf die Gült und den Schuldbrief folgende Gläubiger der Pfandverschreibung bei der Errichtung des Pfandrechts zu seinen Gunsten eine Kränkung erleiden, wenn die ideellen Pfand­stellen von seiner Berechtigung ausgenommen waren, denn sein Recht war zu einer Zeit begründet worden, wo er diese Bela­stungen klar vor sich gesehen und damit hatte rechnen müssen. Oder also: auch gegenüber einer nachfolgenden Pfandverschreibung mussten Gült und Schuldbrief einfach leere Pfandstellen zurück­lassen, die der Eigentümer neu begeben konnte. Des weitern ging aus dieser Ordnung hervor, dass bei den Pfandverschreibungen nicht eine zweite errichtet werden konnte, bevor eine erste bestand, indem die ersterrichtete notwendig im Rang die vorgehende wurde und blieb, was wiederum bei den Schuldbriefen und Gülten anders sein musste. In die leere Pfandstelle konnte der Eigentümer stets eine Pfandverschreibung eintreten lassen, hatte aber damit auf den Bestand einer ideellen Pfandstelle weiterhin verzichtet, so dass, wenn diese neue, an Stelle der Gült oder des Schuld­briefes errichtete Pfandverschreibung später wieder wegfiel, die dritte Pfandverschreibung nachrücken konnte. Auch hier vermochte die Konkurrenz keine Schwierigkeiten zu bereiten, vgl. Art. 934, Abs. 1 und 2, des Entwurfs von 1898. Man erkennt nun aber gerade aus diesen nähern Abgrenzungen, wie schwierig es für ­den Rechtsverkehr unter Umständen hätte werden können, sich über diese Konkurrenzverhältnisse überall klar zu werden, und so hat der vorliegende Entwurf sich dazu entschlossen, an Stelle des frühern das zwar weniger folgerichtige, aber einfachere Prin­zip treten zu lassen und alle Pfandarten gleichmässig zu behandeln. Die Verpfändung nach festen Pfandstellen wird mit Art. 804 und 805 (1) in den wichtigsten praktischen Äusserungen ausdrücklich festgestellt. Die Konsequenzen, die in diesen Vorschriften gezogen sind, werden nicht bestritten werden. Anders verhält es sich dagegen
(') ZGB 813 u. 814.



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mit der Bestimmung des Art. 806. (1) Die Frage, die hier auftaucht, ergibt sich aus dem Tatbestand, wo ein Grundpfand zweiten Ranges in der Hand eines wirklichen Gläubigers ist, ohne dass der erste Rang eine Verwertung gefunden hat, und es nunmehr zur Pfandverwertung kommt, z. B. das Grundstück im zweiten Rang mit einem Schuldbrief für Fr. 10,000 belastet ist, vorgängige Fr. 20,000 aber nicht verwertet sind. Was soll nun mit diesen Fr. 20,000, die aus dem Pfanderlös abgesondert werden, angefangen werden? Man kann sich drei Lösungen denken.
Einmal nämlich kann man die Konsequenz aus der Verpfän­dung der ideellen Pfandstelle auch hier einfach anerkennen. Dann muss man die Fr. 20,000 dem persönlichen Vermögen des Schuldners zurechnen, so dass seine Gläubiger im allgemeinen darauf Anspruch haben. Lässt sich also das Pfand nur für Fr. 25,000 verwerten, so erhält der Schuldbriefgläubiger zweiten Ranges hiervon an seine Forderung Fr. 5000, mit den andern Fr. 5000 muss er in die Klasse der unversicherten Gläubiger, deren Dividende allerdings dadurch wesentlich verbessert werden kann, dass nun auch die Fr. 20,000 zu ihrer Befriedigung dienen. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob die erste Stelle einfach unverpfändet ist, oder ob der Schuldner für die Fr. 20,000 sich einen Titel ersten Ranges hat ausstellen lassen, der vor dem Konkurse keine Verwendung gefunden hat.
Die zweite Möglichkeit weicht von der ersten nur in der Behandlung des Pfandtitels ersten Ranges ab und verlangt, dass für die vorgehende Pfandstelle ein begebbarer Wert ausgeschieden und der Masse zugewiesen werde. Dann verwertet die Masse diesen ersten Brief wie ein anderes Wertobjekt, und der Erlös daraus fällt in die Konkursmasse und an die unversicherten Gläu­biger. Auf einem Umweg gelangt man also zum gleichen Resultat, wie auf die erste Art der Liquidation. Man wahrt aber deutlicher den Charakter des vorbehaltenen Rechtes, wenn man für den ersten Rang einen Wert schafft, den der Schuldner selber ja jederzeit hätte verwerten können. Dieser Wert wird nun aus dem Vermögen des Schuldners objektiviert und ausgesondert gedacht und ist also einer eigenen Verwertung nicht nur fähig, sondern geradezu bedürftig. Eine bedenkliche Folge kann dann aber bei dieser Lösung darin zutage treten, dass der Pfandtitel ersten Ranges auf das Grundstück eines insolventen Mannes unter Um­ständen keinen Abnehmer zu vollem Preise findet, also vielleicht für Fr. 18,000 versteigert wird. Dann hat sein Ersteigerer bei
(') ZGB 815.



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einem Erlös von über Fr. 20,000 einen ganz ungerechtfertigten Gewinn von Fr. 2000, während der Masse dieser Betrag ent­zogen ist.
Nach der dritten Auffassung, die im geltenden Recht vor­herrscht und in den kantonalen Vernehmlassungen von Graubünden, Thurgau, Schaffhausen, Bern anempfohlen wird, findet man, dass die Verpfändung nach ideellen Pfandstellen überhaupt nur berechtigt sei, solange wirkliche Pfandgläubiger miteinander kon­kurrieren. Kommt es also zum Konkurse, und es ist der vorgehende Rang nicht an einen wirklichen Dritten begeben, so rücken die spätern vor und erlangen die Befriedigung aus dem Erlös nicht nur nach ihrem Rang, sondern werden um so viel besser gestellt, als unbegebene Pfandstellen auf dem Grundstück vorhanden waren. Darnach würde bei einem Erlös von Fr. 25,000 der Titel zweiten Ranges alle Deckung erfahren, und die Masse könnte nur auf den Überschuss über dieses zweite Pfandrecht, also auf Fr. 15,000 Anspruch erheben. Gegen diese Lösung lässt sich freilich ein­wenden, dass sie etwas Zufälliges an sich hat, indem das Resultat ein ganz anderes ist, je nachdem der Schuldner vor der Pfandverwertung den Brief ersten Ranges verwertet hat oder nicht. Der Gläubiger zweiten Ranges aber erfährt eine Vergünstigung, auf die er eigentlich gar keinen Anspruch hat. Es wird mit dieser, nur im Konkurs für den Fall der nicht stattgehabten Verwertung der ersten Stelle gegebenen Möglichkeit des Nachrückens bei der Aufstellung seiner Bedingungen kaum gerechnet haben, er wird für das Risiko der zweiten Pfandstelle durch höhere Zinse und Provisionen entschädigt worden sein, und jetzt kommt mit einem Mal der Zufall und wirft ihm den ersten Rang zu, auf den er kein Recht hat. Gleichwohl haben überwiegende Gründe dazu geführt, schliesslich mit diesen Inkonsequenzen sich abzufinden und dieses einfachere Konkurrenzverhältnis in den Entwurf auf­zunehmen. Es ist aufgestellt in Art. 806. (1)
Schliesslich ist noch anzufügen, dass das System der festen Pfandstellen nach dem Entwurf nicht absoluten Charakters sein will. Es gibt Fälle, wo der nachgehende Gläubiger von vornherein mit der allmählichen Verbesserung seiner Stellung durch Nach­rücken gerechnet hat. So namentlich, wenn der Schuldner sein Grundstück in erstem Rang für eine amortisierbare Schuld ver­pfändet hat. Er gewinnt alsdann viel leichter Kredit für eine Schuld in zweitem Rang, wenn der zweite Gläubiger Aussicht hat auf die mit der Amortisation des ersten Grundpfandes allmählich
(1) ZGB 815.



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fortschreitende Verbesserung seines Pfandrechts. Da nun aber ohne jede Verletzung der Rechte anderer Gläubiger ein solches Nach­rücken dem zweiten Gläubiger ganz wohl vertraglich gestattet werden kann, so sehen wir nicht ein, weshalb nicht eine solche Abrede zugelassen werden sollte. Wird dieser Vorbehalt im Grund­buch eingetragen, so scheinen alle Interessen gewahrt zu sein. Sonach lässt der Entwurf mit Art. 805, Abs. 3, (1) es zu, dass mit besonderer Abrede die Pfandstelle eines nachfolgenden Gläubigers von vornherein grundbuchlich mit dem Recht auf Nachrückung ausgestattet werde. Liegt ein solcher Eintrag vor, so hat das zur Folge, dass das Pfandrecht der vorhergehenden Stelle immer nur so weit besteht, als die materielle Forderung reicht, sowie, dass an Stelle des getilgten vorgehenden Rechts ein neues nur mit Zustimmung des nachgehenden Gläubigers errichtet werden darf. Im übrigen muss der ganze Verkehr nach gewöhnlichen Regeln beurteilt werden.
VI. Befriedigung aus dem Pfande, Art. 807 bis 811. (2) Das Vor­gehen des Gläubigers auf dem Wege der Pfandverwertung und die Verteilung des Erlöses aus dem Pfandgegenstand nach dem Range oder unter Gläubiger gleichen Ranges nach Verhältnis der Grösse ihrer Forderungen bereiten keine Schwierigkeiten. Das Verbot des Verfallsvertrages haben wir selbstverständlich auch hier aufgestellt, Art. 807, Abs. 2,(3) wie es sich für das Mobiliarpfand­recht in Art. 222 des OR (4) und in Art. 873 (5) des Entwurfes für das Fahrnispfand ausgesprochen findet. Dagegen kann es fraglich werden, in welchem Umfang für den Gläubiger eine Deckung aus dem Pfanderlös über seine Kapitalforderung hinaus oder also eine gesetzliche Nebensicherung anzuerkennen sei. Natürlich hat es dabei nicht die Meinung, dass die Grundpfandforderung um so viel erhöht werde. Sie bleibt auf dem eingetragenen Betrag bestehen in allen Fällen, wo nur die Belastung in Frage kommt und nicht die Befriedigung aus dem Pfande im Vollziehungsverfahren. Bei der Tilgung der Forderung durch Zahlung oder sonst bleibt also, wo die fixierte Pfandstelle anerkannt ist, die Belastung durch­aus innerhalb der Grenzen des Hauptbetrages, so dass der Eigen­tümer nur für diesen das Verfügungsrecht erhält und nicht etwa für den Betrag, wie er durch die Nebenrechte vermehrt erscheinen möchte. Wir glauben jedoch diese einzig zutreffende Auffassung in dem Entwurf genügend gesichert zu haben durch die Art und
(1) ZGB 814, Abs 3. (2) Vgl. 816 bis 819 u. 822. (3) ZGB 816, Abs. 2. (4) OR von 1881. (5) ZGB 894.



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die Verbindung, in der wir von dieser Sicherung der Nebenrechte in Art. 809 und 810 (1) sprechen.
Dem überlieferten Recht und billiger Auffassung entspricht es, wenn über den eingetragenen Betrag hinaus als gedeckt be­trachtet werden die gesetzlichen Folgen aus dem Forderungsver­hältnis, d. h. die Kosten der Betreibung und die Verzugsfolgen, also Beträge, die die nachgehenden Berechtigten nicht sonder­lich beschweren werden. Sodann sind die Zinse hinzuzurechnen, und zwar schlägt der Entwurf in Übereinstimmung mit der grös­seren Zahl der Kantone (s. Schweiz. PR III, S. 571 ff.) und der kantonalen Vernehmlassungen vor, die Sicherung für drei Jahreszinse und den laufenden zuzugestehen, wobei der laufende bis zum Tage der Verwertung oder der Konkurseröffnung, oder also von diesem Termin an bis zum nächst vorhergehenden Zinstag gerechnet wird. Diese Regelung dürfte auch vor der Fixierung nach Prozenten der Schuldsumme (10 %), wie sie in Paris im Herbst 1892 bei der über die Immobiliarrechtsverhältnisse abgehaltenen Konferenz vorgeschlagen worden ist, den Vorzug verdienen, da diese nicht leichter zu berechnen und bei der verschiedenen Höhe des Zinsfusses gewiss nicht billiger wären, als die in unseren Rechten überlieferte Ordnung. Dagegen ist es doch für billig erachtet worden, die Sicherheit nur einem laufenden Zinse zuzu­wenden, oder also die Pfanddeckung nur für höchstens vier Jahreszinse von Gesetzes wegen zu gewähren. (2) Mit diesen Rückständen muss also jeder nachgehende Gläubiger als einer möglichen Ver­mehrung der vorgehenden Rechte rechnen und seine Kreditierung darnach abmessen. Selbstverständlich muss aber der Zins, der versprochen wird, im Grundbuch eingetragen sein, ohne Eintrag kann die Pfanddeckung für die Zinse nicht beansprucht werden. Doch wird hiermit der nachgehende Gläubiger immer noch nicht vor einer andern möglichen Willkür der vorgehenden und des Schuldners geschützt, indem diese sich unter Umständen zur Deckung erfolgter Ausfälle auf übermässig hohe Zinse bereden könnten. Um dieses in der Praxis vorgekommene Geschäft wir­kungslos zu machen, schreibt Abs. 5 des Art. 809 (3) vor, dass der ursprünglich vereinbarte Zins zum Nachteil nachgehender Grund­pfandgläubiger nicht über fünf vom Hundert erhöht werden dürfe. Damit ist dem Schuldner das Recht gegeben, bis zu dieser Grenze beliebige Zinse zu versprechen, dem Gläubiger das Recht, die
(') ZGB 818 u. 819. (2) ZGB 818, Zif. 3, bat die Beschränkung der Sicherung auf das Maximum von vier Jahreszinsen nicht aufgenommen. (3) ZGB 818, Abs. 2.



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Pfandhaftung bis zu derselben, also im Maximum für die drei Zinse und den laufenden zu verlangen. Ausgeschlossen ist dagegen nicht, dass die Zinse vor der Errichtung des nachgehenden Pfand­rechtes in höherem Prozentsatz, wie beispielsweise als Verzugszinse, sogenannte Rutscherzinse, verabredet und pfandrechtlich im gesetzlichen Umfang gedeckt werden, denn für das später errichtete Pfandrecht bedeuten die höhern Zinse in diesem Fall keine Be­nachteiligung. Ausgeschlossen ist ferner auch nicht, dass der Schuldner höhere Zinse überhaupt verspricht, ohne dass Pfand­sicherung für den höhern Betrag erfolgt. Damit glauben wir zugleich die Kegel aufgestellt zu haben, die die in den kanto­nalen Rechten anzutreffenden Zinsfusserhöhungen für alle grund- pfändlich gesicherten Forderungen nach der einen Richtung, in der ihr besonders praktische Bedeutung zukommt, hinreichend ersetzt. Von der andern Richtung haben wir bereits bei Art. 789 (') gesprochen.
Endlich rechnen wir zu den Beträgen, für die der Gläubiger von Gesetzes wegen die Deckung aus dem Pfanderlös verlangen kann, billigkeitshalber auch die Beträge, die der Pfandgläubiger zur Erhaltung der Pfandsache ausgelegt hat, wie insbesondere die Prämien, die er für eine Versicherung bezahlt hat, vorausgesetzt wenigstens, dass der Eigentümer die Prämien überhaupt schuldet. Es lässt sich aber auch denken, dass der Gläubiger die Ver­sicherung vor oder bei der Pfanderrichtung sich ausbedungen und dabei die Prämienschuld auf sich genommen hat, und es kann sich fragen, ob nicht für diese und ähnliche Fälle doch der gleiche Anspruch auf Pfanddeckung gewährt werden könnte. Gegenüber der Vorschrift des Art, 810 (2) können die nachgehenden Gläubiger, obgleich die Sicherung für die Beträge vom vor­gehenden im gleichen Rang beansprucht werden darf, wie für seine Hauptforderung, über eine benachteiligende Zurücksetzung deshalb sich nicht beklagen, weil sie ja aus dieser Auslage, die die Pfandsache zu erhalten bestimmt ist, erst recht Gewinn er­fahren. Denn selbstverständlich ist nur eine solche Auslage gemeint, die für die Pfandsache im ganzen, also mit Wirkung für alle Pfand­ gläubiger von der vorausgesetzten erhaltenden Bedeutung ist.
Das führt uns endlich noch auf ein letztes Recht, das der Entwurf dem Gläubiger zuweist. Die kantonalen Rechte geben regelmässig dem Pfandgläubiger ein unmittelbares Recht auf die Versicherungssumme, vgl. Schweiz. PR III, S. 613 ff., wenigstens bei den staatlichen Zwangsversicherungen, und zwar entweder in
(') ZGB 795, oben 8. 228, Anm. 3. (2) ZGB 819.



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einem Anspruch auf direkte Auszahlung der Summe an sie oder in einem Anspruch auf Verwendung der Summe in ihrem Nutzen. Diese Regel möchte der Entwurf mit Art. 811 (1) auf alle Versicherungsfälle ausdehnen, in dem Sinne, dass die Pfandgläubiger auch beim privaten Versicherungsvertrag diese Ansprüche erheben können. Ferner soll dieses Recht nicht nur für die Feuerversiche­rung, sondern auch für andere Versicherungen bestehen, wenn sie das Grundstück als eine unbewegliche Sache betreffen (wie z. B. Glasversicherungen) und nicht etwa bloss die darauf befindlichen beweglichen oder in der Versicherung als beweglich ins Auge gefassten Sachen, wie Vieh, Früchte, Futtervorräte, wogegen die mit dem unbeweglichen Gegenstand zugleich versicherte Zugehör in der Berechtigung mit inbegriffen erscheint. Die kantonalen Rechte halten es zwar in letzterer Hinsicht verschieden und stellen viel­fach sogar für den Versicherungszweck eigene Umschreibungen der Zugehör auf. Allein es wird genügen, wenn einfach auf die Zugehör verwiesen ist, die als mitversichert erscheint, wobei als solche, wenn keine Ausnahmen verabredet werden, die gesetzliche Zugehör erscheint. Die Rechte des Gläubigers stellen sich dar als ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung, das bei der Publizität der Grundbucheinträge ohne weiteres als dem Ver­sicherer bekannt vorausgesetzt werden darf, wobei aber das Pfand­recht, wenn der Schaden wieder gutgemacht wird, als aufgehoben zu betrachten ist, sei es, dass die Versicherungssumme zu dieser Herstellung verwendet worden ist, oder dass der Eigentümer ohnedies den Schaden gutgemacht hat, worüber der Versicherer nötigenfalls beweispflichtig sein muss. Wir nehmen ferner an, dass auf Ansuchen des Gläubigers der Richter auch etwa ver­fügen wird, dass die Versicherungssumme deponiert bleibe, oder nur gegen anderweitige Deckung dem Eigentümer zur Wieder­herstellung des abgebrannten Gebäudes, das ohne weiteres den Gläubiger wieder sicherstellt, verabfolgt werde. Den Kantonen aber kann es dabei nicht versagt sein, gerade über diesen Punkt mit Heranziehung der Gemeindebehörden zur Kontrolle über den Schuldner bei der Verwendung der verabfolgten Beträge usw. für ihre Zwangsfeuerversicherungen weitere Vorschriften, entsprechend den schon bestehenden, auch fernerhin aufzustellen. Im übrigen verweisen wir zu Art. 811 (2) auf Art. 1720 des C. c.
(') ZGB 822. Das Gesetz hat bei Bodenverbesserungen in Art. 820 ein bevorzugtes Pfandrecht für den Kostenanteil und in Art. 821 eine besondere Vorschrift über die Tilgung der Schuld und des Pfandrechts eingeführt. Vgl. auch Art. 802 bis 804 und oben S. 230, Anm. 4. (2) ZGB 822 hat in Abs. 2 eine Vorschrift betreffend Sicherstellung durch den Eigentümer eingefügt.



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von Neuenburg und auf die Vorlage des Bundesgesetzes betreffend den Versicherungsvertrag, Art. 57 (1)
Ob diese gleiche Schutzbestimmung auch auf andere, ver­sicherungsähnliche Verhältnisse auszudehnen sei, wie beispielsweise auf die bei Zerstörung von Ställen u. a. nach den Bestimmungen über die Bekämpfung der Viehseuchen entrichteten Entschädigungs­summen, erscheint uns als sehr fraglich. Wir neigen uns zu der Ansicht, dass hierin ein Ersatz für das zerstörte Objekt, mit dem der Pfandgläubiger zur Zeit seiner Kreditgewährung gerechnet hätte, nicht gefunden werden könne, so dass also die Billigkeit hier eine Anerkennung seiner Berechtigung kaum verlangen dürfte. Überdies handelt es sich hierbei um eine öffentlich-rechtliche Ord­nung, vgl. bundesger. Entsch. Bd. IV, S. 464, und wem oder zu welchem Zweck die Entschädigung zu entrichten sei, muss daher durch das öffentliche Recht bestimmt werden.
Dagegen haben wir uns noch gefragt, ob nicht ähnlich, wie in dem zit. St. Galler Entwurf, nach Art. 810 (2) ein Artikel eingeschoben werden sollte, etwa des Inhalts:
„Wird ein Grundstück durch Bauten oder andere Anlagen um wenigstens ein Zehntel seines Wertes dauernd verbessert, so kann der Grundpfandgläubiger, der dem Eigentümer zu dieser Verbesserung die Geldmittel gewährt, sich mit dessen Zustimmung durch den Richter sein Pfandrecht im Grundbuch auf den Betrag der Verbesserung im alten Rang erhöhen lassen.
„Jeder zurzeit nachfolgende Grundpfandgläubiger hat aber das Recht, diese Auslagen in gleicher Weise auf sein Pfandrecht zu übernehmen, wofür ihm eine angemessene Frist zu stellen ist.
„Ist kein Grundpfandgläubiger bereit, dergestalt Auslagen für das Grundstück zu übernehmen, so kann der Richter, wenn er diese für das Grundstück als höchst förderlich erachtet, einem Dritten die Auslösung eines der Pfandgläubiger gestatten, verbunden mit der Erhöhung der Pfandsumme um die Auslagen."
Man hat dann aber doch von der Aufnahme dieser Bestim­mung in der Meinung Umgang genommen, dass es Sache der Ordnung des persönlichen Kredits für die Gewährung solcher Verbesserungsgelder namentlich an Landwirte sei, die wünschens­werten Sicherungen zu schaffen. Überdies ist anzunehmen, dass durch die grössere Beweglichkeit des Grundpfandes ohnedies nach der Richtung, die dieser Anregung vorschwebt, für die bäuerlichen Grundeigentümer eine nicht unbedeutende Erleichterung geschaffen werden wird.
(') Vgl. Art. 58 des BG vom 2. April 1903. (2) ZGB 819.



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VII. Vertretung des Gläubigers, Art. 812. (1) Sobald ein erheb-­ licherer und freierer Verkehr mit Grundpfandtiteln zur Entwick-­ lung gelangt, kann es gelegentlich vorkommen, dass Name oder Wohnort des Gläubigers nicht bekannt sind. Um daraus nun nicht ein schweres Hemmnis werden zu lassen, könnte man an ein fingiertes Domizil am Grundbuchort und an das Gebot der Bezeichnung eines Vertreters bei der Eintragung, als welcher wohl zunächst der Grundbuchverwalter selber funktionieren würde, oder an eine Ausdehnung der Regel des Art. 850 (2) auf solche Fälle mit Erleichterung des Verfahrens denken. Praktischer er­schien uns die Heranziehung einer Beistandschaft, die ja in ähn­licher Weise schon im geltenden Recht vielfach für Personen, die ohne Vertretung abwesend sind, nutzbar gemacht wird. Dies hat zur Aufstellung der Vorschrift des Art. 812 (3) geführt. Die Be­stellung des Beistandes wird dabei unter die Vorschriften der Art. 422 bis 425 gestellt, (4) und seine Tätigkeit richtet sich nach Art. 446 und 447, (5) sowie überhaupt das ganze Institut nach Vormundschaftsrecht zu beurteilen ist.
Zweiter Abschnitt.
Die Grundpfandverschreibung.
A. Zweck und Gestalt der Grundpfandverschreibung. Art. 813. (6) 
Es genügt im Verhältnis zu den allgemeinen Vorschriften der Art. 787 und 788 (7) hier zu bestimmen, dass die Verwendung dieser Pfand­art zur Sicherung stattfindet und dass die Forderung zur Aufnahme der Pfandsicherung keine besondern, nicht in den allgemeinen Vor­schriften bereits angegebenen Eigenschaften nötig hat. Höchstens könnte es sich fragen, ob nicht nach der negativen Seite hin eine nähere Bestimmung erfolgen und gesagt werden sollte, dass mit der Pfandverschreibung kein Verkehr stattfinde und eine Urkunde, wenn sie überhaupt ausgestellt werde, nur als Beweismittel in Betracht falle und auf das Gläubigerrecht keinen Einfluss ausübe. Vgl. Art, 814, Abs. 2.(8) Aus dem Gegensatz zu den beiden andern Pfandarten mit ihren Pfandtiteln geht jedoch hinreichend deutlich hervor, dass bei der Pfandverschreibung ein Wertpapier nicht geschaffen wird, und überdies müsste betreffend den Ver­kehr, wenn etwas gesagt werden wollte, doch angemerkt werden.
(1) ZGB 823. (2) ZGB 871. (3) ZGB 823. (4) ZGB 392, Eingang, 393, 396, 397. (5) Vgl. ZGB 417 bis 419. (6) ZGB 824.(7) ZGB 793 n. 794. (8) Das Gesetz enthält eine solche Bestimmung in Art. 825, Abs. 2.



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dass die Forderung wegen der Anfügung grundpfändlicher Siche­rung ihre nach gewöhnlicher Regel gegebene Abtretbarkeit nicht verliere. Sie ist nur nicht an sich für den Verkehr geschaffen, ob sie aber doch in den Verkehr kommen kann, hängt von ihrer eigenen Natur ab. Folge dieses Stillschweigens ist es dann aller­dings, dass ein Zessionar einer solchen Forderung sich betreffend den Bestand seiner Forderung nicht auf das Grundbuch verlassen kann, da hier nur das Grundpfand durch den Eintrag festgestellt ist und nicht das persönliche Recht. Dieses folgt trotz der Ein­tragung im Grundbuch den gewöhnlichen Regeln des Geschäftes, dem es entsprungen ist. Vgl. Art. 813, Abs. 3.(1)
Eine Verweisung darauf, dass die Pfandverschreibung nament­lich der Frauengutsversicherung, Kreditversicherung, Schadens­versicherung und Kaufschuldversicherung zu dienen bestimmt sei, wurde aus früher angegebenen Gründen weggelassen.
Dass bei dieser Pfandart der Schuldner nicht Eigentümer des verpfändeten Grundstückes zu sein braucht, ergibt sich schon aus dem allgemeinen Charakter der Pfandverschreibung, ist aber wegen des Gegensatzes zur Gült in Art. 813, Abs. 2,(2) besonders hervor­gehoben. Diese Bestimmung hat nach Art. 828 (3) auch Anwendung beim Schuldbrief.
B. Errichtung und Untergang, Art. 814 bis 819. (4) Bei der Ent-­ stehung der Grundpfandverschreibung macht sich durchaus der Grundsatz geltend, dass das Pfandrecht das Nebenrecht der Forde­rung bildet, also nur unter der Voraussetzung entsteht, dass über­ haupt die Forderung, auf die es sich bezieht, bestehe, soweit nicht eben ein Pfandrecht in formalem Bestande für eine mögliche künf­tige Forderung oder einen möglichen Betrag errichtet werden will (wie bei den Versicherungspfandrechten, Schadenspfandrechten usw.). Aber auch in solchen Fällen besteht dann die Pfand­sicherung nur soweit, als eine Forderung im gegebenen Falle nachgewiesen wird. Darüber hinaus existiert das Pfandrecht in Wirklichkeit nicht, hat also namentlich der Eigentümer kein Recht, über den Pfandwert, der von der wirklichen Gläubigerschaft nicht in Anspruch genommen wird, zu verfügen. Forderungen von un­ bestimmtem oder wechselndem Betrag bleiben bei der Pfandstelle, die ihnen durch die Pfandverschreibung angewiesen wird, auch wenn sie unter Umständen bis auf Null zurückgehen. Dagegen hat der Eigentümer des belasteten Grundstückes die Befugnis,
(') Das Gesetz hat diese Bestimmung nicht aufgenommen. Vgl. die vorige Anm. (2) ZGB 824, Abs. 2. (3) ZGB 845. (4) Vgl. ZGB 825 bis 831.



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sowohl die Gültigkeit der Eintragung des Pfandrechtes, als die Gültigkeit der Forderung und hiermit zugleich der pfandrecht­lichen Sicherung anzufechten und die Löschung der Eintragung zu verlangen. Vgl. Art. 816. (')
Über die öffentliche Beurkundung des Verpfändungsvertrages (Art. 815) haben wir bereits oben bei Art. 792 gesprochen. (2)
Der Untergang erfolgt durch Löschung auf Grund der Vor­aussetzungen, die unter den allgemeinen Vorschriften aufgestellt sind. Das Recht auf Löschung, von dem Art. 816 (3) spricht, besteht natürlich auch für den Fall, wo das Verhältnis niemals entstanden ist, zu dessen Sicherung die Parteien das Pfand er­richten wollten. Rechte Dritter vermögen, auch wenn diese in gutem Glauben sind, diesen Anspruch des Eigentümers nicht zu beeinträchtigen, wie beispielsweise die Ansprüche, die ein gut­gläubiger Zessionar aus der Abtretung gewonnen zu haben ver­meint. Allein es ist dies eine so sehr aus dem ganzen Aufbau der Pfandverschreibung hervorgehende Folge, dass es nicht nötig sein wird, darüber im Gesetz selbst eine Regel aufzustellen.
Im übrigen haben wir bei Art. 794 (4) bereits von der Ab­lösung durch den Eigentümer, der nicht Schuldner ist (Art. 817), (5) und der Kündung an Schuldner und Eigentümer (Art. 819) (6) ge­sprochen. Es bleibt also nur noch ein Wort über Art. 818 (7) anzufügen, der für die Grundpfandverschreibung, und dann gemäss Art. 828 (8) auch für den Schuldbrief, den Untergang durch ein­seitige Ablösung vorsieht.
Das französische Recht (Schweiz. PR III, S. 621 f.) hat mit der Purgation dem Erwerber eines mit Hypotheken belasteten Grundstückes das Recht gegeben, diese Lasten durch Überweisung des Kaufpreises an die Hypothekengläubiger abzulösen, vorausge­setzt, dass die Gläubiger nicht gegen die zu geringe Höhe des Kaufpreises ihre Massregeln ergreifen, und die Praxis zeigt uns, dass von diesem Rechtsmittel in Frankreich und im Berner Jura ziemlich häufig Gebrauch gemacht wird, während umgekehrt Genf es des bestimmtesten verwirft (vgl. die Beilage 1 F zum Entwurf von 1898). (9) In der Tat möchten wir denn auch bei dem Grundpfand im allgemeinen einen solchen Eingriff in die Rechte der Gläubiger nicht gerade für geboten erachten. Die Verhältnisse sind bei der blossen Pfandverschreibung so individuell, sie passen sich so sehr
(') ZGB 826. (2) Vgl ZGB 799, Abs. 2, der an Stelle des zit. Art. 815 getreten ist, und oben S. 248, Anm. 2 (3) ZGB 826. (4) Vgl. ZGB 801 und oben S. 246, Anm. 3, S. 247, Anm. 1 ff. (5) ZGB 827. (6) ZGB 831. (7) Vgl. ZGB 828 bis 830 und oben S. 248, Anm. 1. (8) Vgl. ZGB 845. (9) Siehe unten Beilage I.



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den Bedürfnissen des einzelnen Falles an, dass mit der Gestattung der zwangsweisen Ablösung durch den Erwerber des verpfändeten Grundstückes hier unter Umständen dem Gläubiger ein schweres Unrecht zugefügt werden könnte. Allein es gibt nun doch Fälle, in denen eine einseitige Ablösung der Grundpfänder dem Eigen­tümer um der allgemeinen Ordnung willen möglich gemacht werden sollte. Wir denken namentlich an die Verhältnisse, wie sie aus der Teilung verpfändeter Grundstücke unter Fortdauer der Bela­stung einer jeden Parzelle für den ganzen Schuldbetrag sich ergeben können und namentlich in Gebieten mit gemeinrechtlicher Grundauffassung, wie im Tessin, zu einer wahren Landplage ge­worden sind. Nicht selten kommt es da vor, dass Grundstücke mit Hypotheken vom fünf-, zehn- und noch mehrfachen Betrage ihres Wertes belastet sind, so dass ihr Erwerber sich bei Ver­besserungen und Wertvermehrungen am Grundstück aufs schwerste gehemmt und beeinträchtigt sieht. Für solche Fälle muss die Gesetz­gebung eine Abhilfe bereit halten, so dass die Vorschrift des Art. 818(1) im Prinzip als gerechtfertigt erscheint. Erwirbt darnach jemand ein mit einer Grundpfandverschreibung oder einem Schuldbrief bela­stetes Grundstück ganz oder zum Teil, ohne dass er durch Vertrag die entsprechende Schuldpflicht übernimmt oder, wie beispielsweise der Erbe in Schuld und Grundstück, ohnedies Schuldner ist, so soll er sich vom Richter ermächtigen lassen können, die Grundpfänder gegen Entrichtung des Kaufpreises an die Gläubiger abzulösen, sobald diese Grundpfänder den Wert der Grundstücke offenbar übersteigen oder also Missverhältnisse der beschriebenen Art unbe­streitbar vorliegen. Fügen wir dazu noch eine halbjährige Kündungsfrist, auf die der Gläubiger unter allen Umständen ein Recht haben soll, sowie dass der Erwerber natürlich nicht jederzeit diese Ablösung verlangen kann, sondern nur nach dem Erwerb und bevor er die Fortdauer der Pfandhaft direkt oder indirekt aner­kannt hat, so bedürfen die Rechte der Gläubiger dann nur noch eines Schutzes gegen Machenschaften, die etwa mit zu niedriger Ansetzung des Kaufpreises gegen sie versucht werden möchten. Das französische Recht gewährt ihnen diesen durch die Anordnung einer öffentlichen Versteigerung, durch die auf ihr Begehren der Preis der Ablösung über die Erwerbssumme hinaus festgestellt werden kann, das Verfahren erscheint aber in der Praxis als allzu umständlich, weshalb der Entwurf es mit Art. 818, Abs. 3, durch eine einfache amtliche Schatzung ersetzt hat. (2) Auf diese kann hier
(') ZGB 828. (2) Das Gesetz sieht in erster Linie öffentliche Versteige­rung vor, Art. 829, die durch das kantonale Recht durch amtliche Schätzung



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um so eher abgestellt werden, da der Ablösungsfall mit Abs. 1 an weit strengere Voraussetzungen geknüpft wird, als im französischen Recht. Der Entwurf von 1898 hatte diese Nachbildung der Purgation des französischen Rechtes noch mehr eingeschränkt. Vgl. Art. 941 und Erläuterungen zu diesem Entwurf, S. 130. (')
C. Die Wirkungen der Grundpfandverschreibung. I. Veräusserung und Zerstückelung, Art. 820. (2) Der Gläubiger der Forderung, für die ein Grundpfand verschrieben ist, hat alle Rechte des Pfand­gläubigers, wie sie beim Grundpfand im allgemeinen gegeben sind. Seine Sicherung aber erstreckt sich auf alle seine Gläubigerrechte, soweit sie nach dem Erwerbsgrund die Sicherung beanspruchen können. Aus dem persönlichen Verhältnis heraus bestimmt es sich also, wie weit der Gläubiger forderungsberechtigt sei. Die Pfand- errichtung gibt ihm kein Forderungsrecht, der Eintrag beweist, wenn er auch auf einen bestimmten Betrag lautet, nichts für die Forderung selbst, sondern gibt nur die Grenze an für das Pfand­recht. Vgl. Art. 813, Abs. 3. (3) Im weitern nun aber verbinden sich betr. die Wirkungen der Pfandverschreibung mit dieser Art des Grundpfandes, und dann auch hier wieder gemäss Art. 828 (4) mit dem Schuldbrief, gewisse besondere Folgen der Veräusserung oder Zerstückelung der Pfandsache, während betreffend Rang und Pfandhaft für die Grundpfandverschreibung die allgemeinen Vor­schriften zur Anwendnng kommen.
Bei der Bedeutung, die in der Pfandverschreibung dem per­sönlichen Verhältnis zukommt, muss es als angemessen erscheinen, die Folge der Veränderung der Eigentumsverhältnisse am Pfand­gegenstand auf das Notwendigste zu reduzieren. Findet eine Ver­äusserung des Ganzen statt, so muss die Verneinung jeder Folge für die Pfandhaft schon aus dem Umstande abgeleitet werden, dass ja von vornherein die Begründung eines Verhältnisses, wo der Schuldner nicht zugleich Eigentümer des Pfandgegenstandes ist, zugelassen wird, sowie denn auch für die Funktion der Ver­schreibung aus einer solchen Sachlage keine besondern Schwierig­keiten erwachsen, Art. 820, Abs. l. (5) Immerhin dürfte es sich fragen, ob nicht wenigstens der Gläubiger im Falle der Übernahme der grundpfändlich gesicherten Schuld durch den Erwerber des Unterpfandes bei der Anerkennung des Schuldnerwechsels behaftet werden sollte, sobald er nicht innerhalb einer kürzeren Frist nach
ersetzt werden kann, Art. 830. (') Das ZGB hat diese Ablösung eingehender geregelt, deren Einführung aber den Kantonen überlassen. (2) Vgl. ZGB 832 bis 834. (3) Vgl. oben S. 268, Anm. 8. (4) ZGB 845. (5) ZGB 832, Abs. 1.



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Mitteilung der Schuldübernahme und Handänderung den bisherigen Schuldner beibehalten zu wollen erklärt hat. Es würde dies, ohne die freie Vereinbarung der Beteiligten irgendwie zu beeinträchtigen, den Verhältnissen, an deren klaren Regelung der Grundpfandver­kehr so sehr interessiert ist, eine oft sehr willkommene Abklärung zu Teil werden lassen, (1) Bern stellt die umgekehrte Regel auf, dass der Gläubiger nur mit einer ausdrücklichen Anerkennung des Erwerbers als seinen Schuldner den alten Schuldner verliere. Vgl. Schweiz. PR III, S. 544.
Erfolgt nun aber eine Ablösung von Teilen des Pfandes, Ver­kauf eines Teiles des Unterpfandes oder eines von mehreren bereits verpfändeten Grundstücken, oder Zerstückelung des einen, so muss es sich fragen, ob Gründe vorliegen, für diesen verwickelteren Fall eine besondere Regelung vorzusehen. Die logische Folge aus dem Verhältnis ist in solchen Fällen, da die Pfandrechte die ganze Sache in allen ihren Teilen erfassen, dass einfach jeder Teil, der abgesondert wird, für die Pfandrechte, die am Ganzen haften, weiter verhaftet bleibt. Es wird also dergestalt, wenn ein Grundstück im Werte von Fr. 30,000 unter drei Erben zerteilt wird, und es liegen 15,000 Pfandverschreibung darauf, jedes Teilstück von 10,000 mit der ganzen Last von 15,000 belastet, während bei einer Zerteilung nur 5000 auf jeden Anteil kommen und den Erben noch Überschüsse zu weiteren Verpfändungen verbleiben würden. Ge­rade diese missliche Folge will der Entwurf vermeiden, wenn er betr. das Gesamtgrundpfand in Art. 791, Abs. 3, (2) eine Vorschrift aufstellt, mit der bei Verpfändung mehrerer Grundstücke für eine Forderung eine Zerteilung der Pfandhaft verlangt wird, und das gleiche Verfahren scheint sich für den Fall der Zerstückelung eines bereits mit einer Pfandverschreibung belasteten Grundstückes zu empfehlen. Der Entwurf von 1898 hatte in Art. 933 freilich auch bei Zerstückelung des Unterpfandes die Gestaltung der Ver­hältnisse ganz den Parteien überlassen. Sie sollten es trotz der daraus entstehenden unbequemen Lage ganz bei den einfachen logischen Folgen des Verhältnisses bewenden lassen oder sich auf die ihnen zusagende Weise verabreden können. Der vorliegende Entwurf erreicht dadurch, dass er auf die Regel des Art. 791, die wir oben bereits besprochen haben, verweist, nicht nur die gewiss begrüssenswerte Vereinfachung der Rechtsordnung, dass für die Fälle der Errichtung eines Gesamtgrundpfandes die gleichen Bestimmungen gelten, wie für die nachträgliche Bildung eines
(') Im Gesetz findet sich diese Ordnung, Art. 832, Abs. 2, und 834. (2) ZGB 798, vgl. oben S. 238, Anm. 1.
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solchen infolge von Zerstückelung des bishin einheitlichen Unterpfandes, sondern er gewinnt auch die nach dem früheren Entwurf nicht gegebene Möglichkeit, Schuldbriefe und Pfandver­schreibung in dieser Frage nach der gleichen Vorschrift zu be­handeln. (1)
II. Übertragung der Forderung, Art. 821. (2) Der akzessorische Charakter der Grundpfandverschreibung macht es notwendig, die Frage, die in Doktrin und Praxis oft besprochen worden ist, zu beantworten, wer für den Fall der Übertragung der Forderung als Gläubiger das Pfandrecht beanspruchen könne. Übertragung der durch die Verschreibung sichergestellten Forderung muss natürlich nach allgemeinen Regeln als statthaft erscheinen. Allein die Pub­lizitätsform ist für den neuen Gläubiger zu verlangen, wie für den bisherigen, und da nun hier nicht, wie bei der Abtretung faust­pfändlich gesicherter Forderungen, der Zedent als Stellvertreter im Besitze des Pfandes für den Zessionar anerkannt werden könnte, da nicht der Besitz, sondern der Bucheintrag die Form des Grund-­ pfandes ausmacht, so hat der neue Gläubiger sein Pfandrecht nach richtiger Auffassung nur auf Grund einer Eintragung der Über­tragung im Grundbuch. Das Abtretungsgeschäft gibt ihm wohl regelmässig ein Recht auf diese Eintragung, zu der der Eigen­tümer die Zustimmung nicht verweigern darf. (3)
D. Das gesetzliche Pfandrecht, Art. 822 bis 825. (4) Der Entwurf spricht von den gesetzlichen Pfandrechten in dem Abschnitt über die Grundpfandverschreibung, weil er keine gesetzlichen Schuld­briefe oder Gülten kennt. Von gesetzlicher Sicherung durch An­weisung bestimmter Forderungen auf Grundstücke des Schuldners ist in den kantonalen Rechten in mannigfacher Richtung die Rede. In den romanischen Kantonen treffen wir eine grössere Zahl von solchen Pfandrechten, seien es Privilegien oder Legalhypotheken, an. Die Kantone der deutschen Schweiz beschränken sich meist auf einige wenige, s. Schweiz. PR III, S. 516 ff. Allgemein aner­ kannt ist, dass gewisse öffentlich-rechtliche Ansprüche, die aus
(') Das Gesetz trifft diese Ordnung, unter Anfügung eines Ablösungs­rechtes des Gläubigers, in Art. 833. (2) Vgl. ZGB 885. (3) Das Gesetz ver­langt in Art. 835 umgekehrt für die Übertragung der Forderung, für die eine Grundpfandverschreibung errichtet ist, zur Gültigkeit keine Eintragung in das Grundbuch Dagegen kann der Berechtigte sich gemäss GV 66 u. 108 in das Gläubigerregister eintragen lassen. Die Übertragung ist aber auch ohne solchen Eintrag gültig, sobald die Übertragungsformen des OR, erfüllt sind. (4) Vgl. ZGB 836 bis 841.



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Verwendungen auf die Immobilien selbst hervorgegangen sind, wie Kosten und Beiträge für Korrektionswerke, Uferschutzbauten, Entsumpfungsunternehmungen, weiter staatliche Feuerversicherungs­prämien, Wasserwerksbeiträge u. a. m. ihre Sicherung in erster Linie durch den Wert der Liegenschaft selbst, der sie dienen, finden sollen. Auch die Grundsteuer wird dahin zu rechnen sein in den Kantonen, die eine solche in Wirklichkeit in ihr Steuersystem aufgenommen haben. Der Entwurf schafft ihnen Raum auch im Rahmen des einheitlichen Rechtes, indem er deren Aufstellung der kantonalen Gesetzgebung überlässt, und mit Art. 822, Abs. 2, (1) nur die Grundlage umschreibt, auf der sie festgehalten oder neu geschaffen werden können. Eine grössere Bedeutung kommt der Belastung durch diese Ansprüche nicht zu, und überdies sind sie an sich publik genug und pflegen regelmässig eingezogen zu werden, so dass sie sich nicht anhäufen. Es ist daher auch in dem vor­liegenden Entwurf eine Beschränkung auf eine Quote des Grund­stückwertes, wie sie im Art. 909, Abs. 2, des Entwurfes von 1898 aufgestellt war, oder auf eine gewisse Dauer nach der Fälligkeit für entbehrlich erachtet worden.
Grössere Bedeutung für die Belastung der Liegenschaften besitzen die Ansprüche, die auf dem ehelichen Güterrecht, als Sicherungsmassregeln für die Ehefrau, oder auf dem Eltern- und Kindesrecht und dem Erbrecht beruhen können. Was hier gegeben ist, besteht in einem Recht auf Sicherung, die in Gestalt von Hinterlagen oder von Grundpfändern von dem Sicherungspflichtigen gewährt oder zugestanden werden muss. Solche Grundpfänder reihen sich den vertragsmässigen Pfandrechten ohne jede Schwierig­keit an und bedürfen keiner andern Regelung als der Feststellung der Anspruchsberechtigung bei den betreffenden Instituten. Vgl. z. B. Art. 233, 325, 477, 509 u. a. m.(2)
Nun kennt aber der Entwurf auch den Anspruch auf ein gesetzliches Grundpfand für ganz bestimmte Forderungen an ebenso bestimmten Grundstücken. Wir unterscheiden folgende Fälle :
1. Dem Verkäufer gebührt für seine Forderung auf den Kauf­preis eine Sicherung, die ihm durch die Belastung der verkauften und dem Käufer zugefertigten Liegenschaft zuzugestehen ist. Die meisten Kantone kennen schon jetzt eine solche Rücksicht. Zwar geben einzelne Rechte dieser Forderung nur insofern eine bevor­zugte Stellung, als sie die Errichtung des Grundpfandes formell erleichtern, vgl. Schweiz. PR III, S. 529 f. Der Entwurf hat keinen Grund, bei dieser halben Massregel stehen zu bleiben. Ist es
(') ZGB 836. (2) ZGB 205, 297, 449, 490 u. a. m.



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sowieso Sache des Verkäufers, sich darüber zu entscheiden, ob er die Sicherung sich eintragen lassen wolle oder nicht, so darf ihm füglich der Anspruch direkt vom Gesetze zugestanden werden, ohne dass er ihn bei den Kaufsberedungen besonders sich vorzubehalten braucht. (1)
2.   Das gleiche Verhältnis liegt vor, wenn bei der Teilung einer der Miterben eine Liegenschaft aus der Erbschaft übernimmt und den übrigen dafür gewisse Abfindungssummen schuldig wird. Auch für diese soll den Miterben, wie beim Kaufpreis, ein gesetzlicher Sicherungsanspruch zugestanden sein.
3.   Dieselbe Sicherung ist für den Fall der Teilung einer Gemeinderschaft den Gemeindern an den Grundstücken aus dieser Gemeinschaft zuzugestehen.
4.   Fraglich erscheint das Verhältnis gegenüber dem Darlehens­geber, mit dessen Geld der Darlehensempfänger eine Liegenschaft gekauft oder sein Grundstück von einer Last befreit hat. Für eine entsprechende Sicherung des Darleihers können ähnliche Gründe angerufen werden, wie für den Anspruch des Verkäufers. Dagegen lässt sich einwenden, dass der Zusammenhang zwischen der Dar- lehensforderung und dem Rechtsgeschäft des Empfängers doch weit weniger klar und sicher festgestellt ist, als bei dem Kaufgeschäft, sowie dass der Darlehensgeber sich ja ohnedies, wenn es sich um Ablösung eines Grundpfandes handelt, ohne die Notwendigkeit der Neuerrichtung eines Grundpfandes das Pfandrecht auf die betreffende Lücke durch Abtretung des Grundpfandtitels erwerben kann. Aus diesen Erwägungen hat der Entwurf davon abgesehen, dem Darleiher ein gesetzliches Pfandrecht einzuräumen, das denn auch im geltenden Recht nur sehr selten vorkommt, s. Schweiz. PE III, S. 516 ff.
5.   Eine besondere Beachtung verdient in letzter Linie der Anspruch der Bauhandwerker u. a. auf ein sicherndes Grundpfand an dem Grundstück, für das sie ihre Arbeit geliefert haben. Diese Privilegierung hat im französischen Recht Anerkennung gefunden, s. Schweiz. PR III, S. 516 ff., und auch anderwärts lebhafte Ver­ teidigung erfahren, wie namentlich im Anschluss an die Kodifi­kation des bürgerlichen Rechts in Deutschland und schon früher in Amerika. In der Schweiz wurde die Frage in neuester Zeit bei Anlass der Ausdehnung der Städte und des damit verbundenen Bauschwindels vielfach angeregt, so in Basel und neuestens auch in Zürich und Bern. Die Verhältnisse, wie sie diesem Postulate
(') OR 523 gibt denselben Anspruch dem Pfründer, der dem Pfrundgeber ein Grundstück übertragen hat.



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zugrunde liegen, lassen sich typisch in dem Manöver vergegen­wärtigen, das von gewissenlosen Spekulanten gemacht wird, um wohlfeil in den Besitz eines Hauses zu gelangen. Der Spekulant gibt einem Strohmann das Geld, womit dieser gegen Verpfändung einen Bauplatz kaufen kann. Auf diesem wird nun der Bau auf Kredit errichtet, und zwar mit dem Effekt, dass das Grundstück mit jedem Tag wertvoller wird, während die Bauhandwerker für ihre geleistete Arbeit und gelieferten Materialien mit ihrer per­sönlichen ungedeckten Forderung an den Strohmann gewiesen bleiben. Dann geht in einem günstigen Moment der Spekulant gegen diesen mit seiner wirklichen oder auch oft auf fiktive höhere Beträge gestellten Grundpfandforderung vor, dieser erklärt sich zahlungsunfähig, und der Spekulant greift vermöge seines Pfand­rechtes auf das einzig vorhandene Aktivum, auf die Liegenschaft, um sie an der Zwangsversteigerung als halbfertigen Bau meistens um billiges Geld selbst zu ersteigern. Die Handwerker aber kommen in die unprivilegierte, letzte Klasse und gehen mit ihren Forderungen leer aus. Man wird nun zwar einwenden, die Hand­werker hätten sich ja leicht dadurch schützen können, dass sie nur gegen bar ihre Arbeit geleistet, oder dass sie sich eine Ver­sicherung ausbedungen hätten. Aber wer die Gepflogenheiten und die Konkurrenzverhältnisse im Handwerke kennt, wird zugestehen, dass man ihnen hiermit zu viel zumutet. Auf der andern Seite wird dem gesetzlichen Schutz der Handwerker auch das Bedenken entgegen gehalten, dass diese auf dessen Grundlage zur Anmeldung übertriebener Forderungen oder zur weitern Ausdehnung ihres Kreditgewährens verleitet werden könnten, wogegen etwa die Be­stimmung Schutz gewähren würde, dass die Privilegierung nur zugestanden werde für die Forderungen, die sich auf einen vom Bauherrn unterschriebenen Devis stützen können. Trotz solcher und ähnlicher Bedenken aber muss es gegenüber den Umtrieben be­schriebener und verwandter Art als eine billige Ordnung erscheinen, wenn den Handwerkern die einseitige Erwerbung des Grundpfandes durch Eintragung ihrer Forderung auf die Liegenschaft zugestanden wird. Der Entwurf von 1898 hatte grundsätzlich diesen Anspruch bereits anerkannt, für dessen nähere Ausgestaltung jedoch auf ein Spezialgesetz verwiesen. Die vorliegenden Art. 823, 824 und 825(1) versuchen dieses gesetzliche Pfandrecht direkt zu ordnen
Für alle diese gesetzlichen Pfandrechte gilt im weitern die allgemeine Vorschrift, dass die gesetzliche Sicherstellung nur einen Anspruch auf Eintragung des Grundpfandes in das Grundbuch
(1) Vgl. ZGB 837, Zif. 3, 839 bis 841.



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verschafft, während das dingliche Recht selbst erst mit der Eintragung erworben wird. Nur auf diesem Wege ist es möglich, das Recht der Pfandgläubiger im allgemeinen mit dem gesetz­lichen Anspruch überhaupt verträglich zu machen. Erst daraus ergibt sich zur Wahrung der Verkehrsfunktionen und der Sicherung im Grundpfand eine absolut zuverlässige Feststellung des Ranges auch für die gesetzlichen Grundpfänder. Ferner ergibt sich daraus ihre Publizität und Spezialität, d. h. die Belastung einzelner Grund­stücke mit bestimmt fixierten Forderungen. Freilich wird der Schutz dadurch einigermassen reduziert. Man muss, auch wenn man gesetzlich geschützt ist, als Gläubiger immer noch wachsam genug sein, um im rechten Zeitpunkt die Eintragung zu erwirken. Aber so viel Diligenz wird man auch dem Gläubiger, dem man eine Privilegierung zuzuwenden für nötig findet, füglich zumuten dürfen. Nur für die erste Klasse der gesetzlichen Ansprüche, für diejenigen aus öffentlichem Recht, hält der Entwurf, wie schon bemerkt, die Eintragung für unnötig.
Nun wird man aber in bezug auf den Anspruch der Hand­werker und Unternehmer, wie schon aus dem oben erwähnten Hauptfalle ersichtlich ist, mit dieser Berechtigung, durch Eintrag ein Pfandrecht zu erwerben, immer noch nicht das erstrebte Ziel erlangen, denn die eingetragenen Rechte würden dem Grundpfand des Spekulanten zeitlich und damit auch im Range nachgehen und mithin ohne Bedeutung sein. Brauchbar wird dieses gesetzliche Pfandrecht erst, wenn es sich mit einer weiteren Privilegierung verbindet. Man kann sich diese auf zwei verschiedene Arten denken.
Man kann die grundpfändliche Belastung des Grundstückes in eine Belastung des Baugrundes und in eine solche des Baues dem Werte nach scheiden und alsdann in bezug auf die letztere unter angemessenen formalen Voraussetzungen den Unternehmern und Handwerkern ein Pfandrecht ermöglichen, das der Belastung mit dem Baukredit vorgeht. Diese Anordnung setzt eine Ab­schätzung des Bodens nach seinem Wert vor dem Bau und eine Fixierung der Forderungen aus dem Bau unter amtlicher Kontrolle voraus, bedingt mithin einen wohl organisierten Apparat behörd­licher Mitwirkung. Wo diese Voraussetzungen leicht zu realisieren sind, wird der Weg als gangbar erscheinen. Er liegt mit ver­schiedenen Modifikationen den deutschen amtlichen Entwürfen zugrunde, die seit 1897 erschienen sind. (')
(') Das Gesetz nimmt Bezug auf die Unterscheidung von Bodenwert und Bauwert in Art. 841, Abs. 1.



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Der zweite Weg, der sich darbietet, besteht in folgendem: Man sucht das unerlaubte Verhalten des Spekulanten direkt dadurch zu treffen, dass die nachgehenden Pfandgläubiger für berechtigt erklärt werden, aus dem Pfandverwertungsanteil des ersteren in­soweit Deckung zu verlangen, als sie durch den Vorgang des­selben geschädigt erscheinen und als dieser Schaden durch eine Spekulation auf den Verlust der Handwerker von dem vorgehenden Gläubiger ins Werk gesetzt worden ist. Diese Anordnung setzt zwar auch eine Feststellung des Wertes der Liegenschaft vor dem Bau voraus, allein nicht formal, sondern nur zu dem Zweck, dass der Richter sich ein Urteil über den Charakter der den Bau­gläubigern schädlichen Spekulation zu bilden vermag. Dieser zweite Weg vermeidet die Schwierigkeiten und Umständlichkeiten, mit denen der erste Weg die Begründung des Privileges umgibt, ersetzt sie aber allerdings durch andere Schwierigkeiten, die dafür dem Richter auferlegt sind. Gleichwohl ist es uns nicht zweifelhaft, dass dieser Weg unsern überlieferten Anschauungen und Gepflogen­heiten besser entspricht als der erste, und deshalb hat der vor­liegende Entwurf sich ihm zugewendet. Es darf dabei nicht ausser acht gelassen werden, dass mit dieser Ordnung den Beteiligten immer noch frei gestellt ist, die Kautelen des ersten Weges, soweit es ihnen als nötig erscheint, vorzusehen, wie namentlich mit amt­licher Schatzung zur Zeit der Belastung des Grundstückes durch einen Baukredit und mit Feststellung der Forderungen der Unter­nehmer und Handwerker durch formale Ausweise, sowie auch mit Fürsorge betreffend die Verwendung der auf den Baukredit er­hobenen Gelder zur Tilgung dieser Forderungen.
Im einzelnen ist zur Erläuterung der Vorschläge des Entwurfes noch folgendes anzufügen:
1. Die bestehenden Gesetze und vorliegenden Entwürfe geben das Privileg allgemein nur für Bauwerke, bezw. Neubauten. Ist aber schon die Abgrenzung gegenüber anderen Werken nicht un­bedenklich, so kann überhaupt kein triftiger Grund dafür ange­führt werden, weshalb nicht auch bei anderen Bauten auf Grund­stücken dieselben Vorrechte gewährt werden sollten. Für Brücken, Dämme, Entsumpfungsarbeiten einerseits und für Erweiterungen und Umbauten anderseits sind die gleichen Bedürfnisse vorhanden, und dass diese hier seltener auftreten, als bei den Bauwerken im engeren Sinne, ist kein Motiv für eine andere Behandlung der Sache. Der Entwurf bringt aus diesem Grunde, um auf der gewählten Grundlage möglichst allgemeines Recht zu schaffen, die Zulassung des Vorrechts für alle Bauten oder andere Werke auf Grund­stücken in Vorschlag.



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2.  Das Vorrecht sollen die Handwerker oder Unternehmer erhalten für ihre Forderungen aus Arbeit oder Lieferung von Material. Ausgeschlossen sind dadurch die blossen Lieferanten, da es diesen nach den vorliegenden wirtschaftlichen Machtverhältnissen leicht fallen wird, sich auf andere Weise vor Verlust zu schützen. Ferner sind ausgeschlossen die Arbeiter, die nicht im Werkvertrag, sondern im Dienstvertrag stehen, indem ihre Forde­rungen regelmässig auf kurze Frist fällig sind, so dass die Gefahr für sie nicht allzusehr anwächst. Überdies würde durch ihre un­mittelbare Berücksichtigung das Verhältnis so sehr belastet, dass das Vorrecht an Brauchbarkeit bedeutend verlieren müsste, wäh-­ rend doch bei der vorgeschlagenen Umgrenzung natürlich der Schutz der Meister auch für die Arbeiter eine, wenngleich mittel­bare, so doch nach den vorliegenden Verhältnissen sehr wirksame Sicherung bedeuten wird. Im weitern sind die Unternehmer und Handwerker mit dem Privileg ausgerüstet ohne Rücksicht darauf, ob sie mit dem Grundstückeigentümer direkt oder indirekt in Verbindung getreten sind. Nicht der mit dem Eigentümer abge­schlossene Werkvertrag, sondern die Leistung für das Werk bildet die Grundlage des Privileges. Unternehmer und Handwerker haben dabei regelmässig eine Forderung aus der gleichen Ver­wendung, und zwar so, dass die Forderung des Unternehmers die der Handwerker in sich fasst, sobald jener dartun kann, dass er diese befriedigt hat.
3.     Die Baugläubiger haben sich über ihre Forderungen bei der Nachsuchung der Eintragung gehörig auszuweisen, nach Mass­gabe des Art. 1008. (1) Der sicherste Ausweis wird in der Regel mit der Anerkennung durch den Eigentümer erbracht werden können, allein, es wäre doch nicht zu empfehlen, diese als formelles Re­quisit jeder Eintragung zu bezeichnen. Vielmehr wird ein anderer Ausweis gegebenenfalls für hinreichend erachtet werden dürfen, und Aufgabe grundbuchlicher Verordnungen wird es sein, hierfür die eventuell weiter erforderlichen Anweisungen aufzustellen. Als letztes Mittel bleibt dem Eigentümer, auf die gemäss Art. 1011 (2) erfolgte Anzeige hin, die gerichtliche Anfechtung.
4.     Die Eintragung muss spätestens drei Monate nach der Vollendung des ganzen Werkes, vom Tage der Begründung des Anspruches an berechnet, erfolgen, eine Frist, die Art. 623, Abs. 5, auch für die andern gesetzlichen Grundpfandrechte aufstellt.(3) Wer also einen Neubau erwirbt, weiss, dass er noch drei Monate nach der Vollendung des Werkes solcher Eintragungen gewärtig
(') ZGB 965. (2) ZGB 969. (3) Vgl. ZGB 838 u. 839, Abs. 2.



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sein muss, und wird sich zur Vermeidung von Schaden darnach richten. Sind die Forderungen eingetragen, so haben sie zwar den Rang nach ihrem Datum, allein es wäre doch unbillig, die eine von ihnen vor der andern zu bevorzugen, deshalb bildet Art. 824, Abs. l,(1) aus den auf sie nach ihrem Rang entfallenden Betreff­nissen eine einzige Masse, die gleichmässig unter die Berechtigten zur Verteilung gelangt. Eine andere Eintragung, die sich zwischen die Eintragungen der Privilegierten eingefügt hätte, vermöchte also bei ihrem Rechte zu bleiben, während, wenn man die Unter­nehmer und Handwerker alle auf das gleiche Datum, d. h. dann wohl notwendig das Datum der ersten privilegierten Eintragung bezöge, dieses andere Pfandrecht, auch wenn die Voraussetzungen des Art. 824, Abs. 2,(2) nicht vorlägen, vor jenen privilegierten Gläubigern zurücktreten müsste.
5. Befürchtet man einen ungebührlichen Druck der entgegen­stehenden Interessen, so liesse sich anfügen, dass der Anspruch auf das gesetzliche Pfandrecht, unverzichtbar sei, und zwar würde diese Regel richtigerweise wohl für alle gesetzlichen Pfandrechte aufgestellt.(3)
Eine nähere Erklärung der Anfechtung aus der Vorschrift des zitierten Abs. 2 wird mit Art. 825 in dem Sinne gegeben, dass die zwei Richtungen angeführt sind, in denen eine Überlastung auf Gefahr der Handwerker und Unternehmer vorkommen kann.(4) Wo sie vorhanden sei, hat der Richter zu entscheiden, dem es zur Pflicht gemacht wird, vor der Fällung des Urteils Sachverständige anzuhören. Das Ermessen des Richters wird hier in besonders wohltuender Weise zur Wirksamkeit gelangen, ganz entsprechend den Erscheinungen, die wir bei den verwandten Fällen der kon­kursrechtlichen Anfechtungen vor uns haben. Die eigenen Inter­essen der Beteiligten werden dazu führen, dass diese beizeiten ihre Vorkehrungen treffen, um den Handwerkern und Unter­nehmern keinen Anlass zu solchen Anfechtungen zu geben. Schon die Existenz solcher Schutzvorschriften wird also auf die Aus­gestaltung der fraglichen Verhältnisse von wohltuendem Ein­fluss sein.
(') ZGB 840. (2) ZGB 841, Abs. 1. (3) Das Gesetz hat diese Vorschrift aufgestellt in Art. 837, Abs. 3. (4) Das Gesetz hat den zit. Art. 825 nicht aufgenommen, dafür aber in Art. 841, Abs. 1, als Voraussetzung der Anfech-­ tung die Erkennbarkeit der zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer erfolgten Belastung bezeichnet und in Abs. 2 u. 3 einerseits den Zedenten einer solchen anfechtbaren Grundpfandforderung als ersatzpflichtig erklärt und anderseits die Errichtung von Schuldbriefen und Gülten während der den Baugläubigern gegebenen Eintragungsfrist untersagt.



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Dritter Abschnitt.
Schuldbrief und Gült.
A. Der Schuldbrief. I. Zweck und Gestalt, Art. 826. (1) Nach dem früher Entwickelten genügt es, hier auf die persönliche Forderung und ihre Sicherstellung hinzuweisen. Dass der Gläubiger neben dem Pfandrecht für seine Forderung eine Urkunde in die Hand erhält, liegt zwar im Zweck der Pfanderrichtung. Es ist aber fraglich, ob das Gesetz die rechtliche Bedeutung dieser Urkunde hier im allgemeinen angeben soll. Was man will, ist, dass der Gläubiger mit der Urkunde den Wert, mit dem das Schuldbrief­verhältnis das Grundstück belastet, in den Verkehr soll bringen, veräussern und verpfänden dürfen mit der Folge, dass der Schuldner diese Verfügungen anzuerkennen hat. Darüber wird aber besser erst bei der Regelung der Urkunde selbst und in Verbindung mit der Gült gehandelt, Art. 835 ff. (2)
II. Schatzung, Ablösung, Art. 827. (3) Der Schuldbrief ist mit der Eintragung in das Grundbuch noch nicht erstellt, die zwei allgemeinen Erfordernisse für die Errichtung des Grundpfandes, Erwerbsgrund und Eintragung, müssen hier ergänzt werden durch die Ausstellung des Schuldbriefes. Zwar hat schon die Eintragung Schuldbriefwirkung, wie sich dies bei Verlust des Briefes und bei regelwidriger Unterlassung seiner Ausstellung zeigt, aber es ist doch erst die Ausstellung der Urkunde, die das Geschäft vollwirk­sam macht. Auch diese Regel wird aber richtiger für Schuldbrief und Gült gemeinsam aufgestellt, Art. 837. (4)
Fraglich ist es, wie weit beim Schuldbrief mit dem Anfordernis einer amtlichen Schatzung gegangen werden soll. Dass hier nicht das gleiche Bedürfnis nach einer Schatzung vorliegt, wie bei der Gült, haben wir schon oben aus der mitbestehenden persönlichen Haftbarkeit des Schuldners abgeleitet. Allein es würde doch einer weit verbreiteten und berechtigten Anschauung entsprechen, wenn man für den Schuldbrief diese Ermittlung des Wertes des Grund­stückes obligatorisch machte. Dass die Eintragung der Grundsteuerschatzung und der staatlichen Feuerversicherungssumme statt­finden soll, ist bereits begründet worden und im Grundbuchrecht geordnet, aber erstere findet sich in wenigen Kantonen, und letz­tere gibt nur für die Bauten einigen Anhalt, also müsste, wenn
(') Vgl. ZGB 842, wo die Worte „die für den Verkehr bestimmt ist" nicht aufgenommen sind. (2) ZGB 854 ff. (3) ZGB 843 u. 844. (4) ZGB 856.



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man auf die Schatzung wirklich Wert legen wollte, deren Vor­nahme doch für die Mehrzahl der Kantone zur Ergänzung jener Eintragungen erst noch vorgeschrieben werden. Wir fanden an­fänglich, es unterliege eine solche Vorschrift keinen Bedenken. Allein bei den Expertenberatungen entschied man sich, da doch die Verantwortlichkeit für den Wert des Grundpfandes beim Schuld­brief eine andere sei, als bei der Gült, dafür, dass die Schatzung nicht im Bundesrechte obligatorisch gemacht werden solle. Sie wird fakultativ zugelassen. Überdies aber soll das kantonale Recht befugt sein, die Schatzung geradezu vorzuschreiben und damit die Bestimmung zu verbinden, dass Schuldbriefe nur bis zum Schatzungswert errichtet werden dürfen. Dazu kommt, wie uns scheint, als selbstverständlich, dass das kantonale Recht für die Titel der kantonalen Hypothekaranstalten weitergehende Ord­nungen, soweit sie nicht dem Bundesrechte widersprechen, auf­stellen kann, beispielsweise in Gestalt einer Anfügung der Haftung des Kantons oder der Gemeinden. Man denke an das Vorgehen Berns betreffend die Pfandbriefe der Hypothekarkasse, siehe Bei­lage II zum Entwurf von 1898. (1)
In bezug auf den Untergang des Schuldbriefes kann vollständig auf das Recht der Grundpfandverschreibung verwiesen werden, soweit Ablösung und Kündung in Frage stehen, Art. 816 bis 819, Art. 827, Abs. 3.(2) Die besondern Regeln betreffend den Pfand­titel, d. h. den Verkehr mit der Urkunde, finden auch hier ihre Aufstellung in Verbindung mit der Gült, Art. 842 ff. (3)
III. Eigentum am Grundstück, Veräusserung, Zerstückelung, Art. 828. (4)
Wie der Gläubiger, so wird auch der Schuldner beim Schuldbrief schlechtweg durch das persönliche Schuldverhältnis festgestellt. Es kann sich nur fragen, inwieweit die Rücksicht auf die Verkehrs­funktion oder die Natur des Pfandrechtes als selbständiger Boden­belastung hiervon Ausnahmen nötig machen. Zunächst kann in bezug auf die Regel, dass der Schuldner nicht Eigentümer des verpfändeten Grundstückes zu sein braucht, eine Verweisung auf Art. 813, Abs. 2,(5) genügen. Ebenso wird betreffend die Folgen der Veräusserung des Grundstückes auf das Recht der Grund­pfandverschreibung verwiesen werden können, Art. 820, (6) womit
(') Vgl. unten Beilage II. (2) Vgl. ZGB 844, Abs. 1, und 826 ff. Das Gesetz hat an Stelle der Verweisung auf die Ordnung der Grundpfandver­schreibung (zit. Art. 827, Abs. 3) in Art. 844 eine subsidiäre Kündigungs­vorschrift aufgestellt und gestattet den Kantonen, die Kündbarkeit der Schuld­briefe weiter einzuschränken. (3) ZGB 863 ff. (4) ZGB 845. (5) ZGB 824, Abs. 2. (6) ZGB 832 ff.



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eine Einfachheit der Regelung erzielt werden kann, die an sich grosse Vorzüge aufweist.
Der Entwurf von 1898 hatte allerdings für den Schuldbrief das Verhältnis in Art. 940 bis 942 anders geordnet. Bei der Veräusserung des belasteten Grundstückes als Ganzes sollte zwar wie bei der Pfandverschreibung, — wenn die Beteiligten sich nicht, was an sich wünschenswert ist und meist geschieht, anders ver­abreden, — einfach der frühere Eigentümer persönlicher Schuldner bleiben und der Erwerber Eigentümer eines für eine fremde Schuld verpfändeten Grundstückes sein. Auch hier hatte man sich immer­hin wie bei der Pfandverschreibung gefragt, ob nicht die Aner­kennung des Schuldnerwechsels durch den Gläubiger angenommen werden könnte, sobald dieser binnen einer kürzeren Frist nicht ausdrücklich erklärt, dass er den bisherigen Schuldner beibehalten wolle. Für den Fall der Zerstückelung des Grundstückes nun aber, mit Inbegriff der Ablösung einzelner Teile, hatte der Ent­wurf sich für die im geltenden Rechte häufig auftretende Alter­native entschieden, dass der Gläubiger die Wahl haben soll, ent­weder das Schuldverhältnis aufzukünden, oder die einheitliche Forderung nach Verhältnis der gebildeten Parzellen in Teilforde­rungen an die einzelnen Teileigentümer, oder wenn das Grund­stück für die Schuld eines Dritten verpfändet war, in Teilpfand­rechte für Teilforderungen an den bisherigen Schulder zerfallen zu lassen. Für dieses Wahlrecht sollte er ein Jahr Zeit zur Aus­übung beanspruchen können, und zwar so, dass der Schuldner die Ablösung während dieses Jahres gewärtigen musste und ohne Ein­haltung weiterer Kündungsfristen vom Gläubiger angehalten werden konnte, innerhalb des Jahres die Zahlung vorzunehmen. Das Jahr würde dabei nicht mit der Zerstückelung, sondern von dem Zeit­punkt an zu laufen begonnen haben, wo der Gläubiger von der Zerstückelung die Mitteilung erhalten hat (vgl. Art. 1011. (') Für den Fall, dass der Gläubiger während des Jahres die Ablösung wählte, war die Haftung aller Parzellen für die ganze Schuld als Gesamtgrundpfand vorgesehen. Entschied er sich für die andere Alternative, so sollte er das Recht haben, zu sagen, wie er die ganze Forderung auf die Teilstücke des Pfandes verteilt wissen wolle. Gegen diese letztere Befugnis wurde allerdings schon bei dem früheren Entwurf eingewendet, dass das Wahlrecht des Gläu­bigers doch unter Umständen einem der Teileigentümer durch Abmachungen mit dem Gläubiger einen ganz unverhältnismässigen Vorteil verschaffen könnte. Allein anderseits fand man, dass das
(') ZGB 969.



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Recht des Gläubigers, zu bestimmen, in welchem Verhältnis die Teilschulden auf die einzelnen Grundstücke gelegt werden sollen, einigen Ersatz für den Verlust der Einheit der Forderung darbiete, und überdies durfte man bei dieser Regelung von der Voraus­setzung ausgehen, dass die Beteiligten aus dieser Gläubigerbefugnis einmal Anlass nehmen würden, bei der Zerstückelung des Grund­stückes sofort sich mit dem Gläubiger ins Einvernehmen zu setzen und die Teilung unter seiner Beistimmung vorzunehmen. Erklärte er während des Jahres gar nichts, so war nach dem Entwurf die schon mit der Teilung eingetretene Zerteilung der Schuld definitiv in Kraft erwachsen.(1)
B. Die Gült. I. Zweck und Gestalt, Art. 829. (2) Die Gült stellt sich als eine besondere Art der Grundlast dar, in der diese die Funk-­ tionen des modernen Grundpfandes übernommen hat. Gerade deshalb kommt aber der Gült ein eigentümlicher Charakter zu, der sie zur gemeinrechtlichen Hypothek, wie zur Grundpfandverschreibung des Entwurfes in einen grossen Gegensatz bringt, während nach der Seite der Wertpapierexistenz Gült und Schuldbrief sich sehr nahe verwandt oder nahezu gleich sind. Wir haben also, wenn wir die Vorschriften über die Gült näher betrachten, einerseits auf das über die Grundlast Entwickelte Bezug zu nehmen, und anderseits verweisen wir auf die gemeinsamen Vorschriften über die Schuld­briefe und Gülten.
Der Zweck der Gült erschöpft sich in den eben angegebenen Richtungen: Sie ist Grundlast, bestimmt zur Funktion des modernen Grundpfandes in der Gestalt des Gültbriefes. Von der gewöhnlichen Grundlast muss sich die Gült immer dadurch unterscheiden, dass sie den Gläubiger auf Zins und Kapital berechtigt. Eine Gült, die nur für Rentenleistung ohne Kapitalforderung ausgestellt wäre, würde sich von der Grundlast im gewöhnlichen Sinne nicht unter­scheiden, wenngleich mit der Errichtung eines Briefes auch ein solches Verhältnis sich auf den Bahnen der Gült zu bewegen ver­möchte. Die Forderung als Grundlastforderung kann gegen den Schuldner persönlich nicht geltend gemacht werden. Es ist aber an sich nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner der Grundlast nebenbei sich noch persönlich verpflichte. Ein Verbot dieser Bei­fügung, wie es beispielsweise im geltenden Recht der Kanton
(') Das Gesetz hat diese Ordnung nach dem Entwurf von 1898 für Schuldbrief und Grundpfandverschreibung angenommen, vgl. oben S. 273, Anm. 1 f. (2) Vgl. ZGB 847. Das Gesetz fügt in Abs. 2 bei, dass Gülten nur auf landwirtschaftliche Grundstücke, Wohnhäuser und Baugebiet errichtet werden können.



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Schwyz für die Gült aufgestellt hat, findet sich nicht im Entwurf. Wo eine persönliche Verpflichtung neben der Gült begründet werden wollte, müssten dann aber doch nach dem Entwurfe die beiden Verpflichtungen wohl auseinander gehalten werden. Das Schicksal der einen wäre durchaus nicht das Schicksal der andern. Wenn das Grundstück den Eigentümer wechselt, so wird zwar nach Grundlastprinzip die Grundlast einen neuen Schuldner erhalten, die persönliche Verpflichtung aber bliebe durchaus beim alten. Man kann sich diese Beziehung am besten verdeutlichen, wenn man den Schuldner in seiner rein persönlichen Verpflichtung sich als einen Bürgen vorstellt, der für die Grundlast des Eigentümers ein­steht. Ist ein anderer Eigentümer, so lässt sich das Verhältnis direkt als Bürgschaft durchführen, während, so lange beide Per­sonen identisch sind, ja allerdings nur in rein formalem oder kon­struktivem Sinne von einer Bürgschaft gesprochen werden könnte. Es war uns fraglich, ob nicht im Gesetz selbst zur Verdeutlichung und Fixierung der Verhältnisse und zur bestimmten Anweisung darüber, was für Vorschriften in solchen Fällen anzuwenden seien, gesagt werden sollte, der sich persönlich verpflichtende Schuldner hafte wie ein Bürge des Grundlastschuldners. Doch schien uns gegenüber dem seltenen Fall, wo der frühere Eigentümer als per­sönlicher Schuldner wie ein Bürge des neuen Eigentümers als des Grundlastschuldners zu haften haben dürfte, eine solche Vorschrift nicht nötig zu sein. Die Beziehungen an sich sind klar, und die konstruktive Gestaltung kann der Wissenschaft und Praxis über­lassen werden.
Die Gestalt der Forderung steht ganz unter den Regeln der Grundlast. Die Angabe einer bestimmten Summe bei der Eintra­gung in das Grundbuch deckt sich sowohl mit den Grundpfand-, als mit den Grundlastvorschriften. Die Zinshaftung wird nach den allgemeinen Vorschriften über das Grundpfand und nicht nach den Grundlastregeln beurteilt. Ebenso verhält es sich mit der Ver­jährung, wobei zu beachten ist, dass die periodischen Leistungen der Gült, sobald sie nicht mehr pfandrechtliche Deckung bean­spruchen können, der gewöhnlichen Verjährung unterliegen.
Das Eigentümliche an der Gült als Grundlast liegt nach dem Moment der Entstehung im weitern darin, dass sie ein persön­liches Verhältnis nicht zur Entstehung bringt, indem das Grund­stück nicht als persönlicher Schuldner gedacht werden kann. Also entsteht die Forderung mit der Begründung der dinglichen Be­lastung oder, da diese mit der Eintragung in das Grundbuch her­gestellt wird, durch diese Eintragung, nicht vorher und nicht später und auch nicht ohne sie. Diese Eintragung ist eine rein



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formale Handlung mit abstrakter Grundlage, und damit wird auch die Forderung zu einer rein formal und abstrakt begründeten Forderung. Dem entspricht, dass der Schuldgrund nicht ange­geben wird, im Gegensatz zu dem regelmässigen Verfahren beim Schuldbrief. Diese Bestimmung ist in dem Sinne aufgestellt (Art. 829, Abs. 2),(1) dass beim Schuldbrief eine abstrakte Gestaltung der Forderung wohl zulässig, bei der Gült dagegen durch die Natur der Belastung absolut verlangt wird. Man kann nicht das Grund­stück grundlastweise mit einer Darlehensforderung belasten. Das wäre keine Grundlast, keine Gült mehr. Nur ist dabei nicht zu übersehen, dass bei der Gülterrichtung doch in sozusagen allen Fällen auf ein konkretes materielles Verhältniss Bezug genommen wird. Daraus ergibt sich die Beziehung der formalen und ab­strakten Gült zur persönlichen Forderung, auf die wir schon oben hingewiesen haben, und die in gleicher Weise, wenn auch mit an­derer Folge, für den Schuldbrief geordnet werden muss, Art. 836. (2)
II. Belastungsgrenze und Ablösbarkeit. 1. Belastungsgrenze, Art. 830. (3) Wir haben oben näher ausgeführt, dass der Entwurf die Gült zur zuverlässigsten Anlage von Geld in Bodenwert ausgestalten will. Zu diesem Zweck beschränkt er einerseits die Errichtungsmöglichkeit für Gülten und fügt anderseits der Haftung des Grundstückes für alle Fälle eine Haftung des Gemeinwesens an.
Die Festsetzung einer Errichtungsgrenze hat stets etwas Will­kürliches an sich. Man könnte sich ganz wohl zu der in Obwalden gegebenen Grenze entschliessen, d. h. zu drei Viertel des Wertes, die Garantie des Gemeinwesens wird aber annehmbarer, wenn schon bei zwei Drittel die Möglichkeit der Gülterrichtung abgeschlossen ist. Eine erheblichere Einbusse erfährt damit der Eigentümer des­halb nicht, weil er das letzte Drittel ja doch mit einer andern Pfandart belegen kann, also in der Verwertung seines Boden­kredites nicht gehemmt wird. Aus diesem Grunde glaubt der Ent­wurf, bei Gülten auf Bauten noch einen Schritt weiter gehen zu dürfen. Der Wert in Häusern ist stets viel weniger sicher, als der in Grund und Boden. Zwar korrigiert die Zwangsfeuerver­sicherung für einen Hauptgefahrsfall das Bedenkliche der Geld­anlage auf Häuser, worauf auch in Art. 811 (4) Bezug genommen ist. Aber die Preise sind doch weniger konstant, sobald es sich um Bauten handelt, eine Verschlechterung ist leichter möglich, eine Verwahrlosung hat viel bedenklichere Folgen. Aus diesem Grunde scheint uns für die Solidität der Gült hier die Beschränkung auf
(1) ZGB 847, Abs. 3. (2) ZGB 855. (3) Vgl. ZGB 848. (4) ZGB 822.



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den halben Wert wohl motiviert zu sein. Innerhalb dieser Grenze mögen die Gülten alsdann in verschiedenem Range mit oder ohne Konkurrenz anderer Grundpfandarten errichtet werden. Das Gebot geht nur dahin, dass eine Gült über die zwei Drittel oder bei Bauten die Hälfte des Wertes der Pfandsache hinaus nicht zur Entstehung gelangen soll. (1)
Zur Ausmittlung des Bodenwertes darf man sich alsdann, anders als beim Schuldbrief, nicht einfach auf die Grundsteuerschatzung oder die staatliche Feuerversicherungsschatzung berufen. Die Wichtigkeit der Sache verlangt vielmehr hier die Anwendung einer besondern Schatzung. Diese zu ordnen wird den Kantonen überlassen werden müssen, denn es handelt sich um die Auswahl von Organen in Bezirken oder Gemeinden, die je nach den Kan­tonen verschieden getroffen werden muss. Ja auch die Art der Funktion der Schatzungsorgane wird von den Kantonen geregelt werden müssen, wobei für sie nur einerseits die Notwendigkeit einer Schatzung überhaupt und anderseits die Haftbarkeit bindend vor­geschrieben wird. Den Kantonen steht es frei, die gleichen Ein­richtungen dann auch für die Schuldbriefe nutzbar zu machen, sei es mit obligatorischer Vorschrift, oder indem sie den Apparat den Parteien zur Verfügung stellen, vgl. Art. 827. (2)
Die Vorschrift, dass nach dem Ertragswert zu schätzen sei, ist namentlich deshalb von Bedeutung, weil anzunehmen ist, dass die Gülten namentlich bei landwirtschaftlichen Grundstücken zur Anwendung kommen werden. Dass der „Ertragswert" an einer gewissen Unbestimmtheit leidet, ist wohl zuzugeben, allein gerade als eine Anweisung zu behutsamer Schätzung und zum Zweck der grundsätzlichen Ausschliessung der Berücksichtigung der Speku­lationswerte dürfte die Bestimmung äusserst wohltätig wirken, und da dem Eigentümer andere Pfandarten ja unbeschränkt zur Ver­fügung bleiben, so kann in dieser Hervorhebung des Ertragswertes wiederum eine Unbilligkeit gegenüber dem Eigentümer nicht ge­funden werden.
2. Haftung des Staates, Art. 831. (3) Die Haftbarkeit des Gemein­wesens wird nach aller Voraussicht kaum in häufigen Fällen prak­tisch werden. In Bern wurde wenigstens mit der Gemeindegarantie diese Erfahrung gemacht, vgl. die Beilage II zum Entwurf von 1898. (4) Hauptzweck der staatlichen Haftung wird es vielmehr
(1) Das Gesetz stellt für ländliche Grundstücke und für städtische ver­schiedene Belastungsgrenzen auf, Art. 848, Abs. 1 u. 2. (2) Vgl. ZGB 848, Abs. 3, und 843, Abs. 1. (3) Vgl. ZGB 849. (4) Siehe unten Beilage II.



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sein, darauf zu drängen, dass die Schatzung und die Vorschriften über die Begrenzung der Gülterrichtung möglichst genau beobachtet und kontrolliert werden. Die Beamten, die eine Schatzung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen oder eine Gült über den erlaubten Betrag hinaus errichtet haben, müssen für ihr Ver­schulden selbstverständlich haftbar sein. Da aber der Geschädigte, der Gültgläubiger, meistens den Verhältnissen und Personen so ferne steht, dass man ihm nicht, wie dies bei der Verantwortlich­keit der vormundschaftlichen Organe der Fall ist, zumuten darf, in erster Linie sich an diese haftbaren Beamten zu halten und erst subsidär an das Gemeinwesen, so ergibt sich daraus die Ord­nung, dass, wer aus der Gült geschädigt ist, direkt das Gemein­wesen soll belangen können, das für die fehlbaren Beamten haft­bar ist, und diesem mag es alsdann überlassen bleiben, auf die Beamten Rückgriff zu nehmen. Kautionen u. dgl., sowie alle Vor­sicht bei der Auswahl der Beamten und der Beaufsichtigung ihrer Tätigkeit werden um so mehr im Interesse des verantwortlichen Gemeinwesens liegen und um so ernstere Garantien für gute Amts­führung hervorrufen. Als haftbares Gemeinwesen könnte dabei der Bund in Frage kommen, da dieser ja die Haftbarkeit anordnet und die Gült nach Bundesrecht geregelt wird. Allein der Bund müsste bei Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit auch ver­langen, dass ihm die Organe zur Verfügung gestellt werden, es müssten Bundesschatzungsämter eingeführt werden, diese bedürften einer wirksamen Kontrolle, und es würde dergestalt ein ganzer Apparat notwendig, für den die nötige Grundlage in der bundes­staatlichen Organisation nicht vorhanden ist. Es wäre daher zurzeit unpraktisch und irrationell, eine Bundesgarantie für die Gülten einzuführen. Im Gegensatz hierzu könnte man weiter an eine Gemeindegarantie denken, und in der Tat geht das Verhältnis die Gemeinde, in der das Grundstück liegt, am meisten an und ist sie am nächsten, eine Schatzung und Würdigung vorzunehmen, wie ja auch die Fertigung im geltenden Recht vielfach in der Gemeinde stattfindet. Aber einer solchen Ordnung würden noch weit erheb­lichere Bedenken entgegenstehen. Einmal würde es fraglich sein, welche Gemeinden in jedem Kanton gemeint wären, und man könnte es nicht vermeiden, dass die Kantone die Bezirke bezeichnen oder gar bilden müssten, in deren Umkreis je eine Haftungsstelle ge­geben wäre. Des fernern sind die Gemeinden von sehr ungleicher Zahlungsfähigkeit. Weiter würde in diesen kleinen Kreisen ein doppelter Missbrauch zu befürchten sein, indem einerseits ängst­liche Gemeindeorgane allzusehr die Wertung zurücksetzen, um­gekehrt aber Kameradschaften oft eine Gemeinde zu Über-



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schätzungen und zur Übernahme einer Verantwortlichkeit verleiten könnten, die weder der Gemeinde noch dem Kredit der Gülten gut bekäme. In jedem Falle müsste also die Kantonsregierung doch eine beaufsichtigende Hand walten lassen, und um diese zu spornen würde es dann wohl am Platze sein, die Gemeindegarantie wenig­stens durch die subsidäre Haftung des Kantons zu ergänzen. Ist man nun aber einmal so weit, so scheint es uns richtiger, über­haupt nur den Kanton haften zu lassen. Diese Ordnung bietet nach verschiedenen Richtungen grosse Vorteile. Einmal erhält man damit eine gewisse Gleichmässigkeit der Garantie für alle schweizerischen Gülten, indem die kantonale Haftung unter allen Umständen ernsthaft zu nehmen ist. Sodann haben die Kantone die beste Gelegenheit, die Schatzung rationell durchzuführen. Be­dienen sie sich dabei auch der Gemeinde- oder Bezirksorgane, so sind doch diese ihre nächsten Verwaltungsorgane und stehen direkt unter ihrer Aufsicht. Es kann mithin dafür gesorgt werden, dass im Gebiete eines jeden Kantons nach einheitlichen Gesichtspunkten geschätzt und derart wiederum eine Gleichmässigkeit des Gülten­wertes herbeigeführt wird. Weiter spricht für die kantonale Garantie auch noch der Umstand, dass die Kantone sozusagen überall die Organe bereits besitzen, die zu dieser Schatzung dienen können, und dass die getroffene Schatzung der kantonalen Verwal­tung unmittelbar für andere Zwecke, Steueranlage, Feuerversiche-­ rung usw., zu dienen vermag. Des fernern darf man erwägen, dass der Kanton viel eher als die Gemeinde nötigenfalls das über­lastete Grundstück erwerben könnte, und dass die Kantonalbanken mit Garantie des Staates ohnedies bereits in grossem Umfang die Belastung der Grundstücke an sich gezogen haben. Gewiss empfiehlt sich dann die Lösung auch noch durch ihre Einfachheit: die Kantone richten die Schatzung ein und sind haftbar mit Regress ­auf die fehlbaren Beamten. Ob ein Regress auch etwa an die Gemeinden gegeben wäre, wagen wir nicht zu entscheiden, sind aber der Ansicht, dass das kantonale Staatsrecht zu verfügen hätte, wer innerhalb des Kantons, bei der Haftbarkeit des kanto­nalen Fiskus, den Schaden schliesslich zu tragen haben würde. Eine Überwälzung der Verantwortlichkeit würde also, was die Schadenstragung anbelangt, durch das kantonale öffentliche Recht wohl angeordnet werden können. Der Geschädigte jedoch hätte nach Bundesrecht unter allen Umständen eine Ersatzklage gegen den Kanton. Diesen Überlegungen verdankt Art. 831 seine Gestalt. (1)
(') ZGB 849 erklärt die Kantone dafür als haftbar, dass die Schätzung mit aller erforderlichen Sorgfalt vorgenommen werde, unter Rückgriffsrecht auf die fehlbaren Beamten.



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Er sollte, in Verbindung mit der Belastungsgrenze, der Gült den Charakter einer Geldanlage ersten Ranges zu verleihen vermögen, auch wenn man die Haftung des Kantons nur für den Betrag der Schatzung zurzeit ihrer Vornahme und für den Fall des Mangels der erforderlichen Sorgfalt bei der Schatzung annimmt und also bei spätern, durch spezielle Ereignisse oder allgemeine Preisrück­gänge verursachten Entwertungen nicht anerkennt.
3. Ablösbarkeit, Art. 832. (1) Der Untergang der Gült bedarf nur in einem besondern Punkt der Regelung, betreffend die Ablös­barkeit. Im übrigen genügt es an den allgemeinen Untergangs­vorschriften und den Regeln über die Pfandtitel. In bezug auf die Ablösbarkeit aber müssen wir die Ablösung durch den Schuldner und durch den Gläubiger getrennt betrachten.
Dem Schuldner gibt der Entwurf wie dem Grundlastschuldner ein einseitiges Ablösungsrecht mit absolutem Charakter, so dass es vertraglich nicht wegbedungen werden kann. Die zeitliche Dauer braucht hier aber nicht dieselbe zu sein, wie bei der Grund­last (Art. 782), (2) wo zumeist Verhältnisse individuellen Charakters vorliegen, die beide Parteien in besonderer Weise aneinander binden, so dass von der Gesetzgebung nur darauf zu achten ist, dass die Grundstücke nicht auf ewig belastet werden, während im übrigen eine längere Gebundenheit, als im Interesse beider Teile liegend und wirtschaftlich wohl motiviert, sehr wohl anerkannt werden kann. Anders bei der Gült für den Schuldner. Der Gläubiger hat kein besonderes Interesse daran, gerade diesen Gültschuldner zu haben, es greift nicht zu schwer in seine Verhältnisse ein, wenn er vom Schuldner Rückzahlung entgegennehmen muss. Er kann sich leicht eine neue Gült und damit neue Geldanlage ver­schaffen, ohne dass der Verlust gerade dieses Schuldners für ihn etwas bedeuten würde. Anderseits bestehen grosse Interessen daran, dem Eigentümer die Möglichkeit offen zu halten, sein Grundstück von der Gültenlast zu befreien. Verhindert man ihn an der Ablösung in einem gegebenen Zeitpunkt, so wird dadurch vielleicht auf Jahre hinaus die Belastung verlängert. Nur das eine muss allerdings dem Gläubiger zugestanden werden, dass die Ab­lösungen nicht zu häufig und nicht zu plötzlich sollen stattfinden dürfen. Aus dieser Überlegung hat der vorliegende Entwurf die dreissigjährige Ablösungsperiode der Grundlast bei der Gült auf zehn Jahre herabgesetzt, Art. 832, Abs. l.(3)
(') ZGB 850. (2) ZGB 788, insbesondere Zif. 2. (3) ZGB 850, Abs. 1, hat sie auf sechs Jahre angesetzt.



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Anders verhält es sich mit dem Gläubiger. Dieser hat aller­dings in jedem Falle die Ablösungsbefugnisse des Grundlastgläu­bigers, kann also zur Liquidation schreiten, wenn der Schuldner nicht seinen Pflichten nachkommt, wenn er das Grundstück ver­schlechtert, sowie wenn es zerstückelt wird. Es fragt sich aber, ob durch Abrede ein weitergehendes Ablösungsrecht des Gläu­bigers begründet werden dürfe. Soll die Gült für den Gläubiger wenigstens durch Vertrag beliebig kündbar gemacht werden dürfen? Schaffhausen, Thurgau und Waadt haben sich in ihren Vernehm­lassungen mit Bestimmtheit gegen die Unkündbarkeit der Hypothekartitel ausgesprochen. Allein die Auswahl, die die Parteien unter den verschiedenen Grundpfandarten haben, gestattet uns nun hier, den Gültcharakter möglichst konsequent durchzuführen, und so gelangen wir zur Unkündbarkeit der Gült auf der Gläu­bigerseite. Will der Gläubiger ein kündbares Recht, so mag er sich eine Pfandverschreibung errichten oder einen Schuldbrief aus­stellen lassen. Die Gült dagegen ist so sehr als bleibende Boden­belastung gedacht, dass die Unkündbarkeit aus ihrem Wesen selbst hervorgeht. Überdies sorgen andere Vorschriften für die möglichste Zuverlässigkeit des Forderungsrechtes und bewirken, dass der Gläubiger in der leichten Begebbarkeit des Pfandtitels ein volles Äquivalent für die Unaufkündbarkeit seiner Forderung erhält.
Betreffend die Stellung der Gült zum Eintrag und zum Gült­brief und das Verhältnis beim Untergang des Briefes selbst ver­weisen wir auf die den Schuldbriefen und Gülten gemeinsamen Vorschriften. Die Verhältnisse sind hier zwar, weil die Gült eine durchaus abstrakte Belastung darstellt, in ihrer Grundlage etwas anders beschaffen als beim Schuldbrief. Allein praktisch fällt dies für den Verkehr mit Pfandtiteln nicht in Betracht.
III. Eigentum am Grundstück und Zerstückelung, Art. 833 und 834. (1)
Die hier aufgestellte Ordnung ergibt sich aus dem Grundlast­charakter der Gült, vgl. Art. 786, Abs. 1,(2) wobei für die Zinse noch besonders hervorgehoben werden muss, dass sie auch als rückständige, solange sie am Boden haften, vom jeweiligen Eigen­tümer geschuldet werden. Die Zerstückelung führt zu einer Ver­teilung der Haftung auf die einzelnen Parzellen gemäss Art. 791, Abs. 3,(3) jedoch mit der Wirkung, dass die Parzelleneigentümer Teilgültenschuldner werden und eine einheitliche Forderung für den Gläubiger nicht mehr besteht. Eine Purgation braucht dem Gült­schuldner als neuem Erwerber des Grundstücks nicht vorbehalten
(') ZGB 851 u. 852. (2) ZGB 792, Abs. 1. (3) ZGB 798, Abs. 2. u. 3.



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zu werden. Die Ablösungsvorschrift des Art. 832 (1) bietet dafür genügenden Ersatz. (2)
C. Gemeinsame Bestimmungen für Schuldbrief und Gült. I. Die Er­richtung. Art. 835 bis 841. (3) Bei aller Verschiedenheit, die zwischen Schuldbrief und Gült besteht, gelten doch für die Funktion der Urkunde bei beiden die gleichen Vorschriften. Zwar wird die juristische Konstruktion des Verhältnisses da und dort eine ver­ schiedene sein müssen. So kann bei der Gült von einem Unter­gang der Forderung ohne Untergang der Belastung, wie er beim Schuldbrief hervortritt, eigentlich nicht die Rede sein. Zahlt der Gültenschuldner, so tilgt er nicht eine persönliche Schuld, sondern er kauft sich den auf seinem Eigentum lastenden Gültentitel. Ist der Titel selber verloren gegangen, so berührt das beim Schuld­brief die Existenz der persönlichen Schuld in anderer Weise als bei der Gült, wo die einzige Gestalt, in der die Forderung über­haupt für den Verkehr vorhanden, untergegangen ist. Schuld­erleichterungen, Verzichtleistungen usw. gehen beim Schuldbrief auf das persönliche Verhältnis, bei der Gült aber nur auf die formale Belastung usw. Allein alle diese Verschiedenheiten haben auf die Funktionen des Pfandtitels als Urkunde keinen Einfluss und berauben uns nicht der Möglichkeit, über den Verkehr mit Schuld­brief und Gült, d. h. eben für die Urkunde, gemeinsame Vor­schriften aufzustellen. Wir vermeiden damit eine Reihe von Wiederholungen und Verweisungen und lassen überdies beide Pfand­arten in ihrer relativen Gleichwertigkeit besser hervortreten.
Die Forderung, auf die der Schuldbrief oder die Gült lauten, muss so ausgestaltet werden, dass sie für die Negotiation tauglich ist, sich loslöst von irgendwelchen persönlichen Verklausulierungen und dem Rechte des Gläubigers unmittelbar und vorbehaltlos Aus­druck gibt. Die in Art. 788 (4) genannten Requisite müssen daher hier in der beschriebenen Richtung ergänzt werden. Es muss das Verhältnis ähnlich gestaltet werden, wie bei den Wertpapieren des Obligationenrechts (OR Art, 722, 838). Diese Erwägungen führen dazu, neben dem bestimmten Forderungsbetrag (Art. 788)(5) zu verlangen, dass die Schuldpflicht nicht bedingt und dass mit den Gläubigerrechten keine Verpflichtungen zu Gegenleistungen verbunden sein dürfen (Art. 835). (6) Gemeint ist mit diesen Vor­schriften aber nur das Gläubigerrecht der Urkunde. Dass daneben
(') ZGB 850. (2) ZGB 853 behält für die kantonalen Gülten und die Erbengülten (vgl. Erläuterungen, Bd. I, S. 366) die besondern gesetzlichen Bestimmungen vor. (3) Vgl. ZGB 854 bis 862. (4) ZGB 794. (5) ZGB 794. (6) ZGB 854.



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noch andere Rechte und Pflichten, zum Beispiel aus dem grund­legenden Verhältnis, wie dem Kaufgeschäfte, wenn die Kaufpreis­schuld in einen Schuldbrief gekleidet worden ist, bestehen können,(1) ergibt sich aus unsern frühern Ausführungen. Schuldbrief oder Gült haben in dieser Beziehung unter Umständen eine kumulierende Wirkung, wobei aber das begleitende Verhältnis in seinem recht­lichen Schicksal durchaus von Schuldbrief und Gült getrennt zu behandeln ist, mit diesem also nur nach dem Entstehungsgrund und nicht nach der rechtlichen Existenz verbunden erscheint. Aus jenem Begleitverhältnis kann also nicht eine auf Schuldbrief oder Gült basierte Einrede erhoben werden, sondern nur etwa eine Ein­rede der Arglist, ähnlich wie sie der Wechselschuldner aus Neben­verhältnissen gegen den Wechselgläubiger etwa erheben kann.
Dass eine solche Kumulation des Pfandtitelverhältnisses mit dem Grundgeschäft nicht die Regel bildet, haben wir bereits oben ausgeführt. Der Entwurf sieht gegenteils vor, dass die Errich­tung von Schuldbrief oder Gült eine novierende Wirkung ausübe, sobald eben die Beteiligten es nicht anders haben wollen. Es besteht also gerade das umgekehrte Verhältnis von Regel und Ausnahme, als wie es für das Wechselrecht angenommen wird. Des nähern aber ist das Verhältnis so zu denken: Die Errichtung von Schuldbrief oder Gült kann erfolgen, nachdem das persönliche Verhältnis, aus dessen Grund sie geschieht, bereits entstanden ist, oder jene kann dieser vorangehen, oder es kann auch gleichzeitig begründet werden, zum Beispiel das Darlehen Zug um Zug mit der Eintragung ausbezahlt werden. Die Folge ist immer dieselbe, dass nämlich die Pfandtitelforderung ein Verhältnis für sich dar­stellt. In allen diesen Fällen muss nach Art. 836 (2) Schulderneue­rung angenommen werden, sobald die Parteien es nicht anders bestimmen. Darnach wird also dann zum Beispiel das Darlehen, das der Gläubiger dem Schuldner bereits ausbezahlt hat, durch die Errichtung der Gült getilgt und durch die Gültforderung ersetzt. Und wird die Gült zuerst errichtet, vielleicht zugunsten und zu handen des Eigentümers selbst, und er lässt sich daraufhin ein Darlehen ausbezahlen unter Hingabe der Gült an den Gläu­biger, so ist gleichfalls anzunehmen, die Darlehensforderung werde durch die Hingabe der Gült vollständig aufgehoben, abbezahlt, oder kompensiert durch den Kaufpreis, um den der Gläubiger die Gült ersteht. Ebenso wenn die Auszahlung mit der Gülterrich­tung Zug um Zug verbunden ist. Man hat nun zwar eingewendet,
(') Vgl. ZGB 855, dessen Abs. 2 einer die Neuerung abschliessenden Abrede Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten versagt. (2) Vgl. die vorige Anmerkung.



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es dürfte diese Vorschrift des Art. 836, (1) wie manches andere, der Theorie überlassen werden. Und in der Tat ist sie gewissermassen auch schon gegeben mit den Vorschriften über die Natur der Grundpfandforderung, die das Gesetz in ihrem Inhalte umschreibt, ohne den Parteien ihre Freiheit in der Beredung irgendwelcher Nebenverhältnisse im übrigen rauben zu wollen. Allein es findet sich die entsprechende Regel doch auch bereits im geltenden Recht hie und da aufgestellt, und es werden durch sie praktisch wich­tige Zweifel ein für allemal beseitigt, so dass wir es doch vor­ziehen, die Bestimmung im Entwurf stehen zu lassen.
Wir haben oben bemerkt, dass die Ausstellung der Urkunde von Amts wegen erfolgen müsse und gewissermassen sich als einen Teil, und zwar die abschliessende Handlung, der grundbuchlichen Fertigstellung des Geschäftes darstelle (Art. 837, Abs. 1).(2) Daraus folgt, dass das gleiche Amt, wie die Eintragung, so auch die Aus­fertigung des Titels besorgt. Dagegen kann es sich fragen, welche Bedeutung der Aushändigung des errichteten Titels beizumessen sei. Gehört sie zu den für die Briefwirkung notwendigen Handlungen? Jedenfalls ist eine amtliche Aushändigung an den Gläubiger nicht erforderlich. Denn der Schuldbrief kann auf den Schuldner selbst oder auf den Inhaber gestellt sein, und nur formal wird dann, bei der Aushändigung an den Schuldner, von einer Empfangnahme durch den Gläubiger gesprochen werden können. Aber auch die Aushändigung an den Schuldner, oder überhaupt irgendeine Art von Aushändigung wird besser nicht als Requisit der Gültigkeit des Titels aufgestellt. Mit der formrichtigen Herstellung des Titels ist eben die Möglichkeit gegeben, dass der Brief in gutgläubige Hände kommt, und sobald dies vorliegt, soll der gutgläubige Er­werber geschützt werden. Wenn also der Grundbuchverwalter, anstatt den fertiggestellten Schuldbrief den Parteien zu übergeben, ihn für sich behält und verkauft oder veräussert, so darf das Recht des gutgläubigen Erwerbers direkt mit der formrichtigen Ausferti-­ gung des Titels in Verbindung gesetzt werden. Und wenn in das Grundbuchbureau eingebrochen wird, und der Dieb entwendet die dort vielleicht, eben zur Absendung an die Parteien bereit liegenden Titel und bringt sie an gutgläubige Erwerber, so werden die Grundsätze des Mobiliarverkehrs ganz so Anwendung finden, wie wenn dem Gläubiger oder Schuldner selbst die Briefe gestohlen worden wären. Wird darnach also das Requisit der Aushändigung nicht aufgestellt, so bedarf man dann allerdings um so mehr einer Schutzvorschrift für den Fall, dass der Titel an einen unrichtigen
(') ZGB 855. (2) ZGB 856, Abs. 1.



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Empfänger herausgegeben worden ist, und diese finden wir in der Anordnung, dass der Grundbuchverwalter den gefertigten Brief an eine andere Person als den Schuldner nur mit Einwilligung des Schuldners herausgeben darf (Art. 838, Abs. 2). (1) Das gleiche Interesse hat der Eigentümer des Pfandgegenstandes, der nicht Schuldner ist, so dass also diesem gegenüber die gleiche Vorsichts­massregel getroffen werden muss. Wir stellen uns freilich vor, dass diese Bewilligung bereits in der Einwilligung zur Grundpfand­errichtung erteilt sein wird, in dem Sinne, dass in dem Pfand­vertrag schon gesagt werden wird, der Eigentümer willige darin ein, dass sein Grundstück mit dem Schuldbrief belastet und dieser an den Gläubiger herausgegeben werde. Selbstverständlich ist der Beamte für die Verletzung dieser Vorschriften dem Geschädigten verantwortlich, z. B. dem Schuldner, der auf diese Weise ohne seine Einwilligung sich einem gutgläubigen Erwerber als seinem Gläubiger gegenübergestellt sieht, während er das Darlehen noch gar nicht empfangen hat und vom Erwerber auch nicht einfordern kann. Und neben der Haftung des Beamten wird auch hier nach Grundbuchrecht (Art. 998) (2) die Verantwortlichkeit, des Staates angerufen werden können.
Was die Ausfertigung des Titels selbst anbelangt, so darf die Aufstellung des Formulars füglich einer Verordnung des Bundes­rates überlassen werden (Art. 839). (3) Das Gesetz selber würde durch diese Einzelheiten allzusehr belastet. Dagegen soll das For­mular sich allerdings so viel als möglich an den Eintrag im Grund­buch selbst anschliessen, dessen Gestalt übrigens gleichfalls durch Verordnung festgestellt werden muss (Art. 1010). (4) Notwendig sind für den Brief im Gesetz selber nur noch zwei Vorschriften. Die eine geht dahin, dass die Urkunde neben der Unterschrift des Grundbuchverwalters die einer weitern Amtsstelle, z. B. des Vorsitzenden der Aufsichtsbehörde, tragen soll (Art. 838, Abs. 1). (5) Die andere betrifft die Bezeichnung des Gläubigers durch die Urkunde.
Den Verkehrszwecken der Urkunde entsprechend muss der Gläubiger in ihr möglichst frei bestimmt werden können, sei es, dass sie auf einen bestimmten Namen, mit Einschluss des Namens des Schuldners oder Pfandeigentümers selbst, oder dass sie geradezu auf den Inhaber gestellt werde. Ebenso kann auch eine Stellung an Ordre erfolgen, was nicht besonders gesagt zu werden braucht.
(1) ZGB 857, Abs. 3. (2) ZGB 955. (3) ZGB 858. (4) ZGB 967. (5) Vgl. ZGB 857, Abs. 2.



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Wir befürchten weder vom Inhabertitel noch von der Eigentümer-­ hypothek schlimme Folgen. Die Bedenken, die gegen letztere namentlich in dem Berichte von Baselstadt (s. Beilage I B zum Entwurf von 1898) (1) erhoben sind — Genf, Graubünden, Thurgau sprechen sich für die Eigentümerhypothek, Bern, Neuenbürg, Schaffhausen, Waadt und Genf gegen die Inhaberhypothek aus — werden von der Erfahrung der Kantone, die diese Ordnung schon lange haben, wie Luzern und Appenzell, nicht nur nicht bestätigt, sondern direkt widerlegt (Art. 840). (2) Überdies ist auch zu be­achten, dass bei der formalen Ausgestaltung der Errichtung das Verbot der Ausfertigung des Titels auf den Grundeigentümer oder den Titelinhaber mittelst der Nennung eines fiktiven Gläubigers leicht umgangen werden könnte, wie denn ja eine Reihe von Kan­tonen in dieser Richtung mit dem Institut der sogenannten „Göttibriefe" lehrreiche Erfahrungen gemacht haben. Vgl. Schweizer. PR III, S. 510, IV. S. 808.
Schwierigkeiten entstehen bei der Bezeichnung der Gläubiger- schaft, wenn grössere Partien von Titeln in gleichem Rang vom gleichen Schuldner auf das gleiche Unterpfand ausgegeben werden wollen. Der Schuldner kann hier mit dem einzelnen Gläubiger nicht in Verbindung treten, nicht mit jedem die Beziehungen unter-­ halten, die aus dem Verhältnis zu erwachsen pflegen. Er bedarf also einer vermittelnden Stelle, die die Geschäfte gegenüber den Gläubigern für ihn besorgt. Ebenso sind die Gläubiger auf eine solche Vermittlung angewiesen, und es ergibt sich daraus das wechselseitige Bedürfnis nach einem Bevollmächtigten, der in guten Treuen für die Beteiligten alles dasjenige besorgt, was Gläubiger und Schuldner einander zu leisten und zu gewähren und von einander zu begehren haben. Man kann eine solche Mittelstelle, die im modernen Verkehr schon in verschiedenen Kantonen ziem­lich häufig, wenn auch ohne gesetzliche Grundlage, aufgetreten ist, als „Treuhänder" bezeichnen. Nötig ist, festzusetzen, einmal auf welche Weise dieser Bevollmächtigte bestellt werden soll. Das natürliche ist, dass es durch Vereinbarung geschehe. Aber bei der Art, mit der solche Anleihen sich abzuwickeln pflegen, darf man nicht an eine förmliche, ausgesprochene Vereinbarung denken, sondern der Schuldner bezeichnet den Bevollmächtigten zunächst einseitig, indem er ein Bankinstitut oder dgl. beauftragt, für die Titel, die er ausgeben will, Abnehmer zu suchen. Alsdann ist es Sache derer, die dieser Geldanlage zustimmen, sich mit den Pro-positionen einverstanden zu erklären, und sie tun dies, indem sie
(') Siehe Beilage I dieses Bandes. (2) ZGB 859.



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solche Titel zeichnen und erwerben. Um nun aber diesen Vor­gang untrüglich zu machen, empfiehlt es sich gewiss, vorzu­schreiben, dass der Name des Beauftragten sowohl im Grundbuch, als in den Pfandtiteln aufgeführt werde (Art. 841, Abs. 2). (') Auf den guten Namen des Instituts, das ein solches Anleihen vermittelt, kommt ja gar vieles an, es entspricht daher den vorliegenden Bedürfnissen des redlichen Verkehrs, dass diese Vermittlungsstelle von vornherein und ein für allemal bezeichnet werde. Man kann dann allerdings auch noch die Frage aufwerfen, ob nicht ein Wechsel der Vertrauensstelle möglich gemacht werden solle, ja ob nicht Bestimmungen für den Fall nötig seien, da ein solcher Wechsel sich aufdrängt, z. B. weil der Bevollmächtigte stirbt, die Bank sich auflöst. Aber es darf wohl angenommen werden, dass hier jeweils ohne gesetzliche Vorschrift der den Bedürfnissen ent­sprechende Weg wird gefunden werden können. Wir denken namentlich an eine Versammlung der Gläubiger zur Vereinbarung mit dem Schuldner, und wenn sich die beiden Seiten nicht einigen können, an eine gerichtliche Bezeichnung. Es würde also in diesem Falle ein Verfahren Platz greifen, wie zwischen dem einzelnen Gläubiger und dem Schuldner: Die Sachlage hat sich verändert, etwas muss neu vereinbart werden, und einigen sie sich nicht, so spricht der Richter (Art. 841, Abs. 3).(2)
Für die Umschreibung der Vollmacht wird es genügen, wenn auf die wesentlichsten Funktionen, wie sie zwischen Gläubiger und Schuldner vorkommen, hingewiesen wird (Art. 841, Abs. 1).(3) Der Treuhänder aber wird jedem Beteiligten, sowohl dem Schuldner als jedem Gläubiger verantwortlich und kann für sein Verschulden von jedem gerichtlich belangt werden. Der Entwurf von 1898 hatte dies in Art, 955, Abs. 2, ausdrücklich gesagt, und es ent­spricht auch gewiss sowohl den Bedürfnissen, als den Auffassungen, die mit einem solchen Verhältnis ohne weiteres sich verbinden werden. Gerade deshalb scheint es aber auch nicht nötig, im Gesetz darüber etwas zu bestimmen. Die ganze Operation wird sich in folgender Weise gestalten: Eine Bank übernimmt für ein grosses Hotel die Ausgabe von 5000 Obligationen zu Fr. 500. Die Stücke lauten auf den Inhaber, sie sind mit Zinscoupons versehen. Die Bank nimmt die Einzahlungen entgegen und löst die Zins­coupons und die zur Rückzahlung gelangenden Titel ein. Die Bank übernimmt mit eigener Verantwortlichkeit die Sorge für die Erhal­tung des Pfandgegenstandes, sie hat bei Eintritt von Verschlech­terungen einzugreifen und alle Vorbehalte zu wahren, die den Gläu-
(') ZGB 860, Abs. 2. (2) ZGB 860, Abs. 3. (3) ZGB 860, Abs. 1.



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bigern in guten Treuen gegeben sind. Anderseits aber darf sie dem Schuldner auch die durch die Umstände gebotenen Erleichte­rungen gewähren, Pfandentlassungen, Belastungen usw., soweit dadurch die Stellung der Gläubiger nicht verschlechtert wird. Bei eigener Verantwortlichkeit wird die Bank hier auf der Bahn der guten Treue vorgehen, oder sie mag auch nötigenfalls durch eine Versammlung der Gläubiger sich eine Wegleitung geben lassen, um sich vor aller Verantwortlichkeit sicher zu stellen.
II. Untergang von Schuldbrief und Gült, Art. 842 und 843. (1)
Die formale Forderung aus dem Pfandtitel besteht, solange die Löschung im Grundbuch und die Tilgung des Briefes nicht erfolgt ist. Der Schuldner kann also den Titel weiter verwerten, solange dieser besteht, und wird darin durch die Tilgung der Schuld mit Zahlung oder Konfusion nicht gehemmt. Er kann mithin auch verlangen, dass der Gläubiger, den er bezahlt, ihm den Titel ungetilgt aus­händige (Art, 852, Abs. l).(2) Kommt es zur Tilgung der Urkunde oder zur Löschung des Eintrages, so erfordert das Verhältnis zwischen Eintrag und Urkunde, dass die Löschung des Eintrages nicht erfolge, ohne vorherige Tilgung oder Kraftloserklärung der Urkunde. Art. 843 erklärt sich also aus der Regel des Art. 846.(3)
Einen Unterschied, ob der Brief auf den Namen eines wirk­lichen Gläubigers oder auf den Inhaber oder den Eigentümer des Grundstückes lautet, kann es dabei nicht ausmachen. Der Vor­gang mit Löschung des Eintrages auf Grund der Entkräftung des Briefes ist überall der gleiche: Der Schuldner kann den Ein­trag nur löschen lassen, indem er den Brief vernichten lässt. Er hat aber auch die Wahl, den Brief und den Eintrag mit der oben besprochenen Wirkung stellen zu lassen.
Nur zwei Verhältnisse können dabei noch zu Zweifeln Ver­anlassung geben. Ist nämlich der Schuldner nicht zugleich der Eigentümer des Pfandgegenstandes, und es erwirbt der Eigen­tümer den Schuldbrief, so kann es fraglich werden, ob er die gleiche Alternative haben soll, entweder nun die Pfandhaft aufzu­heben, natürlich auch hier mit Tilgung des Briefes, oder den Brief mit der Pfandhaft am eigenen Grundstück bestehen zu lassen. Wir nehmen keinen Anstand, diese Folge anzuerkennen. Sodann aber, wenn beim Schuldbrief im Falle der Verpfändung des Grundstückes eines Dritten die Forderung untergeht, kann es sich fragen, was für Rechte dem Schuldner und Eigentümer zukommen. Man könnte glauben, in diesem Falle müsse doch unbedingt der dritte Eigen-
(') ZGB 863 u. 864. (2) ZGB 873. (3) Vgl. ZGB 864 u. 867.



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tümer ein Recht auf Entlassung seines Grundstückes aus der Pfandhaft haben, oder also es könne dem Schuldner die angeführte Alternative dann nicht zustehen. Aber es wäre dies eine unrich­tige Folgerung aus dem Schuldbrief- und Grundbuchrecht. Wenn der Dritte sein Grundstück zur Belastung mit einem Schuldbrief hergegeben hat, so hat er auch in alle Konsequenzen des Schuld­briefrechts eingewilligt, es wäre denn, dass er sich einen Anspruch auf die Löschung bei dem Untergang der Forderung ausdrücklich vorbehalten hätte. Ist dieses nicht der Fall, so wird doch wohl richtigerweise bei der allgemeinen Regel stehen geblieben, und kann also auch bei solcher Rechtslage der Schuldner entweder die Belastung löschen lassen oder den Brief weiter verwenden. Besondere Vorschriften scheinen uns jedoch für die beiden Fälle nicht geboten zu sein.
Tilgung der Urkunde ohne Löschung des Eintrages hebt das Pfandrecht nicht auf. Kann gemäss Art. 837, Abs. 2,(1) die Schuld­brief- oder Gültwirkung auch ohne Urkunde reklamiert werden, so wird dann aber doch der Grund, aus dem die Tilgung der Urkunde erfolgt ist, regelmässig einen Anspruch auf Löschung des Eintrages herstellen.
III. Die Rechte des Gläubigers, Art. 844 bis 853. (2) Beim Schuld­brief und bei der Gült kommt der Verbriefung die Bedeutung zu, dass die Forderung und nicht bloss die Sicherung von der Grund­buchwirkung ergriffen wird und dass die Grundbuchwirkung sich auch auf die Urkunde überträgt. Über den Schutz des guten Glau­bens im Verkehr mit dem Grundbuch haben wir schon oben ge­sprochen. Die Verbindung des Gläubigerrechtes mit der Urkunde aber wird in der Gestalt geordnet, dass man die Urkunde zum Wertpapier macht, dessen Besitz notwendig und, unter der Voraus­setzung des Vorhandenseins der sonst noch nötigen Legitimation, zur Betätigung der Gläubigerschaft ausreichend ist. Der Entwurf hat denn auch den Titel des Schuldbriefes und der Gült als Wert­papier anerkannt und daraus alle die Konsequenzen gezogen, die im folgenden noch näher zu besprechen sind. Im Gesetze selbst wird die Urkunde allerdings nicht als Wertpapier bezeichnet, es würde sich auch gar nicht empfehlen, diesen Ausdruck im Grund­pfandrecht selbst zu gebrauchen. Denn die Ordnung des Wertpapieres muss doch dem Obligationenrecht vorbehalten werden, und es darf bei einer Revision des Bundesgesetzes zum Zweck der Anpassung an das übrige Zivilrecht in Aussicht genommen
(1) ZGB 856, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 865 bis 874.



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werden, eine Ordnung für die Wertpapiere im allgemeinen auf­zustellen, (') wobei es dann am Platze sein mag, des Schuldbriefes und der Gült, wie auch der Pfandbriefe besonders Erwähnung zu tun. Sodann darf nicht übersehen werden, dass der Begriff des Wertpapieres in der Wissenschaft durchaus noch nicht so fest steht, dass ohne gesetzliche Grundlage aus dem Worte selbst heraus das gewollte Verhältnis als überall klar festgestellt erscheinen könnte. Das Gesetz verfährt daher richtiger, wenn es die Wir­kungen, die nach dem Wertpapiercharakter des Pfandtitels wegen ihrer praktischen Bedeutung besonders festgestellt werden müssen, ausdrücklich normiert und im übrigen es der Doktrin überlässt, hieraus zu folgern, dass Schuldbrief und Gült Wertpapiere seien. Diese besonders zu normierenden Wirkungen sind folgende:
1. Schutz des guten Glaubens, Art. 844 bis 846. (2) Wirkung des Grundbuches und des Wertpapieres in dem vorliegenden Sinn ist der Schutz eines Jeden, der sich in gutem Glauben auf den Ein­trag oder die Urkunde verlässt (Art. 844 und 845). (3) Der Eintrag ist nach seinem Wortlaut für den Verkehr massgebend, die Urkunde aber stellt sich als eine Reproduktion des Eintrages dar, sie soll mit diesem übereinstimmen. Ja, mehr als dies: da die Parteien den Werttitel und nicht bloss die Eintragung im Grundbuch wollen, ist die Ausstellung der Urkunde eigentlich erst die Vollendung des von ihnen beabsichtigten Geschäftes. Die Grundbucheintragung selbst hat eigentlich noch gar nicht die Bedeutung, das Geschäft vollständig perfekt zu machen, sondern stellt sich erst als eine Vorbereitung, als ein Vorstadium der wirklich beabsichtigten Rechts­handlung dar. Dies bedarf jedoch nach zwei Richtungen einer näheren Erklärung:
Einmal muss es sich fragen, ob der gutgläubige Erwerber sich auf diese Urkunde auch dann nach ihrem Wortlaut berufen könne, wenn dieser mit dem Grundbucheintrag nicht übereinstimme. Die Bejahung dieser Frage wäre nicht inkonsequent, aber für die Grundeigentümer und nachfolgenden Gläubiger gefährlich. Lautet beispielsweise eine erste Eintragung, Schuldbrief oder Gült, mit erstem Rang im Grundbuch auf 20,000 und im Briefe selbst auf 26,000 Fr., so müsste der Schuldner die 26,000 an jeden gutgläu­bigen Erwerber des Briefes verzinsen und bezahlen, und folgte etwa ein zweites Grundpfand, so müsste auch dessen Gläubiger den Bestand der 26,000 sich gefallen lassen, obgleich nach seiner
(') Vgl. Beilage V dieses Bandes. (2) Vgl. ZGB 865 bis 867. (3) ZGB 865 u. 866.



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Eintragung der Vorgang nur 20,000 betragen hätte, und dies auch dann, wenn das Grundpfand zweiten Ranges auch wieder ein Schuldbrief oder eine Gült wäre. Bedenkt man diese Folge und erwägt man überdies, dass bei der Ausgabe eines Pfandtitels mit unrichtigem Wortlaut doch regelmässig ein Verschulden der Grundbuchverwaltung vorliegen wird, so dass der Erwerber, wenn er im Gegensatz zu obiger Annahme sich nicht auf den Wortlaut des Titels, sondern nur auf den Eintrag berufen kann, eine Scha­denersatzforderung gegen den Beamten und den Staat hat, so wird doch wohl die gegenteilige Lösung, d. h. die Verweisung auf den Eintrag, den Verkehrsbedürfnissen besser entsprechen. Der vor­liegende Entwurf hat sie denn auch mit Art, 846, (1) im Gegen­satz zum Entwurf von 1898, zu der seinigen gemacht.
Die gleiche Frage entsteht, wenn ein Schuldbrief oder eine Gült formrichtig ausgestellt worden ist, ohne dass überhaupt ein Eintrag im Grundbuch sich vorfindet, Sie wird durch Art. 846, (2) Abs. 1, in gleicher Weise beantwortet wie oben.
Weiter ist diesen Fällen der dritte gleichzuhalten, wo zwei Briefe auf Grund eines Eintrages irrtümlich oder betrügerisch er­stellt wurden, so weit es sich um die Rechte der Gläubiger gegen den Schuldner und die nachfolgenden Pfandgläubiger handelt.
Liegt endlich der Fall so, dass die Urkunde auf weniger lautet als der Eintrag, oder für diesen gar keine Urkunde ausgestellt ist, so ergibt sich aus der entscheidenden Bedeutung des Eintrages hier dann umgekehrt, dass der Berechtigte eine Urkunde aus­gestellt verlangen kann, die dem Eintrag entspricht. Aus diesem Grunde legt Art. 837, Abs. 2,(3) dem Eintrag bereits Schuldbrief- und Gültwirkung bei. Vorbehalten bleibt dabei selbstverständlich eine allfällige Berichtigung des Grundbuches, Art. 1017 und 1019. (4)
2. Die Geltendmachung des Pfandtitels, Art. 847. (5) Ohne den Be-­ sitz des Titels kann der Gläubiger die Rechte gegen den Schuldner oder gegen Dritte nicht geltend machen. Nur mit dem Besitz der Urkunde vermag er sich hinreichend auszuweisen, wobei freilich der Besitz nicht immer genügt, sondern noch durch die Legitima­tion ergänzt werden muss, die dem Charakter des Wertpapiers im einzelnen Fall entspricht. Beim Namenpapier ist dies die Auf­führung seines Namens in der Urkunde selbst oder die Nachfolge in dessen Gläubigerrecht durch Abtretung, beim Ordrepapier ein Indossament, und nur beim Inhaberpapier genügt die Inhabung,
(') ZGB 867. (2) ZGB 867, Abs. 1. (3) ZGB 856, Abs. 2. (4) ZGB 975 u. 977. (5) ZGB 868.



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ohne dass es einer weitern Legitimation bedarf. Der stets
erfor­derliche Besitz der Urkunde führt des weitern dazu, dass der Schuldner, wenn er Kapital oder Zinse bezahlen soll, verlangen kann, dass der Gläubiger sich ausweise, ferner dass der Gläubiger den Schuldner um die Leistung angeht oder geradezu das Geld bei ihm holt. Dies kann aber nicht in dem Sinne aufgestellt sein, dass es die Regel ausmachen würde. Vielmehr wird beim Titel des gewöhnlichen Privatmanns der Schuldner dem ihm bekannten Gläubiger das Geld zu bringen haben. In dem Ausweis über den Besitz der Urkunde, den der Schuldner vom Gläubiger verlangen kann, liegt also nicht notwendig, dass die Schuld eine Holschuld sei, das Gegenteil kann vielmehr auf dem Titel selbst ausdrück­lich bemerkt werden oder auch aus den stillschweigend aner­kannten Gepflogenheiten der beiden Parteien sich ergeben. Eine Bestimmung hierüber in den Entwurf aufzunehmen, haben wir nicht für nötig erachtet(1)
Ist die Urkunde kraftlos erklärt oder eine Urkunde gar nicht ausgestellt, so fällt die Legitimation durch die Urkunde dahin, muss aber durch den Nachweis ersetzt werden, dass eine solche Ausnahme (Art. 847, Abs. 2)(2) vorliege.
3. Die Übertragung des Pfandtitels. Art. 848. (3) Die Formen, in denen sich die Übertragung des Pfandtitels bewegt, ergeben sich schon aus dem berührten verschiedenen Charakter, den das Papier annehmen kann: Abtretung oder Indossament, verbunden mit der Übergabe des Papiers, oder diese Übergabe allein. Die kantonalen Vernehmlassungen haben sich denn auch, so weit sie sich über diese Frage aussprechen, einer solchen Lösung günstig erzeigt (vgl. namentlich Genf, in der Beilage I F zu dem Entwurf von 1898). (4) Es kann sich nur fragen, ob es nicht zur Sicherung des Gläubigers und zur Bequemlichkeit des Schuldners dienen würde, auch bei den Übertragungen das Grundbuch heranzuziehen und auf dem Titel selbst eine Vormerkung zu verlangen. Wenn wir diese Form­belastung nun auch mit Rücksicht auf die möglichste Begünstigung des Verkehrs mit dem Schuldbrief ablehnen, so müssen wir doch anerkennen, dass es Fälle geben kann, in denen es für Gläubiger und Schuldner Vorteile hat, den Erwerb des Schuldbriefes in einer
(1) Im Gesetz sind Vorschriften hierüber aufgestellt in den Art. 861 u. 862. Vgl. schon Entwurf des BR Art, 847 n. 848. (2) ZGB 868, Abs. 2 (3) Vgl. ZGB 869, wo für die Gültigkeit der Übertragung in jedem Falle Übergabe des Pfandtitels, und bei Namentiteln überdies eine bezügliche An­merkung auf dem Titel verlangt wird. Vgl. aber auch ZGB 900 u. 901. (4) Siehe Beilage II dieses Bandes.



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öffentlichen Form zu bestätigen, und so halten wir es für ratsam, die Eintragung in das Grundbuch wie die Vormerkung auf dem Schuldbrief zu gestatten. Wer soll sie aber anbegehren dürfen? Wir nehmen an, der Erwerber habe das direkte Interesse daran, der Veräusserer nicht, und es sei auch nicht nötig, dass dieser eine besondere Einwilligung erteile. Diese Zustimmung liegt in der Abtretung selbst, die in der schriftlichen Abtretung des Namenpapiers oder in dem Indossament des Ordrepapiers auch fin­den Grundbuchverwalter hinreichend dokumentiert wird. Dagegen ist die Abtretung des Inhaberpapiers mit der Inhabung nicht hin­reichend dargetan. Vielmehr wird in diesem Falle der Grundbuch­verwalter noch eines Ausweises darüber bedürfen, dass der Be­sitzer den Besitz des Papiers auf Grund eines Erwerbsgeschäftes erlangt hat. Dieser Ausweis mag nach den Umständen leicht zu erbringen sein, eine mündliche Erklärung des Veräusserers oder ein Ausweis über Ankauf an der Börse, durch ein Bankinstitut usw. genügt. Auch übernimmt die Grundbuchverwaltung hierin natür­lich keine Verantwortlichkeit, und es hat die Eintragung im Grund­buch auch in diesem Falle keine Rechtskraft, weder positiv noch negativ. (1)
Eine weitere Frage ist es, ob der Schuldner nicht sollte das Verlangen stellen dürfen, dass der Gläubiger sich durch Eintrag im Grundbuch und Vormerkung auf dem Titel als solcher aus­weise. Gewiss kann der Schuldner hieran ein Interesse haben. Allein er hat doch nicht die Befugnisse, die Rechte, die dem Gläubiger ohne weiteres durch das Gesetz gegeben sind, zu schmälern. Entweder muss er sich also im Schuldtitel selbst es ausbedungen haben, dass er nur die im Grundbuch eingetragene Person als Gläubiger anzuerkennen habe — was nach dem Ent­wurf durchaus als statthaft erschiene — oder aber er kann diese Eintragung nur vom Gläubiger erbitten und ist somit auf das Begehren dieses selbst angewiesen. Aus solchem Grunde halten wir es nicht für ratsam, den Schuldner als zu dem Verlangen nach Eintragung berechtigt zu bezeichnen. Es darf vielmehr das Recht des Schuldners so oder anders der Vereinbarung überlassen werden. Andere Modifizierungen in der nach ihrer Natur ge­gebenen Übertragbarkeit der Pfandtitel können sich aus dem Recht der Wertpapiere überhaupt ergeben. Man denke an die Sperrung oder Vinkulierung der Inhaberpapiere oder überhaupt die Verwandlung eines solchen in ein anderes. Darüber sind aber
(') Das Gesetz hat eine Bestimmung hierüber (zit. Art. 848, Abs. 3) nicht aufgenommen. Vgl. aber GVO Art. 66 u. 108, sowie oben S. 303, Anm. 3.



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nicht hier, sondern im Obligationenrecht die erforderlichen Bestim­mungen aufzustellen.
Ebenso wird auch die Form der Abtretung beim nicht indos­sierbaren Namenpapier durch das Obligationenrecht bestimmt, und wir würden es begrüssen, wenn dessen Art. 184 die Änderung er­führe, dass die Abtretung überhaupt zu ihrer Gültigkeit der schrift-­ lichen Form bedürfe.(1) Wo kantonale Pfandtitel nach geltendem Rechte gleich wie Inhaberpapiere übertragen werden, wie dies z. B. bei den Schuldbriefen des zürcherischen Rechtes der Fall ist, würde unseres Erachtens auch unter dem neuen Recht diese Wirkung des Schuldbriefes als wohlerworben anerkannt werden müssen. Es dürfte sich aber vielleicht empfehlen, einen solchen Vorbehalt in die Übergangsbestimmungen aufzunehmen (vgl. die Bemerkung S. 255, lit. d, des Entwurfes). (2)
4. Kraftloserklärung der Pfandtitel, Art. 849 und 850. (3) Wenn der Gläubiger sein Recht nur geltend machen kann in Verbindung mit dem Besitz der Urkunde, so muss ihm ein Rechtsmittel ge­geben sein, womit er sich seine Forderung für den Fall wahren kann, wo die Urkunde verloren gegangen oder körperlich ver­nichtet worden ist. Es geschieht dies mit der Kraftloserklärung des Wertpapiers, wie sie das Obligationenrecht als Amortisation für Inhaberpapiere und Wechsel bereits vorgesehen hat. Diese Kraftlos­erklärung kann beim Schuldbrief und bei der Gült ganz auf demselben Wege erfolgen, wie es jetzt schon für Inhaberpapiere geordnet ist, sei der Titel ein Inhaber-, Namen- oder ein Ordrepapier. Ist hierdurch für den Gläubiger gesorgt, so verlangt das Interesse des Schuldners alsdann nach einer entsprechenden Berücksichtigung für den Fall, dass er seinerseits zur Ausübung seiner Rechte des Schuldbriefes als Urkunde bedarf, wie bei erfolgter Tilgung der Schuld, wenn er sein Grundstück von der Grundpfandlast befreien will und dies doch nur durch Vernichtung des Briefes grundbuchlich erlangen kann (Art. 843). (4) Zu diesem Zweck muss also der Schuldner mit der gleichen Befugnis ausgerüstet werden, wie der Gläubiger eines vermissten Briefes, nur mit dem Unterschied, dass der Schuldner nicht nur das Vermisstwerden des Briefes darzutun hat, sondern auch, dass die Briefforderung getilgt, oder — was dasselbe besagt -der Brief von ihm erworben worden sei. Dazu kann sich dann noch der weitere Fall gesellen, dass der Brief im Verkehr an eine Stelle gelangt ist, wo sowohl die Urkunde als der Gläubiger ver-
(') Vgl. nunmehr OR 165. (2) Vgl. Schl.t, Art. 28. (3) ZGB 870 u. 871.     (4) ZGB 864.
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schwinden, oder wenigstens die Person des Berechtigten nicht festzustellen ist, wie z. B. bei deponierten Titeln, die nicht mehr reklamiert werden. Fälle in der Praxis, wie sie namentlich bei den Expertenberatungen aus Basel angeführt worden sind, haben gezeigt, wie wünschenswert hier ein Hilfsmittel sein würde. Man darf dem Eigentümer nicht zumuten, aufs ungewisse hinaus und auf Jahre hin einfach die Last auf seinem Grundstück weiterzu­führen, die Billigkeit verlangt, dass ihm ein Weg zur Abklärung" dieser Verhältnisse eröffnet werde, der darin besteht, dass nach Ablauf einer längern Frist, während derer der Gläubiger unbekannt geblieben ist, eine Auskündung erfolgt, ein Aufgebot des Berech­tigten mit angemessener Fristansetzung. Meldet sich dann inner­halb dieser Frist kein Gläubiger, und ergibt die Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Forderung nicht mehr zu Recht besteht, so wird der Brief für kraftlos erklärt. Wir dürfen diese Aufrufung des Gläubigers als eine Parallele zur Aufrufung einer unbekannt abwesenden Person überhaupt behandeln. Es ist gewissermassen die Verschollenheit des Gläubigers, was alsdann nach Durch­führung des Verfahrens ausgesprochen wird. Aus diesem Grunde kann die Ordnung denn auch durch eine Verweisung auf die eigent­liche Verschollenheit vereinfacht werden.
Es sind sonach drei Möglichkeiten, womit eine Aufrufung von Pfandtiteln erfolgen kann: Aufruf zugunsten des verlierenden Gläubigers, zugunsten des den Brief benötigenden Schuldners, zu­gunsten des die Entlastung begehrenden Eigentümers. Verwandt damit ist die Bedeutung des Art. 812. (l) Alle diese Mittel führen zu einer Kraftloserklärung der Urkunde, eventuell in Verbindung" mit der Ausstellung eines neuen Briefes. Alle sind bestimmt, die unerträglichen Folgen zu korrigieren, die sonst aus dem Pfand­titelrecht für den wirklichen Gläubiger oder den Schuldner er­wachsen könnten. Wir finden sie im kantonalen Recht nur sehr mangelhaft geordnet, Schweiz. PR III, S. 513 f., 669 ff., wenngleich sie natürlich in keinem einigermassen entwickelten Briefverkehr entbehrt werden können.
5. Die Einreden des Schuldners, Art. 851. (2) Als Wertpapier öffentlichen Glaubens muss der Pfandtitel dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner eine gewisse Selbständigkeit verschaffen, die sich in der Beschränkung der Einreden des letztern kund gibt. Sie ist in Art. 851 in gleicher Weise aufgestellt, wie sie im all­gemeinen für das Wechselrecht, OR Art. 811, anerkannt ist. Weiter-
(1) ZGB 823. (2) ZGB 872.



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zugehen, und gleich OR Art. 847 die Einrede auch aus dem per-­ sönlichen Verhältnis zum jeweiligen Gläubiger auszuschliessen, hielten wir nicht für geboten. Es soll also nur die Einrede aus dem Verhältnis zum ersten Nehmer des Briefes und überhaupt zu den Vormännern ausgeschlossen sein. Dabei nehmen wir an, dass diese Regel nicht nur für die Kapitalschuld, sondern auch für die Zinsschuld gelte, immerhin in der Meinung, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger gegenüber doch eine Gegenforderung mit der ganzen Zinsschuld wird verrechnen können, die nach der Abtretung fällig geworden ist, auch wenn der Beginn der Zins­periode in die Zeit vor der Abtretung hinüberragt. Eine besondere Regel scheint uns hierüber im Gesetz nicht erforderlich zu sein. Nur zwei Fragen können dann noch Schwierigkeiten bereiten. Einmal betreffend die Einreden aus der Urkunde kann es sich fragen, ob der Schuldner sich auch auf den Grundbucheintrag werde berufen können, und im allgemeinen ist dies zu bejahen, gemäss Art. 846.(1) Der Grundbucheintrag muss mithin als ein Fundament zulässiger Einreden angeführt werden, er gewinnt Bedeutung für den Fall, dass der Pfandtitel verloren gegangen oder gar nie oder unrichtig ausgestellt worden ist. Sodann kann es im einzelnen Fall fraglich werden, was unter der Einrede, die persönlich sich gegen den belangenden Gläubiger richtet, zu ver­stehen sei. Natürlich gehören hierher alle Einreden, die der Schuldner aus den direkten persönlichen Beziehungen zu dieser Person gewinnt, wie Einrede der Verrechnung, des Erlasses usw. Dagegen ist die Frage aufgeworfen worden, ob ein neuer Gläubiger darnach sich die Einrede gefallen lassen müsse, die er zur Zeit des Erwerbes als eine solche kannte, die dem alten Gläubiger gegenüber hätte erhoben werden können, z. B. die der Verrechnung, der Stundung usw. Allein die Bezeichnung "persönlich" genügt, um zu bestimmen, dass nur solche Rechte gemeint sind, die für den Schuldner aus seinem persönlichen Verhältnis zum Gläubiger erwachsen. Aus dem blossen Wissen von den persön­lichen Beziehungen, die der Schuldner mit einem Vormann hat, entsteht für den neuen Gläubiger ein persönliches Verhältnis zum Schuldner regelmässig ganz gewiss nicht. Nur wenn der neue Erwerber weiss, dass der alte gar nicht Gläubiger gewesen ist, dass er mit der Belangung des Schuldners eine Unredlichkeit be­gangen haben würde, oder dass der Schuldner überhaupt nach allgemeinem Rechtsgrund und nicht etwa bloss diesem Vormanne gegenüber gar nicht oder nicht mehr Schuldner ist, dann entsteht
(1) ZGB 867.



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für diesen auch dem neuen Erwerber gegenüber ein persönliches Verhältnis, das ihn zur Erhebung der Einreden ermächtigt. Der Erwerber ist in diesem Falle dann eben kein gutgläubiger Er­werber, so dass schon mit Art. 845 (1) der Schuldner gedeckt wird. Es bedarf denn auch keiner besondern Hervorkehrung dieses Ver­hältnisses, die allgemeine Kategorie der Einreden aus dem persön­lichen Verhältnis genügt unzweifelhaft, um auch diese Rechte dem Schuldner zu sichern.
Ist der Schuldner beim Schuldbrief nicht Eigentümer der Pfandsache, so verlangt es die Billigkeit, dass dem Eigentümer jedenfalls die Einreden, die der Schuldner hat, samt und sonders zugestanden werden, gerade so wie der Bürge ja auch die Ein­reden des Hauptschuldners hat. Die Regel ist in Art. 828, Abs. 2, (2) aufgestellt.
6. Zahlung und Schulderleichterungen, Art. 852. (3) Dem Charakter des Pfandtitels als Wertpapier entspricht die Regel, dass der Schuldner, wenn er bezahlt, die Vorweisung der Urkunde be­anspruchen darf. (4) Aus dem öffentlichen Glauben des Papiers leitet es sich ab, dass er die Sicherung gegen spätere Geltend­machung des Pfandtitels verlangen muss, und aus der Verselb­ständigung des Gläubigerrechts im Papier ergibt sich, dass er auf dessen ungetilgte Herausgabe ein Recht hat, während es alsdann ihm überlassen bleibt, den Brief zu tilgen oder weiter zu begeben. Die Konfusionswirkung ist mithin bei der Erwerbung des Titels durch den Schuldner, wie bei jeder andern Vereinigung von Schuldner und Gläubiger in einer Person, ausgeschlossen, vgl. Art. 842. (5)
Nun ist diese Vorschrift aber nicht genügend für die Fälle, da der Schuldner nur einen Teil der Schuld abbezahlt oder nur gewisse Schulderleichterungen sich erwirkt hat, wie z. B. Zinsfussherabsetzung, denn in diesen Fällen soll der Pfandtitel ja in der Hand des Gläubigers und im Verkehr bleiben. Um sich vor der Gefahr, einen neuen gutgläubigen Erwerber nach dem ursprüng­lichen Wortlaut des Briefes auf die alte Schuld haftbar zu sein, zu schützen, muss der Schuldner einen Anspruch darauf haben, dass Abzahlungen und Schulderleichterungen auf dem Schuldtitel und im Grundbuch angemerkt werden. Erst dann ist der Schuldner sicher, dass kein Erwerber den Brief geltend machen kann, anders als wie er jetzt lautet. Der Schuldner aber hat, wenn auf Grund
(') ZGB 866. (2) ZGB 845, Abs. 2. (3) Vgl. ZGB 873 u. 874. (4) Vgl. im Gesetz Art. 862, Abs. 2. (5) ZGB 863.



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der Einschreibung im Grundbuch auf dem Brief die Anmerkung über eine teilweise Abzahlung eingetragen ist, in dem abbezahlten Betrag eine freie Pfandstelle, die er verwerten kann. Man kann diesfalls an Amortisationen denken, die bei dem einzelnen Schuld­titel auf dieser Grundlage in sehr einfacher Weise wirken. Der Titel führt vielleicht die Amortisationsquoten selber auf, vermag aber dadurch allein die Reduktion der grundpfändlichen Belastung noch nicht zu bewirken. Vielmehr wird diese erst eintreten mit der Eintragung der Zahlung im Grundbuch selber, die nach den Regeln der Löschung stattfinden muss, Art. 843.(1)
7. Pfandentlassungen, Art. 853. (2) Ganz gleich müssen endlich auch die Pfandentlassungen behandelt werden, die bei Verkauf kleinerer Stücke zur Feststellung von Grenzen, bei Erbteilungen u . dgl. einzutreten pflegen. Auch hier entsteht aus der Verein-­ barung des Schuldners oder Eigentümers mit dem Gläubiger ein Anspruch auf Pfandentlassung, mit der Folge, dass erst durch die Eintragung auf dem Brief und im Grundbuch die dingliche Wir­kung der Entlassung herbeigeführt wird und bis dahin jeder gut­gläubige Erwerber den Wortlaut des Briefes für sich geltend machen kann.
Dabei ist in allen diesen Fällen daran festzuhalten, dass die blosse Anmerkung der Abzahlung, Schulderleichterung oder Pfand­entlassung auf dem Titel den Schuldner gegen die Geltendmachung der alten Forderung seitens des Brieferwerbers auch ohne Grund­bucheintrag genügend schützt. Es ergibt sich dies, entgegen der Regel des Art. 846, (3) aus der besondern Stellung, in die der Erwerber eines mit einer solchen Anmerkung versehenen Titels sich selbst versetzt hat. Dagegen kann die grundbuchliche Ver­wertung der befreiten Stelle nicht stattfinden, ohne dass vorher das Grundbuch den befreienden Eintrag aufgenommen hat, und ferner riskiert bei Verlust des Briefes der Schuldner, nach dessen Kraftloserklärung oder bei Neuausstattung einer Urkunde gemäss Bucheintrag leisten zu müssen, sofern er nicht beweist, dass der Brief vom Gläubiger in dem Zustand erworben worden ist, den die Abzahlungen und befreienden Abreden begründet haben. Die Kosten, die aus solchen Eintragungen und Vormerkungen erwachsen, wird mangels anderer Abrede nach Grundbuchordnung der Schuldner zu tragen haben.
(1) ZGB 864. (2) Vgl. ZGB 874. Das Gesetz hat die Fälle der zit. Art. 852 u. 853 in einen Artikel zusammengezogen. (3) ZGB 867.



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Vierter Abschnitt.
Die Emission von Anleihen.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen im modernen Ver­kehrsleben immer lebhafter und deutlicher nach einer Ordnung, womit Anleihen ausgegeben werden können, die grundpfändlich gedeckt sind. Der Entwurf wird es also nicht unterlassen dürfen, diese Materie der Regelung des Grundpfandrechtes in irgend einer Weise anzufügen. In den kantonalen Rechten erfolgt zurzeit die Ausgabe grundpfändlich gesicherter Anleihen zumeist ohne gesetz­liche Ordnung, indem man sich, so gut es geht, auf einem Umweg dem Gesetze anzubequemen sucht. Gewiss sind solche Wege auch nach dem Entwurfe weiterhin möglich. Ja, sie sind gegenüber den meisten kantonalen Rechten dadurch sehr erleichtert, dass der Entwurf Inhabertitel und Intervention eines Treuhänders in das allgemeine Schuldbrief- und Gültenrecht aufgenommen hat. Die Hauptfunktion der beiden einzigen diese Materie beschlagenden kantonalen Gesetze von Genf (1857) und Waadt (1897) ist durch Art. 840 und 841 (1) vorweg geordnet. Daneben nun aber erscheint es als wünschenswert, die Ausgabe grundpfändlich direkt gesicherter Titel zu ermöglichen, und dies versucht der Entwurf mit der Ein­führung der Serientitel.
Der vierte Abschnitt zerfällt darnach in zwei ungleiche Teile. Im ersten wird auf die Wege hingewiesen, auf denen, wie bishin, wenn auch auf leichtere Art, die Anleihen eine indirekte grundpfändliche Sicherung erhalten können. Im zweiten ist das Institut der Serientitel entwickelt.
A. Obligationen mit Pfandrecht am Grundpfandrecht, Art. 854.(2)
Der Fall, der hier vorgesehen ist, schien einer besonderen Nen­nung zu bedürfen, damit der Weg bezeichnet werde, auf dem auch eine Bank, die nicht Pfandbriefinstitut ist, eine dem Pfandbrief ähnliche Emission soll bewerkstelligen können. Vgl. Art. 854 mit 902. (3) Die Operation ist im übrigen klar und kommt nach gelten­dem Recht vor, wo die Emissionsstelle durch das kantonale Recht verhindert wird, Anleihetitel mit Pfandsicherung, ohne Schuldner zu werden, zu emittieren. Sie mag auch künftig ihre Existenz­berechtigung haben, indem es Sache der Bank sein wird, dafür zu sorgen, dass sie selbst, und damit indirekt die Titelgläubiger, durch das Grundpfand hinreichende Deckung erfahren. Nebendem müssen nun aber auch andere Wege betreten werden können, von
(') ZGB 859 u. 860. (2) ZGB 875. (3) ZGB 875, 916 u. 918.



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denen namentlich zwei hier noch besonders hervorgehoben zu werden verdienen: Der Schuldner kann ein Anleihen in Inhaber­obligationen ausgeben und dabei die emittierende Bank als Solidargläubigerin anerkennen. Dann gewährt er der Bank ein Grund­pfand für das ganze Anleihen, und diese verpflichtet sich den Titelinhabern aus dem Mitsolidargläubigerverhältnis zur Deckung aus diesem Pfand, während sie im übrigen die Funktion eines Treuhänders versieht. Verwandt damit ist die Möglichkeit, dass der Schuldner für das Anleihen dem ersten Abnehmer der Titel, oder also wieder der emittierenden Bank, eine Pfandverschreibung für Ersatz alles Schadens ausstellt, der ihr aus der Regressnahme der nachfolgenden Gläubiger erwachsen könnte, wobei als Grund­lage für diese Sicherung in den Titeln ein Regressrecht gegenüber "dem ersten Abnehmer im Umfang der Pfandsicherung vorzusehen wäre. Das Grundpfand wäre eine Pfandverschreibung für künf­tigen Schaden, würde aber indirekt die Titelgläubiger genügend decken.
Für einen weitern Weg, Ausgabe von Partialen oder Dele­gationen eines Gesamttitels, für den das Pfandrecht ausgestellt ist, wird ein besonderes Bedürfnis nicht mehr vorhanden sein, sobald die Serientitel zur Einführung gelangen. An und für sich aber würde auch dieser Weg möglich erscheinen, indem man für die Schuldbriefe oder Gülten eine Gesamturkunde errichtete, gegen­über der, als der Verbriefung des ganzen Anleihens, die Titel nur als der besonderen Negotiation unterstellte Teilforderungen er­scheinen würden. (1)
B. Die Serientitel. I. Zweck und Gestalt, Art. 855 bis 860. (2)
1. Die Ausgabe, Art. 855. (3) Der Entwurf nimmt mit dieser Bestim­mung die Schaffung von Pfandtiteln in Aussicht, die vermöge ihrer grundpfändlichen Sicherung und besondern Ordnung überhaupt die gangbarste und sicherste Anlage von Geld auf Grund und Boden darstellen und damit dem Schuldner zu möglichst guten Bedingungen für die Gelderhebung verhelfen sollen. Die Ausgabe der Titel kann
(1) Das Gesetz weist in Art. 875 auf die zwei Möglichkeiten hin: Er­richtung einer Grundpfandverschreibung oder eines Schuldbriefes für das ganze Anleihen und die Bezeichnung eines Stellvertreters für die Gläubiger und den Schuldner, oder Errichtung eines Grundpfandrechtes für das ganze Anleihen zugunsten der Ausgabestelle und Bestellung eines Pfandrechts an dieser Grundpfandforderung für die Obligationsgläubiger. (2) Vgl. ZGB 876 bis 879. (3) ZGB 876, wo aber der Abs. 2 des zit. Art. 855 nicht aufgenommen ist. Dafür hat das Gesetz in Art. 877, Abs. 3, vorgeschrieben, dass eine allfällige Ausgabestelle als Vertreter des Gläubigers und des Schuldners bezeichnet werden müsse.



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von einem einzigen oder mehreren Schuldnern zusammen, direkt oder mit Hilfe einer emittierenden Bank erfolgen. Die Person des ­Schuldners tritt hier noch mehr in den Hintergrund, als es sonst bei dem modernen Grundpfandrecht bereits angetroffen wird, indem bei diesen Emissionen der Gläubiger in der Regel gar nichts weiss von der persönlichen Kreditwürdigkeit der Schuldner, mithin nur dem Titel vertraut. Es werden denn auch ganz regelmässig Gülten sein, die dergestalt zur Ausgabe gelangen, und wenn auch Schuld­briefe dieser Art sollen emittiert werden können, so empfehlen sich bei deren Ausgabe dann doch hinsichtlich der Belastungs­grenze die gleichen Vorschriften, wie für Gült. (l) Was die aus­gegebenen Titel zusammenhält, ist nicht die Schuldnerschaft, son­dern die Ausgabe seitens der Bank oder einer Schuldnervereini­gung nach einem Plan, der eine ganze Serie von Titeln auf gleiche Stufe stellt und einheitlichen Bedingungen unterwirft. Es sind Emissionstitel oder, wie wir es vorziehen zu sagen, „Serien­titel'', da sie ohne Ausgabe in einer Serie nicht geschaffen werden können.
Hat man Besorgnis, dass die Ausgabe solcher Anleihetitel durch Kreditinstitute von fragwürdiger Zuverlässigkeit allzusehr gefördert werden könnte, so wird es sich empfehlen, den Zusatz zu Art. 855, Abs. 2, beizubehalten, der in Abänderung des Art. 971 des Entwurfs von 1898 in den Kommissionsberatungen eingefügt worden ist, wonach die Banken bei solchen Emissionen eine eigene Haftung für Kapital und Zins zu übernehmen haben.(2) Andern­falls würde es offenbar der praktischen Verwendbarkeit sehr dien­lich sein, wenn die frühere Fassung wieder hergestellt werden wollte. Die Garantien betreffend die Belastungsgrenze u. a. sind übrigens nach dem Entwurf für diese Serientitel von so bedeu­tender Wirkung, dass diese Haftung der Banken nicht sehr dring­lich erscheint, anderseits aber auch, wenn sie beibehalten wird, von ihnen ohne erhebliche Gefahren wird übernommen werden können.
Fraglich dürfte es ferner sein, ob nicht zweckmässigerweise die Ausgabe solcher Serien unter eine Kontrolle gestellt würde, die der der Pfandbriefbanken entsprechen müsste. Mit Rücksicht darauf, dass die Schuldner selbst auch solche Serien ausgeben können, empfiehlt es sich aber doch wohl eher, diese weitere Beschränkung der freien Ausgabe zu unterlassen. Ein stärkeres Bedürfnis ist diesfalls doch nur in bezug auf die Auslosungs-
(1) Vgl. zit. Art. 860, der in das Gesetz nicht aufgenommen worden ist. (2) Vgl. S. 215 ff. und S. 310, 311, Anm. 3.



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kontrolle vorhanden, und diesem ist in Art. 863, Abs. 2, (1) Rech­nung getragen.
Schuldbriefe und Gülten, die in Serien ausgegeben werden, stehen, abgesehen von den Vorschriften dieses Abschnittes, unter den gewöhnlichen Vorschriften des Schuldbrief- und Gültenrechts. So namentlich auch in bezug auf die Haftung. Daraus ergibt sich dann trotz der gemeinsamen Vorschriften für die Gestalt und den Rang der Titel die Fortdauer der Verschiedenheit, dass für die Gült der Staat subsidär haftbar ist, (2) der Eigentümer aber per-­ sönlich nicht haftet, während bei den Serienschuldbriefen die Haft­barkeit des Staates nach unserem Entwurfe fehlt und dafür die persönliche Schuldpflicht der Schuldner gegeben ist.
2. Die Gestalt der Serientitel, Art. 856 bis 859. (3) Die Titel, die in einer Serie ausgegeben werden, müssen alle so ausgefertigt sein, dass der eine für den anderen genommen werden kann. Zu diesem Behuf werden sie alle auf den gleichen Betrag gestellt sein und den gleichen Wortlaut haben. Ferner müssen die Titel so ein­gerichtet werden, dass sie möglichst einfach erhandelt werden können oder zur Zirkulation sich eignen. Dafür sorgt die Vorschrift, dass sie auf hundert oder ein Vielfaches von hundert Franken zu lauten haben, wie denn auch die dem Gültcharakter entnommene Unaufkündbarkeit diesem der Zirkulation ganz angepassten Wert­papier durchaus entspricht. (4) Weniger einfach ist dagegen die Stellung des Schuldners.
Wir nehmen an, dass die Emission, wenn mehrere Schuldner ihre Grundstücke mit einer Serie belasten wollen, jeweils in der Weise stattfinde, dass auf den gewünschten Betrag innerhalb der erlaubten Wertgrenze jedes einzelne Grundstück je mit einem oder mehreren solchen Titeln zu belasten wäre, dass aber jeweils auf den Titeln sowohl der Schuldner als das Grundstück, auf dem sie lasten, mit Namen eingetragen würden. Es wollen beispiels­weise fünf Grundeigentümer ein Anleihen von einer Million auf ihre Grundstücke in Serientiteln zu Fr. 1000 erheben. A hat ein Grundstück im Wert von 240,000, B ein solches von 450,000. C und D von 300,000, E von 210,000. Nun werden auf das Grund­stück des A 160 Titel eingetragen mit Angabe der Nummern der Titel, und auf diesen Titeln erscheint als Pfandgegenstand für
(1) Vgl. ZGB 882, wo aber die Überwachung nur betreffend die Aus­losung und Tilgung von Gülten vorgeschrieben wird. (2) Vgl. ZGB 849, und oben S. 290, Anm. 1. (3) Vgl. ZGB 877 bis 879. (4) Das Gesetz stellt über die Unkündbarkeit (vgl. zit. Art. 857, Abs. 1) keine besondere Vorschrift auf, lässt es also beim allgemeinen Schuldbrief- und Gültrecht bewenden.



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alle im gleichen, ersten Rang dieses Grundstück aufgeführt. Auf das Grundstück des B werden 300 auf gleiche Weise ausgestellt, auf C und D je 200 und E 140. Diese Belastung kann dabei gleichzeitig oder sukzessive je nach den Emissionsbedingungen erfolgen, für die Errichtung, die Gestalt und den Wert der Titel bleibt es sich gleich. Die Titel aber kommen auf den Geldmarkt, ohne dass es von Bedeutung ist, welche Grundstücke in den ein­zelnen als belastet eingetragen sind, da ja die Belastung inner­halb einer Wertgrenze bleibt, die die möglichste Sicherheit der Anlage für alle in gleicher Weise garantiert, wozu bei der Gült noch die Haftbarkeit des Staates kommt. Die Person des Zahlungs­pflichtigen kann überdies dem Gläubiger auch deshalb ziemlich gleichgültig sein, weil er nur mit der Bank verkehrt, (1)
Der Schuldner übernimmt also eine gewisse Zahl der Titel einer Serie auf sein Grundstück, während die Serie im ganzen auf eine längere Periode als feste Anlage gedacht ist. Daraus entsteht die weitere Frage, inwieweit der Schuldner an diese Dauer ge­bunden sein soll. Das Anleihen kann auf fünfzig, sechzig Jahre geplant sein, sollen nun die Grundstücke auf ebenso lange belastet bleiben ? Bei den Grundlasten haben wir in Art. 782 die Belastungs­dauer auf dreissig Jahre angesetzt, bei der Gült, Art. 832, (2) auf zehn Jahre, beim Schuldbrief wird die Kündbarkeit in das Belieben der Parteien gestellt, die persönliche Natur der Verpflichtung aber setzt hier nach der Natur der Sache dem Verhältnis eine gewisse Grenze. Bei den Serientiteln nun kann an sich nicht bestritten werden, dass eine längere Dauer der Belastung durch den Ausgabeplan vorausgesetzt werden muss. Anderseits aber kann das Interesse des Schuldners an der Entlastung und die Rücksicht auf die Begünstigung der Entlastungen überhaupt auch nicht ausser acht gelassen werden, und so kommt der Entwurf zu der aus­gleichenden Vorschrift: Es solle das Ablösungsrecht des Schuldners oder eine Erhöhung der Amortisation für jeden Titel nur für zehn Jahre ausgeschlossen werden können (Art. 857, Abs. 2).(3) Nach Ablauf dieser Frist kann also auch bei Serientiteln der Schuldner zur Ablösung schreiten, wobei die Unbekanntschaft mit der Person des Gläubigers allerdings unter Umständen die Intervention der Ausgabestelle notwendig machen wird. Kennt der Schuldner den Gläubiger, so kann er nach zehn Jahren verlangen, dass der Titel, worin seine Liegenschaft als belastet bezeichnet wird, ihm gegen
(1) Das Gesetz überlässt die Ausgestaltung ganz der Vereinbarung der Beteiligten. Die zit. Art. 857, 858, 859, Abs. 2, und 860 sind daher nicht in das Gesetz aufgenommen worden. (2) Vgl. ZGB 788 u. 850, sowie oben S. 291, Anm. 3. (3) Vgl. oben Anm. 1.



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volle Bezahlung abgetreten werde. Kennt er ihn nicht, oder auch sonst in allen Fällen, kann der Schuldner den Weg beschreiten, dass er der Ausgabestelle den Kapitalbetrag für den Titel auszahlt und dafür Entlassung aus der Pfandhaft verlangt. Die Bank aber übernimmt damit die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, während der Gläubiger seine Rechte gegen die Bank und den Schuldner behält, bis der Brief getilgt ist. Die Tilgung im Grund­buch kann erst erfolgen nach Tilgung des Briefes, wie bei den gewöhnlichen Pfandtiteln. (1)
Um die Ablösung wirksam zu machen, ist es des weitern nötig, dass der Titel selber entkräftet werde, und das geschieht am besten nach dem Plane, der bei der Ausgabe festgestellt worden ist, oder mit vermehrter Auslosung bei Rückzahlungen der Schuldner. Deshalb muss auf dem Titel das Recht zur Rückzahlung insofern angegeben werden, als der Ausschluss bis zum Maximum von zehn Jahren für die Gläubiger und Schuldner nur dann verbindlich ist, wenn er auf den Titeln angemerkt wird. Wir stellen uns darnach folgenden Gang der eventuellen Rückzahlungen vor: Ist ein An­leihen von 1,000,000 Pranken in 1000 Titeln begeben und zwar mit einem Amortisationsplan von 50 Jahren und Auslosung von 1 bis 100 Stück im Jahr, so kann der Schuldner schon nach Ablauf von zehn Jahren beliebige weitere Rückzahlungen vornehmen, natürlich unter Beobachtung der Kündigungsfristen, die in dem Anleihen angegeben sind. Dann wird die Ausgabebank die Zahl der Amor­tisationen um die Zahl der Rückzahlungen in jedem Jahr vermehren müssen. Die ausgelosten und amortisierten Titel werden für den Verkehr entkräftet, und es kann deren Tilgung im Grundbuch erfolgen, sobald die Voraussetzungen der Art. 862, Abs. 3, und 843 erfüllt sind. (2)
Die Zinse werden von der Ausgabestelle gegen Coupons ent­richtet. Ihre Honorierung erfährt die Bank durch eine Provision, die mit 2 1/2% im Höchstbetrag hoch genug angesetzt sein dürfte. Die Schuldner zahlen also z. B. der Bank 3 1/2º/o, während der Coupon auf 3 1/4º/o lautet (Art, 858). (3)
Endlich sei noch auf die Verbindung hingewiesen, die bei den Serientiteln zwischen der Zinsentrichtung und der Schuldamortisation besteht. Soll z. B. ein halbes Prozent zur Amortisation ver­wendet werden, so zahlt der Schuldner 4%, die Bank an die
(1) Das Gesetz verlangt gegenüber der freien Vereinbarung der Betei­ligten in Art. 879 nur für die Regel (vgl. Abs. 2) die Eintragung der Gesamtbelastung unter Angabe der Anzahl der Titel. (2) Vgl. ZGB 881, Abs. 3, und 864. (3) Die Bestimmung ist nicht in das Gesetz aufgenommen, vgl. oben S . 314, Anm. 1.



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Gläubiger 3 1/4º/o. Die Schuldner zahlen alsdann die 4%, bis die ganze Serie ausgelost ist. Die Bank wird durch die Auslosung von den betreffenden Zinszahlungen befreit, indes sie die Zinse von den Schuldnern immer noch einzieht. Die Kapitalbeträge werden von ihr den Gläubigern entrichtet, während die Schuldner schliess­lich ein Kapital nicht mehr zurückzahlen müssen, da sie es mit der während fünfzig Jahren durchgeführten Mehrleistung von 1/2% allmählich abgetragen haben. Dabei erfordert es aber dann aller­dings eine gute Geschäftsgrundlage, dass die Amortisationen den Auslosungen parallel stehen, dass also immer nicht weniger ausge­lost werde, als der Bank Amortisationsquoten nach dem Tilgungs­plan zugehen. Die Amortisationsquoten für das ganze Anleihen müssen also einem Vielfachen des Titelbetrages entsprechen, auch wenn die halben Prozente der Schuldner nicht gerade diese Summe ausmachen.
Vorbehalten bleibt auch hier die bereits besprochene Möglich­keit, dass die Schuldner ihre Schuld schon vorher zurückzahlen, wie denn überhaupt andere Abreden selbstverständlich zulässig sein müssen.
Die Vorschriften des Art. 859 (1) sind nur zu dem Zwecke auf­gestellt, um als Wegleitung zu dienen, eventuell auch die Lücken auszufüllen, die etwa in den Beredungen zu finden sein mögen. Wir können uns denken, dass die Amortisation dem Schuldner sofort von seiner Schuld abgerechnet wird, so dass sich seine Zinsleistungen mit jedem Jahr verringern, oder dass eine andere Tilgung Platz greift. Aber das natürliche Verhältnis und die geschäftsmässigste Ordnung wird es doch bleiben, dass die Schuldner z. B. von Fr. 50,000 Kapital jährlich Fr. 2000 Zins und Amortisation bezahlen, dass die Zahlung sich während der Periode von 50 Jahren durchaus gleich bleibt, während die Be­rechnung innerlich wechselt, der Zinsbetrag abnimmt, die Amor­tisationsquote sich erhöht, bis im letzten Jahr nur noch der letzte Amortisationsbetrag mit Jahreszins zur Zahlung gelangt. Daher hat es sein Richtiges, wenn wir einfach sagen : Die Zahlung des Amortisationszuschlages vermindert die Zinspflicht nicht, solange nicht überhaupt das ganze Anleihen nach dem Emissionsplan getilgt oder, fügen wir an, mit Rückzahlung überhaupt die Belastung schon früher aufgehoben worden ist.
3. Der Rang der Serientitel, Art. 860. (2) Der Bedeutung der Titel entsprechend muss für sie alle der beste Rang gefordert
(1) Vgl. ZGB 878 und oben S. 313, Anm. 3. (2) Die Bestimmung ist in das Gesetz nicht aufgenommen, vgl. oben S. 314, Anm. 1.



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werden. So auch, wenn mehrere Titel auf ein Grundstück ein­getragen sind. Dazu kommt die bereits erwähnte Belastungs­grenze von zwei Dritteln des amtlichen Schatzungsbetrages des Bodens, vermehrt um die Hälfte des Schatzungswertes der Bauten, wie sie für die Gülten durch die Bestimmung des Art. 830 all­gemein aufgestellt ist. (1) Wird dieser Betrag durch die Serientitel nicht ausgefüllt, so ist nicht ausgeschlossen, dass in diesem Umfang ein weiteres Pfandrecht errichtet werde, mit gleichem Rang je­doch nur gleichzeitig mit den Serientiteln oder unter besonderer Zustimmung der Berechtigten, indem diese den einmal gewon­nenen Rang ohne Einwilligung mit andern Gläubigern auch inner­halb der Belastungsgrenze nicht zu teilen brauchen. Für den Rang sollte es nichts ausmachen, ob die Titel der Serie im ein­zelnen früher oder später zur Verschreibung gelangen. Es kann also ein Eigentümer sehr wohl erst zehn und dann nochmals zehn Titel derselben Serie auf sein Grundstück mit gleichem Rang eintragen lassen.
II. Die Wirkungen der Serientitel. 1. Die Ausgabestelle, Art. 861. (2)
Die Ausgabestelle ist Vertrauensstelle für Schuldner und Gläubiger. Sie wird nach den Bestimmungen des Art. 841 (3) im Grundbuch eingetragen und auf den Titeln angemerkt. Es bedarf dies nach unsern frühern Ausführungen hier nur insofern der Ergänzung, als bei den Serientiteln die besonderen Gefahren der Operation eine Beschränkung der Befugnisse des Treuhänders veranlassen. Im allgemeinen geben wir allerdings dem Treuhänder die Vertretung der Gläubiger auch in dem Sinne, dass er Pfandentlassungen aussprechen und über das Vorgehen wegen Verschlechterung der Pfandsache in für die Gläubiger verbindlicher Weise, wenn auch unter Verantwortlichkeit für alles Verschulden, entscheiden darf. Bei der Serienausgabe hat das aber insofern Bedenken, als das Interesse der Schuldner oder der Gläubiger durch eine Veränderung der Schuldbedingungen, wie Zinsfuss, Amortisations- und Auslosungs­plan u. dgl., ganz bedeutend benachteiligt werden könnte, ohne dass die Verantwortlichkeit der Ausgabestelle hierfür hinreichenden Er­satz zu leisten im Falle wäre. Aus diesem Grunde mag es sich empfehlen, für solche Serienausgaben, die doch regelmässig grössere Unternehmungen sein werden, eine Beschränkung der Macht des Treuhänders in dem Sinne aufzustellen, dass Veränderungen an den Schuldbedingungen während des bestehenden Verhältnisses nur gestattet sein sollen, wenn man sie bei der Ausgabe selbst
(1) Vgl. ZGB 848 und oben S. 288, Anm. 1. (2) ZGB 880.
(3) ZGB 860.



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vorbehalten hat. Auf den Titeln und im Grundbuch werden diese Vorbehalte eingetragen werden müssen, wie z. B. der Vorbehalt der Rückzahlung des ganzen Anleihens auf einmalige Kündigung. Für den Schuldner selbst hat diese Vorschrift keinen Sinn, indem er ohnedies einseitig, d. h. ohne Zustimmung der Gläubiger eine solche Veränderung nicht vornehmen kann, und selbstverständlich gilt das gleiche auch für die Gläubiger. Allein gegenüber dem Treuhänder, der Vertrauensstelle für Gläubiger und Schuldner ist, hat diese Regel eine gute Wirkung und dient zum Schutz aller Beteiligten.
2. Die Ablösung, Art. 862 bis 864. (1) Massgebend ist hier der Plan, nach dem die Serie der Titel ausgegeben wird. Ihre Rück-­ zahlung erfolgt ratenweise mit jährlichen Auslosungen oder auf einmal. Für die Gläubiger stellt sich dies neben der Möglichkeit des Verkaufs der Papiere als der einzige Weg dar, auf dem sie das bare Geld zurückerhalten. Denn eine Aufkündung ihrerseits ist ausgeschlossen.(2) Für den Schuldner dagegen ist die Sache nicht so einfach. Hat er selber die Serie emittiert, dann aller-­ dings berühren die Leistungen an die Gläubiger ihn direkt, und wie er sich mit der Auslosung und mit seiner Zinspflicht abfindet, ist Sache seiner eigenen Buchführung. Anders nun aber, wenn der Schuldner oder, wie dies der Fall sein kann, mehrere Schuldner durch die Ausgabestelle den Gläubigern gegenüber vertreten wer­den. Natürlich kann es dabei auch so gemacht werden, dass die ausgelosten Titel von den Schuldnern eingefordert werden, auf deren Grundstücken sie liegen. Dann wird der Schuldner jeweils noch den Betrag zu leisten haben, der nach Abrechnung der statt­gehabten Amortisationen übrig bleibt. Diese Inanspruchnahme des Schuldners ist aber nicht notwendig. Vielmehr liegt es der planmässigen Durchführung des Anleihens näher, die Posten bei den Schuldnern einfach stehen zu lassen, bis sie, unter Fortsetzung der Leistung von jährlichen Zinsen und Amortisationsquoten und unter fortgesetzter Verringerung der erstern und Erhöhung der letztern bei sich gleich bleibender Gesamtleistung, nach Ablauf der Anleihensdauer vollständig aufgezehrt sind. Damit sind dann die Schuldner entlastet, ohne eine grössere Abzahlung jemals gemacht zu haben. Doch entstehen dabei verschiedene Bedenken.
Einmal kann es sich fragen, ob die Verminderung der Schuldpflicht durch die jährlichen Amortisationen im Grundbuch ein­getragen werden soll, zu dem Zweck, dass der Eigentümer die
(') Vgl. ZGB 881 bis 883. (2) Vgl. oben S. 292 f. u. S. 313, Anm. 4.



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frei werdende Belastungsstelle wieder verwerten kann. Es ist z. B. für eine Schuld von 20,000 Franken während vierzig Jahren die Amortisation, auf eine Dauer von 42 Jahren berechnet, entrichtet worden. Auf dem Grundstück ruht nur noch eine Schuld von 2000 Franken. Soll nun der Eigentümer über die weitern 18,000 Franken bereits wieder belastungsweise verfügen können? Die kantonalen Anordnungen für. die Amortisation bejahen meistens die Frage, um dem Schuldner in der Verwendung des Realkredits Freiheit zu verschaffen. Allein, bei der Ausgabe der Serientitel — im übrigen wohl auch sonst dem Zweck der ganzen Amorti­sation mehr entsprechend — erscheint es als richtiger, wenn die Pfandstelle mit der ganzen Belastungssumme formal beschwert bleibt, bis die letzte Amortisationsquote entrichtet ist. Diese Lösung stimmt zudem mit dem allgemeinen pfandrechtlichen Grundsatz überein, dass das Pfandobjekt mit der Belastungs­stelle als Ganzes in der Haft bleibt, solange auch nur ein Teil der Schuld noch nicht abbezahlt ist. Überdies ist dem Schuldner durch andere Mittel zu helfen, wenn er die freigewordene Stelle, bei erheblicherem Anwachsen der Amortisation, wieder verwerten will. Sein Rückzahlungsrecht kann ihm ja über zehn Jahre hinaus nicht beschränkt werden. Also zahlt er den ganzen Titel ab und wird dadurch für die ganze Summe frei von jeder Be­lastung. (1)
Nun kann aber auf demselben Grundstück eine grössere Zahl von Serientiteln des gleichen Anleihens ruhen, ja es wird meistens so der Fall sein, dass der Schuldner einen Schuldposten mit 10,000 Franken in zehn oder zwanzig Titeln erhalten hat. Jeder dieser Titel unterliegt einer eigenen Amortisation, jeder steht also für sich unter der angeführten Regel. Daraus muss gefolgert werden, dass alle zusammen im Ganzen bestehen bleiben, bis sie allmählich amortisiert sind, oder die Pfandstelle wird erst frei, wenn die Titel ganz getilgt sind. Immerhin ist diese Vorschrift für Titel, die zur Rückzahlung gelangt sind, nicht massgebend. Sobald ein Titel vollständig abgelöst ist, erfolgt auch die Löschung im Grundbuch, und die Möglichkeit einer andern Verwertung der Pfandstelle ist gegeben. Die Belastung mit zehn Titeln bildet also kein Ganzes, das als pfandrechtliche Einheit zu betrachten wäre, sondern jeder der Titel folgt seinem eigenen Schicksal, wenn auch bei einer regelmässigen, auf alle Titel gleichmässig sich erstreckenden Amortisation schliesslich alle zusammen, im gleichen Zeitpunkt amortisiert, für den Schuldner wegfallen werden. (2)
(1) Vgl. ZGB 881, Abs. 3, und oben 8. 315, Anm. 1, und S. 314, Anm. 2. (2) Vgl. nun aber ZGB 879 u. 881.



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Macht der Schuldner vorher Rückzahlungen, sei es, dass die Emission es ihm überhaupt frei gestattet, sei es, dass er sich auf Art. 857, Abs. 2,(1) beruft, so erhält die Ausgabestelle ein Kapital, das sie nicht direkt an die Gläubiger abzuführen hätte, wenn sie einfach nach den Anleihebedingungen vorginge. Um nun der hieraus erwachsenden Gefahr für die Gläubiger zu begegnen, empfiehlt es sich, zu bestimmen, dass solche Rückzahlungen in allen Fällen bei der nächsten Auslosung zur Amortisation verwendet werden sollen. Es würden also neben der regelmässigen Auslosung so viel als möglich die rückgezahlten, in der regelmässigen Auslosung nach den Anleihebedingungen nicht inbegriffenen Rückzahlungs­beträge zur Tilgung mitverwendet. Wenn die Anleihebedingungen das auch nicht vorsehen, so gibt das Gesetz der Ausgabestelle hierzu die nötige Vollmacht. Art. 864 (2) stellt diese Regel in dem Sinne auf, dass die Rückzahlungen in jedem Falle bei den Aus­losungsterminen zur Ablösung der betreffenden Titel verwendet werden müssen. Dagegen wollte man es den Anleihebedingungen vorbehalten, darüber zu entscheiden, ob die zurückbezahlten Be­träge an die regelmässigen Auslosungen anzurechnen, diese also um jene zu vermindern seien, oder ob umgekehrt die Titelablö­sungen nach regelmässiger Auslosung jeweils um die erfolgten Rück­zahlungen vermehrt werden müssen.
In allen den Fällen, wo solche Rückzahlungen seitens der Schuldner stattfinden, ebenso aber auch, wenn Verrechnungen der Belastung des Grundstückes bei Veräusserungen, Erbteilungen, im Konkurs usw. stattfinden, entsteht die Frage, wie hoch sich in einem gegebenen Augenblick die Belastung jeweils belaufe. Dieser Betrag besteht in der Summe, die bis zu Ende der Tilgungs­periode noch hätte bezahlt werden müssen, unter Abzug des Interusuriums, oder in der Gesamtbelastung abzüglich der bereits geleisteten Amortisationen. Die Ausrechnung dieses Betrages ist nicht leicht, es bedarf dazu fachmännischer Kenntnis, und wenn nun eine Erbmasse oder eine Konkursbehörde in die Lage kommt, solche Verrechnungen vornehmen zu müssen, wäre es wohl am Platz, die Ausgabestelle, die die Angelegenheit fachmännisch be­herrscht, dazu zu verpflichten, den Interessierten kostenlos die nötige Auskunft zu erteilen. Die Experten haben jedoch gefunden, dass diese Details nicht in das Gesetz gehören, sondern besser bei den Anleiheemissionen jeweils angemerkt werden. Wollte man die
(1) Das Gesetz kennt die Bestimmung nicht, siehe oben S. 314, Anm. 1f. (2) ZGB 883.



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Bestimmung in den Entwurf aufnehmen, so würde sie ungefähr wie folgt lauten:
„Soll ein Serientitel während der schwebenden Tilgungsperiode zur Liquidation gelangen, wegen Zahlungsunfähigkeit oder auf Grund der den Schuldnern überhaupt vorbehaltenen Befugnis zur Rückzahlung, so kann der Schuldner oder seine Masse den Titel um den Betrag ablösen, der der Summe der bis zu Ende der Tilgungsperiode noch schuldigen Zinsen und Tilgungsquoten unter Abzug der Zwischenzinse entspricht.
„Der gleiche Betrag wird beim Wechsel der Schuldnerschaft der Abrechnung zwischen dem alten und dem neuen Schuldner zu­grunde gelegt.
„Die Ausgabestelle hat auf Verlangen der Beteiligten diesen Betrag unentgeltlich zu berechnen und in für sich verbindlicher Weise festzustellen."
Aus dem Entwickelten ergibt es sich, von welch grosser Be-­ deutung es für die ganze Abwicklung solcher Serienverhältnisse ist, dass die Ausgabestellen ihren Pflichten mit Auslosung und Entkräftung der ausgelosten Titel genauest nachkommen. Man darf daher wohl, damit der Ordnung der Serientitel das wünschens­werte Vertrauen entgegengebracht werde, den Schuldnern und Ausgabestellen, die zu solchen Emissionen greifen, eine besondere Kontrolle auferlegen, die in der Überwachung darüber bestände, dass die Auslosungen den bei der Emission aufgestellten Bedin­gungen gemäss erfolgen und die ausgelosten Titel nicht wieder in den Verkehr gebracht werden. In welcher Weise diese Auf­sicht zu üben wäre, würde durch eine Verordnung näher fest­gestellt werden müssen. Es würde nahe liegen, diese Aufsicht den gleichen Organen zu übertragen, die wir für die Pfandbriefe in Aussicht nehmen. Immerhin wird man die Ausgabe von Serien­titeln nicht an die gleichen Voraussetzungen binden wollen, und es darf darnach mit der Bundesbewilligung auch die Bundesaufsicht für die Serientitel als unangemessen betrachtet werden. Ein Notar, ein Gerichtsschreiber, ein Polizeibeamter, vielleicht in Verbindung mit der nötigen Öffentlichkeit des Aktes, wird genügen, um nach einer gegebenen Anleitung die Kontrolle zu üben, die Auslosung zu verifizieren und die Vernichtung der Titel zu konstatieren. Die Organisation dieser Aufsicht darf füglich den Kantonen über­ lassen werden, Art. 863, Abs. 2.(1)
(') ZGB 882, Abs. 2, vgl. oben S. 313, Anm. 1.
21



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Dreiundzwanzigster Titel.
Das Fahrnispfand.
Das Fahrnispfand ist bereits durch das Bundesgesetz über das Obligationenrecht einheitlich geordnet worden, und zwar auf der Grundlage des Faustpfandrechtes. Der Entwurf hat hieran grundsätzlich festgehalten, und auch im einzelnen die Bestim­mungen des OR wiedergegeben. Nur eines sei hier zum voraus angeführt.
Es hat sich empfohlen, die bisherige bundesrechtliche Ord­nung zu ergänzen durch Aufnahme von drei weitern Instituten, der Fahrnisverschreibung, (1) dem Versatzpfand und den Pfand­briefen. Das Pfandrecht der Pfandleihanstalten ist in die Dar­stellung des Fahrnispfandes mit einbezogen worden, wäre es auch nur, um die Verschiedenheit dieser Verpfändungsart gegenüber Faustpfand und Pfandverschreibung besser hervorzuheben, als es mit dem einfachen Vorbehalt des kantonalen Rechtes, den wir in Art. 45 des SchKG finden, geschehen ist. Sollte die Beibehaltung dieses Abschnittes in der bundesrechtlichen Regelung des Zivil­rechtes überhaupt nicht belieben, so wird damit doch eine Vor­lage gegeben sein, vermöge welcher die kantonale Gesetzgebung sich auf diesem Gebiete um so leichter den eidgenössischen Vor­schriften anzupassen vermag. Aus welchen Erwägungen der Ver­kehr mit Bodenwerten durch die Aufnahme von Bestimmungen über die Ausgabe von Pfandbriefen eine Ergänzung erfahren soll, haben wir schon oben am Schlusse der allgemeinen Betrachtungen über das Grundpfand ausführlicher entwickelt. Mit der Anfügung der Fahrnisverschreibung konnte sich der Entwurf an das frühere kantonale Recht anlehnen. Die eingehendere Begründung der drei Pfandarten verweisen wir in die Erläuterungen zu den einzelnen Instituten selbst.
Es war uns fraglich, ob nicht ein Abschnitt mit einigen das Fahrnispfand im allgemeinen betreffenden Vorschriften vorangestellt werden sollte. In diesen hätte eine Feststellung der Fahrnispfandarten im allgemeinen erfolgen müssen, entsprechend den allge­meinen Regeln beim Grundpfand, womit auch die ausschliessliche Geltung dieser Pfandarten und z. B. die Ablehnung der gemein­rechtlichen Antichresis festgestellt gewesen wäre. Ferner würde hier die Vorschrift, dass das Pfandrecht nur in Verbindung mit
(') Das Gesetz hat sie nicht aufgenommen. Vgl. oben S. 15, Anm. 9. Geblieben ist nur die Vorschrift des ZGB 885, betreffend Viehverpfändung.



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einer Forderung, als deren Nebenrecht, entstehen könne, und dass es mit der Forderung, gleich wie mit der Pfandsache selbst aus­nahmslos untergehe, Aufnahme gefunden haben. Diese Bestim­mungen hätten als allgemeine Vorschriften, namentlich wegen des Gegensatzes zum Grundpfandrecht, der in gewisser Hinsicht in ihnen liegt, einen ganz guten Sinn gehabt. Ferner hätten hier der Umfang, in welchem das Pfand für die Forderung Sicherheit zu bieten hat, die Pfandhaft der Zugehör, das Verhältnis zu den Nebenrechten, Vertragszinsen, Verzugszinsen, Betreibungskosten und Kosten des gerichtlichen Vorgehens gegen den Schuldner ihre Ordnung erfahren. Weiter wäre der Inhalt des Gläubigerrechtes hier des nähern zu umschreiben gewesen, die Berechtigung zur Befriedigung aus dem Pfande, das Verhältnis mehrerer Pfand­rechte nach ihrem Range und die Bestimmung dieses Ranges durch das Datum der Pfanderrichtung, das Verbot des Verfalls­vertrages, sowie der Umgehung der Pfandregeln durch Verabre­dung von Rückkaufsrechten. Man ersieht daraus, dass es an Stoff nicht gefehlt hätte, einen allgemeinen Teil auch beim Fahrnis­pfand zu bilden. Allein bei weiterer Überlegung musste man doch finden, dass das Faustpfand in ganz anderer Weise die Grundlage und Regel des Fahrnispfandrechtes bildet, als dies von irgend einer der Grundpfandarten gesagt werden kann. Es empfahl sich also, alle die Vorschriften allgemeiner Natur mit der Ordnung des Faust­pfandes zu verbinden und bei den andern Pfandarten darauf zu verweisen. So erklärt es sich, dass dieser Abschnitt eine Aus­sonderung allgemeiner Bestimmungen nicht enthält, sondern ein­fach die verschiedenen Arten des Fahrnispfandes aneinanderreiht.
Erster Abschnitt.
Faustpfand und Retentionsrecht.
Auch in der Zusammenstellung von Faustpfand und Retentions­recht folgt der Entwurf dem OR.(1) Sie ergibt sich aus der Art der Geltendmachung, sobald man sich zur Ablehnung der Aner­kennung eines Retentionsrechtes, das nicht auf Verwertung geht, entschliesst,
A. Das Faustpfand. I. Die Bestellung, Art. 865 bis 867.(2)
Das Faustpfand stellt die regelmässige Ordnung des Fahrnispfandes dar, so dass eine andere Verpfändungsart nur in den Fällen als
(1) OR von 1881. (2) Vgl. ZGB 884 bis 887.



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zulässig betrachtet werden kann, wo das Gesetz sie vorsieht. Der Entwurf fordert, wie das geltende Recht, zu dessen Begründung die Übertragung der Sache. Doch ist die Vorschrift hier strenger, als bei den Besitzesvorschriften überhaupt. Nicht jede Besitzes­übertragung soll zur Begründung des Faustpfandes ausreichen, so namentlich nicht die Übertragung, bei der dem Geber die Sache als dem Stellvertreter des Empfängers in Besitz verbleibt, so dass die Anwendbarkeit des Art. 966 (1) zum Teil hier nicht Platz greift. Die tatsächliche Gewalt entscheidet in allen Fällen, und es ist die Übertragung des Besitzes nicht vollzogen, so lange der Geber in der ausschliesslichen tatsächlichen Gewalt über die Sache bleibt. Vgl. Abs. 3 von Art. 865. (2) Das sogenannte constitutum erscheint also für die Begründung des Faustpfandes als ausge­schlossen.
Nachverpfändung und Verpfändung durch den Pfandgläubiger sind in der gleichen Art beschränkt, wie in Art. 217 und 218 des OK.(3)
Fraglich war, in welcher Weise der Mitbesitz des Pfand­eigentümers neben dem Pfandgläubiger zu berücksichtigen sei. Jedenfalls geht es nicht an, die Verpfändung ganz auszuschliessen, so lange der Geber an der Sache einen Mitbesitz hat. Richtiger erscheint die Aufstellung der negativen Regel, wonach dann das Pfandrecht nicht errichtet ist, wenn die Sache in der ausschliess­lichen Gewalt des Eigentümers bleibt. Ob es aber in den Fällen begründet werde, wo ein Mitbesitz desselben neben dem Pfand­gläubiger vorliegt, kann der Würdigung des einzelnen Falles über­lassen werden.
II. Der Untergang, Art. 868 bis 870. (4) Folgende Momente be­dürfen hier einer nähern Betrachtung:
Da der Besitz für. die Entstehung des Pfandrechtes beim Pfandgläubiger notwendig ist, erscheint es als folgerichtig, dass der Verlust des Besitzes für ihn den Untergang des Pfandrechtes herbeiführen muss. Doch ist dies nicht unbedingt anzuerkennen. Der allgemeine Grundsatz erfährt einmal im Verhältnis zum Ver­pfänder oder Eigentümer des Unterpfandes die Einschränkung, dass doch nur der vollständige Besitzesverlust gemeint sein kann, wie ja auch trotz Mitbesitz des Eigentümers das Pfandrecht ent­stehen kann. Erst dann, wenn der Verpfänder im ausschliesslichen
(1) ZGB 924. (2) Vgl. ZGB 884, Abs. 3, wo gesagt ist, das Pfandrecht sei nicht begründet, solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält. (3) OR, v. 1881, ZGB 886 u. 887. (4) Vgl. ZGB 888 bis 890.



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Besitze der Sache ist, muss also der Untergang angenommen werden. Jedoch auch dies nicht unbedingt, denn der Verpfänder kann gegen den Willen des Pfandgläubigers in den Besitz der Pfandsache gekommen sein, er kann sie ihm entrissen haben. Dann hat der Pfandgläubiger neben der Klage aus dem Verpfändungsvertrag auf Wiederherstellung des Faustpfandes ein Rückforderungsrecht gemäss Art. 977. (1) Daraus ergibt sich, und zwar auch für das Verhältnis zu dritten Besitzern der Pfandsache, dass eigentlich nur die Wirkung des Pfandrechtes dahinfällt, so lange der Gläubiger nicht mehr im Besitze der Sache ist. Er soll sie zurückfordern und damit sein Pfandrecht wieder wirksam machen können. Erst wenn die Möglichkeit dieser Wiedererlangung für ihn nach den Grundsätzen der Besitzesordnung und des Schutzes der dinglichen Rechte dahin gefallen ist, kann von einem Untergang des Pfandrechtes die Rede sein. Dies kommt auf das gleiche heraus, wie wenn gesagt würde, der Gläubiger verliere sein Pfandrecht, insoweit gemäss Art. 976 (2) ein Dritter in gutem Glauben ein vor jeder Inanspruchnahme durch den Gläubiger geschütztes dingliches Recht erworben habe. Denn vermag sich der Gläubiger auf Abs. 3 des Art. 868 (3) zu stützen, so stellt er sein Pfandrecht mit dem alten Range wieder her, oder er wird behandelt, als wäre ihm die Sache nie entzogen gewesen. Vom Untergang infolge gutgläubigen Erwerbes durch den Dritten zu sprechen, würde aber doch nicht ganz so zutreffend sein, wie die Fassung des Abs. 3, indem der Gläubiger sein Pfandrecht auch gegenüber einem gut­ gläubigen Erwerber behält, sobald er sich auf Art. 977 (4) be­rufen kann.
Die Herausgabe nach Beendigung des Pfandrechtes ist selbst-­ verständlich. Art. 869 (5) kann sich diesfalls einfach auf Art. 221 des OR (6) beziehen, wobei nur das eine zu beachten ist, dass nämlich die Rückleistungspflicht unzweifelhaft alles umfasst, was nicht in der Pfandhaft sich befindet. Ist also das Pfandrecht hin-­ sichtlich eines bestimmten Teils der Sache untergegangen, so besteht diesfalls die gleiche Rückleistungspflicht wie beim Unter-­ gang des Pfandrechts überhaupt, so dass z. B. die Früchte, sobald sie aufhören, Bestandteil der Sache zu sein, an den Eigentümer ausgeliefert werden müssen. Der Gläubiger hat an ihnen, wenn es nicht anders ausgemacht und in richtiger Form begründet ist, kein Pfandrecht.
(') ZGB 934. (2) ZGB 933. (') ZGB 888 und schon der Entwurf d. BR. Art. 873, haben diesen Absatz nicht aufgenommen. (4) ZGB 934. (s) ZGB 889. (6) OR v. 1881.



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Betreffend die Verantwortlichkeit des Pfandgläubigers (Art. 870) (1) kann auf das geltende Recht, Art. 220 des OR., (2) ver­wiesen werden.
Die Abhängigkeit des Faustpfandes von der Besitzesmacht oder der tatsächlichen Gewalt über die Sache nähert das Faust­pfand dem Retentionsrecht in seiner neueren Ausgestaltung. Allein es bestehen doch bedeutende Unterschiede zwischen den beiden. Der Retentionsberechtigte hat keine Möglichkeit, die Sache zurück­zuverlangen, es wäre denn in dem Ausnahmefall des Art. 284 des Betreibungs- und Konkursgesetzes, der ihm eine Wiedererlangung binnen einer kurzen Frist vorbehält. Demgemäss hat der Gläubiger auch kein Rechtsmittel gegen einen andern Besitzer und behält das Recht nicht mit der Möglichkeit der Wiedererlangung der Sache. Erlangt er sie tatsächlich wieder, so bedeutet dies für ihn die Begründung eines neuen Retentionsverhältnisses.
III. Die Wirkungen des Faustpfandes, Art. 871 bis 873. (3) Die hier aufgestellte Ordnung hat nicht nur für das Faustpfand, sondern für das Fahrnispfand im allgemeinen Geltung. Sie betrifft die Befriedigung nach dem Range, die Bestimmung des Ranges und das Verbot des Verfallsvertrages. Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung der Rechte des Gläubigers, für die die pfandrecht­liche Sicherung bestehen soll. Neben die eigentliche Forderung darf, als dem Willen der Parteien offenbar entsprechend, alles gestellt werden, was der Gläubiger von Gesetzes wegen zu fordern berechtigt ist, wie die Verzugszinse u. a. Ferner ist auch hierher zu rechnen der Zins der verzinslichen Forderung, so lange er nicht bezahlt ist. Eine Beschränkung auf einige wenige Jahreszinse, wie beim Grundpfand (Art. 809) (4) ist hier deshalb nicht geboten, weil an derselben Pfandsache sehr selten mehrere Pfand­gläubiger konkurrieren werden. Fraglich aber sind einige weitere Momente, in betreff derer auf die Umschreibung beim Grundpfand verwiesen werden mag. Einmal die Betreibungskosten: Sie werden im Entwurfe nicht genannt, weil sie zu den gesetzlichen Folgen des Verhältnisses gerechnet worden sind. Dann die Kosten des gerichtlichen Vorgehens gegen den Schuldner: Auch diese wurden bei den Beratungen, als unter den Begriff der gesetzlichen Folgen des Rechtsverhältnisses fallend, weggelassen. Ferner die Kon­ventionalstrafen : Hier ist eine weitere Ausdehnung absichtlich weggelassen worden, weil man annehmen darf, dass die Parteien diese Ausdehnung verabreden werden, wenn es von ihnen so
(') ZGB 890. (2) OR v. 1881. (3) Vgl. ZGB 891 bis 894. (4) ZGB 818, Zif. 3.



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gemeint ist. Also empfiehlt es sich, hier, und ebenso in allem übrigen, einfach auf den Vertrag über die Pfandbestellung zu verweisen, der ausdrücklich oder beim Stillschweigen der Parteien sonst mit genügender Deutlichkeit diese oder jene Ausdehnung enthalten kann. Namentlich müssen hierunter auch die nachträg­lich verabredeten Erweiterungen der Pfandhaft verstanden werden, die wirksam sind, soweit nicht die Rechte nachfolgender Gläu­biger durch sie geschädigt würden. (')
Dazu kommen noch zwei Erklärungen. Einmal hat es bei der Ordnung des Sachenrechtes die Meinung, dass das Pfandrecht nach den Regeln erworben wird, wie sie für die Rechtswirkung des Besitzes in Art, 972 ff.(2) aufgestellt sind. Es braucht dies nicht besonders gesagt zu werden. Die dem Art. 213 des OR(3) ent­ sprechende Vorschrift findet sich also in der Besitzesordnung auf­gestellt. Sodann ist betreffend die Ausdehnung des Pfandrechtes auf die Nebensachen, die Zugehör, zu bemerken, dass eine besondere Regel als entbehrlich erscheint, weil in Art. 647(4) die allgemeine Wirkung der Zugehörseigenschaft genügend hervorgehoben ist. Ebenso verhält es sich mit der Nutzung an der Pfandsache. Es kann eine solche sehr wohl verabredet werden, wie z. B. wenn es sich um den Milchertrag einer verpfändeten Kuh handelt. Allein es erscheint nicht als gerechtfertigt, eine solche Regel im allge­ meinen aufzustellen und sie als eine eigene Art der Verpfändung (Antichresis) zu behandeln. Vielmehr wird es der Würdigung des einzelnen Falles überlassen werden müssen, zu entscheiden, ob mit dem Pfandrecht des Gläubigers sich eine Nutzungsberechtigung verbinden solle. (5)
B. Das Retentionsrecht. Art. 874 bis 877.(6) Der Name Retentions­ recht wurde aus dem OR beibehalten, nachdem andere Bezeich­nungen, die vorgeschlagen waren, wie Zurückbehaltungsrecht oder Vorenthaltungsrecht abgelehnt waren. Wie mit dem Namen, so schliesst auch materiell der Entwurf sich enge dem OR, Art. 224 bis 228, an.(7) Art. 874 entspricht dem Art, 224 und Art. 227, Art. 875, Abs. 2, und Art. 876 folgen den Art, 225 und 226. Nur die Redaktion ist abgeändert, soweit sich dies als wünschens­ wert erwies. Art. 877 gibt den Art. 228 wieder.(8) Es bleiben hiernach nur wenige Erläuterungen anzufügen.
(1) ZGB 891, Abs. 2, spricht anstatt von den gesetzlichen folgen des Rechtsverhältnisses von den Betreibnngskoston und den Verzugszinsen. (2) ZGB 930 ff. (3) OR v. 1881. (4) ZGB 644. (5) Das Gesetz hat hierüber in Art. 892 eine spezielle Vorschrift aufgestellt, (6) Vgl. ZGB 895 bis 898. (7) OR von 1881. (8) ZGB 895 entspricht OR 224 n. 227. 896, Abs. 2, und 897 folgen



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So ist es einmal fraglich, wie es in bezug auf die Retention mit den Sachen zu halten sei, die eine Verwertung nicht vertragen, einer solchen nach ihrer Natur nicht unterworfen sind. Die erste Entwurfsvorlage wollte auch für solche ein Retentionsrecht aner­kennen, mit der der gemeinrechtlichen Ordnung entsprechenden Wirkung, dass der Gläubiger durch die Zurückbehaltung ohne jede Verwertung eine Pression auf den Schuldner soll ausüben dürfen. Allein man hat im Verlauf der Beratungen gefunden, dass durch eine solche Bestimmung leicht eine unlautere Schikane begünstigt werden könnte, abgesehen davon, dass gerade in den wichtigsten Fällen dieser Art, wie bei persönlichen Ausweispapieren, ohnedies nach öffentlichem Recht die Retention ausgeschlossen wäre. So gelangte der Entwurf zu der Bestimmung des Art. 875, Abs. 1(1) die der Praxis des geltenden Rechtes entspricht. Eine vertrag­liche Begründung des Zurückbehaltungsrechtes ohne Verwertungs­befugnis wird damit nicht untersagt, erscheint aber rechtlich als ein irgendwie modifiziertes Pfandrecht.
Sodann ist betreffend die Verwertung eine besondere Bestim­mung mit Rücksicht auf die Wertpapiere wünschenswert, die im geltenden Rechte mangelt. Der Entwurf gestattet in Überein­stimmung mit OR Art. 224 die Retention von solchen ganz all­gemein. Allein deren Verwertung kann unter Umständen ohne Mitwirkung des Schuldners oder des Betreibungsamtes nicht statt­finden, so bei den Wertpapieren, die eines Indossamentes bedürfen, um in Dritthand geltend gemacht werden zu können, oder bei den Namenpapieren, bei denen der Retinierende erst in Verbindung mit der Abtretung der Forderung sich als Besitzer auch wirklich als den Herrn des Forderungsrechtes betrachten kann. Für diese Fälle muss in passender Weise Sorge getroffen werden. Es geschieht mit der Bestimmung des Art. 877, Abs. 2.(2)
Der Entwurf kennt dabei für gewisse Fälle noch besondere Retentionsberechtigung, wie z. B. in Art. 981, Abs. 1,(3) und auch im Falle des Art. 696 (4) dürfte eine Zurückbehaltung der zuge­führten Sache mit Hinsicht auf den durch sie gestifteten Schaden sich rechtfertigen. Ferner wird die Berechtigung desjenigen, der durch ein Tier geschädigt worden ist, an diesem Tier ein Reten­tionsrecht auszuüben, gemäss Art. 66 des OR (5) auch weiterhin in Geltung zu bleiben haben.
OR 225 u. 226. 898, Abs. 1, gibt OR 228 wieder. (') ZGB 896, Abs. 1. (2) ZGB 898, Abs. 2. (3) ZGB 939, Abs. 1. (4) Vgl. ZGB 700, speziell Abs. 2. wo dieses Retentionsrecht ausdrücklich anerkannt ist. (5) Nunmehr OR 57.



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Zweiter Abschnitt.
Das Pfandrecht an Forderungen und andern Rechten.
A.   Im allgemeinen, Art. 878. (1) Die Forderungen werden, wie im geltenden Recht, unter dem oben angeführten Gesichtspunkt den Mobilien zugerechnet und die Pfandrechte an ihnen den Pfand­ rechten an körperlichen Sachen im allgemeinen gleichgestellt. Sie stehen also unter den Bestimmungen über das Faustpfand, soweit nicht aus der Natur des Pfandobjektes notwendig eigentümliche Regeln und Modifikationen abgeleitet werden müssen. Den Forde­rungen im allgemeinen gesellt der Entwurf andere Rechte bei, soweit überhaupt an deren Verpfändung gedacht werden kann. Massgebend für diese letztere Voraussetzung aber ist nach allge­ meiner Rechtsauffassung der Umstand, ob sie übertragbar sind oder nicht. Unübertragbare Rechte, wie die familienrechtlichen Ansprüche als solche, sind auch nicht verpfändbar. Niessbrauch und ähnliches darf dagegen in dem Umfange als verpfändbar gelten, als eine Übertragung nach Art. 753 (2) anerkannt wird. Soweit über die Verpfändung gewisser Forderungen eigene Vorschriften aufgestellt werden, wie betr. die Pfandbriefe, gehen sie natürlich den allgemeinen Vorschriften über das Pfandrecht an Ford­rungen vor.
B.   Die Errichtung, Art. 879 bis 881.(3) Die Verpfändung von Forderungen ist unter die gleiche Formvorschrift gestellt, wie im geltenden Recht, OR Art. 215 (4). Nur ist durch eine veränderte Redaktion deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Benachrich­tigung des Schuldners nicht für die Gültigkeit des Verpfändungsaktes gefordert, sondern nur mit der Folge begleitet wird, die aus einer mangelnden Mitteilung für die Parteien überhaupt entstellen kann. Diese Ordnung stimmt auch mit der Bedeutung der Mit­teilung an den Schuldner bei der Abtretung der Forderung überein, OR Art. 187. (5) Ausführlicher ist sodann die Verpfändungsform betreffend die Wertpapiere geordnet. Die Art. 210 und 214 des OR (6) geben diesfalls keine für alle Fälle ausreichende Regelung. Nach der Natur der Wertpapiere muss betreffend ihre Übertragung unterschieden werden: Die Inhaberpapiere stehen den körperlichen Sachen insofern gleich, als bei ihnen die Übertragung des Besitzes zur Vollziehung der Verpfändung ausreicht. Orderpapiere ver­langen eine Übertragung der indossierten Urkunde. Namenpapiere aber erheischen, dass neben der Übertragung der Urkunde eine
(1) ZGB 899. (2) ZGB 758. (3) Vgl. ZGB 900 bis 903. (4) OR v. 1881. (5) Nunmehr OR 167. (6) OR v. 1881.



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Verpfändung der Forderung nach gewöhnlichen Grundsätzen vor­liege. Also wird für Wertpapiere einerseits ganz allgemein die Übertragung der Urkunde verlangt werden müssen, anderseits aber dazu die Form, die für die Übertragung der betreffenden Art der Papiere notwendig ist. (1) Für die Warenpapiere gelten an sich die gleichen Vorschriften, denn sie sind ja auch Wertpapiere. Allein überdies muss hier auf den Umstand Bezug genommen werden, dass für die Zwecke der Verpfändung eigene Papiere (Warrants) vorkommen, und dies führt zurück auf das andere Moment, dass bei den Warenpapieren nicht die Forderung auf die Herausgabe der Waren als verpfändet betrachtet werden will, sondern die Ware selbst. Dementsprechend wird vorgesehen, dass diese mit dem Warenpapier verpfändet werden kann, wobei die Übergabe des besonderen Verpfändungsscheines genügt, sobald in der Haupt­urkunde selber die Verpfändung mit Forderungsbetrag und Ver­falltag eingetragen ist. Der Entwurf hat diese Vorschrift ursprüng­lich mit dem allgemeinen Satze eingeleitet, dass überhaupt bei den Warenpapieren die Verpfändung des Wertpapieres die Ver­pfändung der Ware selber bedeute. (2) Bei den Beratungen hat man aber gefunden, dass dieser Satz für ein Warenpapier selbst­verständlich sei, oder dass er sich jedenfalls mit genügender Klarheit- aus dem angeführten speziellen Satz betreffend das Ver­pfändungspapier ableiten lasse. Ausserdem kann nach Art. 967 (3) über diese Meinung des Gesetzes kein Zweifel bestehen. Auch macht die in Abs. 2 des Art. 967 (4) aufgestellte Kegel eine beson­dere Vorschrift über die Konkurrenz zwischen Faustpfand an Waren und Verpfändung durch das Warenpapier entbehrlich, so dass die Bestimmung des Art. 209 OR(5) hier nicht aufgenommen werden musste.
Über die nachgehende Verpfändung von Forderungen und Renten wird im Entwurfe nichts bestimmt. (6) Sie steht unter den Kegeln des Faustpfandes in Verbindung mit den besonderen Vor­schriften der Art. 879 bis 881, (7) die selbstverständlich auch in diesem Falle beobachtet sein wollen.
C. Die Wirkungen. Art. 882 und 883. (8) Fraglich ist hier der Umfang des Pfandobjektes, soweit es sich um Forderungen handelt,
(') Das Gesetz bezeichnet in Art. 901, Abs. 1, bei Inhaberpapieren die i'bertragting des Wertpapiers als zur Verpfändung genügend. Bei Namen- papieren genügt die Übergabe nur, wenn mit ihr ein Indossament oder eine Abtretnngserklärung verbunden wird, Abs. 2. (2) Das Gesetz hat diesen Satz wieder aufgenommen in Art. 902, Abs. 1. (3) ZGB 925. (4) ZGB 925, Abs. 2. (5) OR v. 1881 (6) Das Gesetz hat eine dem Art. 886 nachgebildete Vor­ schrift in Art. 903 eingefügt. (7) ZGB 900 bis 902. (8) Vgl. ZGB 904 bis



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die von wiederkehrenden Nebenbezügen, als Zinsen oder Dividenden, begleitet sind. Man darf sich hier durch die Analogie zur körper­lichen Sache bestimmen lassen. Wie bei dieser die Bestandteile und Zugehörstücke mitverpfändet, sind, so wird es auch bei der Forderung zu halten sein. Was aber ist derart Bestandteil oder Zugehör der Forderung? Die Antwort lässt sich am klarsten nach der Überlegung erteilen, dass demjenigen Rechte diese Eigenschaft zukommt, das nicht selbständig für sich bestellt, und dies liegt vor bei den Zinsen und Dividenden bis zu dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, So werden also alle diese Nebenbezüge als mitver­pfändet erklärt, so lange sie noch „laufende" sind. Mit ihrer Fälligkeit werden sie selbständig und gelangen also aus der Pfand­haft. Der Gläubiger oder Schuldner kann vom Pfandgläubiger nicht daran verhindert werden, sie einzukassieren. (') Diese Lösung stimmt mit dem geltenden Rechte überein, vgl. Art. 216 des OR, (2) Ebenso kann in bezug auf die Couponsbogen das gleiche Recht wie bishin beibehalten werden. Hier steht der Zinsforderung eine eigene Negotiabilität zu, die einzelnen Coupons gelangen schon vor der Fälligkeit in den Verkehr und werden dermassen verselb­ ständigt, dass auch ein eigenes Pfandrecht an ihnen bestellt werden kann. Daraus ergibt sich die Folge, dass zwar, sobald nichts anderes verabredet wird, die einzelnen Coupons behandelt werden müssen wie andere Zinse. Der Pfandgläubiger hat sie also abzu­ liefern, sobald sie verfallen sind, der Schuldner hat ein Recht darauf, dass sie ihm verabfolgt werden. Allein die Coupons und Couponsbogen können auch einem eigenen Pfandrechte unterworfen sein, und da sie regelmässig sich als Inhaberpapiere darstellen, so genügt zu ihrer regelrechten Verpfändung die übergabe des Papiers zum Zwecke der Pfandbestellung. (3)
Ein Nutzniessungsanspruch für den Pfandgläubiger kann mit dem Pfandrecht natürlich auch bei den Forderungen verbunden werden. Es ist aber, wie für das Faustpfand, so auch hier, ent­gegen der ersten Entwurfsvorlage schliesslich davon Umgang genommen worden, auf diese Möglichkeit besonders hinzuweisen.
Endlich muss sich mit dem Pfandrecht an einer Forderung auch eine Regel darüber verbinden, wie es sich mit den Rechten des Gläubigers der Forderung im Verhältnis zu den Rechten des Pfandgläubigers betreffend die Verwaltung der Forderung ver­halte. In Betracht fallen hier die Ansprüche betreffend die Ein-
906. In Art. 905 ist eine Vorschrift betr. Vertretung verpfändeter Aktien auf­ genommen. (1) Vgl. ZGB 904, Abs. 1. (2) OR v. 1881. (3) Vgl. ZGB 903, Abs. 2, der im Vergleich zu OR 216, Abs. 3, die Beweislast verschoben hat.



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kassierung, das Verhältnis zu dem Inhalt der Forderung oder dem aus ihr zu leistenden Gegenstand u. a. m. Bei der Nutzniessung" ist hierüber ausführlicher gehandelt, vgl. Art. 767 und 768. (') Bei der Verpfändung von Forderungen unterlässt es der Entwurf, nähere Regeln aufzustellen, und zwar ist dies nicht bloss gesche­hen aus Grund des Anschlusses an das geltende Recht, das in dieser Richtung, in Art. 210 ff. des OR,(2) ebenfalls keine nähern Vorschriften enthält, ohne dass in der Praxis sich hieraus Schwie­rigkeiten ergeben hätten, sondern es darf auch darauf hingewiesen werden, dass bei der Verpfändung der Forderung, anders als bei der Nutzniessung, eine Abrede der Beteiligten selber in der Natur der Sache liegt. Wir haben schon in der Einleitung auf dieses Verhältnis hingewiesen (siehe Erläuterungen, Bd. I, Einleitung S. 11). Sollte aber eine Ergänzung für wünschenswert erachtet werden, so liesse sie sich wohl mit der Hinübernahme der Bestim­mungen, die für das verwandte Verhältnis in den Art. 767 und 768 betreffend den Niessbrauch an Forderungen aufgestellt sind, unschwer herstellen. (3)
Dritter Abschnitt.
Die Fahrnisverschreibung. (4)
Die Fahrnisverschreibung bestand im schweizerischen Recht bis zur Einführung des Bundesobligationenrechtes, also bis zum Jahr 1883, in einer Reihe von Kantonen in verschiedener Um­grenzung (vgl. Schweiz. PR IV, S. 818 ff.). Dass sie damals fallen gelassen wurde, entsprach der Auffassung, die um die Zeit der Redaktion des Bundesgesetzes in der Doktrin und Gesetzgebung Deutschlands und namentlich Frankreichs vorgewaltet hat. Es lässt sich denn auch für die Ausschliessung der Mobiliarhypothek die Erwägung geltend machen, dass die Fahrnisverschreibung, wie sie im Gemeinen Recht zur Ausbildung gebracht worden ist, in vielen Fällen zur Irreführung des Gläubigers oder dritter Per­sonen dienen kann. Allein dem möglichen Missbrauch steht gegen­über, dass eine solche willkürliche Beschränkung der ökonomischen Verwertbarkeit gewisser Vermögensteile häufig eine Benachteili­gung auch des gutgläubigen Verkehrs zur Folge haben muss. Wägt man Gründe und Gegengründe gegeneinander ab, so kann man sich dem Eindruck nicht verschliessen, dass der vollständige
(') ZGB 773 u. 774. (2) OB. v. 1881. (3) Vgl. ZGB 906. (4) Das Gesetz hat, mit Ausnahme von Art. 885, die Fahrnisverschreibung abgelehnt, ent­sprechend dem OR v. 1881. Vgl. auch ZGB 715 und oben S. 15, Anm. 9.



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Ausschluss der Mobiliarhypothek über das Ziel, das man im Auge hat, hinausschiesst. Mit einigen Rechtskautelen lässt sich die Gefahr, die in der Fahrnisverschreibung für den gutgläubigen Mobiliarverkehr ja allerdings mit etwelchem Grund gefunden wird, ganz bedeutend reduzieren. Auch die früheren kantonalen Reche haben solche schützende Massregeln allgemein für notwendig, aber auch für genügend erachtet. Diese liegen in der Öffentlich­keit der Verschreibung, in der beschränkten Dauer der Pfandrechtswirkung und in dem Vorgehen des Faustpfandes vor der Verschreibung ohne Rücksicht auf das Datum der Errichtung. Indem der Entwurf sich zur Anerkennung der Fahrnisverschreibung entschliesst, bringt er denn auch zugleich diese drei ord­nenden Vorschriften in Vorschlag und vermehrt sie noch um ein Viertes: die Beschränkung der Zulassung der Mobiliarhypothek auf gewisse Kategorien von Vermögenswerten. Diese weitere Kautel lässt sich mit der Überlegung rechtfertigen, dass die Verschreibung doch nur für die Fälle ein Bedürfnis ist, wo es nach den Ver­hältnissen dem Sacheigentümer unmöglich ist, den Gegenstand dem Gläubiger zu Faustpfand zu geben, weil er ihn zur Ausübung des Gewerbes notwendig selber besitzen muss. Trifft dies nicht zu, so ist man berechtigt, der verkehrspolitischen Erwägung, dass die Verschreibung allzuleicht zu Täuschungen missbraucht werden kann, Rechnung zu tragen und die Alternative zu stellen, ent­weder keine Verpfändung oder Hingabe zu Faustpfand. Sobald dagegen die angeführte Voraussetzung vorliegt, steht die Sache anders. Dann überwiegt die Rücksicht, die man dem Sacheigen­tümer schuldig ist, und es kann sich nur noch darum handeln, die Umschreibung des Institutes so zu gestalten, dass ein Missbrauch möglichst erschwert wird. Das Bundesobligationenrecht selber hat sich diesen Erwägungen nicht vollständig verschlossen, indem es in Art. 210, Abs. 3, wenigstens für die Viehverpfändung die Ein­führung der Fahrnisverschreibung den Kantonen freigestellt hat. Allerdings haben nur verhältnismässig wenige Kantone von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Vgl. Schweiz. PR III, S. 448. ff. Für eine bundesrechtliche Regelung des Mobiliarpfandes mit Ver­schreibung, wenigstens betreffend die Viehverpfändung, hat sich namentlich die Vernehmlassung Graubündens ausgesprochen.
Wird die Fahrnisverschreibung im Zivilrecht anerkannt, so werden auch für das Strafrecht gewisse Vorschriften in Aussicht zu nehmen sein, mit denen die Übertragung der verpfändeten Sachen auf Andere unter Strafe gestellt wird. Das Verhältnis liegt hier anders als bei dem mehrfachen Verkauf der gleichen Sache, indem die Verschreibung nicht nur eine persönliche Verpflichtung,



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wie der Verkauf, sondern ein dingliches Recht begründet, das dem Besitzer und Eigentümer der Sache die Freiheit, über diese zu verfügen, wenigstens teilweise entzieht.
A. Die Errichtung. I. Die Verschreibungsfälle, Art. 884 und 885.
Unternimmt man es, nach dem angeführten Argumente die Sachen zu bezeichnen, für die eine Fahrnisverschreibung zugelassen werden soll, so trifft der allgemeine Gedanke, d. h. also deren Zulassung in den Fällen, wo der Eigentümer die Gegenstände zur Ausübung seines Berufes oder Gewerbes notwendig braucht, unzweifelhaft für den Viehstand zu. Nicht zweifelhaft kann ferner sein, dass bewegliche Betriebseinrichtungen, wie Maschinen und Werkzeuge, dahin gerechnet werden müssen. Der Verkehr hat sich bei der Unmöglichkeit der Verschreibung von Vieh und Werkzeug bishin häufig damit geholfen, dass der Veräusserer oder Gläubiger sich das Eigentum an der im Besitz des Schuldners liegenden Sache vorbehalten hat, und die Praxis hat dieses Vorgehen auch im Konkursfalle für rechtsgültig erachtet, selbst wenn darin offenbar eine Umgehung des Verbots der Mobiliarhypothek lag. Allein, dieses Aushilfsmittel hat wirtschaftlich und rechtlich viel mehr Bedenken gegen sich als die Mobiliarverschreibung, bei der das Recht des Dritten doch wenigstens in öffentliche Bücher eingetragen werden muss und zeitlich beschränkt wird, man denke nur an die Praxis der Abzahlungsgeschäfte. Eine weitere Ausdehnung der Fahrnisverschreibung auf Warenlager und Vorräte ist nicht ohne Bedenken. Soweit es sich hier um grossen Geschäftsbetrieb handelt, namentlich in den Fällen, wo eine kaufmännische Gesellschaft Schuldner ist, bei der im Konkursfalle ohnedies die Geschäfts­gläubiger ein ausschliessliches Recht auf die Geschäftsaktiven be­sitzen, werden reiche Vorräte und Warenlager leicht die Gewäh­rung von ungedecktem Kredit gestatten, solange der Gläubiger eben damit rechnen kann, dass der Schuldner einerseits den Besitz solcher Sachen im Verkehr nicht entbehren und anderseits an ihnen auch nicht ein Faustpfand begründen kann. Von dieser Er­scheinung aus liesse es sich vielleicht fragen, ob die Verschreibung in bezug auf Warenvorräte und Warenlager überhaupt zuzulassen sei. Allein, der Entwurf hat diese Erwägung nicht als entscheidend betrachten können und schliesslich kein Bedenken getragen, die Verschreibung auch auf die beiden genannten Sachkategorien aus­zudehnen. Massgebend war dabei die Überlegung, dass der Geld­verkehr sich leicht den damit veränderten Bedingungen anpassen werde, während es eben doch auch bei dem Schuldner mit Vor­räten und Warenlagern zahlreiche Fälle gibt, wo es hart und un-



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billig ist, den einzigen Weg zu verschliessen, auf welchem er sich in schwieriger Stunde durch Benutzung seines Warenkredites über eine Notlage hinweghelfen kann. Auch ist der offene Kredit durch diese Reserven eben doch nur bei Gesellschaften und dem beson­dern Geschäftskonkurs der Deckung einigermassen sicher, während beim Einzelkaufmann der Geschäftsgläubiger in allen Fällen, wo er keine besondere Deckung besitzt, mit der Konkurrenz der Privat­gläubiger zu rechnen hat.
Weiter geht der Entwurf in der Anerkennung der Fahrnisverschreibung nicht, schliesst also die Verpfändung schlagbarer Hölzer oder reifender Früchte aus. Es liesse sich fragen, ob nicht in dem Umfang, in welchem die Pfändung diesfalls zugelassen wird (Betreibungs- und Konkursgesetz, Art. 94), auch eine Ver­pfändung zu gestatten wäre. Wenn der Entwurf dies nicht auf­genommen hat, so geschah es, weil die dringenden Bedürfnisse nach einer Verpfändungsmöglichkeit hier nicht vorliegen, oder auf anderen Wegen, sei es mit Grundpfand oder mit Verkauf, ihre Befriedigung erfahren können.
Mit der Verpfändung von Waren oder Vorräten kann sich die Ausstellung negotiabler Papiere verbinden, wie dies in Genf mit einem Gesetz von 1859 betreffend die Verpfändung von Gold- und Silberwaren geordnet worden ist und in Frankreich in der neuesten Zeit mit den sogenannten Warrants agricoles (Gesetz vom 18. Juli 1898) für landwirtschaftliche Produkte Aufnahme gefunden hat. Der Entwurf macht diesfalls keine Vorschläge und zwar aus zwei Gründen. Einerseits sind nämlich die Erfahrungen, die mit diesen Instituten gemacht worden sind, nicht überall gut ausgefallen und haben in Genf dazu geführt, dass schon 1865 das genannte Gesetz wieder aufgehoben worden ist. Anderseits aber werden auch ohne besondere Regelung auf der Grundlage des Entwurfes die Opera­tionen möglich sein, die der gutgläubige Verkehr hier hauptsäch­lich im Auge hat, indem z. B. landwirtschaftliche Leihkassen den Bauern Betriebskredite eröffnen können, die durch Verschreibung der Vorräte sichergestellt werden, und das Obligationenrecht würde es nicht verhindern, die Gewährung solcher Vorschüsse, wenn hierfür ein Bedürfnis vorläge, in die Gestalt der Aushändigung von Wertpapieren zu kleiden.
Mit der Hauptsache wird auch die Zugehör verpfändet. Allein, gerade bei dieser liegt die Gefahr nahe, dass in verschiedenen Formen mehrere Berechtigungen an derselben Sache konkurrieren. Den Hauptsatz ausdrücklich auszusprechen, dass überhaupt das Faustpfand der Pfandverschreibung vorgehe, halten wir gegenüber den Besitzregeln nicht für notwendig. Es steht nach Art. 976 ohne-



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dies fest, dass der Besitz an der Sache für den gutgläubigen Erwerber irgendwelches dinglichen Rechtes dem Nichtbesitz vor­geht. Allein, wie nun, wenn es sich um Zugehör einer Sache handelt, die der Verschiebung unterstellt ist? Jedenfalls bedarf es da keiner besondern Verpfändungsform, sondern es wird die Zugehör, wie beim Grundpfand, in den Formen des Pfandrechtes an der Hauptsache mitverpfändet, auch wenn das Zugehörstück an sich nicht unter die Verschreibung fallen würde. Nun kann aber an dieser Sache ein Faustpfand begründet sein, und da, scheint es uns, hat man keinen Grund, von der Regel abzuweichen, die dem Besitzer vor dem Verschreibungsgläubiger den Vorrang gibt, soweit der Besitzer nicht etwa als bösgläubiger Erwerber zu betrachten ist, was deshalb leicht vorkommen kann, weil die Zugehör zu einer Fahrnis — man denke an das Futteral eines bereits durch Verschreibung verpfändeten Instruments — im Verkehr leicht als Zugehör zu erkennen sein wird. Besteht ein Grundpfand und zugleich eine Fahrnisverschreibung an der Zugehör zu einem Grundstück, so konkurrieren zwei Verschreibungen miteinander, und wenn hier alsdann der Entwurf dem Grundpfande den Vor­rang gibt, so lässt er sich durch den Umstand bestimmen, dass die Publizität des Grundbuches doch offenbar viel weiter greift, als die des Verschreibungsprotokolls, und dass ein Missbrauch zu Ungunsten des Grundpfandgläubigers für das Verkehrsleben als weit gefährlicher betrachtet werden muss, als ein solcher zu Un­gunsten des Verschreibungsgläubigers, wie denn auch arglistige Täuschungen hier viel leichter wären, als bei der Zugehör zur Fahrnis. Überdies soll nach dem Entwurf nur der gutgläubige Grundpfandgläubiger vorgehen, so dass eine bereits im Verschreibungsprotokoll eingetragene Verpfändung der Zugehör dem Grund­pfandgläubiger am gleichen Ort wohl regelmässig wirksam wird entgegengehalten werden können, indem doch auch das Verschreibungsprotokoll sich, wenn auch mit lokal beschränkter Bedeutung, als Publizitätsorgan darstellt.
II. Die Verschreibung, Art. 886 und 887. Die Einrichtung der Verschreibungsprotokolle und die Feststellung ihrer Gestalt kann füglich dem kantonalen Recht zugewiesen werden. Ebenso die Bezeichnung der Kreise, in denen die Protokolle geführt werden, und der zuständigen Beamten. Es gilt hier die gleiche Dezen­tralisation wie betreffend das Grundbuch (Art, 997)(') und die Zivilstandsämter (Art. 38).(2) Grundsatz in der Führung dieser
(') ZGB 953. (2) ZGB 40.



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Protokolle ist die streng territoriale Verschreibung. Territorial aber kann hier nicht einfach nach dem Ort der gelegenen Sache heissen, denn Mobilien wechseln zu häufig ihren Ort, sie sind eben beweglich. Vielmehr muss ein anderes Kriterium gefunden werden, wobei man an den Wohnort des Eigentümers oder an die Bestim­mung durch den Eigentümer gedacht hat. Am richtigsten scheint es uns, auf dasjenige abzustellen, was im einzelnen Fall und für die einzelne Sache als das angemessene und ordnungsgemässe erscheint, und dieses ist, nach der Ausdrucksweise des Entwurfes, der „ordentliche Standort" der Sache. In den meisten Fällen wird dies auf den Wohnort des Eigentümers hinauskommen. Man braucht aber nur an Maschinen zu denken, um sich zu vergegen­wärtigen, dass ihr ordentlicher Standort, auch wenn sie nicht Zugehör von unbeweglichen Sachen sind, sehr wohl ein anderer Ort sein kann.
Betreffend die Art der Verschreibung genügt es, die Angabe des Eigentümers der verpfändeten Sache, des Gläubigers, des Schuld­ners und des Forderungsbetrages zu verlangen. Genaue Angabe des Gegenstandes erfordert der Zweck der Verschreibung und ist in den sie begleitenden Gefahren begründet. Wenn dann weiter ein Inventar über das verpfändete Warenlager verlangt wird, so ist es nicht so zu verstehen, dass das ganze Inventar in das Proto­koll eingetragen werden müsste. Vielmehr genügt die genaue Bezeichnung der Gesamtheit und ihres Standortes, wobei das voll­ständige Inventar unter den Schriften des Amtes aufbewahrt wer­den kann, wenn man es nicht an anderem Orte hinterlegen will. Über alles dieses müssen die kantonalen Ausführungsverordnungen das Nähere bestimmen. Das Bundesrecht legt nur diejenigen Vor­schriften fest, die für die zuverlässige Führung der Protokolle als unerlässlich erscheinen.
Einer Anregung, für die Verschreibung, wenigstens wenn der Gegenstand von bedeutenderem Werte wäre, wie z. B. bei einem Schätzungsbetrag von über 50 Franken, eine öffentliche Beurkun­dung zu verlangen, und damit die Verpflichtung des Notars zu verbinden, die Verpfändung beim Protokoll anzumelden, wurde deshalb keine Folge gegeben, weil der Verkehr, der sich dieser Verschreibungen bedienen dürfte, voraussichtlich in den meisten Fällen von so einfacher Natur sein wird, dass die Mitwirkung öffentlicher Urkundspersonen als eine ungerechtfertigte Belästigung empfunden werden müsste.
B. Der Untergang, Art. 888. Wichtig ist hier die Regelung der zeitlichen Dauer, die, in Nachahmung früherer kantonaler Vor-
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schriften, vgl. Schweiz. PR IV, S. 820 f., auf zwei Jahre angesetzt worden ist. Wird das Pfandrecht erneuert, so behält es den alten Rang, solange nicht mit Zustimmung des Pfandgläubigers etwas anderes festgestellt ist. In Verbindung mit der streng ört­lichen Verschreibung muss als Untergangsgrund auch der Wechsel des Standortes anerkannt werden. Allein hier verlangt aldann die Billigkeit, ähnlich wie bei der Eintragung der Eheverträge (Art. 221), (1) die Wahrung der Möglichkeit, an dem neuen Stand­ort der Sache die Eintragung mit dem alten Range zu erneuern. Die Zeit von drei Monaten ist hier (Art. 888, Abs. 3) als genügend erachtet worden, um die Interessen des Schuldners und Gläubigers auszureichen.
Alle anderen Untergangsgründe verlangen für die Verschreibung keine besondere Ordnung. Wird die Sache verkauft, so kommen die Regeln über den Schutz des gutgläubigen Erwerbes zur Anwendung, Art. 976 ff. (2) Fraglich wäre nur, ob, wer von dem Protokoll nicht Einsicht nimmt, sich auf die Nichtkenntnis der Verschreibung würde berufen können, oder ob nicht Un­kenntnis des Eintrages der Kenntnis der Verschreibung, da es sich doch um ein Publizitätsorgan handelt, ein für allemal gleich­gehalten werden sollte. Der Entwurf hat eine solche allgemeine Regel nicht aufgestellt, und es ist eine bezügliche Vorlage bei den Beratungen abgelehnt worden. Das will besagen, dass es auf den einzelnen Fall ankommen und nach diesem sich bestimmen soll, ob man dem Erwerber zumuten konnte, vor dem Erwerb sich noch die Verschreibungsprotokolle einzusehen. Man kann sich denken, dass die Fälle sich hier sehr verschieden darstellen, sei es z. B. dass auf dem Markt eine Maschine feilgeboten wird, oder umge­kehrt dass ein verschuldeter Handwerker sein Werkzeug einem Geldvermittler zum Verkauf unter Umständen anbietet, nach denen der Käufer von der misslichen Lage des andern Kenntnis hat oder auch nur wissen muss, dass er wahrscheinlich durch Ver­schreibung bei anderen bereits Geld erhoben haben werde. Nicht unangemessen dürfte es sein, eine Kenntnis der Verschreibungen von denjenigen Dritten zu verlangen, die in dem Bezirke des betreffenden Protokolls wohnhaft sind. Doch wurde auch diese Regel absichtlich nicht in den Entwurf aufgenommen, um der Prüfung des guten Glaubens nach den Verhältnissen des einzelnen Falls nicht ohne Not in einer Weise vorzugreifen, die doch auch wieder oftmals unbillig sein könnte.
(') ZGB 250. (2) ZGB 933 ff.



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C. Die Wirkung bei Sachgesamtheiten, Art. 889. Es erscheint nicht als geboten, die Wirkungen der Verschreibung vollständig gesetz­lich zu ordnen. Dass die Verschreibung einem gutgläubig erwor­benen Faustpfande an der Sache, auch wenn dieses jünger ist, nachgeht, ergibt sich schon aus den Besitzesregeln, Art. 976 ff., und ist in Art. 885, Abs. 2, ausdrücklich angeführt. Anderes bestimmt sich nach den Vorschriften über das Faustpfand. Nur eine Frage bedarf bei der Verschreibung noch einer besondern Ordnung, die Wirkung der Verschreibung von Sachgesamtheiten. Es kann bei solchen zweifelhaft sein, in welcher Weise das Pfand­recht die einzelnen Stücke der Gesamtheit ergreife. An und für sich sollte die Pfandhaft dinglich wirken, also das Pfandrecht die einzelne Sache auch in Dritthand begleiten. Allein einer solchen Ordnung stehen nicht nur praktische Bedenken entgegen, sondern sie nimmt auch nicht die gebührende Rücksicht auf den Umstand, dass es eben doch eine Gesamtheit als solche ist, die verschrieben wurde, wie denn auch der Entwurf in Art. 887, Abs. 3, nicht die Eintragung aller einzelnen Inventarstücke in das Protokoll vorsieht. Dem entspricht, dass die Ausscheidung einer Sache aus der Gesamt­heit sie dem Pfandrecht entziehen und umgekehrt der Eintritt einer Sache in die Gesamtheit sie der Pfandhaft, unterwerfen muss (Abs. 2 und 3). Immerhin kann das letztere im Zweifel nur im Umfange des Inventars, respektive der anfänglichen Verschrei­bung angenommen werden. In der Regel wird bei solcher Ver­pfändung von Sachgesamtheiten die Zahl der Stücke, oder der Gesamtwert, mit welchem sie im Höchstbetrage pfandrechtliche Sicherung gewähren sollen, angegeben werden. Damit aber ist dann auch die Grenze bezeichnet, bis zu welcher Neuanschaffungen als unter das Pfandrecht an der Gesamtheit fallend betrachtet werden müssen.
Vierter Abschnitt.
Das Versatzpfand.
Unter dieser Bezeichnung ordnet der Entwurf das Pfandrecht der Pfandleihanstalten.
A. Die Versatzanstalten. Art. 890 bis 893. (1) Die Ordnung des Pfandleihgewerbes muss im allgemeinen selbstverständlich dem kantonalen Verwaltungsrecht überlassen bleiben. Daraus erklärt
(') Vgl. ZGB 907, 908 u. 915. Die Ordnung des Gewerbes hat das Ge­setz mit Art. 915 dem kantonalen Recht zugewiesen.



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es sich, dass der Entwurf im wesentlichen nur zwei Dinge nor­miert hat: Die Aufstellung der Möglichkeit, dass solche Anstalten eine besondere Art von Mobiliarpfand begründen und die Beschrei­bung dieses Pfandes nach Form und Wirkung, soweit beides privat­rechtlich der besondern Ordnung bedarf. Eine Kautel gegen die willkürliche Verweigerung der Bewilligung zur Führung einer Versatzanstalt, in Gestalt der Anrufung des Richters, wurde bei den Beratungen vorgeschlagen, jedoch von der Überlegung aus, dass mit der ganzen Ordnung des Gewerbes auch die Verweige­rung der Bewilligung dem kantonalen Recht nicht vorenthalten werden dürfe, abgelehnt. Dagegen erschien es allerdings als not­wendig, wenigstens den Grundsatz aufzustellen, dass eine kanto­nale Bewilligung seitens der Regierung erforderlich sei. Damit ist zugleich entschieden, dass das Versatzpfand in seiner Eigen­art nur von besonders konzedierten Anstalten errichtet werden kann, sowie dass mit einer solchen Ordnung eine Verletzung der verfassungsgemässen Handels- und Gewerbefreiheit nicht gegeben ist. Fallen doch Anstalten, die Darlehen auf gewöhnliches Faust­pfand gewähren, nicht unter die von diesem Gesetz geforderte Beschränkung und Kontrolle, sondern nur unter die polizeiliche Ordnung der Kantone überhaupt.
B. Das Versatzpfandrecht. I. Die Errichtung, Art. 894 bis 896. (1)
In Anlehnung an die in verschiedenen kantonalen Rechten ge­troffene Ordnung wird hier die Vorschrift aufgestellt, dass das Versatzpfand durch die Übergabe der Sache in Verbindung mit der Ausstellung des Versatzscheines errichtet werde. Ähnlich, wie beim Eisenbahnfrachtvertrag, wo auch eine Ordnung des öffent­lichen Rechts die Grundlage bildet, entsteht die Vertragspflicht nicht mit dem Konsens der Parteien, sondern mit der Hingabe der Sache. Das Versatzpfand vermag aber in seiner Eigenart nicht zu bestehen, wenn nicht ein Schein ausgestellt ist, also muss dieses weitere Requisit hinzukommen. Der Schein hat dabei eine eigen­artige Funktion zu erfüllen (vgl. Art. 899) (2) und muss dieser ent­sprechend gestaltet sein, woraus sich die Vorschriften des Art. 895 erklären. (3) Scheine auf den Inhaber zu gestatten, kommt einem Bedürfnis insofern entgegen, als es sich häufig bei den Benutzern dieser Anstalten um ambulante Personen handelt, die mit dem Scheine rasche Negoziationen vorzunehmen wünschen. Die Scheine vermögen, wenn sie auf den Inhaber gestellt sind, leichter die
(') Vgl. ZGB 909. (2) Vgl. ZGB 912. (3) Das Gesetz hat von dieser Vorschrift Umgang genommen.



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Rolle eines Zahlungsmittels zu übernehmen und sind doch auch als Inhaberscheine wucherischen Manipulationen nicht stärker aus­gesetzt, als auf den Namen lautende Versatzscheine. Im übrigen bezweckt die gesetzliche Ordnung der Scheine, gerade diesen Gefahren entgegenzuwirken, und es darf nach der Richtung nament­lich von der Bestimmung des Art. 896 Hilfe erwartet werden. (1) Eine Schatzung ist als Grundlage des Geschäftes in allen Fällen notwendig. Es entspricht aber den Prinzipien, auf denen die Versatzordnung beruht, dass die Anstalt bis zu einem mit dem Risiko in richtigem Verhältnis stehenden Betrag zu kreditieren gezwungen wird, falls sie überhaupt es nicht vorzieht, auf den Abschluss des ganzen Geschäftes zu verzichten, und zwar hat man den Betrag von drei Vierteln der Schätzungssumme diesfalls nicht als zu hoch gegriffen erachtet. Betreffend die Höhe der zulässigen Zinse, muss, wie bei dem Grundpfande, auf die Spezialgesetzgebung verwiesen werden. Diese aber kann hier füglich der Kompetenz der Kantone zugewiesen bleiben. Zuerst hatte der Entwurf eine Maximalgrenze angefügt und bestimmt, dass in keinem Falle mehr als eines vom Hundert für den Monat als Zins verlangt werden dürfe, oder also ein Jahreszins von 12º/o. Man hat dies abgelehnt, um überhaupt die ganze öffentlich-rechtliche Ordnung des Pfand­leihgewerbes dem kantonalen Recht, bezw. der Wuchergesetz­gebung zu überlassen.
II. Die Wirkungen des Versalzpfandes, Art. 897 und 898. (2) In diesen tritt uns die Eigentümlichkeit des Versatzpfandes besonders deut­lich entgegen. Der Pfandgläubiger muss auf eine besondere Art der Verwertung des Pfandes angewiesen werden, die einmal darin besteht, dass die Liquidation erst, aber auch alsobald dann an­begehrt werden kann, wenn Kapital und Zinsen vom Wert der Sache nicht mehr gedeckt werden. (3) Bei der Pfandverwertung soll ferner zunächst eine öffentliche Aufforderung zur Einlösung erfolgen und erst hierauf, und zwar durch einen Beamten, der Verkauf vorgenommen werden, wobei an die Übergabe an den Betreibungsbeamten oder an eine öffentliche Versteigerung unter amtlicher Mitwirkung zu denken ist. Ein weiteres Recht steht alsdann der Versatzanstalt nicht zu. Namentlich muss sie einen allfälligen Überschuss des Erlöses über die Pfandsumme, d. h. über den Forderungsbetrag samt Zinsen oder die ganze Forderung, für die überhaupt Pfanddeckung besteht, als einheitlichen Forde-
(1) Auch diese Vorschrift ist nicht in das Gesetz aufgenommen. (2) ZGB 910 u. 911. (3) Letzteres ist im Gesetz weggefallen.



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rungsbetrag gedacht, herausgeben. Deckt aber der Erlös den Darlehensbetrag nicht, so hat sie keine persönliche Forderung mehr. Das Versatzpfand wird damit zu einer Art bedingten Verkaufes, womit die Vorschriften betreffend den Anspruch auf drei Viertel des Wertes der Sache und das Zuwarten mit der Verwertung, bis die Forderung der Anstalt die Höhe des Schatzungsbetrages erreicht hat, innerlich wohl übereinstimmen. (')
III. Die Auslösung des Pfandes, Art. 899 und 900.(2) Auch hier begegnet uns eine mit der eben betrachteten verwandte Eigen­tümlichkeit: Der Schein bildet die Grundlage für das Recht zur Auslösung. Der Berechtigte hat den Schein bei der Auslösung in allen Fällen zurückzugeben. Wie er sich daneben über sein Recht zur Auslösung ausweist, hängt von der Natur des Scheines ab. Ist dieser als Inhaberschein ausgestellt, so wird man in der Innehabung diesen Ausweis finden können, ist er an Ordre gestellt, so verlangt man eine Indossierung und in allen anderen Fällen den Ausweis über die Abtretung, der z. B. in dem Übertragungs­vermerk auf dem Scheine seitens des früheren Berechtigten gefunden werden kann. Für die Fälle, wo der Schein nicht beigebracht werden kann, bedarf es dann aber noch einer besonderen Vorkehr, wie wir sie z. B. in den Vorschriften der zürcherischen Kantonal­bank für das Pfandleihgeschäft aufgestellt finden. Ein Ausweis über das Recht muss hier den Besitz des Scheines ersetzen und wird auch unschwer zu erbringen sein, wenn dieser nicht ein Inhaberpapier oder mit Blankoindossament versehen ist. In diesen letzteren Fällen mag eine Auskündung sich rechtfertigen. Allein das Gesetz schreibt sie nicht vor. Es genügt, dass der Fällig­keitstermin diesfalls als Grenze angegeben wird, mit welcher die Berechtigung, auch ohne Schein das Pfand einzulösen, ihren Anfang nimmt. Darnach mag jeder Erwerber eines solchen Scheines sich richten. Er weiss, dass er in der Zeit das Pfand einlösen muss, will er nicht riskieren, dass ein Anderer auf Grund eines Aus­weises ohne Schein das Pfand zurückhole. Dabei soll sich die Anstalt, sobald seit dem Fälligkeitstermin sechs Monate verflossen sind, auch nicht! darauf berufen können, dass sie sich vorbehalten habe, das Pfand nur gegen die Rückgabe des Scheines auszulösen.
Damit verbindet der Entwurf in Anlehnung an eine verbreitete Übung die Vorschrift, dass die Anstalt bei der Ausgabe der Scheine
(') Vgl. ZGB 911, wo in Abs. 2 eine Kautel für die Anstalt, und in Abs. 3 eine Verjährungsfrist für den Anspruch auf den Überschuss angefügt ist. (2) ZGB 912 u. 913.



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sich vorbehalten dürfe, jeden Inhaber des Scheines als zur Ein­lösung des Pfandes berechtigt zu betrachten. Nur in den Fällen, wo eine grobe Nachlässigkeit der Anstalt vorliegen würde, müsste diese unter allen Umständen trotz eines solchen Vorbehalts nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen für verantwortlich und schaden­ersatzpflichtig erachtet werden.
Die Auslösung zu jeder beliebigen Zeit darf dem Berechtigten nicht verweigert werden. Doch entspricht es der Billigkeit, dass die Anstalt dann doch immer einen vollen Monatszins verrechnen kann, auch wenn der Monat nicht abgelaufen ist.
C. Kauf auf Rückkauf, Art. 901. (1) Das Übereignungsgeschäft zum Zwecke der Sicherung könnte vom Pfandleihgewerbe dazu benützt werden, die strengen Vorschriften betreffend das Versatz­pfand zu umgehen. Dieser Gefahr begegnet die Vorschrift, dass bei gewerbsmässiger Abschliessung solche Geschäfte einfach dem Versatzpfande gleichgestellt sein sollen.
Fünfter Abschnitt.
Der Pfandbrief. (2)
Da der Entwurf in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht das Faustpfand als die Grundlage des Fahrnispfandrechts beibehält, liegt in der Anerkennung eines Pfandrechts für die Pfandbriefe ohne Besitz des Gläubigers an der Pfandsache eine Ausnahme von der Regel, die mit der Pfandverschreibung einige Ähnlichkeit aufweist. Bei der Pfandverschreibung ist das Verhältnis leicht zu ordnen, die Einschreibung in das öffentliche Register stellt die Publizität in genügender Weise her, und handelt es sich um eine ihrer Bestimmung nach dem raschen Wechsel unterworfene grössere Menge von Sachen, so erfolgt die Verpfändung auf der Grundlage eines Inventars in der oben beschriebenen Weise. Bei den Hypothekartiteln der Hypothekenanstalten liegt die Sache nicht so einfach. Es geht nicht an, die einzelnen Stücke als Pfand zu verschreiben. Die Hypotheken der Bank sind zu sehr dem Wechsel unterworfen, die Gläubiger ihr meist gar nicht bekannt. Namentlich aber bedarf dieses Pfandrecht des Bestandes für die Dauer der ganzen Anleiheperiode, während bei der gewöhnlichen
(') ZGB 914. (2) Das Gesetz hat die Einführung der Pfandbriefe durch das Bundesrecht der Spezialgesetzgebung zugewiesen, Art. 918. Inzwischen können die Kantone die Ausgabe von Pfandbriefen gestatten, Art. 916 u. 918. Abs. 3, unter Beobachtung der Vorschriften der Art. 916 bis 918.



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Fahrnisverschreibung die Gefahren durch die zeitliche Beschränkung der Gültigkeit jeder Eintragung wesentlich vermindert werden. Endlich geht es auch nicht an, das Inventar im ganzen als ver­pfändet zu verschreiben, weil die Hypothekarinstrumente der Bank keine Gattungssachen sind, vielmehr jedes Grundpfandrecht speziell bestimmt und von einem Werte ist, der durch andere nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. So bleibt, damit die Sicherung der Pfandbriefe der Hypothekarbanken eingeführt werden kann, kein anderes Mittel, als ein eigenes Fahrnispfand für sie zu schaffen. Man kann nicht sagen, dass damit eine Privilegierung der Banken aufgestellt werde. Die Sache ist der Natur des Gegenstandes angepasst und stellt sich einfach als eine Rechtsordnung für die vorliegenden besonderen Verhältnisse dar, die unter den Regeln des allgemeinen Fahrnispfandes benachteiligt sein würden. Es ist nichts anderes, als was in der Verpfändung der Pertinenzen von Grundstücken oder der Pfandverschreibung von Vieh heute schon anerkannt wird. Was die Sache auffälliger macht, ist nur die grosse Bedeutung der Institution und, damit verknüpft, die Not­wendigkeit, durch eine besondere Kontrolle ausreichende Schutz­massregeln zu schaffen. Immerhin ist zuzugeben, dass diese Aus­nahme von der Regel des Faustpfandes nur dann gerechtfertigt ist, wenn bedeutende Bedürfnisse darnach verlangen. An der Bejahung dieser Frage ist jedoch nicht zu zweifeln. In einer Reihe von Staaten, Preussen, Frankreich, Württemberg, Belgien, Russland u. a., sind diese Pfandbriefe anerkannt, und gesetzlich geordnet worden. Die schweizerischen Institute arbeiten mit den gleichen Faktoren, wie die des Auslandes. Sie haben auch angefangen, Obligationen als Pfandbriefe herauszugeben, die sogar „obligations foncieres" genannt werden, obgleich ihnen diese Bezeichnung' rechtlich nicht zukommt. Das Bedürfnis ist nicht zu verkennen, sowohl für die Hypothekarbanken, als für die Grundeigentümer, die mit diesen in Verbindung treten, und für die Obligationäre dieser Institute wird erst durch eine solche spezielle Ordnung ein sicheres und den Interessen allseitig entsprechendes Institut geschaffen sein.
A. Bedeutung der Pfandbriefe, Art. 902. (1) Die Pfandbriefe sollen am Vermögen der Pfandbriefanstalt, von der sie ausgegeben sind, ein Pfandrecht gewähren, das nicht im einzelnen Falle umschrieben wird, sondern für alle Anstalten und alle Emissionen in gleichem Umfange gilt und daher im Gesetz genau bestimmt sein muss. Die Emission der Pfandbriefe auf Grund der erwirkten Konzession
(1) Vgl. ZGB 716.



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schafft das Pfandrecht ohne weiteres. Es umfasst die Titel und Forderungen, die dem ordentlichen Geschäftskreis der Anstalten entspringen, und dieser wird in Art. 905 und 906 genau um­ schrieben und sein Verhältnis zur Emission mit Art. 908 fest­ gelegt. Andere Beschränkungen oder Umschreibungen, an die wir sonst noch dachten, erwiesen sich nicht als empfehlenswert. Die vorliegende Abgrenzung entspricht im wesentlichen derjenigen, die in Art. 2 und 8 des Boivin'schen Entwurfes (s. Beilage III zum Entwurf von 1898) vorgeschlagen war. (1 )
B. Die Ausgabe der Pfandbriefe, Art. 903 bis 914. Die Kautel, die sich bei der Einführung des Pfandrechts für Pfandbriefe als notwendig erweist, kann nach zwei Richtungen näher spezialisiert werden. Einerseits ist es nämlich geboten, die Ausgabe von Pfand­briefen nur denjenigen Anstalten zu gestatten, die für den soliden und dem vorliegenden Zweck entsprechenden Geschäftsbetrieb genügende Garantie bieten, und anderseits muss ein Inspektorat darüber wachen, dass die Institute dem Gesetze gemäss geführt werden.
Nicht alle Banken, Kantonal- oder Privatanstalten sollen also Pfandbriefe ausgeben dürfen, sondern nur die, denen auf Grund bestimmter Voraussetzungen hierzu die Erlaubnis erteilt worden ist. Diese Erlaubnis muss von einer Behörde ausgehen, die zu prüfen hat, ob die vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen auch wirklich vorliegen, ein Amt, das wohl am richtigsten in die Hände des Bundesrates gelegt wird. Die Pfandbriefe sind ihrer Bestim­mung nach nicht an die Grenzen eines einzelnen Kantons gebunden. Die Kontrolle ist in jedem Falle einheitlich zu gestalten und kann den Kantonen nicht überlassen werden, also wird auch die Kon­zession dem Bundesrat zugewiesen werden müssen, der sie aller­dings nicht willkürlich erteilen oder verweigern darf. Es liegen keine Gründe vor, etwa die Zahl der Banken oder die Höhe der Pfandbriefemissionen, wie bei den Banknoten zu beschränken. Die Hypothekarinstitute mögen sehen, wie sie ihre Pfandbriefe im In- und Ausland absetzen. Der Bundesrat hat nur zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen gegeben seien und bejahenden­falls die Konzession zu gewähren, Art. 903.
Diese materiellen Voraussetzungen sind in Art. 904 aufgezählt und betreffen folgende Punkte:
Die Bewilligung darf nur an solche Institute erteilt werden. die in der Schweiz ihren Sitz haben und im Handelsregister ein­getragen sind. Sie können Kantonalbanken oder Privatinstitute
(') Siehe Beilage IV dieses Bandes.



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sein, Banken eines Einzelkaufmanns oder Gesellschaftsbanken, Aktien- oder Genossenschaftsinstitute. Auf die Bewilligung übt dieses keinen Einfluss aus.
Weiter müssen diese Banken öffentlich Rechnung ablegen und ein Grundkapital haben, das der Entwurf auf mindestens eine Million Franken ansetzt, und zwar in dem Sinne, dass dieses Kapitalminimum vorhanden sein muss, also nicht etwa durch Ver­luste aufgezehrt oder abgeschrieben sein darf.
Als Geschäftszweig sollen diese Institute ausschliesslich das Pfandgeschäft betreiben, wozu man ohne Gefahr auch noch die Beleihung von staatlichen und andern von öffentlich-rechtlichen Korporationen (Gemeinden etc.) ausgegebenen verzinslichen Schuldtiteln, sowie die Gewährung von Darlehen an Staaten und öffent­lich-rechtliche Korporationen fügen darf. Ja es scheint ratsam, den Banken mit Staatsgarantie (Kantonalbanken) auch noch andere Geschäftszweige zu gestatten, da sie durch diese Garantie, sowie durch die damit verbundene staatliche Kontrolle ohnedies auf einer Bahn gehalten werden, die für eine solide Fundamentierung der Pfandbriefemissionen genügend zu bürgen vermag. Um für die pfandrechtliche Sicherung eine einfache Abgrenzung zu erhalten {Art. 902), unterscheidet der Entwurf in Art. 905 einen ordent­lichen Geschäftskreis (mit dem erstbeschriebenen regelmässigen Umfang) von dem derart den kantonalen Instituten weiter ein­geräumten, ausserordentlichen Geschäftskreise. Überdies ist bei der Umschreibung des ersteren noch näher festgesetzt, was unter Pfandgeschäft zu verstehen sei: die Gewährung von Darlehen auf Grundpfand und die Eröffnung von Krediten und Kontokorrenten gegen solche Sicherung. Des fernem darf nicht ausgeschlossen sein der Ankauf und Verkauf von Schuldbriefen und Gülten und die Beleihung von solchen gegen Faustpfand. Für die Darlehen und Kredite, die die Bank gewähren darf, wird verlangt, dass sie durch Grundpfänder ersten Ranges und mit der Begrenzung, wie sie für die Gülten und Serientitel aufgestellt ist, d. h. auf die ersten zwei Drittel des Schatzungswertes der verpfändeten Grund­stücke vermehrt um die Hälfte des Schatzungswertes der Bauten (Art. 830 und 860) (1) gesichert sein müssen, wie denn auch die Beleihung von Faustpfändern oder der Ankauf von Grundpfand­titeln nur in betreff solcher Instrumente ersten Ranges gestattet sein soll, Art. 906.
Was die Beleihung von Schuldtiteln des Staates und anderer
(') Vgl. die Bestimmungen von ZGB 848, 876, und oben S. 288, Anm. 1, und S. 311, Anm. 3.



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öffentlich-rechtlicher Korporationen anbelangt, so soll sie nur gegen Faustpfand erfolgen, und die Experten finden, dass es gegenüber bisherigen Gepflogenheiten nicht unnütz sei, dies ausdrücklich im Gesetz zu sagen, Art. 907. Dabei kann selbstverständlich die Gewährung von Darlehen an Staaten oder öffentlich-rechtliche Korporationen auf alleinige Rechnung oder in Verbindung mit andern Anstalten, die nicht Pfandbriefinstitute sind, übernommen werden.
Endlich scheint es als empfehlenswert und von ganz besonderer Wichtigkeit, einen Gesamtbetrag festzusetzen, den die Ausgabe der Pfandbriefe nicht soll übersteigen dürfen, und als solchen müssen wir bezeichnen: einerseits das Zehnfache des Grundkapitals, wo ein solches als Aktienkapital gegeben ist, und anderseits den Betrag der der Anstalt gehörenden Grundpfandtitel und der dem ordentlichen Geschäftskreis entspringenden Darlehensforderungen. Die letztere Umschreibung rechtfertigt sich durch das Pfandrecht, das der Entwurf in gleichem Umfang den Pfandbriefgläubigern zusichert. Dagegen sind Bedenken erhoben worden, ob überhaupt eine solche zweite Beschränkung am Platze sei, da darnach die Anstalten gezwungen werden, sich ihre Titel und Forderungen zu sichern, bevor sie die Pfandbriefe ausgeben dürfen, wie denn auch überdies der Stand der Emission mit den schwankenden Beträgen der Grundpfandtitel und Darlehensforderungen nicht im Einklang gehalten werden könne. Trotz des Gewichtes dieses Bedenkens wollten wir uns aber doch von dem fachmännischen Vorschlag, dem der Entwurf in der Hauptsache sich angeschlossen hat (s. Beilage III zum Entwurfe von 1898, Art. 2 und 8), (1) nicht entfernen und haben also die dem Pfandrecht entsprechende Beschränkung der Emission beibehalten.
Damit glauben wir. für die solide Fundamentierung der Pfand­briefemissionen alles Erforderliche vorgeschlagen zu haben. Natür­lich kann im kleinen die eine oder andere Operation einem solchen mit gewaltigen Mitteln arbeitenden Institute nicht untersagt werden. Schon der Verkehr mit andern Instituten bringt es mit sich, dass verfügbare Gelder auch etwa vorübergehend anderweitig zu Depositen oder Darlehen verwendet werden, wobei aber eine Deckung mit durchaus soliden Wechseln immerhin nicht unterlassen werden darf. Weitere Details können diesfalls und in andern Beziehungen in das Gesetz nicht aufgenommen werden, sondern haben durch eine Verordnung des Bundesrates ihre Regelung zu erfahren.
(') Siehe Beilage IV dieses Bandes.



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Die zweite sichernde Massnahme liegt in der über die Pfandbriefinstitute zu schaffenden Kontrolle, Art. 910 bis 912. Sie bestellt in einer halbjährlichen, dem Bundesrate einzureichenden Berichterstattung und in einer jährlichen Revision des Geschäfts­betriebes der Pfandbriefanstalten, wobei die Kassa- und Buch­führung, sowie die Effektivbestände der Grundpfandtitel etc. einer genauen Prüfung zu unterstellen sind, soweit dies nach den gegebenen Vorschriften für die Ausgabe von Pfandbriefen von Bedeutung sein kann. Dafür verlangt der Bundesrat eine Kontrollgebühr, die wir entsprechend den Kontrollgebühren der Noten­banken ansetzen möchten. Hieran werden sich weitere Ordnungen für die Einrichtung und Tätigkeit der Pfandbriefanstalten reihen müssen, die jedoch in der Ausführung den Verordnungen des Bundesrates überlassen werden können. Nur noch eine Vorschrift, darf im Gesetze nicht fehlen, sie betrifft die Verpflichtung der Pfandbriefanstalten zur Schaffung eines Reservefonds (Art. 913), dem aus dem jährlichen Reingewinn 10º/o zugewendet werden sollen, bis er zum fünften Teil des Grundkapitals angestiegen ist. Alles übrige verweisen wir in die mit Art. 912 dem Bundesrat vorgehaltenen Verordungen, die insbesondere die Ausübung der Kontrolle und die Bussen für die Übertretung der Kontrollvor­schriften des Gesetzes und der Verordnungen betreffen werden.
Ergänzt "werden endlich die Vorschriften über die Konzedierung- und Errichtung der Pfandbriefanstalten durch die Bestimmung, dass der Bundesrat den Anstalten, die die gesetzlichen Vorschriften nicht beachten, die Bewilligung zur Ausgabe von Pfandbriefen zu entziehen hat, Art. 914. Gemeint ist nicht jede auf leichter Fahr­lässigkeit von Beamten und Angestellten beruhende Gesetzes­verletzung, sondern eine für die Pfandbriefgläubiger in Betracht fallende, fortgesetzte oder auch nur in ihren Wirkungen erheb­liche, arglistige oder fahrlässige Übertretung des (Gesetzes. Es war fraglich, ob das im Entwurf spezifiziert werden sollte. Man zog es schliesslich vor, diesfalls einfach dem Bundesrat die Ent­ziehung der Bewilligung zur Pflicht zu machen, in der Meinung, dass ein scharfes Einschreiten wohl am Platze sei. dass aber bei kleinen Unregelmässigkeiten der Bundesrat keine Veranlassung haben werde, die Konzession für verwirkt zu erklären. Selbst­verständlich enthebt diese Entziehung die Anstalt nicht der Pflicht, für die Sicherung der bereits emittierten Pfandbriefe nach den Bestimmungen des Gesetzes Sorge zu tragen. 'Was durch die Entziehung, so lange wenigstens die Solvenz der Bank besteht, verwirkt wird, ist nur die Möglichkeit, weitere Pfandbriefe aus­zugeben. Um so eher darf es mit der Beobachtung der gesetz-



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lichen Vorschriften ernst genommen werden. Gegen eine solche Massregel des Bundesrates dürfte dann der Anstalt der Rechts­weg nicht wohl verschlossen bleiben, und zwar hatten wir daran gedacht, hier, wie bei den Notenbanken und Eisenbahnen, die Entscheidung über den Widerspruch der Bank gegen die bundesrätliche Beschlussnahme mangels eines geeigneten Verwaltungs­gerichtshofes dem Bundesgericht zu überweisen. Auf Rat der Experten ist dann aber eine solche Bestimmung in der Meinung weggelassen worden, dass es Sache einer künftigen Organisation sein wird, diesfalls das Nötige vorzusehen, wobei selbstverständ­lich auch andere Differenzen zwischen den Anstalten und dem Bundesrat, über die Tragweite des Gesetzes in der Handhabung der Kontrolle usw., der gleichen Instanz zugewiesen werden könnten. Die Strafvorschriften für Beamte und Angestellte der Pfandbriefanstalten ruhen auf der Gesetzgebungshoheit des Bundes im Strafrecht.
C. Die Pfandbriefe, Art. 915 und 916. (1) Die Forderung aus dem Anleihegeschäft der Pfandbriefanstalten wird im Pfandbrief für die Gläubiger zu einer Forderung aus dem Wertpapier. Es kann unbedenklich die Ausstellung als Namenpapier oder als Inhaberpapier gestattet werden. Die auf den Namen lautenden Papiere können mit Indossament übertragbar sein, gerade so wie bei den Gülten und Schuldbriefen. Im übrigen sind sie Wertpapiere und stehen unter den Regeln des Obligationenrechts. Insbesondere bestimmt sich die Möglichkeit der Einreden des Schuldners nach Obligationenrecht. Darnach werden die Inhaberpfandbriefe stets Wertpapiere öffentlichen Glaubens sein, auf deren Inhalt und Wortlaut der gutgläubige Erwerber sich ohne weiteres verlassen kann. Bei dem Namenpapier wird in der Regel das gleiche ein­ treten, es wird aber nicht ausgeschlossen sein, dass eine andere Ordnung bei der Emission zugunsten des Schuldners ausdrücklich vorbehalten werde, womit der Pfandbrief die Gestalt eines gewöhn­lichen Namenpapiers. das keinen öffentlichen Glauben geniesst. annehmen kann. Alle diese Momente fallen für das Sachenrecht ausser Betracht, da es sich nur mit dem Recht auf Pfandsicherung für die Pfandbriefe befasst, während diese, im Gegensatz zu den Gülten und Schuldbriefen, die im Sachenrecht eine einlässlichere Ordnung auch nach ihrer Forderungsseite erfahren mussten, im übrigen ganz dem Obligationenrecht angehören. Für die Coupons kann füglich die Regel aufgestellt werden, dass sie auf den Inhaber
(') Vgl. ZGB 917.



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gestellt sein sollen. Will man für den Gläubiger und Schuldner eine solche Erleichterung der Zinserhebung schaffen, so soll dann auch den Papieren die entsprechende Gestalt gegeben werden. Auch würde bei der Zulassung verschiedener Arten von Coupons, der gutgläubige Verkehr leicht belästigt und geschädigt werden. Vgl. OR 208 und 857.(1)
Die Pfandverwertung erfolgt nach der Natur der Sache auf dem Wege des Konkurses, denn die Beteiligung aller Pfandbriefgläubiger ist absolut geboten, und diese herzustellen bedarf es der Anmeldung der Gläubiger überhaupt. Von Bedeutung ist es dabei, die Voraussetzung der Betreibung durch den einzelnen Gläubiger mittelst amtlicher Feststellung der Nichteinlösung von Pfandbriefen oder Coupons mit einer Art von Protest feststellen zu lassen, auch wenn man diesen Protest nicht gerade für not­wendig erklären will. Die Betreibung selbst erheischt rasches Vorgehen, weshalb der Weg der Wechselbetreibung nicht als un­angemessen erscheinen wird, und zwar unter Ausschluss der Be­treibung auf Pfandverwertung, was aus dem Interesse, das für alle Beteiligten an der schnellen Herbeiführung des Konkurses gegeben ist, seine Rechtfertigung findet.

Vierundzwanzigster Titel.
Die Rechte an herrenlosen und öffentlichen
Sachen. (2)
Erster Abschnitt.
 Allgemeine Bestimmungen.
Fünf Fragen sind auf diesem Gebiet von vornherein klar zu beantworten.
Die erste betrifft die staatliche Hoheit über diese Sachen. Sie ist durch das öffentliche Recht des Bundes oder der Kantone gegeben. Für das Privatrecht fallen zwei Regeln in Betracht: Einerseits ordnet der Staat die Aneignung herrenloser Sachen, ohne dass,
(1) Vgl. ZGB 935 und unten S. 390, Anm. 1, sowie OR 857. (2) Titel XXIV ist nicht in das Gesetz aufgenommen, sondern der Spezialgesetzgebung zugewiesen worden, vgl. oben S. 12, Anm. 11. Der Entwurf des BR hat die ganze Materie in den Art. 911 bis 956 behandelt.



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wie es in einigen kantonalen Rechten heisst, ein Eigentum des Staates an ihnen, als freistehenden, angenommen werden müsste (vgl. Schweiz. PR III, S. 15 ff.). So trifft dies zu für das Wild, die Fische u. a. (1) Andrerseits aber ordnet die Staatsgewalt den Gebrauch der öffentlichen Sachen, wie der Strassen, Flüsse u. a.(2) Hierbei wird die Entscheidung darüber, was als öffentliche Sache aufzufassen sei, im allgemeinen durchaus dem kantonalen Rechte überwiesen werden können. Nur in bezug auf die Gewässer würde es sehr zu begrüssen sein, wenn eine einheitliche Grundlage für die daran sich knüpfenden Rechtsverhältnisse gewonnen werden könnte. Aus diesem Grunde stellt der Entwurf die Regel auf, dass die Seen, Flüsse und Bäche als öffentliche Sachen aufzufassen seien, so lange nicht ein besonderer privatrechtlicher Titel an ihnen nachgewiesen ist. Das kann den Nachweis für den einzelnen Fall bedeuten, ebenso aber auch die Feststellung des kantonalen Rechtes, dass gewisse Gewässer unter bestimmten Voraussetzungen als private zu betrachten seien. Der privatrechtliche Titel ergibt sich in diesen Fällen aus dem bisherigen Rechte. Gewiss wäre es von Vorteil, wenn auch diesem gegenüber die Gewässer überall als öffentlich erklärt werden könnten, sobald nicht im einzelnen Falle ein besonderer privatrechtlicher Titel nachgewiesen wäre. Allein von den kantonalen Rechten bekennen sich zurzeit nur wenige zu diesem Grundsatze, wie z. B. St. Gallen. Die andern haben die Existenz gewisser Gewässer als Privatgewässer unter bestimmten Voraussetzungen als allgemeine Regel anerkannt, und es liegt nicht in der Aufgabe des Privatrechtes, in diese Aner­kennung einzugreifen und bisherige Privatgewässer in öffentliche zu verwandeln. Für die Zukunft wird allerdings nach dem Ent­wurf auf dem Boden des Art. 917, Abs. 1, eine andere Aner­kennung eines Privatgewässers nicht mehr hergestellt werden können, als mit einem besondern Titel, denn diese Bestimmung nimmt den Kantonen das Recht, die hier genannten Gewässer auf Grund allgemeiner Voraussetzungen nach bestimmter Richtung als private zu erklären. Gerne würde der Entwurf die Quellen in diese Regel einbezogen haben. Allein, wie schon in anderem Zu­sammenhang ausgeführt worden ist, kann von einer solchen Aus­dehnung der Öffentlichkeit der Wasserläufe gegenüber dem all­ gemein geltenden Rechte bei Anlass der Kodifikation gewiss nicht die Rede sein.
Auf dem gleichen Standpunkt wie der Entwurf befinden sich Zürich, Appenzell A.-Rh. und weniger deutlich auch andere kan-
(') Vgl. ZGB 719, 725 u. 700. (2) Vgl. ZGB 664.



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tonale Rechte. St. Gallen hat in dem Gesetz von 1893 alle Gewässer, mit Ausnahme der Quellen, als öffentlich erklärt und behandelt die daran bestehenden Privatrechte nur als Nutzungs­rechte.
Sache des Wasserrechtskatasters (Art. 994) (') wird es sein, klar zu stellen, welche Gewässer im einzelnen als private be­trachtet werden sollen und welche als öffentliche.
Die zweite Frage, die in dem Entwurfe zu ordnen war, be­trifft die Regalität. Diese soll nach den vorliegenden Bestimmungen, weil öffentlichen Rechtes, durchaus den Kantonen verbleiben. Es trägt aber zur Klarheit der folgenden Ordnung unzweifelhaft bei, wenn ausdrücklich gesagt wird, dass die Kantone auch gegenüber dem einheitlichen Privatrechte die Kompetenz behalten, gewisse nutzbare öffentliche Sachen dem Regal zu unterwerfen. So ist dies der Fall mit der Jagd und Fischerei, der Ausbeutung von Wasser­kräften und der Gewinnung von Rohstoffen durch Bergbau. Selbst­verständlich können die Kantone alsdann, wenn sie die Nutzbar­machung dieser Sachen als ihr Regal erklären, entweder das Regal selber ausüben, oder das Nutzungsrecht auf andere gegen Zins übertragen. In letzterem Falle entsteht keine neue Art von Be­rechtigung, es wird sich einfach um ein der Pacht ähnliches Ver­hältnis handeln. Vgl. Schweiz. PR III, S. 625, 640. Mit dieser Stellung des einheitlichen Rechtes zur kantonalen Hoheit hat sich auch das Bundesgericht in seiner Vernehmlassung einverstanden erklärt.
Eine dritte Frage beschlägt die Eigentumsverhältnisse an Sachen, die nicht zum Privateigentum im gewöhnlichen Sinne ge­rechnet zu werden pflegen.(2) Als nicht in Privateigentum stehend dürfen nach den herrschenden Anschauungen bezeichnet werden: Die Gewässer, Seen und Wasserläufe, soweit eben nach dem Ge­sagten kein privatrechtlicher Titel bereits an ihnen vorhanden ist. Sodann das keiner Kultur fähige Land, wie Felsen, Schutthalden, Firne und Gletscher. Dazu müssen dann auch, in richtiger Ab­leitung aus dem Grundsatze, dass die Quelle dem Eigentum am Grundstücke folgt, diejenigen Quellen gerechnet werden, die solchem Boden entspringen. Einzelne Kantone rechnen diese Gebiete zum Eigentum des Staates oder der Bezirke und Gemeinden. Allein

(') Die Aufstellung des Wasserrechtskatasters ist im ZGB nicht erwähnt, sondern gleichfalls der Sozialgesetzgebung zugewiesen worden. (2) Vgl. ZGB 664.



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es ist, wie wir in anderem Zusammenhange bereits hervorgehoben haben, hier dann doch eine besondere Art von Eigentum gemeint, das schon als öffentlich-rechtliches Eigentum bezeichnet worden ist. Seine Natur und Bestimmung weist es dem öffentlichen Rechte zu, und in diesem Sinne bleibt es auch dem Staate oder andern öffent­lich-rechtlichen Instanzen nach dem Entwurf durchaus gewahrt, obgleich er die Gegenstände dieses Eigentums den herrenlosen Sachen gleichstellt. Diese Gleichstellung ist namentlich betreffend die Aneignung und die Anerkennung wirklicher privater dinglicher Rechte von Bedeutung. Auch vermag die Staatshoheit an ihnen ein wirkliches Privateigentum für sich in Anspruch zu nehmen oder auf andere zu übertragen, unter der Voraussetzung, dass dieses Recht auf der richtigen sachenrechtlichen Grundlage als Privat­recht hergestellt oder also im Grundbuch eingetragen werde. Man denke etwa, wie schon früher erwähnt, an Klubhütten, oder an Eisgrotten, wissenschaftliche Versuchsstationen u. dgl. Vgl. Art. 919, Abs. 2.(')
Nicht einfach als herrenlos kann man die dem öffentlichen Gebrauche dienenden Grundstücke behandeln, wie Strassen und Plätze, Gebäude, Kirchen, Friedhöfe, Teiche, von öffentlichen Ge­wässern abzweigende Kanäle u. dgl. Für diese muss von vornherein das Bestehen von Privateigentum angenommen werden, trotzdem auch dieses Eigentum, in bezug auf die Ordnung des Gebrauches u. a., durchaus unter den Regeln der öffentlichen Sachen im all­gemeinen steht, also nach Art. 917 unter besondere kantonale oder bundesrechtliche Vorschriften öffentlichen Charakters gestellt werden kann. Darüber hinaus darf man es daran genug sein lassen, das Privatrecht in gewöhnlichem Sinne auf diese Sachen auszu­dehnen, sobald für den privatrechtlichen Verkehr hieran ein Inte­resse besteht, und zwar soll dies dadurch geschehen, dass diese Sachen in das Grundbuch aufgenommen werden. Ein Zwang, sie aufzunehmen, besteht nicht, allein sobald private Rechte in ge­wöhnlichem Sinne daran begründet werden wollen, sei es Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht, so ist die Aufnahme des Bodens als Grundstück in das Grundbuch notwendig, damit als­dann das dingliche Recht durch Eintragung grundbuchlich her­ gestellt werden kann.(2)
Eine besondere Vorschrift wurde betreffend diese Art der öffentlichen Sachen nur insofern für notwendig erachtet, als mit Art. 921 und 986 der Weg angegeben wird, auf dem sie in den gewöhnlichen privaten Verkehr gezogen werden können.
(') Vgl. ZGB 664 u. 944. (2) Vgl. ZGB 944.
23



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Die vierte Frage betrifft die Gewährung von Ausbeutungs­rechten an öffentlichen Sachen. Es kann in verschiedenstem Sinne an eine solche Ausbeutung gedacht werden, sie liegt aber doch in jedem Falle nur dann vor, wenn eine gewisse Benutzung über den Gemeingebrauch hinausgeht. Eine Übertragung des staatlichen Ausbeutungsrechtes braucht dabei nicht notwendig vorzuliegen. Besteht ein solches, so wird, wenn auch nicht ganz zutreffend, von einer Verpachtung der Regalitätsrechte gesprochen. Anders dagegen, wo der Staat sich gar keine besondere Ausbeutungsgelegenheit geschaffen oder vorbehalten hat, wo er also nur das Hoheitsrecht an der herrenlosen öffentlichen Sache sich gewahrt wissen will. Verleiht er in diesen Fällen jemandem ein Ausbeutungsrecht, so liegt darin, im Verhältnis der Stellung des Staates zur Sache, die Schaffung eines neuen Privatrechtes, das je nach seinem Inhalt eine mehr oder weniger feste Gestalt annehmen oder prekär bleiben kann. Zu denken ist dabei an die Einräumung der Be­fugnis zur Ausbeutung eines öffentlichen Gewässers zum Eisbruch,. oder eines Flussbettes zur Gewinnung von Kies, namentlich aber an die Herstellung von Wasserrechten und Bergwerken, von denen in den folgenden Abschnitten besonders zu sprechen ist.
Als fünftes Moment betrachten wir die Möglichkeit, dass an einer öffentlichen Sache ein wirkliches, privates beschränktes ding­liches Recht bestehen oder ein solches zu ihren gunsten hergestellt sein kann. Es kann in einem Wegrechte, in der Benutzung eines Bodens als Arbeitsplatz, in der Gestattung von Treppen, Brücken usw. auf öffentlichem Boden gegeben sein. So gehört hierher z. B. das „droit d`étual", wie es als Ehehafte längs der Dorfgassen im Jura vorkommt. Der Entwurf will mit Art. 921 solche Rechte, obgleich sie an dem öffentlichen Boden bestehen, als Privatrechte' anerkennen, und zwar an sich, ohne dass sie der Form des­ privaten Rechtes unterworfen, d. h. in das Grundbuch eingetragen werden. Allein die Eintragung wird erfolgen, sobald aus irgend einem Grunde die Aufnahme der öffentlichen Sache in das Grund­ buch erfolgt ist, vgl. 921 und 986. (') Bis dahin hat es keine Not­wendigkeit, diese Eintragung anzuordnen, denn da kann aus der Nichteintragung grundbuchlich niemandem Schaden erwachsen. Anders gestaltet sich die Sache erst, wenn die Aufnahme in das Grundbuch erfolgt ist. Dann bildet der bisherige Bestand der Berechtigung den Titel, auf Grund dessen die Eintragung erwirkt werden kann. Zwar besteht auch in diesem Falle das dingliche
(') Vgl. ZGB 944.



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Recht schon vor der Eintragung, gerade so wie bei Erbgang u. a., vgl. Art. 667, Abs. 2, 724 u. a. (') Allein es wird jetzt zur Wahrung der Dinglichkeit der Berechtigung unter allen Umständen wertvoll, diese Rechte zur Eintragung zu bringen. Freilich kann man die Eintragung auch jetzt noch der Initiative der Beteiligten überlassen, eine Eintragung von Amtes wegen würde selbst unter solchen Umständen durchaus nicht der Sache entsprechen. Allein das Interesse des Berechtigten verlangt diese Eintragung, weil er ohne diese der Gefahr ausgesetzt ist, dass sein Recht mit später eingetragenen Rechten in Konkurrenz tritt und vor diesen zurückstehen muss. In diesem Sinne spricht Art. 921 von der Aufnahme und Eintragung im Grundbuch.

Zweiter Abschnitt.
Die Wasserrechte.

Man kann bei der Konzession der Rechte an einem öffentlichen Gewässer an verschiedene juristische Konstruktionen denken:
Der öffentliche Wasserlauf steht unter der staatlichen Hoheit und dient dem gemeinen Gebrauche. Allein er ist liebendem auch eines Sondergebrauches fähig und dient in dieser Hinsicht dem Staate als Grundlage zu einem der staatlichen Verfügung vorbe­haltenen Rechte, dem Wasserregal. So liegt dies vor, in beliebiger Abgrenzung gegenüber der dem Gemeingebrauch vorbehaltenen Nutzung, in der Ausbeutung der Wasserläufe als Transportwege, zur Fischerei und in neuerer Zeit namentlich in der Ausnutzung der Wasserkraft. Wo der Staat sich in dieser oder jener Richtung das Regal nicht vorbehält, sondern nur die Oberhoheit über das öffentliche Gewässer, gestattet er grundsätzlich die Okkupation, wenngleich er zur Ordnung unter den Okkupanten Gebrauchsvorschriften aufzustellen veranlasst ist. Fischereipatente, Schiffahrtsreglemente, Fährenordnungen usw. entstammen diesem Hoheits­recht. Wo er das Regal beansprucht, übt er die Nutzung ent­weder selbst aus, oder er delegiert an Private die Befugnis, an seiner Statt gegen eine Abgabe das nutzbare Recht sich einzu­richten und zu betätigen. Das Mittel hierfür ist die irgendwie umgrenzte staatliche Konzession, also auch die Wasserrechtskon­zession, gegen deren Vergünstigungen der Konzessionär neben der Verleihungsgebühr eine Abgabe, z. B. den Wasserzins zu entrichten hat. Das Recht des Konzessionärs aber ist in diesem Falle und
(') ZGB 665 u. 731.



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unter dieser Beleuchtung ein Nutzungsrecht am Gegenstande des Regals, das, wie das Regal selber, ein in ein privatrechtliches Gewand gekleidetes Stück öffentlich-rechtlicher Gewalt darstellt.
Zur Ausübung des Nutzungsrechtes ist nun aber stets ein Wasserwerk notwendig. Ohne die körperliche Vorrichtung zur Benutzung des Wasserlaufes ist dieser eine blosse Elementargewalt, die noch nicht der menschlichen Herrschaft unterworfen, sondern erst unterwerfbar ist. Auch der Staat muss, wenn er sein Regal ausüben will, die entsprechenden Einrichtungen noch schaffen. Der Konzessionär aber wird entweder von seinem Grund und Boden aus am eigenen Ufer die Wasserkraft oder Wasserwelle zu fassen suchen, oder er wird das Wasser sich stauen lassen und durch Kanäle an den Ort der Verwendung leiten, oder er wird auf dem Gewässer selbst in Stegen, Flössen und Schiffen, mit Anlagen im Flussbett oder sonstwie, die erforderlichen Einrichtungen anbringen und erst mit solchen Veranstaltungen das Recht für sich zu einem nutzbringenden machen. Diese Werkanlage darf bei der juristischen Auffassung des Verhältnisses von dem Wasserlauf nicht getrennt und von der in diesem liegenden Kraft nicht gesondert gedacht werden. Der Wasserlauf bedeutet ohne eine besondere Herrichtung für die Rechtsordnung nichts anderes als die Mög­lichkeit der Bildung eines Rechtsgutes. Er ist in keinem Falle unmittelbar das Rechtsgut selbst. Zu einem solchen wird der Wasserlauf erst dadurch, dass er durch die Herstellung der er­forderlichen Werke den menschlichen Zwecken direkt dienstbar gemacht worden ist. Daraus folgt, dass ein nutzbares Objekt erst dann vorliegt, wenn an dem Wasserlauf das Wasserwerk ange­bracht ist. Und wenn der Staat die Wasserrechtskonzession er­teilt, so hat er dem Konzessionär nicht ein bereits nutzbares Ob­jekt zur Nutzung übertragen, sondern vielmehr ihm die Erlaubnis erteilt, dieses Objekt sich herzustellen. Dass er es alsdann nutzen darf, ruht auf dem Rechtsverhältnis zu der Anlage ebensosehr wie auf der Konzession. Das Werk bildet mit dem Wasserlauf zusammen, den es auffängt, ein einziges Rechtsgut. Der Konzes­sionär ist an diesem Ganzen unmittelbar und dinglich berechtigt. In seiner Nutzniessung steht es deshalb nicht, weil er Eigentümer oder der Staat wenigstens nicht Eigentümer der Werkanlage ist. Anders allerdings, wenn die öffentliche Gewalt das Werk erstellt, wie etwa bei Wasserleitungen, Hydrantennetzen u. dgl. Da mag in der Abgabe von Wasser oder Wasserkraft häutig ein Nutzungs­recht an fremder Sache, eine dingliche Nutzniessung oder auch eine persönliche Pacht gefunden werden. Auf diesen Fall dürfte



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es denn auch einzig bezogen werden, wenn nach O.-R. Art. 296 (') die Wasserkräfte als ein mögliches Objekt der Pacht genannt werden. Solange aber das eigentliche Werk nicht erstellt ist, kann von einer Übertragung der Sache selbst zur Nutzung nicht die Rede sein. Der Staat schafft mit der Konzession nicht ein Rechts­gut, das er dem Konzessionär zur Ausbeutung überlassen würde, sondern er ermöglicht nur, dass das Werk am Wasserlauf nutzbar hergestellt und in der Nutzung behalten wird.
Mit der Herstellung des Werkes wird aus dem Wasserlauf das Wasser oder die Wasserkraft gewonnen, welch letztere zwar als Naturkraft schon vorher im Wasserlauf vorhanden ist, aber erst durch die Fassung im Wasserwerk eine direkt nutzbare Ge­staltung erfährt. Diese Wasserkraft ist nicht die Welle selbst, die „aqua profluens", sondern eine in der Bewegung, in der Welle lebende, sich stets erneuernde Kraft, die selber wieder als Rechts­ gut denkbar ist. Sie stellt physikalisch ebenso gut eine körper­liche Sache dar, wie beispielsweise die elektrische Kraft. Sie ist als ein der rechtlichen Herrschaft erreichbares Ding auch eine Sache im Rechtssinn, worauf wir schon bei Art. 706 (2) hingewiesen haben. Dann aber ist der Konzessionär befugt, sich diese Sache kraft seiner Konzession durch das Werk anzueignen, oder also sein Recht geht auf eine fortgesetzte, ununterbrochene Okkupation, die er durch das Mittel der Wasserwerkanlage an Wasser und Wasser­ kraft ausübt. Auch hier gibt der Staat dem Konzessionär das Objekt nicht fertig an die Hand, er erteilt ihm nur die Erlaubnis, es sich anzueignen und aus den okkupierten Sachen entweder selbst direkt den gewerblichen Nutzeffekt zu ziehen oder sie an andere abzugeben, sie in Natur zu verwenden oder durch Spezifikation zu verwandeln und in neuer Gestalt in den Handel zu bringen.
Indem der Entwurf von diesen Überlegungen geleitet worden ist, hat er das staatlich konzedierte Wasserwerk als ein Eigen­tumsobjekt geregelt, das nicht dem Staate gehört, nicht dem Kon­zessionär als fremdes Eigentum zur Nutzung übertragen ist, son­dern ein Verhältnis darstellt, vermöge dessen der letztere befugt ist, an dem öffentlichen Wasserlauf ein Recht zu betätigen, das Recht auf Aneignung von Wasser und Wasserkraft. Dieses ihm verliehene Recht aber hat die Bedeutung eines Privatrechtes an öffentlicher Sache, das begründet wird durch die staatliche Ver­leihung. Die geschichtliche Entwicklung zeigt uns eine Menge
(') OR von 1881. In Art. 275 des rev. OR sind die Beispiele, darunter „Wasserkraft", aus den vorliegenden Erwägungen weggelassen worden. (2) Vgl. ZGB 713.



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von Verhältnissen, wo unter einer öffentlich-rechtlichen Voraus­setzung Privatrechte geschaffen werden. Man denke nur an die Landokkupation, wie sie bei uns vor tausend Jahren erfolgt ist und in überseeischen Ländern heute noch stattfindet, Bei unseren Vorfahren waren es die Genossenschaften, die eine solche Aneig­nung gestatteten und organisierten, jetzt ist es der Staat selber. Gerade so liegen die rechtlichen Verhältnisse bei den eben auch erst zu okkupierenden Wasserkräften. Allerdings handelt es sich bei der Landokkupation um die Aneignung von Eigen, ohne zeit­liche Schranke, veräusserlich und vererblich. Allein, wenn die Wasserwerke auch nur auf eine gewisse Zahl von Jahren gestattet werden, so vermag das für ihren Charakter als Privatrecht keinen Unterschied auszumachen. Es ist nur ein quantitativer und nicht ein qualitativer Unterschied, der damit gegenüber der Aneignung des Grundeigentums geschaffen wird. Natürlich haben die Berech­tigten kein Eigentum an dem Wasserrecht, nicht Grundeigentum. Aber es besteht auch nicht ein beschränktes dingliches Recht an privatem Grundeigentum, und noch weniger ein persönliches Recht, denn weder ein dienendes Grundstück in fremder Hand noch eine persönliche Verpflichtung des Staates im Obligations­verhältnis liegen vor. Es ist ein primäres Recht, das der Beliehene hat, ein „Eigentum" an dem Recht zur Anlage und zur Aneignung von Wasser und Wasserkraft. Der Staat wird nicht zur Gewährung des ihm zugehörenden Gegenstandes für die Dauer der Vertragszeit persönlich verpflichtet, sondern er schafft durch die Verleihung den Vermögenswert, der nun in Anlage und Be­rechtigung als ein zwar zeitlich und räumlich begrenztes, gleich­wohl aber in diesem Umfang selbständig und jedermann gegen­über wirksames Recht des gleichen Rechtsschutzes teilhaftig ist, wie das Grundeigentum.
Diese Auffassung bestätigt sich uns voll und ganz, wenn wir die Bedeutung der Zugehörigkeit zum Privatrecht für unser Ver­hältnis näher ins Auge fassen.
Das Wasserrecht gewinnt erst seine volle Gestaltungsfähig­keit und Brauchbarkeit, wenn es dem Privatrechte angegliedert wird. Stellt man es mit dem Entwurf in das Sachenrecht, so ist zu unterscheiden : Entweder ist das Recht des Beliehenen mit einem im Grundbuch aufgenommenen Grundstück verbunden, und dann erscheint sein Wasserrecht als eine Berechtigung dieses Grundstücks, auf dessen Doppelblatt es in der Kolumne der Dienstbarkeitsrechte eingetragen wird. Oder der Inhaber der Bewilligung hat sein Recht ohne alle Beziehung zu einem Grundstück, und dann kann er sein dauerndes Nutzungsrecht selbständig in das Grund-



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buch aufnehmen lassen. Es ist eine grundeigentumsgleiche Gerechtig­keit, die hier vorliegt, und eine solche wird wie ein Grundstück behandelt. Der Inhaber ist hieran Eigentümer, er kann das Rechts­objekt belasten, verpfänden und, wenn auch allerdings nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung — weil die ihm zur Begründung des Verhältnisses erteilte Bewilligung eine persönliche ist — auf Andere übertragen (vgl. Art 985 und 924). (1)
Die Behandlung des Wasserwerkes als Grundstück zeigt sich im fernern darin, dass das Wasserwerk, gleich der Bodenfläche, zur Schaffung der dem Grundbuch dienenden Grundlage in seiner Art zu vermessen und in einem Kataster zu fixieren ist. Gleich wie für die Grundstücke das Grundbuch nach geometrischer Ver­messung, so wird für die Wasserrechte im Wasserbuch ein Kataster angelegt (Art. 994),(2) und es ist die Möglichkeit gegeben, die Kon­sequenzen aus dem Privatrechte für die Wasserwerke mit eben der Vollständigkeit aus der grundbuchlichen Fixierung abzuleiten, wie für die Grundstücke im allgemeinen. Eine Reihe von Kan­tonen hat bereits Anfänge von genauen Aufnahmen oder durch­geführte Wasserkataster, Wasserbücher usw. Bern hat die Anlage eines solchen 1891 beschlossen, Zürich 1872 und vorläufig abge­schlossen 1892, Luzern 1878, Glarus 1892, Solothurn 1859, Aargau 1859, Tessin 1874, Waadt 1891, Neuenburg 1869, St. Gallen 1893, Freiburg in Verbindung mit der allgemeinen Katasteraufnahme, Genf mit Nutzbarmachung der Rhone durch die Stadt. Endlich darf der privatrechtliche Charakter des Verhältnisses auch darin zum Ausdruck kommen, dass die Aneignung dieses Rechts durch die öffentliche Gewalt, die ja allerdings bei der Verleihung für besondere Fälle und Bedingungen ausdrücklich vorbehalten werden muss, unter die Gesichtspunke der Zwangsenteignung gestellt wird, so dass der Staat für den Fall der Nichterneuerung der Konzession oder des Rückkaufes dem Berechtigten die Abnahme der Anlagen gegen billige Entschädigung zusagt (Art 941).
Die Ausgestaltung des Wasserrechts wird durch die allge­meine Erwägung geleitet werden müssen, dass eine möglichst rationelle Ausbeutung der Wasserkraft mit möglichster Sicherheit und Bestimmtheit aller rechtlichen Wirkungen angestrebt wird. Daraus ergibt sich das Bedürfnis nach der näheren Ordnung, die
(') Das Gesetz hat vorgängig der Regelung dieser Verhältnisse durch die Spezialgesetzgebung die Behandlung der Wasserrechtsverleihungen an öffentlichen Gewässern als grundeigentumsgleichen Gerechtigkeiten in Art. 56 des Schl.t. vorgesehen. (2) Siehe oben S. 352, Anm. 1.



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der Entwurf aufgestellt hat, und die im Folgenden einlässlicher zu prüfen ist.
A. Die Verleihung von Wasserrechten. I. Das Verleihungsrecht, Art. 922 bis 932. Verleihende Behörde ist das zuständige kantonale Amt, dessen Festsetzung dem kantonalen Rechte überlassen bleibt. Wer verliehen erhält, hat ein persönliches Recht, das ohne die Mitwirkung der Behörde nicht übertragen werden kann, auch im Konkurse nicht, während Erbgang selbstverständlich anerkannt werden muss. So wenigstens bei gesetzlichem Erbrecht, wogegen die Verfügung von Todes wegen einer Veränderung unter Lebenden gleichzustellen ist.
Inhaltlich wird sich das Recht im allgemeinen nach den Um­ständen des einzelnen Falles richten. So in betreff der materiellen Ausdehnung, die ihm zu geben ist. Planauflage und Werkein­richtungen sorgen hier für das Nötige (vgl. z. B. Art. 937). So­weit es erforderlich erscheint, wird das Gesetz auch den Gesuch­stellern für die Errichtung des Werkes gewisse Massregeln zu­gunsten der Allgemeinheit ein für allemal vorschreiben (vgl. z. B. Art. 928). Es kann ihnen ferner die Pflicht auferlegen, weitere Nutzungsrechte, die durch zweckentsprechende Abänderung einer Anlage ohne wesentliche Beeinträchtigung der von den Berech­tigten tatsächlich ausgeübten Nutzung verfügbar gemacht werden können, zu dulden. Es kann ihnen anderseits aber auch ein Recht auf Mitbenützung fremder Anlagen einräumen. Unwesentliche Beeinträchtigungen sollen sie gegen Entschädigung dulden müssen. Soweit das Gesetz keine allgemeinen Bestimmungen enthält, wird der Verleihungsakt selbst in dieser und in anderer Beziehung nähere Vorschriften aufstellen.
Was im weitern die zeitliche Ausdehnung anbelangt, so ist für deren Festsetzung auf die Kostspieligkeit der Anlage, den zu erwartenden Ertrag und die nach richtigen Geschäftsprinzipien gebotene Amortisation der Anlagekosten zu schauen (Art. 925). Von diesem Standpunkte aus wird man auf eine zu kurze Zeit keine Ver­leihungen vornehmen, wenigstens nicht ohne besonderes Einver­ständnis mit den Gesuchstellern. So kann z.B. bei einem Tunnelbau ein Unternehmer ein Wasserrecht nur für die Bauzeit von fünf oder zehn Jahren überhaupt erwerben wollen, um sich für den Bau Kraft und Licht zu verschaffen. Nachher wäre ihm die Anlage nutzlos. Allein im allgemeinen wird man darauf rechnen dürfen, dass die Wasserwerke doch wenigstens dreissig Jahre im Betrieb stehen, und darnach wird eine Minimaldauer zu bemessen sein. Anders ver­hält es sich mit der Maximaldauer. Hier fällt eine andere Erwägung



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in Betracht, indem es sich fragen muss, für wie lange der Staat auf sein Recht, die Kräfte an den öffentlichen Gewässern zu benutzen, durch Einräumung von Privatrechten verzichten will. Man darf hier wiederum einerseits die Rücksicht auf die Anlage in ihrer Bedeutung für die Privatindustrie, anderseits aber auch das Interesse der Gesamtheit gerade an den in Frage stehenden Wasserkräften als massgebend bezeichnen und wird hiernach im einzelnen Falle zu entscheiden haben.
Eine Verwirkung vor Ablauf der Konzession wird für den Fall, dass die Vorschriften des Gesetzes oder der Verleihung nicht beobachtet werden, sowie für den Fall der Nichtausführung des konzedierten Werkes innerhalb einer bestimmten Frist vorzusehen sein, vgl. Art. 942.
Stellt sich die Verleihung auch als ein hoheitlicher Akt der Staatsgewalt dar, so liegt sie doch nicht in der Willkür der Staats­organe. Es hängt ungemein viel davon ab, dass die Unternehmungs­lust der Privaten nicht durch das Verhalten der Staatsgewalt lahm gelegt werde. Man soll darauf rechnen können, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Verleihung auch wirklich erwirkt werden kann. Nach einer älteren Auffassung war dieser Anspruch auf Verleihung als eine Pertinenz der Ufergrundstücke gedacht, und einige unserer Rechte haben bis heute hieran festgehalten. So z. B. die Rechte von Schwyz, Zug, das Bürgerl. G B von Glarus, und nur den Uferbesitzern wird die Konzession erteilt in Freiburg. Allein es ist klar, dass damit die rechte Basis für die Unternehmungslust nicht gesichert wird. Der Gesuchsteller soll nicht zuerst das Grundeigen­tum am Ufergrundstück sich erwerben müssen, um überhaupt das Gesuch nur stellen zu können, sondern auf Grund der erfolgten Verleihung muss ihm unter gewissen Voraussetzungen die Zwangs­enteignung am Ufergrundstück eingeräumt werden. An sich bieten die Uferanstösser auch nicht Gewähr für eine richtige Ausbeutung der Vorteile des Wasserlaufes. So gelangt man dazu, einem jeden die Möglichkeit zu eröffnen, das Wasserrecht zu erwerben, und die zuständige Behörde wird zur Verleihung verpflichtet, sobald nicht höhere Interessen dabei als gefährdet erscheinen, vgl. Art. 922 und 923. Unter mehreren Ansprechern wird die Priorität zu ent­scheiden haben, insoweit nicht besondere Ausnahmen oder Vorzugs­ rechte begründet sind.
Dass die Verleihung sich alsdann, wenn sie erfolgt, in ver­nünftiger Weise in den Rahmen der bestehenden Wasserrechts­verhältnisse einreihen soll, haben wir bereits nach verschiedenen Richtungen hervorgehoben. Privatgewässer stehen diesfalls den öffentlichen gleich, so dass es aus dieser Überlegung erklärlich



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wird, wenn man die Erstellung von Wasserwerken an Privat­gewässern im allgemeinen den gleichen hoheitlichen Prüfungen und Genehmigungen unterstellt, wie die an den öffentlichen Gewässern (Art. 932).
Bei Beteiligung mehrerer Kantone am gleichen Wasserrecht sind durch bundesrechtliche Ordnung namentlich folgende Ver­leihungsfragen einheitlich zu beantworten (Art. 929 bis 931):
1.     Wenn zwei Staaten durch einen Grenzfluss getrennt sind, so pflegt man ihre Hoheit gegenseitig, falls nicht eine andere Grenzlinie feststeht, nach dem sogenannten Talweg abzugrenzen. Der Talweg aber ist im Zweifel die Mitte des Flusses. Diese Aus­scheidung bewirkt für die Wasserrechtsverhältnisse keine ange­messene Abgrenzung. Die Verhältnisse zu den Wasserläufen sind regelmässig so beschaffen, dass es schlechterdings nicht angeht, die Benutzung des Wassers nach der Mitte des Flusses zu teilen. Die Anlage des Wasserwerkes verlangt die Stauung der ganzen Breite des Flusses und verbietet eine Spaltung nach den Ufern.
2.   Im Verhältnis der aufeinander folgenden Strecken und Gefälle wird ein Gewässer durch die Grenzlinien des Kantons in der Quere geschnitten. Allein auch hier kann damit nicht die Grenze für die an demselben errichteten Wasserrechte gegeben sein. Denn die Anlage eines Werkes oberhalb oder unterhalb der Grenzlinie wird in zahlreichen Fällen auf das Gebiet der nachbarlichen Hoheit einwirken, sei es mit Stauung nach aufwärts oder mit Veränderung der Abflussverhältnisse nach abwärts. Auch da greifen die Wasser­ rechtsverhältnisse von einem Gebiet in das andere über und muss eine Scheidung nach der Landesgrenze durch eine andere, ange­ messenere ersetzt werden.
3.   Wenn das Wasserwerk der Verleihung in allen den Kantonen bedarf, deren Gebiet es in irgend einer Weise in Anspruch nimmt, und das einheitliche Unternehmen infolgedessen auf verschiedenen hoheitlichen Akten ruht, wird seine Einheit darunter zu leiden haben. Es kann dann vorkommen, dass die Zeitdauer für das eine Gebiet abweicht von der für das andere, oder dass Vorzugsrechte hier nicht bestehen, während sie in dem Gebiet des andern Kantons geltend gemacht werden können, oder dass der Schutz bestehender Rechte hier weiter reicht als dort u. a. m. Der Bund wird hier überall für die nötige Einheit im allgemeinen oder im einzelnen Falle Sorge zu tragen haben.
Über das Verhältnis zu den Quellen (Art. 926) ist beim Recht der Quellen (Art. 699 ff.)(1) ausführlicher gehandelt worden.
(') Vgl. ZGB 704 ff.



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Die Enteignungsbefugnis (Art. 927) bedarf hier der besonderen Gestaltung, weil deren Feststellung von der Verleihung selber nicht wohl getrennt werden kann. Die zuständige Behörde wird am ehesten in der Lage sein, die Interessen zu würdigen und abzuschätzen, die dabei in Frage kommen. Über die eventuelle Erweiterung der Befugnis durch das kantonale Recht ist bereits oben gesprochen worden. Sie steht in deutlichem Zusammenhang mit dem Vorbehalt des kantonalen Zwangsenteignungsrechtes über­haupt (Art. 927, Abs. 3, Art. 668(1) u. a.). Kommt dem Bundesrat bei den interkantonalen Verhältnissen die Befugnis zu, die Ver­leihung des Wasserrechts vorzunehmen, so entscheidet er sach- gemäss auch über die Erteilung des Rechtes zur Zwangsenteignung. Dennoch bleibt die Expropriation auch in diesem Fall der kantonalen Ordnung unterstellt und wird nicht nach dem Bundesenteignungsrecht, sondern nach den Vorschriften des Kantons, gegen dessen Gebiet sie sich richtet, durchgeführt (Art. 929, Abs. 2).
II.     Wechselseitige Rücksicht, Art. 933. Die rationelle Ausbeutung der Wasserkräfte verlangt darnach, dass die Werke am gleichen Wasserlaufe wechselseitig die nötige Rücksicht aufeinander nehmen. Sie bilden ohne weiteres eine natürliche, mehr oder weniger intensive Gemeinschaft, die sich in betreff der Benutzung des Wassers mit Stauung u. a. auch dann äussert, wenn keine besonderen Ab­machungen vorliegen. Man darf also verlangen, dass jeder einzelne Berechtigte in der Benutzung seines Rechtes die Interessen der Andern, soweit es ohne seinen eigenen Schaden möglich ist, respektiere. So z. B. in bezug auf das Abstellen der Wasserwerks­ kanäle oder die Stauung über die Zeit der Arbeitsruhe, oder das Handhaben der Schleusen bei hohem oder tiefem Wasserstand. Alle Beteiligten sollen hierin und in andern Dingen wechselseitig einander jede billige Rücksicht schuldig sein.
III.     Die Bildung von Genossenschaften, Art. 934 bis 936. Noch weiter reichen die Interessen der Beteiligten in bezug auf die Herstellung gewisser Einrichtungen, die allen zu dienen bestimmt und für jeden von ihnen gleich notwendig oder nützlich sind. Es kann sich um die Anlage von Kanälen, von Wassersammlern, Schleusenwerken und dergl. handeln. Sind solche Werke einmal errichtet, so kommen sie dem ganzen Wasserlaufe zugute. Sollen sie da von Einzelnen ohne Beteiligung der Andern errichtet werden müssen? Gewiss rechtfertigt sich bei solchen Verhältnissen das
(') ZGB 666.



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Postulat, dass Genossenschaften zur Herstellung derartiger gemein­samer Einrichtungen gebildet und, wenn die Mehrheit der Wasserrechtsbesitzer nach Kopfzahl und Wasserkräften solche für wünschens­wert hält, die Minderheiten zum Beitritt gezwungen werden sollen. Dies immerhin doch nur unter der Voraussetzung, dass der Beitritt nicht die finanziellen Kräfte des Gezwungenen über­steige, worüber auf dem Verwaltungsweg entschieden werden mag.
Solche Zwangsgenossenschaften sind in bezug auf Korrektionen vielen Kantonen bekannt. Für Wasserwerke speziell sind sie ein­geführt in Glarus und St. Gallen.
Wo das Recht keine bezügliche Ordnung trifft, sucht man sich mit vertraglichen Abreden zu helfen, wie eine solche z. B. unter den Wasserwerksbesitzern an der Limmat (Zürich-Letten- Baden-Vogelsang) im Januar 1898 vereinbart worden ist.
IV.     Die Wahrung der Rechte Anderer, Art. 937, haben wir bei der Verleihung bereits näher betrachtet.
V.   Vorrecht des Gemeinwesens, Art. 938 und 939. Bei der Anlage kann es gleich fraglich werden, ob nicht die in Aussicht genommene Wasserkraft den öffentlichen Bedürfnissen gewahrt bleiben solle, und wird im allgemeinen die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines solchen Interesses nicht abgelehnt werden, so führt dies zum Postulat der Anerkennung eines Vorrechtes der Kantone und Gemeinden auf die Herstellung der Wasserwerke. Freilich wird dieses Vorrecht zeitlich ziemlich enge begrenzt werden müssen. Denn es soll sich um ein effektiv benutztes Vorrecht und nicht bloss um die Möglichkeit der Verhinderung einer Privatindustrie handeln. In solchem Rahmen aber, auf etwa drei Jahre, dürfte dann aus den Gesichtspunkten, die wir schon oben betreffend die Expropriation angedeutet haben, die richtige Abgrenzung der privaten Berechtigung zum öffentlichen Interesse gefunden sein.(1)
VI.     Das Verleihungsverfahren, Art. 940, haben wir gleichfalls bereits oben bei der Besprechung des Verleihungsaktes selbst berührt. Die Kompetenz des Bundesrates ergibt sich aus den all­gemeinen Erwägungen zu Art. 929. Die Verweisung auf das kantonale Recht steht im Einklang mit den Grundsätzen, die der Entwurf im allgemeinen betreffend den Vorbehalt des kantonalen Rechtes beobachtet hat.
(') Der Entwurf des BR hat in Art. 933 u. 934 auch dem Bunde ein Vorrecht zuerkannt.



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B. Der Verlust der Wasserrechte, Art. 941 und 942. Wenn auch die Dauer der Verleihung von vornherein bestimmt wird, so schliesst dies nicht aus, dass schon vorher eine Zwangsenteignung nach allgemeinen Grundsätzen stattfinde. Der Rückkauf ist in die Konzessionsbedingungen aufzunehmen, so dass nach beiden Rich­tungen hierüber nichts im Gesetz gesagt zu werden braucht.
Dass die Wasserrechtsinhaber für den Schaden, der aus ihrem Gewerbe anderen erwächst, haftbar sind, ergibt sich aus allge­meinen Grundsätzen. Eine besondere Bestimmung wie beim Berg­recht (Art. 958) ist hier nicht notwendig. Auch die Schadenstragung aus der Expropriation ist nicht besonders festzulegen. Diese Kosten alle sind Sache des Unternehmers nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, soweit sie aber aus solchen sich nicht ableiten, ihnen auch nicht aufzubürden.
Von der Verwirkung haben wir bereits oben gesprochen.
C. Die Gebühren und Zinse, Art. 943, sind namentlich deshalb im Gesetz zu nennen, damit deutlich dargelegt werde, dass die Erteilung der Konzession, auch wenn sie, wie bei interkantonalen Wasser­ werken, durch den Bundesrat erfolgt, dem Bunde keinen Anspruch auf sie verschafft. Sodann erzeigt sich die Notwendigkeit einer Vorschrift für solche interkantonale Unternehmungen mit Hinsicht auf die Beteiligung der mehreren Kantone an Gebühren und Zinsen. Jeder Kanton soll nach seinem Rechte solche erheben dürfen, allein nicht in willkürlichem Umfang, weder nach der Strecke, noch nach dem Gefäll, sondern im Verhältnis zu der auf seinem Gebiete gewonnenen Wassermenge und Wasserkraft. Was nach den Terrainverhältnisssen vom Gefäll und Quantum dem Gebiete des einen Kantons zuzuschreiben ist, das mag er seinem Rechte unterwerfen, wobei Stauung und Senkung in angemessener Weise berücksichtigt werden müssen. Das Wasserwerk reicht dabei längs des Wasserlaufes vom Anfang der Stauwirkung an bis zum Ende der Senkungswirkung. Ist die Wassermenge hier überall die gleiche, so teilen sich die aufeinander folgenden Kantone in das Recht nach dem Gefäll. Wechselt die Wassermenge auf dieser Strecke durch Hinzutritt weiterer Wasserläufe, oder liegt die Grenze der Kantone in der Längsrichtung des Wasserlaufes, so muss neben dem Gefäll die Beteiligung der kantonalen Gebiete an der Wassermenge, die sich auf ihnen befindet, mit in Berech­nung gezogen werden.



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  Dritter Abschnitt.
Die Bergwerke.

Die Schweiz ist kein bergbauendes Land, sie hat daher keine Veranlassung, ein eigenes Bergrecht zu schaffen und in alle Ein­zelheiten zu entwickeln. So wird man namentlich bei uns mit dem Gesellschaftsrecht des OR auch betreffend die Gewerkschaften und das Knappschaftswesen des Bergrechtes sehr wohl auskommen. Es ist jedoch trotzdem wünschenswert, dass wenigstens die Haupt­grundsätze des Bergrechtes in der Kodifikation des Privatrechtes einheitlich festgelegt werden. Zu einem einheitlichen Spezialgesetz wird das Land gerade wegen des geringen Bedürfnisses nach einer solchen Ordnung schwerlich gelangen. Die kantonale Gesetz­gebung aber überlässt entweder das Bergrecht vollständig sich selbst oder es zeigt sich in ihr, wo sie bergrechtliche Ordnungen aufstellt, eine so grosse Verschiedenheit in den Grundlagen, dass in mehrfacher Richtung für das einheitliche Sachenrecht fast un­überwindliche Schwierigkeiten entstehen müssten, wenn dieses nicht selber die wenigen Sätze aufstellte, die in Anlehnung an die gesamte sachenrechtliche Ordnung erforderlich zu sein scheinen. Ausführlichere Bergrechte, als wie ein solches im Entwurfe vor­geschlagen wird, besitzen überhaupt auch die Kantone, die Berg­rechtsgesetze haben, überall nicht. Es wird also durch die vor­geschlagene Vereinheitlichung nirgends ein vollständigeres Recht durch ein weniger entwickeltes verdrängt. Das Resultat der Auf­nahme der Entwurfsbestiminungen wird vielmehr nur sein einer­seits, dass die Kantone mit gar keiner bergrechtlichen Ordnung und ohne Aussicht, eine solche je zu gewinnen, die unter Um­ständen auch für sie wünschenswerten Vorschriften durch das Bundesrecht erhalten, und anderseits dass die wenigen bishin für angemessen erachteten bergrechtlichen Vorschriften auf eine über­einstimmende Grundlage gestellt und mit dem Sachenrecht in Harmonie gebracht werden.
Gegenwärtig haben zwölf Kantone gar keine bergrechtlichen Ordnungen. Baselstadt, das bis zum Jahre 1891 sich ihnen zu­gesellte, war durch Unternehmungen auf seinem Gebiete um die genannte Zeit veranlasst, plötzlich die Lücke auszufüllen. Von den andern Kantonen folgt eine Gruppe dem Prinzip der Berg­freiheit des Grundeigentümers, so dass die Gesetzgebung sich darauf beschränkt, die für die Sicherheit anderer als notwendig erscheinenden Bestimmungen mit mehr oder weniger Ausführlich­keit aufzustellen. So Genf, und im wesentlichen auch Wallis. Die



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Kantone ohne Berggesetzgebung aber sind insofern doch auch hierher zu rechnen, als sie mangels anderer Ordnung das Berg­baurecht nach der Natur der Sache dem Grundeigentümer zu­weisen, während mit Bezug auf die Sicherheitsvorschriften die allgemeine Rechtsordnung für den Bergbau auszureichen scheint. So erzeigt sich dies namentlich bei Graubünden, das bei seinem ziemlich ausgedehnten Bergbau wenigstens die Festsetzung dieser Grundlage nicht entbehren kann. Vgl. Schweiz. PR III, S. 645, 646 f.
Eine zweite Gruppe von Kantonen, die übrigen romanischen Kantone und Bern umfassend, hat das Bergrecht auf der Grund­lage geordnet, dass der Staat, als Eigentümer aller mineralischen Schätze, mit der Bergrechtskonzession die Ausbeutung einer ihm gehörigen Sache auf andere überträgt, ein Grundsatz, der mit verschiedenen Folgerungen mehr oder weniger konsequent durch­geführt wird. Vgl. Schweiz. PR III, S. 648 ff. Die Basis dieser Ordnung steht mit dem in Art. 917 ff. des Entwurfes aufgestellten Prinzip im Widerspruch, und zwar nicht nur doktrinell und auch nicht nur mit Hinsicht auf Fragen des öffentlichen Rechts, sondern mit verschiedenen Wirkungen auf dem Gebiete des Privatrechts. Man denke nur an die grundbuchliche Eintragung einerseits der Bergwerke und anderseits der an ihnen zur Entstehung gebrachten Rechte Dritter, an die Umgrenzung der Eigentümerrechte (Art, 669 ff.)(1) u. a. Wollte man hierin den Kantonen die Bei­behaltung einer abweichenden Grundlage für das Bergrecht ge­statten, so würde dies einen Verzicht auf die klare und einfache Durchführung der einmal angenommenen sachenrechtlichen Prin­zipien bedeuten, der für das Sachenrecht, speziell das Grundbuch, bedauerlich wäre und für die kantonale Hoheit in keiner Weise notwendig ist, indem doch das öffentliche Recht auf dieser wie auf jener Grundlage für die Kantone in gleicher Weise gewahrt werden kann.
Eine dritte Gruppe der Kantone, zu der alle bishin nicht genannten Rechte gehören, nimmt für den Staat das Regal in Anspruch und führt entweder dasselbe in alle Konsequenz durch, oder aber es wird vornehmlich die Hoheit des Staates, die Auf­sicht betont und das Bergrecht nach der privatrechtlichen Seite im wesentlichen dem Finder zugesprochen. S. Schweiz. PR III, S. 654 ff. Uri hat in seinen wenigen bergbaurechtlichen Bestim­mungen die Grundlage der Regalität durch den Grundsatz der Bergfreiheit für die Allmend und zugunsten der Allmendgenossen
(') ZGB 667 ff.



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und Landleute ersetzt, während für das Sondergut die Berech­tigung des Grundeigentümers anerkannt zu sein scheint. Vgl. Schweiz. PR III, S. 656.
Gewiss ergibt es sich aus diesem Überblick, wie sehr das einheitliche Sachenrecht an einer mit ihm harmonierenden Fest­legung der bergrechtlichen Prinzipien interessiert ist. Zugleich aber dürfte es sich daraus auch rechtfertigen, wenn der Entwurf sich in seinen Bestimmungen im wesentlichen der dritten Gruppe angeschlossen hat, allerdings mit der Modifikation, dass er die Annahme oder Ablehnung des Regals den Kantonen anheimstellt und nur die auf der einen oder der andern Grundlage gegebene privatrechtliche Ausgestaltung des Institutes im Auge hat. (')
A.     Gegenstand der Bergwerke, Art. 944 und 945. Soweit als zweifellos die bergrechtlichen Vorschriften berechtigt sind, wird das Bergrecht in die Hand des Bundes gelegt, daneben aber den Kantonen die Befugnis erteilt, dasselbe auf weitere Stoffe auszu­dehnen. Entscheidend ist dabei die Ähnlichkeit in den technischen Voraussetzungen und den äusseren Veranstaltungen des Bergbaues, was in bezug auf die Quellen, Mineral- und andere Heilquellen, durch Hervorhebung der Anlage von bergbaulichen Vorkehrungen und Bohrlöchern noch besonders betont wird. Im übrigen ist die Abgrenzung Sache der technischen Expertise. Bei den Torfstichen und Steinbrüchen fällt in Betracht, dass das Vor-­ handensein solcher Stoffe für jedermann regelmässig von vorn-­ herein erkennbar ist. Es bedarf daher hier aller der Kautelen nicht, die in bezug auf die im Innern der Erde vorhandenen Stoffe geboten sind.
B.   Der Erwerb der Bergwerke. Art. 946 bis 952. In Frage kommt hier namentlich die Festsetzung der Berechtigung. Der Entwurf hat sich, wie schon bemerkt, unter allem Vorbehalt des kanto­nalen Bergregales, dafür entschieden, die Gewinnung des Berg­rechts durchaus auf die Freiheit der Nachforschung abzustellen, allerdings unter starker Betonung der Staatshoheit. Daraus folgt, dass die Nachforschung nach bergbaulichen Stoffen nicht dem Grundeigentümer vorbehalten ist und dass auch der Eigentümer nicht ein Vorrecht für die Aufsuchung der Stoffe und die Ver­leihung des Bergrechts beanspruchen kann. Für alle Fälle wird eine Schürfung als Ausgangspunkt genommen. Auch der grund-
(') Das Gesetz behandelt die Bergwerke als grundeigentumsgleiche Ge­rechtigkeiten in Art. 655, Zif. 3, und 943, Zif. 3.



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eigentümer muss sich zu dem gesetzlich geordneten Schürfen be­quemen, wenn er die Verleihung vorbereiten will. Ist mit Erfolg geschürft worden, so ergibt sich ferner daraus noch nicht einmal ein Rechtsanspruch auf die Verleihung, sondern die zuständige kantonale Behörde hat immer noch das Recht, die Verleihung einem andern zuzuwenden, der für die Durchführung des Werkes bessere Garantien darbietet, allerdings unter Entschädigung des Finders der Stoffe. Wollte die Gesetzgebung hier weiter in die Einzelheiten eintreten, so müssten die Fragen geordnet werden, wie es sich mit der Konkurrenz mehrerer Schürfe verhalte, in welchem Umfange bei der Schürfbewilligung die Rohstoffe, für die in bezug auf ein bestimmtes Gebiet die Bewilligung erteilt wird, aufzuführen seien, wie sich diese Bewilligung zu andern Stoffen verhalte, die zufällig auf Grund der Schürfung im gleichen Ge­biete entdeckt worden sind, in welchem Verhältnis der Schürfer zu andern Berechtigten stehe, die auf dem gleichen Gebiete bereits Bergrechte besitzen u. a. in. In allen diesen Beziehungen wird es nach der Meinung des Entwurfes bei dem geringen Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung wohl angehen, die im einzelnen Falle wünschenswerte Ordnung durch die Verleihungsakte selber zu treffen. Ist erfolglos geschürft worden, so bleibt natürlich die Schadenersatzpflicht des Schürfers aus der Schädigung des Grund­eigentums bestehen. In ihr liegt auch die Pflicht begründet, das Terrain wieder zu ebnen, das angegriffen worden ist, ohne dass hierüber im Gesetz weiteres gesagt zu werden braucht.
Man hat in neuerer Zeit gegen das Schürfrecht eingewendet, dass es die Auffindung der Mineralien durch Wachrufung einer oft wenig lautern Konkurrenz erschwere, indem es einerseits die Unternehmungslustigen zwinge, ihre Projekte allzu früh an die Öffentlichkeit zu bringen, und anderseits sie der Gefahr aussetze, dass ihre Erfolge von andern eingeheimst werden. Es scheint uns aber, dass das Grundeigentum des in den Schürfvorschriften liegenden Schutzes durchaus bedarf, sodass wir uns nicht dazu entschliessen konnten, diesfalls von dem bei uns überlieferten Rechte abzugehen. Für den Grundeigentümer selber wird an dem Requisit im Interesse der Nachbarn festgehalten.
Betreffend die Verleihung des Bergrechts und die Nichtüber­tragbarkeit des verliehenen Rechtes ist auf das beim Wasserrecht Gesagte zu verweisen (vgl. Art. 925). Namentlich wird auch hier die gesetzliche Vererblichkeit ohne weiteres anzuerkennen sein.
Ein Vorrecht des Gemeinwesens (Art. 988) ist dagegen in bezug auf die Bergwerke nicht erforderlich. Für die diesfalls vorhandenen Bedürfnisse sorgt die Regalität. Zu weiterem geben
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auf diesem Gebiete weder die Ansprüche des Staates und der Gemeinden noch das Verhalten der Privatunternehmer genügende Veranlassung. Die Industrie bedarf hier weit eher der Ermun­terung durch Vergünstigungen als der Einschränkung durch allzu rigorose Auflagen.
Die Entschädigung des Grundeigentümers bemisst sich nach dem Expropriationsrechte. Wo dieses auch die Berücksichtigung weitern Schadens über den Wert des expropriierten Bodens hinaus gestattet, liegt kein Grund vor, dies nicht auch bei der Schürfung" und beim Bergwerksbetriebe anzuerkennen.
C.   Verlust der Bergwerke, Art. 953 und 954. Die Verlustgründe, die hier aufgezählt sind, liessen sich um einige vermehren, die jedoch der Natur der Sache oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspringen. So wird durch das Vollstreckungsverfahren unter Umständen eine Entziehung des Bergwerkes, aber nicht ein Unter­gang des Werkes überhaupt herbeigeführt werden können. Ferner mag sehr wohl ein Bergwerk sich erschöpfen, wobei aber an die Möglichkeit der Fortsetzung von Versuchen gedacht werden muss. Fallen auch diese weg, so wird die Beendigung durch Verwirkung infolge mangelnden Weiterbetriebes (Art. 954) mit dem Untergangs­ grunde der vollendeten Ausbeutung zusammenfallen. Der Betriebs­ zwang, der als Grundlage gewählt ist, kann unter Umständen hart wirken. Allein er stellt sich insofern doch nicht als absolutes Recht dar, als die zuständige Behörde notwendigerweise mit der Befugnis ausgerüstet sein muss, sich über die Fortführung des Unternehmens mit dem Berechtigten zu verständigen, und zwar von vornherein, oder also eventuell in den Verleihungsbestimmungen selber. Im übrigen darf in dieser Beziehung auf dasjenige verwiesen werden, was zu den gleichlautenden Vorschriften über das Wasser­recht (Art. 941 und 942) ausführlicher gesagt worden ist.

D.   u. E. Inhalt der Bergwerke, Verordnungen, Art. 955 bis 960.
Die Grundsätze der Haftung für den Schaden, der aus dem Bergrechte entstehen kann, stehen mit der allgemeinen Ordnung der Haft­pflicht im engen Zusammenhange. Sie sind hier nur insofern anzuführen, als sie das Privatrecht beschlagen, alles weitere, was die staatliche Aufsicht, auf Grund des Bundesgesetzes vom 26. April 1887 über die Ausdehnung der Haftpflicht aus Fabrikbetrieb, anbetrifft, ist dem Verwaltungsrechte zuzuweisen. So trifft dies namentlich zu in betreff der Umschreibung der Massregeln, die zum Schutze von Personen und Sachen für notwendig erachtet werden. Was im Entwurfe geordnet werden will, ist nur die Festsetzung-



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des Subjektes, das in der genannten Richtung verantwortlich sein soll. Dem Bergwerksinhaber wird in dieser Beziehung der Schürfer gleich zu stellen sein.
Über das Expropriationsrecht (Art. 956 und 957) haben wir bereits oben gesprochen. Einer Ordnung speziell für die Berg­werke bedarf es hier noch weit mehr als bei den Wasserrechten (Art. 927), indem für das Bergwerk die besondern Verhältnisse fast regelmässig gegeben sein werden, nach denen die Zwangs­enteignung von Grund und Boden, Wald und Wasser zugunsten des Bergbauenden oder im Interesse des bedrohten Grundeigentümers als gerechtfertigt erscheint. Die Ausdehnung (Art. 956) und die Einschränkung (Art. 957) lehnen sich in der Einzelausführung sowohl an verschiedene Vorschriften der kantonalen Rechte (vgl. Schweiz. PR III, S. 647, 652 u. a.), als an die neuere deutsche Bergrechtsgesetzgebung an. Vgl. auch betreffend das Recht auf die Quellen die früheren Ausführungen zum Quellenrecht.
Die Abgaben sind nur insofern zu erwähnen (Art 959). als festgestellt wird, auf welcher Grundlage sie trotz der privat­rechtlichen Ordnung des Bergrechts zugelassen werden sollen, sowie dass sie trotz der Aufstellung eines Bundesbergrechtes, wie beim Wasserrecht (Art. 943), den Kantonen verbleiben, eine Regel, die für die Kantone mit Regalität ohnedies als gegeben erscheint (Art. 918).
Das Verordnungsrecht des Bundes, auf das Art, 960 verweist, haben wir in bezug auf die Art. seiner nähern Begründung und Ausgestaltung bereits in den allgemeinen Ausführungen zum Sachen­recht näher betrachtet.



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             Dritte Abteilung.
Besitz und Grundbuch.
Fünfundzwanzigster Titel.
Der Besitz.
1. Die allgemeinen Grundlagen.
Über die Zusammenstellung von Besitz und Grundbuch in der dritten Abteilung des Sachenrechtes ist schon im Eingange zum Sachenrecht gesprochen worden. Sie rechtfertigt sich aus der übereinstimmenden Funktion, die dem Besitz und dem Grundbuch zukommt. Was das Grundbuch für die Immobilien, das leistet der Besitz für die Mobilien. Allerdings erschöpft sich die Bedeutung des Besitzes nicht in der durch ihn, wie durch das Grundbuch erfolgenden äusserlichen Wahrnehmbarmachung der dinglichen Rechte: Er hat eine weitere Bedeutung mit Hinsicht auf das rein tatsächliche Verhältnis, das in der äusserlich gegebenen Gewalt über die Sache von der Rechtsordnung niemals ganz ignoriert werden kann. Allein diese Funktion tritt, wie auch diejenige, die in der Ersitzung gegeben ist, zurück gegenüber der Bedeutung des Besitzes für den Rechtsschutz selbst, so dass es gleichwohl gerechtfertigt bleibt, den Besitz mit dem Grundbuch zusammen­zustellen.
Die Ordnung des Besitzes betrifft im allgemeinen sowohl den Besitz an Mobilien, wie an Immobilien. So wird die Regelung des Schutzes für den Besitz, wie die allgemeine Voraussetzung des Besitzes an sich, für Mobilien und Immobilien in gleicher Weise gegeben sein. Ebenso bestimmt sich die Rückleistungspflicht. des Besitzers für die beiden Kategorien von Sachen nach gleichen Grundsätzen, und auch die Voraussetzung bei der Ersitzung ist in dieser Hinsicht überall dieselbe. Dagegen der Rechtsschutz



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im Besitze bezieht sich nur auf die beweglichen Sachen. Besitzer ist in dieser Hinsicht bei den Grundstücken nur der im Grund­buch Eingetragene und nicht derjenige, der die tatsächliche Gewalt hat. Von dieser Überlegung aus hätte es sich wohl gerechtfertigt, für den Mobiliarbesitz einen besondern Abschnitt zu bilden. Wir haben dies unterlassen, weil die Zusammenfassung der Besitzes­regeln für beide Sachgebiete keine Unklarheit erzeugt. Die Unter­scheidung mag füglich der Doktrin überlassen bleiben.
Der Mobiliarbesitz erfährt seine Anerkennung für den Rechts-­ schutz nach drei Richtungen.
Erstens wird das Recht beim Besitzer in der Weise vermutet, dass der Ansprecher, um gegen ihn durchdringen zu können, die Hinfälligkeit der Vermutung erst beweisen muss. Der Besitzer ist Beklagter im Rechtsstreit mit der Folge, dass er für das von ihm behauptete dingliche Recht gar keinen Beweis zu erbringen hat. Man hat die für ihn streitende Rechtsvermutung zu brechen, bevor man ihm etwas anhaben kann.
Zweitens kann sich derjenige, der Besitzer ist, gegenüber dem Verlust, der wider seinen Willen eingetreten ist, für die Wiedererlangung der Sache einfach auf seinen Besitz berufen. Ohne sein Recht beweisen zu müssen, geht er dem jetzigen Be­sitzer vor und erlangt von ihm die Rückleistung. Sein Recht an der Sache wird auch hier ohne weiteres vermutet. Er hat mit dem Besitz zunächst auch das von ihm behauptete Recht an der Sache bewiesen. Alle die Schwierigkeiten, die mit dem Nachweise seiner eigenen Berechtigung für den Vindikanten verbunden sind, fallen hiermit dahin.
Drittens vermag der Besitzer die Rechtsvermutung auch auf einen Nachfolger im Besitz zu übertragen, so dass dieser geschützt ist, sobald er nur in gutem Glauben erworben hat und es sich nicht um unfreiwilligen Verlust des Besitzes bei einem Vorhesitzer handelt.
Die Vorteile einer solchen Besitzesordnung gegenüber der gemeinrechtlichen bestehen in folgendem:
Zunächst findet mit der Umschreibung des Besitzes rein nach der tatsächlichen Beziehung der Herrschaft über die Sache und ohne jede Heranziehung eines Willens der Person selbst, der über den Willen zur Betätigung der Gewalt über die Sache hinaus­ginge, eine Erweiterung des Besitzesbegriff- es statt, die geeignet ist, die Bedeutung des Besitzes für den Rechtsverkehr in einfacher und klarer Weise zu fixieren. Unsere kantonalen Rechte folgen schon jetzt durchaus nicht unbedingt der gemeinrechtlichen Be­sitzesumschreibung. Sie entfernen sich von ihr mit den verschie-



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densten Versuchen, den sogenannten „animus" weiter zu fassen oder also das körperliche Moment mehr hervortreten zu lassen. Vgl. Schweiz. PR III, S. 108 ff. Der hierin sich manifestierende Gedanke erhält aber erst konsequente Anerkennung, wenn über­haupt die Absicht des Gewalthabers, weil im Verkehrsleben nicht erkennbar, als für den Besitzesbegriff irrelevant bezeichnet wird. Es kann dieses Moment für die Beteiligten, d. h. für die Beziehung unter ihnen selbst je nach Umständen von grosser Bedeutung sein. Für die Wirkung des Besitzes in der Rechtsordnung ist es unwesentlich. Hier hat man nur mit der äusserlich wahrnehmbaren Gewalt über die Sache zu rechnen. Damit fallen, und dies ist ein praktisch eminenter Vorteil dieser Ordnung, alle die Schwierig­keiten in der Feststellung des „animus possidendi" dahin. Dabei darf auch hervorgehoben werden, dass die Rechtsordnung mit einer solchen Besitzesumschreibung zu der volkstümlichen Auffassung zurückkehrt, die bei uns niemals untergegangen und von der Doktrin und Gesetzgebung, unter dem Einflusse des gemeinen Rechtes, erst in neuerer Zeit verlassen worden ist. Dass ein Unterschied zwischen der körperlichen Innehabung und einem engeren, irgend­wie zu umschreibenden Besitzesverhältnis gemacht wird, ist ja gewiss begründet, allein nur nach einer Richtung, die für die Wirkung des Besitzes im Verkehr gar keine Bedeutung hat. So erklärt es sich auch, dass die Unterscheidung zwischen Besitz und Innehabung sich in der volkstümlichen Sprache und Auffassung gar keinen Eingang zu verschaffen vermocht hat. Der Entwurf ruht daher auf einem festen und breiten Grunde, wenn er diese Unterscheidung fallen lässt, soweit es sich um die äussere Aner­kennung des Besitzes in seinen Rechtsfolgen handelt. Hat jemand eine Sache inne, ohne daran auch nur das mindeste Recht zu beanspruchen, so liegt ja schon in dieser Voraussetzung, dass er es zu keinem irgendwie die Rechtsordnung berührenden Konflikt wird kommen lassen. Sobald er aber ein Recht daran behauptet, die Sache also in irgend einer Weise zu behalten beansprucht, so liegt ein Verhältnis vor, das als Besitz anerkannt werden und zu besondern Rechtsfolgen führen muss. Was für die Rechts­ordnung Bedeutung erhält, ist stets der Besitz, und zwar ohne jede weitere als die äusserliche Charakterisierung. Was dagegen rechtlich gar nicht anerkannt sein will, hat für die Rechtsordnung keine Bedeutung, und was auf die innere Absicht der Beteiligten abstellt, gehört vor ein Forum, das nicht auf dem Gebiete der Besitzesordnung liegt.
Der zweite Vorzug der vorgeschlagenen Ordnung liegt darin, dass sie für die in der neueren Gesetzgebung geschaffenen Rechts-



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folgen der Besitzesübertragung ein allgemeines Prinzip schafft, das geeignet ist, alle die Unklarheiten zu beseitigen, die sich notwendig mit dem Aufbau der einem andern Grundsatz entsprin­genden Besitzeswirkung auf der gemeinrechtlichen Grundlage ver­knüpfen mussten. Zurückführung einer Reihe von gesetzgeberischen Vorschriften auf ein allgemeines Prinzip bedeutet immer eine Verbesserung der Rechtsordnung. Die damit zu gewinnende Ein­fachheit macht die Ordnung verständlicher und vermag auch bei der Weiterentwicklung grosse Dienste zu leisten. Man hat es an den Bestimmungen des OR über den Schutz des gutgläubigen Erwerbes von Mobilien, insbesondere Art. 205 und 206 (1) erfahren, wie willkürlich solche Regeln sind und wie schwer in ihrer Trag­weite abzugrenzen, wenn sie sich mit der gemeinrechtlichen Besitzeslehre verbinden müssen. Ist der gutgläubige Erwerber einer gestohlenen Sache nach Art. 206 Eigentümer oder nicht? Unsere mit gemeinrechtlichen Begriffen arbeitende Literatur zu diesem Artikel hat die Frage im allgemeinen verneint, die mit den alten Anschauungen der Coutumes arbeitende französische Praxis hat sie umgekehrt bejaht, und gewiss mit Recht. Mit der Verschiedenheit der Beantwortung aber verknüpft sich eine ganz verschiedene Auffassung der Stellung der Mobiliarersitzung zu dem Erwerb der Sache. Richtig ist und ausschlaggebend die Auf­fassung, dass Art. 205 und 206 im Besitz die äussere Darstellung des dinglichen Rechtes betrachtet wissen wollen, der gegenüber es auf die materielle Berechtigung im gutgläubigen Verkehr gar nicht ankommen soll, sodass in der Vorschrift des Art. 206 nur eine Beschränkung der an sich gegebenen Wirkung des gut­gläubigen Erwerbes erblickt werden darf.
Drittens verbindet sich mit der vorgeschlagenen Ordnung der Vorteil, dass die peinliche Unterscheidung der Rechts- und der Besitzesstreitfrage der Hauptsache nach beseitigt wird. Die gemeinrechtliche Grundlage, von der unsere kantonalen Rechte freilich ausgegangen sind, vermochte es nicht zu verhindern, dass in der Praxis, und zwar oft im Gegensatz zu dem Wortlaut der Gesetzbücher, die Verbindung der beiden Verhältnisse, wie sie alten Rechtes war, wieder hergestellt worden ist. Wir brauchen eine solche Scheidung gar nicht, wenn wir es einfach zugeben, dass in der äusseren Gestalt des dinglichen Rechtes an der Sache, im Besitz, auch zugleich über das Recht verhandelt wird. In gar vielen Fällen wird es dabei gar nicht nötig sein, das Recht überhaupt besonders hervorzuheben. Es kommt im Verhältnis des
(1) OR von 1881.



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Besitzers im Gegensatz zu einem Vorbesitzer, der den Besitz unfreiwillig verloren hat, gar nicht auf das materielle Recht an, sondern auf den Schutz in diesem Falle des frühern Besitzes und im Falle des freiwilligen Besitzesverlustes des gegenwärtigen Besitzes. Der materielle Rechtsstreit kleidet sich also in das Gewand des Streites über die Besitzesverhältnisse und gewinnt damit an Klarheit und Einfachheit. Selbstverständlich ist die materielle Seite der Sache darob durchaus nicht beseitigt. Sie wird nur in bezug auf den Verkehr hinter die äusserlich formelle hintangesetzt, um dadurch selbst an Kraft und Sicherheit für den Verkehr zu gewinnen. Das materielle Recht kommt dabei nicht zu kurz. Der Eigentümer der beweglichen Sache behält durchaus das Recht, sein Eigentum nach Art. 644, Abs. 3,(1) von jedermann zurück- und herauszuverlangen. Allein einerseits hat er es nicht nötig, hierfür den Eigentumsbeweis zu führen, sondern es genügt, wenn er den unfreiwilligen Besitzesverlust oder den bösen Glauben des jetzigen Besitzers bei freiwilliger Besitzesaufgabe dartut, anderseits aber kann er sich auf sein Eigentum nicht mehr berufen, sobald der jetzige Besitzer die Sache in gutem Glauben zu Eigen­tum übertragen erhalten hat unter freiwilliger, direkter oder indirekter Aufgabe des Besitzes durch den bisherigen Eigentümer, oder bei unfreiwilligem Verlust und gutgläubigem Erwerb eine gewisse Frist abgelaufen ist.
Man hat dabei die Frage aufgeworfen, ob denn der Erwerber in gutem Glauben wirklich das Eigentum oder nur den rechtlich geschützten Besitz erwerbe. Die Antwort kann keine Schwierig­keiten bereiten. Wer auf Grund eines Veräusserungsgeschäftes eine bewegliche Sache zu Eigentum übertragen erhält, der gewinnt gemäss Art 707 (2) das Eigentum. Im Rechtsstreit aber braucht davon gar nicht gesprochen zu werden. Der Besitzer tritt auf Grund seines Besitzes dank der äusserlichen, zunächst im Rechte anerkannten Gestalt des Eigentums als Eigentümer auf und kann es abwarten, ob der frühere Besitzer darzutun vermöge, es sei diese äussere Form nicht berechtigt und habe deshalb eine andere Ordnung Platz zu greifen. Der frühere Besitzer mag diese Folge sich mit dem Nachweise erstreiten, dass er innerhalb der gesetz­lichen Frist den Besitz ohne seinen Willen verloren, oder dass der Beklagte in bösem Glauben die Sache erworben oder gar nicht auf rechtlichem Wege erhalten habe. Jedenfalls aber verlangt man von dem jetzigen Besitzer nicht, dass er neben der äusserlichen Herstellung seiner Legitimation im Besitzeserwerb auch noch näher
(') ZGB 641, Abs. 2. (2) ZGB 714.






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darlege, dass ihm das Eigentum wirklich habe in dem gegebenen Falle übertragen werden können.
Die grundsätzlich gleiche Ordnung findet siech für den Mobiliar­verkehr bereits in Art. 199 ff. des OR(1) aufgestellt. Allein in diesem Gesetz wird die Ordnung ausdrücklich unter den Eigen-tumserwerb gestellt, während sie der Entwurf mit der Besitzes­ordnung verbindet. Diese Verschiedenheit erklärt sich aus der verschiedenartigen gesetzgeberischen Voraussetzung, die bei der Aufstellung des Entwurfes und bei dem Erlass des OR gegeben war. Bei der letzteren war es nicht möglich, das Sachenrecht im allgemeinen und namentlich nicht das Besitzesrecht in den Rahmen der Gesetzesordnung zu bringen. Umgekehrt musste der Gesetz­geber darauf denken, eine Ordnung zu schaffen, die den verschie­denen kantonalen Sachenrechten sich einigermassen gleichmässig-anschloss. Wie sehr dann doch über das Verhältnis dieser sachen­rechtlichen Ordnung zum kantonalen Recht, mit Hinsicht auf die sachenrechtlichen Erwerbsarten und insbesondere die Ersitzung, Zweifel entstanden sind, ist schon oben angedeutet worden. Anders nun bei dem vorliegenden Entwurf. Hier kann ohne jede Schwierig­keit diejenige Ordnung gewählt werden, die sich nach der Natur der Sache am richtigsten dem allgemeinen Systeme anpasst. Dann aber kann kaum bezweifelt werden, dass die Anpassung durch das Mittel der Besitzesordnung eine grössere Klarheit in der Rechts­ordnung darbietet, als die Verweisung in das Eigentumsrecht. Man könnte allerdings auch an eine Behandlung in beiden Zusammen­hängen denken, wie dies im deutschen BGB unter Trennung der Ordnung nach Eigentums- und Besitzesrecht geschehen ist. Allein für Nichtfachleute wird dadurch leicht eine Irreführung bewirkt. Dagegen würde es allerdings keine Bedenken erwecken, in dem Titel über das Fahrniseigentum eine Verweisung auf die Ordnung des Besitzes in seiner Verkehrsfunktion und auf deren Zusammen­hang mit der Klage des Mobiliareigentümers aufzunehmen.(2) Ein Gleiches würde dann vielleicht auch betreffend das Grundbuch beim Grundeigentum zu geschehen haben. Wir hielten beides für entbehrlich, und man darf erwarten, dass diese Verweisung um so weniger vermisst werden wird, je mehr sich die Doktrin und Praxis von den Lehren einer auf anderen Grundlagen arbeitenden Überlieferung frei und mit den den vorliegenden Entwurf beherr­schenden Prizipien vertraut gemacht haben.





(1) OR von 1881. (2) Dies ist geschehen mit ZGB 714. Abs. 2. Vgl. oben S. 128, Anm. 2.










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II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.
A. Begriff und Arten des Besitzes, Art. 961 bis 963. (1) Wir haben bereits hervorgehoben, dass der Entwurf den Besitz nicht anders charakterisieren will, als durch die Tatsache der körperlichen Gewalt über die Sache. Bei Rechten kann derselbe Besitzesbegriff auf die Tatsache der Ausübung gegründet werden, sei es, dass man die Leistungen des Verpflichteten empfängt oder dass man gewisse Handlungen gegenüber einem solchen betätigt. Dabei wird es aber genügen, diese Ausdehnung des Besitzes auf die Fälle zu beziehen, wo ein dingliches Recht solchen Besitz darstellt, wie bei Grundlasten und Grunddienstbarkeiten. Denn bei den anderen Dienstbarkeiten hat der Berechtigte den Besitz der Sache selbst, und bei den persönlichen Rechten ist die Ausdehnung kein Bedürfnis. Daneben ist selbstverständlich die Ausdehnung der Besitzesordnung auf den Rechtsbesitz auch nur insoweit denkbar, als die Besitzesvorschriften nicht das Vorhandensein einer wirk­lichen Sache zur Voraussetzung haben. Bei der Besitzesstörung des Art. 970 (2) kann darüber kein Zweifel bestehen, dass sie sicli auch auf den Rechtsbesitz bezieht, ebenso werden die Art. 962 und 963, (3) ferner Art. 975 und 983 (4) auf diesen anwendbar sein, während die Beziehung des Art. 968 (5) auf den Besitz an einer Grunddienstbarkeit nicht bezogen werden kann und vollends die ganze Ordnung der Übertragung (Art. 964 ff) (6) und der Rückleistungspflicht (Art. 980 ff.)(7) sich der Anwendbarkeit auf Grund-­ dienstbarkeiten und Grundlasten entzieht.
Nun kann aber die tatsächliche Gewalt in sehr verschiedenem Sinne gegeben sein, und man würde der Natur der Umstände nicht gerecht, wenn man nur die tatsächliche Innehaltung der Sache als Besitz gelten lassen wollte. Wir denken an die Fälle, wo jemand die Sache einer Person übergibt, die unter einer recht­lichen oder auch bloss tatsächlichen Gewalt des Besitzers sich befindet. Die Gewalt über die Sache wird in solchen Fällen mittel­bar, d. h. durch die zweite, die Sache unmittelbar in ihrer Gewalt habende Person ausgeübt. Darnach wird man dann allerdings zwei Fälle des Besitzes unterscheiden müssen, den direkten und den indirekten Besitz. Allein diese Bezeichnung weckt die Vorstellung, als ob die Person, die unmittelbar die Sache in der Gewalt hat, sich in der dominierenden Stellung befinde, während das Verhältnis
(1) Vgl. ZGB 919 bis 921. (2) ZGB 928. (3) ZGB 920, 921. (4) ZGB 937, 941. (5) ZGB 926. (6) ZGB 922 ff. (7) ZGB 938 ff., unter dem Randtitel „Verantwortlichkeit".



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regelmässig gerade das umgekehrte ist. Richtiger würde es daher wohl sein, wenn man denjenigen Besitz, der ohne jede Abhängig­keit von einem Anderen ausgeübt wird, den selbständigen, den­jenigen aber, der sich in einer solchen Abhängigkeit befindet, den unselbständigen nennen würde, eine Terminologie, die der Entwurf in das Marginale zu Art. 962 (1) aufgenommen hat. Mit dieser Unterscheidung gewinnen wir in jedem Falle das Resultat, dass auch derjenige den Besitz hat, der die Sache nur dadurch beherrscht, dass er sie jemand anderem übergibt, der in seiner Abhängigkeit steht und tatsächlich auch sie nicht für sich besitzen will. Der mittelbare Besitz des deutschen BGB, oder der selbständige Besitz nach dem Entwurf ist ihm gewahrt, solange dieser Gewalt gemäss tatsächlich verfahren wird. Der Pferdeeigentümer behält also den Besitz an dem Pferde, auch wenn er es einem andern zur Miete überlässt, solange dieser es als Mieter in seiner Gewalt hat. Er hört aber allerdings auf, Besitzer zu sein, sobald der tatsächliche Besitzer nicht mehr Mieter, sondern Eigentümer der Sache zu sein behauptet. In diesem Falle hat die Gewalt über die Sache, auch als mittelbare, für jenen ein Ende genommen, und es bleibt ihm unter Umständen nur eine Klage aus dem früheren Besitze oder aus dem Eigentum.
Ebenso muss aber auch der zweite, der die Sache in seiner körperlichen Gewalt hat, als Besitzer gelten: er ist der unselb-­ ständige Besitzer, sobald er die Sache zu einem dinglichen oder persönlichen Rechte innehat. Also sind der Nutzniesser und der Faustpfandgläubiger Besitzer, ebenso aber auch der Mieter, der Pächter, der Depositar, der Kommodatar. Denn sie alle haben über die Sache eine Gewalt, eben die, die ihnen von dem selbständigen Besitzer eingeräumt worden ist. Wie nun aber in den Fällen, in denen der selbständige Besitzer seine Gewalt gleichfalls nicht im Augenblicke tatsächlich ausübt, während er doch durchaus nicht einer anderen Person an der Sache ein Recht, nicht einmal das geringste persönliche Recht einräumen will? Ist er da alleiniger Besitzer geblieben, oder muss derjenige, der in der Lage sich befindet, die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben, auch als Besitzer anerkannt werden?
Man hat sich Mühe gegeben, diese Fälle gesetzgeberisch abzugrenzen, und es ist auch klar, dass deren genaue Umschreibung praktisch grosse Dienste zu leisten vermöchte. Man denke nur an
(') Das Gesetz hat sie in den Text aufgenommen, Art. 920, Abs. 2. wobei als selbständiger Besitz der Besitz dessen bezeichnet worden ist, der die Sache „als Eigentümer" besitzt.



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die Unterscheidung von Diebstahl und Unterschlagung und die Verschiedenheit der Folgen, die aus dem einen und andern Ver­hältnis betreffend die Vindikation der Sache gezogen werden müssen. In älteren Rechten hat man sich mit einer Aufzeichnung der einzelnen Fälle geholfen, in denen die Sachen als anvertraut oder als gestohlen angesehen werden sollen, so z. B. indem man sagte, Dienstboten, Familienglieder, oder auch Handwerker seien bei der Veruntreuung von Sachen der Herrschaft oder ihrer Ange­hörigen als Diebe zu beurteilen. Vgl. Schweiz. PR. IV, S. 750. Eine allgemeine Umschreibung findet sich in § 855 des deutschen BGB, allein sie hat in der Doktrin und Praxis nicht recht befriedigt und auf der einen Seite ebensoviel zur Verwirrung als auf der andern zur Abklärung beigetragen. Der Entwurf hat es ebenfalls mit verschiedenen Formulierungen versucht. Zuerst wurde vorge­schlagen zu sagen: „Wer den Besitz für einen Andern ohne eigenes, dingliches oder persönliches Recht auf den Besitz, wie der Ver­walter oder die Dienstboten, ausübt, kann aus dem Besitz keine Ansprüche erheben und auch als Besitzer niclit belangt werden. Dagegen ist er befugt, sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt zu erwehren." Nach Ablehnung dieser Fassung wurde eine zweite vorgelegt: ,Wer die Sache eines andern in seiner Gewalt hat ohne jedes eigene Recht darauf, sei es im Haushalt oder im Gewerbe oder sei es vorübergehend unter seinen Augen oder in seinen Räumen, ist nicht Besitzer. Dagegen ist er jedem Dritten gegen­über befugt, sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt zu erwehren.'' Auch diese Formulierung erwies sich aber nicht als förderlich, sobald gewisse einzelne Fälle an ihr durchgeprüft wurden. Man machte geltend, dass das OR bis jetzt im Mobiliarsachenrecht auch keinen solchen Vorbehalt enthalten habe, ohne dass sich dies in der Praxis als eine Lücke im Gesetze spürbar gemacht hätte, und am Ende gelangte man in den Vorberatungen dazu, überhaupt eine jede solche besondere Vorschrift abzulehnen und es bei der allgemeinen Regel bewenden zu lassen. Dieses Ergebnis scheint uns denn auch den Verhältnissen vollauf zu entsprechen. Die Folgen, die sich daraus ergeben, harmonieren mit einer richtigen Auffassung des Besitzesbegriffes. In jedem einzelnen Falle hat man auf das Verhältnis der tatsächlichen Gewalt zurückzugreifen und gelangt dabei, wenn der Besitzer seine tatsächliche Gewalt nicht mehr mit eigenen Händen, sondern nur durch die Hände eines andern ausübt, Unbestrittenermassen und ohne Schwierigkeit zu dem einen Ergebnis, dass er auch in solchem Falle Besitzer ist. Ob aber der die Gewalt unmittelbar Ausübende Besitzer, und zwar unselbständiger, sei, das hängt von den Tatbestandsmomenten



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des gegebenen Verhältnisses ab. Vier Möglichkeiten lassen sich hierbei unterscheiden:
1.     Wenn der selbständige Besitzer die tatsächliche Gewalt durch den andern in der Weise ausüben lässt, dass er ihm ein Recht gegen sich selbst, also eine bestimmte dingliche oder per­ sönliche Rechtsstellung zur Sache einräumt, so wird auch dieser Besitzer, und zwar unselbständiger. Er lässt den selbständigen Besitz des andern neben sich bestehen, bis er etwa die Sache unterschlagen würde, womit die indirekte tatsächliche Gewalt des erstern eben notgedrungen ein Ende nehmen und sein Besitz auf-­ hören müsste.
2.   Wenn der selbständige Besitzer die Sache zwar nicht in seiner eigenen Gewalt hat, sie aber so in die Gewalt eines andern gibt, dass er seine beliebige Verfügung daran behält und nur auf freies Zusehen hin dem Beauftragten die Gewalt belässt, so liegt der Fall offenbar insofern anders, als man schwerlich wird sagen können, der Beauftragte habe ein Recht an der Sache oder auf deren Besitz. Er kann sie dem selbständigen Besitzer aus keinem Rechtsgrund vorenthalten, weder aus persönlichem noch aus ding­lichem Recht. Die Gewalt aber, die der selbständige Besitzer über die Sache ausübt, kann gegenüber dem sie tatsächlich in der körperlichen Gewalt habenden in verschiedenem Sinne gegeben sein. Es kann eine rein prekaristische Übergabe sein, wie z. B. wenn jemand einem andern in seiner Gegenwart ein Buch oder Bild zum Beschauen überreicht. Dann hat der Empfänger auf Grund des Verhältnisses zu jenem keine körperliche Gewalt über die Sache, die irgend eine rechtlich relevante Gestalt angenommen hätte, und er ist nicht Besitzer, auch nicht unselbständiger. Oder die Sache kann sich in den Räumen und im allgemeinen Gewahrsam des selbständigen Besitzers befinden, ohne dass seine Gewalt daran körperlich in jedem Augenblick und für jedermann sofort in die Augen spränge. Der Beauftragte hat wohl die allgemeine Möglich­keit, diese Sachen anzugreifen und an sich zu ziehen, aber sein Auftrag geht nicht dahin, wie bei den Dienstboten und Arbeits­ leuten im allgemeinen. Auch da wird man an der einzelnen Sache dem so allgemein Beauftragten keinen Besitz, auch nicht unselb­ständigen, zuschreiben dürfen. In den beiden Erscheinungsformen dieser zweiten Möglichkeit würde also nur einer als Besitzer, und zwar als selbständiger Besitzer zu betrachten sein.
3. Es ist möglich, dass in dem allgemeinen Auftrag an Bedienstete, Arbeiter, Verwalter indirekt auch die Vollmacht liegt, mit einer bestimmten Sache in bestimmter Weise zu verfahren. Zwar behält auch hier der Herr die Gewalt über die Sache.



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Allein im Verkehr mit andern kommt für den Beauftragten ein neues Moment hinzu. Der Beauftragte erhält die Berechtigung, diesen gegenüber diese Sachen nun auch wirklich in seiner unmittelbaren körperlichen Gewalt zu haben, sei es ein Werkzeug, eine Gerätschaft, ein Material irgendwelcher Art. Dadurch erhält der Beauftragte mit Willen des selbständigen Besitzers eine Stellung die für den Verkehr ihn zum Besitzer stempelt. Wenn er die Sache hat, so hat er sie nicht gegen den Willen des andern in seiner körperlichen Gewalt. Sie ist ihm in besonderem Sinne anvertraut, und deshalb müssen sich mit dieser Gewalt alle Besitzesregeln verknüpfen, die für die anvertrauten Sachen Geltung haben. Dabei wird sich häufig aus den Umständen eine solche Anvertrauung ohne jedes Bedenken ableiten lassen. Der Knecht wird auch Dritten gegenüber, und ohne dass diese nach den Umständen den bösen Glauben gegen sich gelten lassen müssten, unselbständiger Besitzer, wenn er ein Werkzeug in der Hand hält, das gerade zu dem Gebrauch durch ihn bestimmt ist. Man denke auch an die Verfügung über Wertpapiere durch den Sekretär des Privatiers, an die Verfügung über Küchenabfälle durch die Köchin, an die Verfügung über Sämereien durch den Gärtner im Landgut seines Dienstherrn. Darauf lässt es sich auch zurück­führen, wenn der Bedienstete in allen Fällen die Sachen seiner Herrschaft, die er in seine körperliche Gewalt bekommen kann, gegen verbotene Eigenmacht verteidigen darf: Es ist durchaus zulässig, anzunehmen, dass für solche Fälle die Herrschaft ihre Bediensteten mit dem Besitze beauftragt wissen wolle, so das hier das Recht zur Gewalt über die Sache wiederum auf die Natur des zugrunde liegenden Verhältnisses abgestellt werden kann.
4. Endlich ist aber auch noch der Fall zu bedenken, wo der selbständige Besitzer dem Angestellten oder Bediensteten die Sache auch nicht in der unter Ziff. 3 betrachteten Weise anvertraut hat,, der Bedienstete aber die Möglichkeit, die tatsächlich gegeben ist, benützt, um die Sache in seinen Besitz zu nehmen. Dann liegt der Fall gerade so, wie wir ihn unter Ziff. 1 am Schlusse ange­merkt haben: Der Beauftragte niasst sich etwas an, wozu er kein Recht hat, wozu ihm aber die Möglichkeit gegeben ist. Diese Möglichkeit war noch nicht Besitz, sowenig wie der Dieb die Sache in Besitz hat, die er zu stehlen Gelegenheit hat, bevor sie von ihm wirklich gestohlen ist. Sobald aber der Beauftragte die Gelegenheit wahrnimmt und die Sache sich tatsächlich aneignet, dann hat er wirklich Besitz mit allen den Folgen, die daraus nach den Besitzesregeln abzuleiten sind. Sein Besitz ist aber kein anvertrauter, der selbständige Besitzer hat ihn wider seinen Willen



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verloren, es liegt für das Besitzesrecht der Fall des Diebstahls vor. Ebenso luzid gestaltet sich das Verhältnis, wenn man sich denkt, der Beauftragte will die Sache nicht stehlen, er nimmt sie zu Händen, allerdings ohne Auftrag und ohne Berechtigung, aber in der Absicht, den Herrn im Besitze zu belassen, er masst sich also daran nur ein persönliches oder ein beschränktes dingliches Recht an und nicht, wie der Dieb, das Eigentum. Man wird in diesem Falle auch nicht sagen können, die Dienstherrschaft habe die Sache dem unselbständigen Besitzer anvertraut, allein sie hat den Besitz auf Grund der beschränkten Aneignung durch den Bediensteten auch nicht verloren und es ergeben sich wieder eigenartige Folgen, die jedenfalls den letztern als Besitzer zu beschränktem Recht zum Ausgangspunkt nehmen müssen.
Das Resultat, zu dem man bei dem Schweigen des Gesetzes für alle diese Möglichkeiten gelangt, ist also ein relatives. Allein diese Relativität ist kein Fehler des Gesetzes, denn sie entspricht der Wirklichkeit der Verhältnisse. Der Bedienstete soll darnach an sich keinen Besitz an der Sache haben. Sein Dienstauftrag kann es aber in sich schliessen, dass er den Besitz an der Sache erhält und dass jedermann in gutem Glauben ihn als Besitzer betrachten darf, sobald er es nicht anders weiss. Und ferner kann sich der Bedienstete selber zum Besitzer machen, sei es unter Aus­schluss des selbständigen Besitzes der Herrschaft oder ohne diese Folge. Je nachdem wird sich alsdann aus dem Besitzesrecht für solche Fälle eine verschiedene Folge ableiten. Aus den Umständen wird sich ergeben müssen, ob Anvertrauung oder Diebstahl vor­liegt und ob Art. 976 oder 977 (1) anwendbar ist. Wir haben uns überzeugt, dass dieses Ergebnis vor jeder gesetzlichen Umschrei­bung den Vorzug verdient, und zwar gerade deshalb, weil es auf die Mannigfaltigkeit der hier sich darbietenden Fälle alle nötige Rücksicht nimmt, ohne doch den Verkehr unsicher zu machen.
Endlich ist noch auf einen Fall hinzuweisen, den der Ent­wurf nicht direkt beantwortet, wenngleich Art. 865, Abs. 3,(2) darauf Bezug nimmt: der Fall des Mitbesitzes. Miteigentümer haben sicherlich unter Umständen Mitbesitz. Ebenso können aber auch Eigentümer und Nichteigentümer, z. B. Eigentümer und Niessbraucher, Eigentümer und Pfandgläubiger eine Herrschaft über die Sache haben, die sich als Mitbesitz charakterisiert. Wenn z. B. das historische Museum in Bern die Monstranz der Gemeinde Laufen in seiner Verwahrung hat, so liegt zwar ein Fall vor, bei dem der eine selbständigen und der andere unselbständigen Besitz hat
(') ZGB 933, 934. (2) ZGB 884, Abs. 3.



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und kein Mitbesitz gegeben ist. Wenn aber der Deponent und der Depositar sich so verabreden, dass die deponierten Sachen unter einem gemeinsamen Verschluss gehalten werden, so dass sie nur gemeinsam darüber verfügen können, so haben sie gemeinsam die körperliche Gewalt über die Sache und damit auch den Mitbesitz. Nicht der gleichzeitige Besitz mehrerer charakterisiert sich also als Mitbesitz, sondern die nach den Umständen geschaffene gemein­same Verfügungsgewalt.
Der vorübergehende Verlust der körperlichen Herrschaft führt an sich die Aufhebung des Besitzes nicht mit sich, ebenso nicht eine bloss vorübergehende Verhinderung (Art. 963). (') In der Regel wird hier durch Stellvertreter ohne eigene Gewalt für dessen Fort­setzung gesorgt sein. Allein auch wo dies nicht der Fall ist, kann in einem solchen Vorkommnis kein Umstand erblickt werden, der in rechtlich relevanter Weise die tatsächliche Herrschaft unter­bricht. Man denke an die vorübergehende Bewusstlosigkeit des Besitzers, oder die momentane Verlegung eines Gegenstandes. Diese Regel war anfänglich in Verbindung mit einer Ordnung des Verlustes des Besitzes in den Entwurf aufgenommen, erschien aber gegenüber der ausführlichen Regelung der Besitzesübertragung schliesslich nicht mehr als notwendig. Zur Klärung der Verhält­nisse, namentlich beim Ersitzungsbesitz und der Klage aus Besit­zesstörung, hat es sich aber doch empfohlen, wenigstens die all­gemeine Regel des Art. 963 (2) stehen zu lassen. .
B. Übertragung, Art. 964 bis 967. (3) Der Entwurf enthält keine Bestimmungen über den Erwerb und den Verlust des Besitzes im allgemeinen. Der Erwerb bestimmt sich deutlich genug nach den Begriffsmerkmalen: Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache erworben hat, der ist eben dadurch auch in ihren Besitz gelangt. Nur in einer Beziehung begegnet uns eine scheinbare Ausnahme. Nach Art. 577, Abs. 2, (4) setzt der Erbe den Besitz des Erblassers von Gesetzes wegen fort, ohne Unterbruch und ohne einer beson­deren Einweisung oder Übertragung zu bedürfen. Diese, unseren alten Rechten entnommene Ordnung (vgl. Schweiz. PR IV, S. 669: mortiuis revestit vivuin) erklärt sich aus der Vorstellung, dass der Erbe in die gesamte Willens- und Machtsphäre des Erblassers von Gesetzes wegen eintrete und sie auf sich übertragen erhalte. Soweit also der Erblasser zur Zeit seines Todes als Besitzer betrachtet werden konnte, und dies ist natürlich immer die Voraussetzung der
(') ZGB 921. (3) ZGB 921. (3) Vgl. ZGB 922 bis 925. (4) ZGB 560, Abs. 2.



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Nachfolge in den Besitz, soweit ist auch der Erbe in der Besitzes- macht an seine Stelle getreten. Der Erbe in Amerika wird also im Moment des Todes seines Erblassers Besitzer der Erbschafts­sache, die der Erblasser in der Schweiz besessen und hinterlassen hat. Dies geschieht freilich unter der selbstverständlichen Ein­schränkung, dass der Erbe den Besitz verlieren kann, wie er dem Erblasser selbst hätte verloren gehen können, und dass der Erbe auch selber nichts unternehmen darf, was den Besitz aufheben würde. Allein er ist eben doch Besitzer, obgleich er eine tatsäch­liche Gewalt über die Sache weder hat noch je gehabt hat. Diese Anomalie erscheint nun aber in ganz anderem Licht, wenn man bedenkt, dass nach dem eben Gesagten der Erbe den Besitz doch nur erwirbt und behält, weil und so lange niemand anders ihn erwirbt, und die erbrechtliche Regel läuft also auf den Grundsatz hinaus, dass, wie im Rechte, so auch im Besitz kein Zeitraum ein­treten soll, wo niemand Berechtigter oder Besitzer der Sache ist. Würde ein wirklicher Gewalthaber an der Sache dem Erben gegen­über stehen, so hätte es mit seiner Fortsetzung des Besitzes des Erblassers ein Ende. Nur weil niemand sonst die Sache besitzt, vermag sich der Gedanke zu erhalten, dass der Erbe den Besitz des Erblassers fortsetze. Im übrigen erkennt man leicht, dass die Beziehung zum Rechtsschutz in dieser Ordnung Ausdruck findet. Der reine Besitzesschutz vermag in ihr nicht lebendig zu werden, der Erbe wird jedenfalls von dem Rechtsmittel des Art. 968 (1) in der Hauptsache tatsächlich keinen Gebrauch machen können, solange er eben nicht in der Lage ist, den Angreifer selbst zu vertreiben. Bei den Klagen dagegen, namentlich den auf das Recht selbst zielenden, wird das Verhältnis so behandelt, als wäre der Erbe die Person des Erblassers selber.
Der Verlust des Besitzes steht unter der Wirkung der Be­griffsbestimmung wie der Erwerb, allein diese äussert sich ihm gegenüber etwas anders. Von einer Erhaltung des Besitzes durch den „animus", wie im Gemeinen Recht, kann hier zwar nicht gesprochen werden. Allein in der mit Art. 963 (2) aufgestellten Regel ist doch den Fällen Rechnung getragen, die ihre Berück­sichtigung in betreff der tatsächlichen Ausübung der Gewalt not­wendig finden müssen. Mit der Gewalt verbindet sich ja, wie schon oben hervorgehoben worden ist, immer der Wille, sie zu betätigen. Fehlt dieser, so besteht auch die Gewalt nicht, Solange aber der Wille zur Gewalt vorhanden ist und auch die Möglickeit, diesem Willen jederzeit Ausdruck zu geben, solange besteht die Gewalt
(') ZGB 926. (2) ZGB 921.



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selbst und damit auch der Besitz. Verlust des Besitzes tritt also ein, wenn entweder der Besitzer die Möglichkeit verliert, die Gewalt überhaupt tatsächlich auszuüben, oder wenn er den Willen, sie zu betätigen, aufgibt. Dagegen bedeutet die tatsächliche Nichtausübung der Gewalt an sich nicht den Untergang des. Besitzes.
Diese Folgerungen aus dem Begriff des Besitzes bedürfen keiner gesetzlichen Fixierung. Trotz ihrer Wichtigkeit für die Durchführung der Besitzesordnung sind sie doch, wie aus dem Gesagten deutlich hervorgehen sollte, an sich klar genug, um in der Rechtsanwendung beobachtet werden zu können. Nur eine Seite haben wir doch etwas näher zu betrachten, weil sich tat­sächlich an sie eine Reihe von Unsicherheiten geknüpft hat, die für das Verkehrsleben vermieden werden sollten, nämlich die Übertragung des Besitzes.
Die Übertragung ist eine der Arten, womit der Besitz für jemand verloren geht, wenn der Erwerber sich nicht als unselb­ständiger Besitzer neben den andern stellt. Besitzer wird man mit der Übertragung, den Verlust des Besitzes erleidet man nicht mit jeder Übertragung. Erworbener Besitz geht ohne besondere Übertragung auf den Erben über, vgl. Art. 577. (') Wird an einer Sache der Besitz aufgegeben oder verloren, so ist er für jeden der möglichen Besitzer verloren. Wird aber die Sache auf einen weiteren Besitzer übertragen, so kann neben diesem der bisherige Besitzer seinen Besitz behalten. Diese Regeln hatte der Entwurf ursprünglich direkt ausgesprochen. Sie wurden aber im Verlauf der Beratungen als selbstverständlich und daher entbehrlich gestrichen. Anders nun betreffend die Regelung der Übergabe selbst. Der Entwurf hat sich hier an das Obligationenrecht, Art. 199 —203, (2) angeschlossen. Es sind folgende Fälle .zu unter­scheiden :
1.     Die körperliche Übergabe von Hand zu Hand. Der Emp­fänger muss entweder die Sache selbst in seine Gewalt bekommen oder solche Mittel, die ihm diese Gewalt verschaffen, wie die Schlüssel zu dem Behälter, in dem die Sache sich befindet. Gemeint kann aber auch sein, dass der Empfänger nur einen Mitbesitz an der Sache erhält. Es braucht also seine Gewalt über die Sache keine absolute oder ausschliessliche zu sein.
2.   Unter Abwesenden wird es ein Bote oder Stellvertreter sein, der gibt oder empfängt. Gewiss kann dieser im Auftrage des Gebers oder des Empfängers handeln. Das Verkehrsbedürfnis macht
(') ZGB 560. (2) OR von 1881.



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es aber wünschenswert, dass der Frachtführer und der Bote als Vertreter des Gebers aufgefasst werden, solange nichts anderes feststeht. Es geschieht in Übereinstimmung mit der Auffassung, die im Verkehr vorherrscht, wenn der Entwurf in Art. 965, Abs. 2,(1) diese Bestimmung aufstellt.
3.   Ein Dritter oder der Geber selbst kann unter Umständen die Sache behalten wollen oder sollen, die zu übertragen ist. Vorausgesetzt ist dabei ein Rechtsverhältnis, auf dessen Grund­lage die körperliche Übergabe unterlassen wird. Beim Eigen­tumserwerb ist bereits auf die eigentümliche Folge hingewiesen worden, die der fortgesetzte Besitz beim Geber mit sich bringen kann, vgl. Art, 707, (2) und O.-R. Art. 202. (3) Behält der Dritte die Sache, so ist zweierlei zu ordnen: Sein Besitz im Namen des neuen Berechtigten beginnt mit der Mitteilung dieses Vorganges durch den Geber, und die Rückleistungspflicht darf gegenüber dem neuen Berechtigten nicht verschärft sein, so dass also der Dritte die Rückgabe dem Empfänger aus den gleichen Gründen ver­weigern darf, wie dem Geber. Doch ist dies natürlich nur auf die dingliche Berechtigung zu beziehen. Steht der Mieter dem Ver­mieter gegenüber, so hat er gegen diesen, insofern nicht eine Vor-­ merkung im Grundbuch (Art. 1002) (4) vorliegt, nur einen persön­ lichen Anspruch, der sich gegenüber einem neuen Eigentümer nicht in einen dinglichen verwandeln wird. Der Dritte vermag die Her­ausgabe also nur zu verweigern aus Gründen, die er als dinglich wirkende jedermann oder als persönlich wirkende gerade der Person des Empfängers gegenüber geltend machen kann. Retinieren darf er sie, wie wenn noch der Geber ihm gegenüber stände.
4.   Der Empfänger des Besitzes kann die Sache schon in seiner Gewalt haben (brevi manu traditio). Die Regel ist selbstverständlich. Deshalb wurde eine anfänglich in den Entwurf aufgenommene Bestimmung: „Befindet sich die Sache bereits in der tatsächlichen Gewalt des Empfängers, so erfolgt die Übergabe durch die Ver­abredung zwischen Geber und Nehmer, dass dieser nunmehr den Besitz des ersteren haben soll", weggelassen.
5.   Erfolgt die Übergabe einer Sache im Vollstreckungsverfahren, so gilt diese in dem Zeitpunkte als übertragen, wo sie dem Erwerber zugeschlagen oder dem Schuldner zum Zwecke der Ablieferung an den Empfänger durch den zuständignn Beamten weggenommen ist. Eine solche Vorschrift erscheint ebenfalls nach dem Ergebnis der Beratungen nicht als notwendig, indem dieses

(') Diese Bestimmnng; ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden. (2) Vgl. ZGB 717, und oben S. 119, Anm. 4. (3) OR von 1881. (4) ZGB 959.



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Verhältnis mit Art. 129 und 136 des Betreibungs- und Konkurs­gesetzes hinreichend geregelt ist. (1)
6. Die Übertragung durch Warenpapiere schliesst sich dem Art. 209 OR(2) an. Über die Konkurrenz der körperlichen Über­tragung mit der durch das Warenpapier bewirkten haben wir bereits bei Art. 881 (3) gesprochen. Frachtführer und Lagerhaus sind hier als zur Ausgabe von Warenpapieren zuständig vorausgesetzt, wobei aber selbstverständlich eine Fixierung der Voraussetzungen zur Ausübung des Gewerbes mit Inbegriff der Ausstellung von Waren­papieren vorbehalten bleiben muss, die durch das OR in der Ordnung der Wertpapiere (4) oder dann durch das öffentliche Recht erfolgen wird.
C. Die Bedeutung des Besitzes. I. Besitzesschutz, Art. 968 bis 971.(5)
Gemeint ist der Schutz des Besitzes an sich und ohne Beziehung auf das Recht des Besitzers. Er wird nur gegenüber verbotener Eigenmacht gegeben. In allen anderen Fällen verbindet er sich mit dem Rechtsschutze selbst.
Was verbotene Eigenmacht sei, kann, wenn dies für nötig erachtet werden sollte, anlässlich der Revision des OR bei Art. 56 ff. (6) gesagt werden. Hier genügt es, die Richtungen anzu­geben, nach denen die Eigenmacht eine verbotene sein soll, näm­lich in den Fällen der gewaltsamen und der heimlichen Ent­ziehung der Sache. Der Missbrauch einer Vergünstigung (precario) ist, im Gegensatz zu einer Reihe kantonaler Rechte, nicht genannt. Vgl. Schweiz. PR III, S. 111 ff. Wo diesfalls keine Gewalt oder Heimlichkeit vorliegt, haben wir entweder keine Störung, indem das sofortige Eingreifen unter Anwesenden es gar nicht zu einer tatsächlichen Gewalt des Gegners kommen lässt, oder es liegt eine Besitzeskontroverse vor und die Notwendigkeit, mit deren Entscheidung gleich die Regelung der Rechtsfrage zu verbinden.
Die drei Mittel, die der Entwurf zum Besitzesschutz gewährt, sind, in Übereinstimmung mit den kantonalen Rechten, durchaus persönlichen Charakters. Eine dingliche Klage gegen den Inhaber der Sache, aus dem Besitz und ohne Beziehung auf das Recht, kennt der Entwurf nicht. Vgl. Schweiz. PR III, S. 126 ff., 130 f., 132.
(1) Vgl. nunmehr auch OK 235. (2) OR von 1881. (3) Vgl. ZGB 902, und oben S. 330, Anm. 2. (4) Vgl. Beilage V dieses Bandes und OR 482. (5) Vgl. ZGB 926 bis 929. (6) OR von 1881, eine bezügliche Bestimmung ist in das revid. OR nicht aufgenommen worden. Vgl. höchstens OR 52, Abs. 3.



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Das erste persönliche Mittel, die Abtreibung der Gewalt mit Gewalt (Art. 968), (1) konnte in die Umschreibung gekleidet werden, in der es in den kantonalen Rechten (vgl. namentlich Freiburg, C. C. Art. 444 ff.) angetroffen wird. Die Ermahnung, sich jeder nicht gerechtfertigten Gewalt zu enthalten, ist nicht privatrecht­lich, rechtfertigt sich aber aus dem Grunde, weil eben doch in diesem Zusammenhang das Zivilgesetz die Gewalt als erlaubt bezeichnet.
Das zweite Mittel. Klage auf Wiedererlangung, Art. 969,(2) entspricht dem ,interdictum recuperandae possessionis" oder der „reintegranda" des späteren Rechtes.
Das dritte Mittel, Klage wegen Störung des Besitzes, Art. 970, (3) geht auf Beseitigung der Störung, Unterlassung fernerer Störung und Schadenersatz.
Beide Klagen sind ohne Verzug anzuheben, d. h. ohne mehr als die Zeit verstreichen zu lassen, die man für solche Dinge auch einem vigilanten Besitzer zugestehen muss. Überdies kann unter allen Umständen, auch wenn der Besitzer früher aus Mangel an Kenntnis des Sachverhaltes gar nicht in der Lage war. seine Rechte geltend zu machen, keine der beiden Klagen mehr geltend gemacht werden, nachdem ein Jahr seit der Entziehung oder der Besitzesstörung verstrichen ist. Die Frist ist die gleiche wie bei der Mängelrüge im Kaufgeschäft, OR Art. 257. (4)
II. Rechtsschutz. 1. Besitz und Recht. Art. 972 bis 975.(5) Die hier zusammengestellten Bestimmungen würden zum Teil nicht not­wendig sein, wenn die Gesetzgebung nicht mit den überlieferten gemeinrechtlichen Auffassungen zu rechnen hätte. Nach diesen hat der Besitz, abgesehen von einigen Nebenwirkungen und von der Publiciana, mit dem Rechte sozusagen nichts zu schaffen. In unseren Überlieferungen und nach den Anschauungen des modernen Verkehrslebens dagegen ist er die äussere Darstellung des ding­lichen Rechtes, indem, der Natur des Verhältnisses entsprechend, mit dem Besitz das Recht verbunden zu sein pflegt. Grundlegend für diese Formfunktion muss notwendig die Vermutung sein, dass dem Besitz dasjenige entspreche, was gemeiniglich in erster Linie durch ihn Ausdruck erhält, nämlich das Eigentum (Art. 972,
(1) ZGB 926. (2) ZGB 927. In Abs. 2 ist eingefügt, die Rückgabe könne verweigert werden, wenn der Beklagte sofort sein besseres Recht nach­weise und auf Grund desselben dem Kläger die Sache wieder abverlangen könnte. (3) ZGB 928. (4) ZGB 929, OR 210, Abs. 1. (5) Vgl. ZGB 980 bis 932 und 937.



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Abs. l).(') Erst wenn der Besitzer selber erklärt, nicht Eigentümer zu sein, fällt diese Vermutung auch ohne Nachweis eines anderen Verhältnisses dahin. Dafür aber kann sich der Besitzer alsdann auf dasjenige Recht, sei es ein dingliches oder persönliches, be­rufen, aus dem er zu besitzen vorgibt, und auch diese äussere Darstellung in seinem Besitze wird für das Recht genommen, so lange nichts anderes nachgewiesen ist (Art. 973, Abs. 2). (2) Dabei sind jedoch zwei Beziehungen zu unterscheiden: Der Besitzer kann in die Lage kommen, das Eigentum, aus dem heraus ihm das be­schränkte Recht begründet worden ist, behaupten zu müssen, und hierfür muss ihm eine gleichwertige Vermutung zur Seite stehen, wie sie der Eigentümer selbst als Besitzer für sich anrufen könnte (Art. 973, Abs. l).(3) Oder er hat sein eigenes Recht zu verteidigen, und dann hilft ihm die Vermutung dieses Rechtes (Abs. 2). Allein diese letztere Wirkung kann doch nur Dritten gegenüber Platz greifen. Zwischen dem Besitzer und demjenigen, von dessen Eigentum jener sein Recht ableitet, kann nur auf das innere Verhältnis abgestellt werden. Hat der Besitzer nach seiner eigenen Behauptung die Sache nur auf Grund einer besonderen Einräumung von Seiten des von ihm anerkannten Eigentümers, so wird er dessen Anspruch gegenüber auch gehalten sein, sein Recht zu beweisen (Art. 973, Abs. 3). (4) Das deutsche BGB hat in den §§ 1006, 1065, 1227 das Verhältnis in diesem Punkte anders geordnet, allein es scheinen uns keine triftigen Gründe und namentlich keine Verkehrsbedürfnisse dafür zu sprechen, es hier nicht bei der einfachen Konsequenz aus den grundlegenden Rechts­ sätzen bewenden zu lassen.
Diese Vermutungen haben verschiedene Rechtsfolgen. In erster Linie kann, wer aus dem Besitze klagt, seine Ansprüche nicht geltend machen, ohne dass zugleich sein Recht hineingezogen wird. Der Beklagte darf also sein besseres Recht geltend machen, obgleich nur aus dem Besitze geklagt wird (Art. 974, Abs. 2),(5) mit Ausnahme der Fälle, wo der Beklagte mit verbotener Eigenmacht den Besitz gestört oder entzogen hat (vgl. Art, 974, Abs. 1). (6) Sodann kann der Besitzer seine Stellung auch in der positiven Weise benutzen, dass er sein Recht (nicht nur seinen Besitz), d. h, das Recht, das er zu haben behauptet, auf einen andern überträgt, und ist dieser dabei in gutem Glauben, so wird sein Erwerb auch bei Mangel am Rechte des Gebers geschützt (Art. 976). (7) Denn
(') ZGB 930, Abs. 1. (2) ZGB 931, Abs. 2. (3) ZGB 931, Abs. 1. (4) ZGB 931, Abs. 2 am Schluss. (5) Vgl. ZGB 932. (6) Der Vorbehalt ist in ZGB 932 am Schluss aufgenommen, (7) ZGB 933.



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wer dem Besitzer traut, soll bei diesem im Verkehrsleben not­ wendig zu respektierenden Vertrauen geschützt werden, wäre es auch zum Schaden des wirklichen Berechtigten. Wir haben also eine doppelte Wirkung der Vermutung, die über dasjenige hinaus geht, was sonst mit einer Vermutung sich zu verbinden pflegt. Der Besitzer einerseits, auch wenn er nur aus dem Besitze klagt, muss sich die Aufwerfung der Rechtsfrage gefallen lassen, und der Besitzer anderseits, auch wenn man die Unrechtmässigkeit seiner Rechtsbehauptung nachträglich beweisen kann, hat doch dieses von ihm zu Unrecht behauptete Recht auf einen gutgläubigen Dritten übertragen, oder, richtiger gesagt, für diesen begründet. In beiden Richtungen liegt die eigentümliche Funktion des Be­sitzes als Form des Rechtes deutlich vor uns.
Diese ganze Wirkung kommt aber nur den beweglichen Sachen zu gute. Die Immobilien stehen unter einem andern formalen Rechte, sobald sie in das Grundbuch aufgenommen sind. Hier ist es die Grundbucheintragung und nicht der Besitz, was die frag­ liche Vermutung schafft. Vgl. Art, 975, Abs. 1, und Art. 1015. (') Nichtsdestoweniger hat der Entwurf sich nicht dazu entschlossen, etwa zu sagen, wer als Eigentümer des Grundstückes eingetragen, der sei dessen Besitzer. Freilich ist er es mit Hinsicht auf die genannten Rechtsfolgen, insofern, als er wie der Besitzer einer beweglichen Sache behandelt wird. Allein in anderer Hinsicht ist der tatsächliche Besitz am Grundstücke doch nicht ganz ohne rechtliche Bedeutung, denn der Besitzer kann sich auch ohne Ein­tragung der verbotenen Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Diese Befugnis steht dem Besitzer der beweglichen Sache zu, ohne dass er das Recht anzugeben hat, aus welchem er besitze, und ohne dass auf die Eigentumsvermutung Bezug genommen wird. Das Gleiche muss beim tatsächlichen Besitz am Grundstück Geltung haben. Die Eintragung beim Grundstück hat also in der Tat in der besprochenen Hinsicht gerade so viel, wenn auch nicht mehr Bedeutung, wie die Behauptung eines dinglichen oder per­sönlichen Rechtes an der Fahrnis in Verbindung mit dem Besitz derselben.

2. Verfügungs- und Rückforderungsrecht. Art. 976 bis 979. (2)
Die Verfügungsmöglichkeit auf Grund der Verbindung des Rechts mit dem Besitze an beweglichen Sachen haben wir soeben erläutert. Sie findet in diesen Bestimmungen die Anerkennung ins einzelne, und zwar, im materiellen Inhalt, unter völliger Anlehnung an

(') Vgl. ZGB 937 u. 973. (2) ZGB 933 bis 936.



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Art. 205 bis 208 des OR. (') Die Abweichung von diesen Bestim-­ mungen des geltenden Rechtes sind meist redaktionellen Charak­ters, suchen daneben dann aber allerdings in einzelnen Punkten auch etwelche Unklarheiten zu beseitigen, die in der bisherigen Gesetzesfassung gefunden worden sind. So ist dies namentlich für Art. 977 im Vergleich zu OR 206 hervorzuheben.(2) Wenn hier neben gestohlenen und verlorenen auch im allgemeinen Sachenr die dem Besitzer unfreiwillig abhanden gekommen sind, genannt werden, so bezieht sich diese Ausdehnung doch nur auf die Fälle des Mangels eines jeden Willens des Besitzers und begreift die des mangelhaften Willens, als Irrtum, Betrug, oder Erregung- gegründeter Furcht, nicht in sich. Für die Inhaberpapiere stellt Art. 978 den Ausschluss der Rückforderung bei gutgläubigem Er­ werbe allgemein fest, da der Vorbehalt, wie er in OR Art. 208 gemacht worden ist, nicht nur gegenüber der Gesetzgebung unserer Nachbarländer keinen rechten Sinn mehr hat, sondern auch in seiner praktischen Brauchbarkeit mit Recht angezweifelt worden ist. (3) Bei der Ordnung der Inhaberpapiere im OR wird man dafür ein Mittel vorzusehen haben, womit ohne Belästigung des Verkehrs eine Vinkulierung und hierdurch eine Erleichterung der Vindi­kation bewirkt werden kann.(4) Bei der Rückforderung gegenüber dem bösgläubigen Besitzer ist eine Klagenverjährung nicht vor­ gesehen. Ebenso auch nicht im gegenwärtigen Art. 207 des OR(5). Zur Zeit ist die Aufstellung einer allgemeinen Klagenverjährung Sache des kantonalen Rechtes, allein nur wenige haben eine solche aufgestellt. Sie scheint also kein allgemeines Bedürfnis zu sein. Würde man an deren Aufstellung im Entwurfe denken, so müsste dies mit einer Bestimmung geschehen, auf die wir auch schon an anderer Stelle hingewiesen haben und die ihren Platz sehr wohl im Einleitungstitel erhalten könnte.
Betreffend die Rückforderung von Sachen, die Dienstboten oder andere Personen in ähnlicher Stellung veruntreut haben, würde eine ausdrückliche Gleichstellung mit dem Recht der ge­stohlenen Sachen am Platze gewesen sein, wenn dieses Verhältnis bei Art. 962(6) besonders geordnet worden wäre. Unterblieb diese spezielle Regelung des Besitzesverhältnisses aus den bereits oben ausführlich entwickelten Erwägungen, so wird man es auch hier bei der allgemeinen Regel bewenden lassen müssen. Man wird also, wie im jetzt geltenden Rechte, nach den Umständen des
(1) OR von 1881. (2) Vgl. ZGB 934. (3) Vgl. ZGB 935. (4) Vgl. Bei­lage V dieses Bandes, speziell Art, 1687. (5) Vgl. ZGB 936. (6) ZGB 920, s. oben S. 379 ff.



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einzelnen Falles die Entscheidung zu treffen und hierbei darauf zu schauen haben, ob der Erwerb durch den Dritten in gutem Glau­ben und unter Verhältnissen stattgefunden habe, nach denen der Geber als Diensbote oder dgl. über die Sache eine Verfügungs­macht ausgeübt hat, die mit dem Anvertrauungswillen der Dienst­herrschaft sich deckt, oder nicht. Liegt diese Voraussetzung vor, so ist die Sache nicht gestohlen und mithin die Rückforderung ausgeschlossen. Wo aber bei aller Gewalt über die Sache dieser Anvertrauungswille nicht angenommen werden kann, wie z. B., wenn eine Dienstmagd die goldene Uhr ihrer Dienstherrschaft veräussern würde, da ist die Frage auch ohne jeden Nachweis bösen Glaubens ganz wie bei gestohlenem Gut zu beantworten und die Entscheidung, auch wenn Art, 979 nicht angerufen werden kann, nach Art. 977 zugunsten des Vindikanten zu treffen. (')
III. Rückgabepflicht, Art. 980 bis 982. (2) Es muss gleichfalls noch als eine Folge der Verbindung des Rechtes selbst mit seiner Form, dem Besitz, aufgefasst werden, wenn im allgemeinen der Besitzer als berechtigt bezeichnet werden kann, die Sache ungestraft seinem in gutem Glauben beanspruchten Rechte gemäss zu benutzen. Was er dabei verbraucht, aufbraucht, aufgehen lässt, mit Einschluss der Fruchtziehung, dafür hat er, soweit ihn sein guter Glaube und sein vermeintliches Recht decken, niemandem Rechen­schaft abzulegen. Nur insofern, als er seinem vermeintlichen Rechte gemäss etwas als Entgelt schuldete, wie z. B. als Pächter, muss er sich dabei auch zugunsten des vermeintlichen Berechtigten im Verhältnis zur Rückleistungspflicht behaften lassen. Veräussert er in gutem Glauben Sachen, so tritt der Erlös an deren Stelle, auch hier aber einzig mit der Rückleistungspflicht, die seiner geschilderten Stellung entspricht. Mit dieser Grundlage lässt sich dann auch die Ersatzforderung für Verwendungen leicht verbinden. Der Entwurf konnte sich diesfalls an Art. 74 und 472 desOR(3) anlehnen.
Anders nun aber bei bösem Glauben des Besitzers. Hier recht­fertigt sich eine unbeschränkte Verrechnungs- und Ersatzpflicht. Verwendungen werden auch hier, wie im OR, nur unter besondern Voraussetzungen berücksichtigt.
Ist der Besitzer eine Zeitlang in gutem und später in bösem Glauben, so wird eine zeitlich verschiedene Berücksichtigung des
(') ZGB 936 u. 934. (2) ZGB 938 bis 940 (Verantwortlichkeit). (3) OR von 1881. Vgl. nunmehr OR 65 u. 422, wo jetzt umgekehrt eine Anlehnung an ZGB 939 vorliegt,



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Verhältnisses keine Schwierigkeiten bereiten. Ist der Besitzer zwar in bösem Glauben, aber noch nicht sicher, an wen er resti­tuieren soll, so hat er billigerweise nur für sein Verschulden zu haften (Art. 982, Abs. 3). (1)
Endlich war in Frage, ob nicht auch der Fall berücksichtigt werden sollte, wo gegen den bishin gutgläubigen Besitzer eine Klage erhoben wird, gegen die er sich verteidigt, der gegenüber er aber doch nicht mehr ganz unbefangen und in gutem Glauben wird verharren können. Allein eine Gleichstellung mit dem Be­sitzer bösen Glaubens wäre doch auch bei solchen Umständen nur in den Fällen gerechtfertigt, da der Besitzer sich der Klage nicht in gutem Glauben zu widersetzen vermocht hat, und darnach er­ scheint es dann überhaupt nicht als notwendig, für diese Fälle eine besondere Vorschrift aufzustellen.
Die Bestimmungen über die Rückleistungspflicht des Besitzers nach seinem guten oder bösen Glauben können in allen Fällen zur Anwendung kommen, wo einem Besitzer durch einen Kläger oder Beklagten besseren Rechtes sein behauptetes oder gar geglaubtes Recht gebrochen wird. Sie finden aber namentlich auch Anwen­dung bei einzelnen, besondern Rechtsverhältnissen, wo sie zur Ent­lastung der rechtlichen Ordnung eines Institutes ganz wesentlich beitragen können. Es sei hier an die im Erbrecht angebrachten Verweisungen erinnert, betreffend das Verschollenheitsrecht, Art. 564, Abs. 1,(2) die Herausgabepflicht für die gesetzlichen gegenüber den eingesetzten Erben, Art. 577, Abs. 3, (3) und die Belangung mit der Erbschaftsklage, Art. 612. (4)
IV. Ersitzung, Art, 983. (5) Diese Bestimmung ergänzt ganz all­gemein die Vorschriften, die in Art. 664, 665, 666, 721, 724, Abs. 2 und 3, und 739 über die Ersitzung aufgestellt sind.(6)

(') ZGB 940, Abs. 3. (2)ZGB 547, Abs. 1. (3) ZGB 560, Abs. 3. (4) ZGB 599. (5) ZGB 941. (6) Vgl. ZGB 661, 662, 663, 728, 731, Abs. 2 u. 3, und 746.



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Sechsundzwanzigster Titel.
Das Grundbuch.
I. Die allgemeinen Grundlagen.
Wir haben im Eingang zu den sachenrechtlichen Erläuterungen bereits auf die allgemeinen Erwägungen hingewiesen, aus denen sich die Einführung des Grundbuches empfiehlt. Die gesamte sachenrechtliche Entwicklung in der kantonalen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts ist nach dieser Richtung erfolgt. Auf dem Boden der Fertigung sind in den einen Rechten jene Publizitätsorgane geschaffen worden, die entweder der behördlichen Fertigung zur Seite stehen oder sie ersetzen und sich als eine Fertigung dar­ stellen, die nur noch von dem Bestreben getragen wird, ein öffentliches Buch zu schaffen, das der Publizität der dinglichen Rechte an Grundstücken möglichst direkt dienstbar sei. Auf dem Boden des französischen Registersystems zeigt sich die gleiche Tendenz, und zwar in den meisten romanischen Kantonen gestärkt durch die Heranziehung der katastralen Vermessung für die Zwecke der Publizität. Sind auch die Ziele der modernen Formdarstellung im Immobiliarrecht, die Aufzeichnung und Herstellung der ding-­ lichen Rechte an Grundstücken noch nicht in ihrer ganzen Be-­ deutung erkannt oder doch noch nicht von anderen Zwecken, wie namentlich dem Sicherungszweck, gehörig unterschieden und diesem gegenüber verselbständigt, so beginnen sie doch mehr und mehr vorzuwalten, und es bedürfte eigentlich nur der konse­quenten Weiterverfolgung der bereits betretenen Bahnen, um in den Kantonen selbst zu einem wirklichen Grundbuche zu gelangen. Nur in wenigen Rechten, wie vor allein in Baselstadt, in Solothurn und in Waadt ist dieser letzte Schritt getan worden. Allein auch wo er bis jetzt noch nicht vollzogen werden konnte, liegen doch umfangreiche Vorarbeiten und Annäherungen an das gleiche Ziel vor. Man wird es daher nirgends unbegreiflich finden, ja umgekehrt meistenorts als das eigentlich Gebotene betrachten, wenn der Ent­wurf das Grundbuch als das Mittel gewählt hat, mit dessen Hilfe in der Ordnung des einheitlichen Sachenrechts die dinglichen Rechte an Grundstücken hergestellt werden sollen.
Von den Formvorschriften, die das moderne Sachenrecht für die Immobilien aufzustellen unternimmt, erwartet man dreierlei, was wir zum Teil bereits bei der Betrachtung des Grundpfandes



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auseinandergesetzt haben: Sicherheit in der Konstituierung und Darstellung der dinglichen Rechte an jedem Grundstück, Publizität in der Erkennbarkeit dieses dinglichen Rechtsbestandes und Be­weglichkeit im Dienste des modernen Verkehrslebens. Alle Ein­richtungen, die auf diesem Gebiete getroffen werden wollen, müssen an diesen Zwecken gewürdigt und geprüft werden, auf sie hin haben wir also die verschiedenen Möglichkeiten, die für die Durchführung der modernen Immobiliarformen gegeben sind, zu prüfen und zu würdigen. Wir ziehen dabei folgende fünf Momente in Erwägung: Die äussere Grundlage des Institutes, die Aufnahme in das Grund­ buch, die Herstellung der Einträge, die Anlage des Grundbuches als Publizitätsorgan und seine Rechtskraft.
1. Es kann sich zunächst darum handeln, zu entscheiden, auf welcher äusseren Grundlage die Darstellung der dinglichen Rechte durchgeführt werden soll. Hergebracht ist bei uns, oder in An­sätzen einer modernen Entwicklung vorhanden, ein Register, in das nach Realordnung mit Hilfe eines Beamten, der dieses Buch zu führen hat. die dinglichen Rechte zur Eintragung gelangen, und durch das sie dinglichen Bestand erhalten. Allein die Anlage lässt sich auch von Grund aus anders denken. Man kann anstatt an ein Register an öffentliche Urkunden denken, — wie solche als Form der Fertigung in einzelnen Rechten für Grundpfand­rechte vorkommen (vgl. Schweiz. PR III. S. 49), — die von einem Amte ausgestellt würden, das mit allen Mitteln ausgerüstet ist, um in zuverlässiger Weise über ein jedes Grundstück eine solche Urkunde herstellen zu können. Diese Urkunde würde ähnlich wie ein Wertpapier, das auf hinterlegte Waren lautet, das Grundstück selbst im Rechtsverkehr vertreten, so dass nur mit der Urkunde über das Grundstück verfügt werden könnte, wobei entweder für Veräusserung und Verpfändung nur ein einziges Dokument, oder, wie manchen Ortes ja auch bei den Warenparieren, zwei unter sich in passenden Zusammenhang gebrachte Scheine, der eine für die Eigentumsübertragung und der andere für die Pfandrechtsbestellung, zur Verwendung gelangen würden. Ein jeder Grundeigen­tümer würde also eine Urkunde, amtlich gehörig beglaubigt, er­ halten, mit genauer und zuverlässiger Beschreibung des Objektes, das sich in einem Grundbuch am Ort der gelegenen Sache auf­ gezeichnet fände. Das Grundbuch aber hätte nur für die Fälle zu funktionieren, wo eine solche Urkunde gar nicht ausgestellt oder die ausgestellte Urkunde wieder eingeliefert und getilgt worden wäre. Man könnte sehr wohl die Urkunde als Inhaberpapier aus-­ fertigen lassen, man könnte sie aber auch auf den Namen ausstellen oder an Ordre und würde je nach dem Charakter des Wertpapiers,



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gleich wie beim Warenpapier, die gewünschten Negotiationen bewerk­stelligen, wäre es Eigentumsübertragung oder Pfandbestellung. Andere dingliche Rechte, Dienstbarkeiten oder Grundlasten, müssten zur gültigen Begründung auf dem Schein eingetragen werden, und wenn auch noch hiefür besondere Urkunden zur Ausfertigung gelangten, so hätten wir die Erscheinung, dass z. B. das Niessbrauchsrecht oder eine dingliche Pacht in den Verkehr gesetzt werden könnte, gerade so wie irgend ein anderer Verkehrswert. Man kann sich von diesem System eine Vorstellung machen, wenn man sich vergegenwärtigt, was es bedeutete, als Eigentümer oder dinglich Berechtigter in jedem Augenblick ohne amtliche Hilfe über das Grundeigentum oder das beschränkte dingliche Recht verfügen zu können. Die dinglichen Rechte wären in mobile Werte verwandelt, und sobald nur für den richtigen Zusammenhang der verschiedenen Urkunden unter sich und mit dem Grundbuch Sorge getroffen wäre, könnte eine Benachteiligung Dritter in solchem Verkehr deshalb nicht eintreten, weil ja nur eine Urkunde für je ein Recht bestände und stets der rechtmässige Besitz der Urkunde zur Verfügung über dieses notwendig wäre. Den Gefahren, die in einer Fälschung solcher Urkunden gegeben sein könnten, müsste allerdings dadurch begegnet werden, dass man diese Papiere unter strenge Formvorschriften stellen und überdies dem ganzen System eine wirksame Haftung des Staates für die Handlungen der be­treffenden Beamten anfügen würde. Könnte mit den Pfandrechts­urkunden auch noch eine Belastung nach festen Pfandstellen ver­bunden werden, so wäre diesfalls die weitere Erleichterung denk­bar, dass mehrere Scheine für Pfandrechte verschiedenen Ranges ausgestellt, oder dann auch nachfolgende Verpfändungen in der Form zugelassen würden, in der faustpfandsweise schon jetzt an Wertpapieren mehrfache Pfandrechte bestellt werden.
Wir haben hiermit das System in den Grundzügen gezeichnet, das mit verschiedenartiger Ausgestaltung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuerst in Südaustralien und dann in andern englischen Kolonien mit dem sogenannten Act Torrens eingeführt und später auch auf einige nordamerikanische Staaten, sowie auf die französischen Kolonien von Algier, Tunis und Neukaledonien übertragen worden ist. Vorzüge dieses Systems sind augenscheinlich eine sehr grosse Beweglichkeit und Erleichterung des Verkehrs mit Immobilien und mit dinglichen Rechten an solchen überhaupt. Es lässt sich eine vollständigere Mobilisierung von Grund und Boden, als wie sie hiermit geboten wird, schwer denken. Alles immobile Recht wird beweglich gemacht und dem Mobiliarverkehr unterstellt, vermöge des Grundsatzes, dass im Vorkehr nicht die



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Grundstücke, sondern, sobald die Urkunden ausgestellt sind, diese als Träger der Rechte am Grundstück verhandelt werden.
Allein diesem System haftet nun offenbar auch ein grosser Übelstand an. Wenn gleich bei der die Urkunden ausfertigenden Amtsstelle über alle und jede derart in Wertpapieren verkörperten Immobiliarrechte genau Buch geführt wird, so kommt diesem Buche für die Transaktion mit den Immobiliarrechten doch keine weitere Rechtsbedeutung zu, indem als Träger der Werte die in die Welt hinausgesandten Urkunden erscheinen. Man kann also aus der Buchführung, auch wenn ihre Angaben über das Grund­stück als durchaus zuverlässig zu betrachten wären, niemals einen Einblick in den augenblicklichen, wirklichen Stand der ding­lichen Verhältnisse und der Persönlichkeit der Berechtigten am einzelnen Grundstücke gewinnen. Wer Eigentümer ist, erfährt man aus diesem Buche nicht, welche Pfandrechte noch bestehen, auch nicht. Allerdings kann ja das System leicht so geordnet werden, dass die Interessierten berechtigt werden, alles in dem Grundbuch nachtragen zu lassen, was mit dem Grundstück durch die Negotiation der Urkunden gemacht worden ist. Allein wenn das nicht geschieht, so hat die Nichtübereinstimmung von Buch und Urkunde keine Folgen für den dinglichen Rechtsbestand, indem massgebend eben doch ausnahmslos die Urkunden sind. Daraus erkennt man dann aber auch, dass das ganze System für andere Verhältnisse geschaffen ist, als die unsrigen. Es rechnet mit jenen gewaltigen Gütern, wie wir sie bei den erst noch zu kolonisierenden und zu urbarisierenden Länderstrecken der über­ seeischen Kolonien antreffen. Da hätte es sehr wenig Wert, ein Buch zu führen über Landschaften, die weit abliegen von den Zentren, in denen der Verkehr sich abspielt. Wer würde jedesmal die weiten Reisen machen, wenn ein dingliches Recht in dem fernen Buchbezirke zu verhandeln ist! Da repräsentiert die Ur­kunde als Wertpapier ein Objekt, das auf andere Weise viel schwerer und mit viel geringerer Zuverlässigkeit oder vielleicht gar nicht in den Verkehr gebracht werden könnte. Allein bei uns sind diese Verhältnisse ja überall anders. Die ganz überwiegende Zahl von liegenschaftlichen Geschäften spielt sich in einem engen Kreise ab, und was hier in erster Linie von einer Immobiliar-Buchführung verlangt wird, ist, dass man in diesem Kreise leicht und zuverlässig Aufschluss erhalten könne über den komplizierten und einem raschen Wechsel unterworfenen Bestand der dinglichen Verhältnisse an einem jeden einzelnen Grundstück. Soweit der Verkehr mit der Urkunde für uns ein Bedürfnis ist, soweit hat er sich in Gestalt, der Anerkennung eigener Grundpfandtitel



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bereits entwickelt, und sicherlich wird der Entwurf in dieser Hinsicht die überlieferten Einrichtungen zum mindesten nicht in ihrem Bestande verkürzen dürfen. Auch liesse es sich mit unserem überlieferten Systeme sehr wohl vereinigen, für das Eigentum gleichfalls Urkunden auszustellen mit der Wirkung etwa, dass deren Übertragung für die Gültigkeit einer Handänderung am Grundstück notwendig wäre. Allein in jedem Falle wäre, für unsere Bedürfnisse und Verhältnisse, daran festzuhalten, dass die mass­gebende und für das dingliche Verhältnis entscheidende Form eben doch die Bucheintragung sein muss. Macht man bei dem Verkehr mit den Grundpfandtiteln diesfalls in bezug auf die Bestimmung des Grundpfandgläubigers eine Ausnahme (vgl. die Vorschrift des Art. 848), (') so darf dies doch auf das Eigentum oder andere dingliche Rechte nicht ausgedehnt werden. Denn vor allem muss das Ziel im Auge behalten werden, dass ein Register zu schaffen und weiterzuführen ist, das jedermann zuverlässigen Aufschluss zu geben vermag über den gesamten jeweiligen Bestand an ding­lichen Rechten an jedem Grundstücke.
Wir gelangen also in dieser ersten Richtung zu dem Ergebnis, dass das Grundbuch als Publizitätsorgan und als lokal geführtes Register unseren Verhältnissen und Bedürfnissen angemessen ist und vor dem System der fliegenden Urkunden den Vorzug ver­dient. Im übrigen schliesst natürlich auch das von uns aufge­nommene Grundbuch die doktrinelle Auffassung nicht aus, dass das einzelne Grundbuchblatt die Liegenschaft repräsentiere, auf die es lautet.
2. Das Grundbuch ist dazu bestimmt, die Grundstücke aufzu­nehmen, und zwar in der Gestalt, dass für ein jedes derselben eine Doppelseite hergestellt wird, gross genug, um den Eintragungen der dinglichen Rechte in übersichtlicher Zusammenstellung genügend Raum zu gewähren. Erstes Erfordernis ist dabei eine Darstellung des Grundstückes in seiner Individualität. Als Grundstücke gelten die Liegenschaften und die dauernden Rechte an solchen, von denen wir bei Art. 658 (2) gesprochen haben. Die Grundstücke müssen auf dem Blatte so beschrieben werden, dass man sich nach diesen Angaben über die Identität und den äusseren Bestand eines jeden ausser allein Zweifel befindet. Zu diesem Zwecke muss ein jedes derselben eine eigene Nummer erhalten. Ferner müssen die Hochbauten, die sich darauf befinden, angegeben werden. Weiter wird es empfehlenswert sein, dass auch die anstossenden Grund­ stücke mit ihren Nummern im Grundbuch und mit ihrer Lage
(1) Vgl. ZGH 869, und oben S. 303. Anm. 3. (2) ZGB 655.



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nach der Himmelsrichtung angegeben werden. Zweifelhaft aber ist es, in welchem Umfange über den äusseren Bestand des Grund­stückes weitere Angaben gemacht werden sollen. In Frage kommen dabei namentlich folgende Punkte:
Einmal die Zugehörstücke. Sie gehören nicht als Bestandteile zum Grundstück, sie können auch leichter wechseln, als dies in bezug auf Bestandteile desselben der Fall ist. Und doch gewährt es gewiss in vielen Fällen ein grosses wirtschaftliches Interesse, aus dem Grundbuch selbst mit seiner Beschreibung des Grund­ stückes ersehen zu können, was diesem als Zugehör beizurechnen sei. Empfehlenswert dürfte es darnach sein, die Aufnahme der Zugehör zwar nicht vorzuschreiben, wohl aber zu gestatten. Dies in dem Sinne, dass durch die Aufnahme eines Gegenstandes als Zugehör in die Beschreibung des Grundstückes aus diesem nicht willkürlich ein Zugehörstück gemacht werden kann. Zugehör soll auch im Falle solcher Aufzeichnungen nur dasjenige sein, was ohnedies von Gesetzes wegen diese Eigenschaft hätte. Anderes, als was auch ohne diese Aufnahme Zugehör ist, kann also nicht Zugehör sein, auch nicht auf Grund der Aufnahme in das Grund­ buch. Nichtsdestoweniger wird die Aufzeichnung im Grundbuch insofern ihre Bedeutung haben, als dadurch wenigstens eine Ver­mutung begründet wird, dass das Aufgenommene wirklich Zugehör sei. Es liegt darin der Ausdruck, sei es der Bestimmung durch den Eigentümer oder der Verbindung mit der Hauptsache aus Gründen der Bewirtschaftung (Art. (647), (1) wenn auch eine Rechtsvermutung diesfalls, wie wir oben schon ausgeführt haben, in dem Entwurfe schliesslich an dieser Stelle (im Gegensatz zu Art. 795, Abs. 2)(2) nicht beibehalten worden ist.
Sodann ist mit Hinsicht auf den Wert des Grundstückes empfehlenswert, wenigstens diejenigen Angaben in das Grundbuch aufzunehmen, die ohne besondere Vorkehrungen erhältlich sind oder bereits zur Verfügung stehen. Man wird hier in erster Linie an die Grundsteuerschatzung denken können, wo eine solche besteht, dann an die Schätzung der Brandversicherung, und endlich an die Schätzung, der das Grundstück bei Anlass der Verpfändung unterworfen werden kann oder muss (Art, 827 und 830). (3) Eine obligatorische Schätzung für alle Fälle vorzuschreiben, hat keinen grundbuchlichen Wert. Dagegen würde man auf ein unter Um-­ ständen recht bequemes Mittel, Aufschluss über eine Liegenschaft zu erhalten, verzichten, wenn man es nicht wenigstens möglich
(') ZGB 644. (2) ZGB 805, Abs. 2. Vgl. oben S. 248, Anm. 3. (3) ZGB 843 u. 848.



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machte, solche Wertangaben auf dem Folium, des Grundstückes aufzuzeichnen. Namentlich in den Fällen, wo über den Flächen-­ inhalt kein massgebender Aufschluss erteilt werden kann, wäre es nicht gerechtfertigt, wenn nicht wenigstens in bezug auf die Schätzung die vorhandenen näheren Angaben in das Grundbuch aufgenommen werden wollten.
Vor allem pflegt nun aber die geometrische Vermessung der Grundstücke als ein unerlässliches Element der Beschreibung des Grundstückes bezeichnet zu werden, und es ist auch nicht zu bestreiten, dass darin eine ganz wesentliche Garantie für die Zuverlässigkeit der Beschreibung des äusseren Bestandes eines jeden Grundstückes gefunden werden muss. Allein die Frage bedarf doch noch einer näheren Prüfung.
Zur Zeit haben durchgeführte und für das Sachenrecht dienst­bar gemachte Vermessungen alles Grund und Bodens die Kantone Genf, Waadt, Neuenburg, Freiburg, Solothurn und Basel. In anderen Kantonen hat die Vermessung sich auf einzelne Landesteile oder zahlreichere Gemeinden ausgedehnt, ohne direkt dem Grund­buche zu dienen. So ist die katastrale Aufnahme namentlich in grossen Gebieten des Kantons Bern und in zahlreichen Gemeinden von Aargau, Zürich, Luzern, Thurgau, dann in Städten wie St. Gallen u. a. durchgeführt, und allerorts ist man, wenigstens in den Gegenden mit intensiver Bodenbewirtschaftung, davon über­zeugt, dass es für das gesamte Land von grossem Werte wäre, eine allgemein durchgeführte Vermessung zu besitzen. Man scheut nur die Kosten, die daraus für die Gemeinden und die beteiligten Grundeigentümer erwachsen, andernfalls würde die Vermessung noch weit mehr fortgeschritten sein. Die Stellung, die daraus für die eidgenössische Gesetzgebung sich ergibt, dürfte folgendermassen zu umschreiben sein:
Das Grundbuch muss, so viel und so allgemein als möglich, auf eine Vermessung aller Grundstücke begründet werden. Die Vermessungspläne müssen der Anlage des Grundbuches als Funda­ment dienen. Die Folien der einzelnen Grundstücke müssen den Flächeninhalt und eine Verweisung auf die Pläne enthalten, damit durch sie in gründlichster Weise die Identität und die äusseren Eigenschaften einer jeden Liegenschaft und Grundbuchnummer festgestellt werden können. Allein dabei ist auf dreierlei zu achten.
Erstens wird der Bund, wenn er diese Vermessung fordert, auch einen Teil der Kosten mitzutragen haben. Die ersten Ent­würfe zum Sachenrecht hatten eine solche Bestimmung ausdrück­lich enthalten, und wenn sie in den Beratungen nicht beibehalten worden ist, so geschah es nur aus dem Grunde, damit diese rein



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administrative Frage nicht mit der privatrechtlichen Regelung­verwechselt werde. Der Gedanke ist durchaus festgehalten, dass der Bund sich an den Vermessungskosten zu beteiligen habe, auch die Botschaft des Bundesrates zur Einführung der Rechtseinheit, vom 15. November 1896, hat hierauf hingewiesen. Die Ungleich­heit, die sich daraus dann allerdings ergeben kann, dass von einer solchen Beteiligung diejenigen Kantone nichts mehr gewinnen, die bereits Vermessungen besitzen, darf ernsthaft nicht dagegen ins Feld gerufen werden. Denn es ist klar, dass eine bundesrechtliche Vermessungsvorschrift dem ganzen Lande dienen und auf den Kredit aller Kantone günstig wirken wird.
Zweitens kann der Bund eine Reihe von bereits bestehenden kantonalen Vermessungen ohne wesentliche Nachhilfe als seinen Zwecken entsprechend übernehmen, und wo noch keine Ver­messungen gemacht worden sind, wird nichts im Wege stehen, die Durchführung, unter Vereinbarung mit den Kantonen, allmählich zu betreiben. Es werden sich hierfür Mittel finden, ähnlich wie sie in einzelnen Kantonen auch gefunden worden sind: Unter Begünstigung der gemeindeweise und freiwillig durchzuführenden Vermessungen wird man einen Zustand anstreben, wo es keine unerschwingliche Ausgabe mehr ist, schliesslich nach langen Bemühungen die noch nicht vermessenen Landesteile obligatorisch dem Kataster zu unterwerfen. Würde diese Durchführung an die dreissig Jahre dauern, so wäre dies nicht länger, als einige Kantone selber an diesen Vermessungen und Aufzeichnungen gearbeitet haben.
Drittens muss darauf hingewiesen werden, dass das Grund­buchrecht auch sehr wohl und durchaus mit Vorteil eingeführt werden kann, wo und solange noch keine Vermessung statt­gefunden hat. Es sei nur an das Beispiel von Schwyz erinnert und an den Umstand, dass Solothurn nahezu zwanzig Jahre das Grundbuch besessen hat, bevor der Kataster allgemein durchgeführt war. Ja man kann geradezu einzelne Fälle hervorheben, wo die genaue Vermessung für das Grundbuch gar nicht besonders förder­lich wäre. Wir nennen, mit Hinsicht auf die Erfahrungen, die diesfalls in Schwyz, in Bern u. a. gemacht worden sind, vornehm­lich die Weiden, die Alpen. Auf die Fläche der Alp kommt nicht so viel an, solange man nicht zudem weiss, wie gross der Teil der Alp ist, der als Weide benutzt werden kann. Das Flächenmass vermag über den Wert einer steinigen, felsigen, von Schutthalden durchzogenen Alp gar keinen massgebenden Aufschluss zu geben. Was hierüber entscheidet, ist vielmehr die Erfahrung, die man mit dem Betriebe gemacht hat, die Zahl der Kühe, die auf der



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Alp gesömmert werden können. Ähnlich verhält es sich mit aus­ gedehnten Wäldern, Mösern, Torfstichen u. dgl. Hier überall hat die genaue Vermessung der Parzellen zum mindesten nicht die gleiche Bedeutung, wie bei dem kultivierten Lande. Der Zweck, dem die Vermessung auch in diesen Fällen dient, ist nur die Fest­stellung der Grenzen, die genaue Aufzeichnung der Zusammenhänge mit dem übrigen Grund und Boden. Aus dieser Überlegung kann die Einsicht gewonnen werden, dass für solchen Boden eine sum­marische Vermessung die gestellten Zwecke vollauf zu erreichen vermag. Es gibt hierfür verschiedene Methoden, und Sache fach­männischer Expertise wird es sein, diesfalls dasjenige System auszuwählen, das bei möglichst wenig Kosten doch für diese Zwecke noch hinreicht. Erfahrungen sind darüber schon in mehreren Kantonen gesammelt worden, es sei vornehmlich an Bern erinnert. Die Vollziehungsorgane des Bundes aber würden sich mit den Kantonen zu verständigen haben, um dergestalt die abgekürzte Vermessung als Grundlage des Grundbuches für Wälder, Weiden, Möser, Alpen, die ja auch in anderer Beziehung dem kantonalen Rechte unterstellt bleiben, in zweckmässiger Weise festzustellen (vgl. Art. 993, Abs. 2 und 3,(1) und 790, Abs. 2). (2)
Nach allen diesen Richtungen handelt es sich, wie hervor­ gehoben, um die äussere Beschreibung der einzelnen Grundstücke. Man postuliert also für das Grundbuch eine solche äussere Beschreibung, eine Herstellung des faktischen Bestandes einer jeden einzelnen Parzelle. Allein diese Aufzeichnung ist dann doch gleichwohl kein eigentlich grundbuchlicher Akt. Sie gehört unter dasjenige, was in das Grundbuch aufgenommen worden ist, und nicht unter die Eintragungen nach Grundbuchrecht. Man legt ihr also keine rechtliche Bedeutung bei. Allerdings kann eine fehler­hafte Aufnahme unter Umständen zur Verantwortlichkeit des Grund-­ buchbeamten und des Staates führen. Rechtskraft an sich aber kommt diesen „ Aufnahmen" im Grundbuche (im Gegensatz zu den „Eintragungen") nicht zu. Das Grundbuch an sich garantiert also nicht den Bestand des aufgenommenen Grundstückes, wie ja auch ein Grundstück infolge von Nichtaufnahme in das Grundbuch nicht unter-, nicht verloren geht. Was als Flächeninhalt angegeben ist, wird nicht grundbuchlich zuverlässig festgestellt, sondern es kommt im Entscheidlingsfalle einzig und allein auf den wirklichen Bestand an. Ferner erhält, was als Hochbaute aufgezeichnet ist,
(1) Das Gesetz hat den zit. Abs. 2 von Art, 993 nicht aufgenommen, d. h. ihn in die Ordnung des Vermessungswesens verwiesen, vgl. Schl.t. 42, Abs. 2. (2) ZGB 796, Abs. 2.



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durch die Aufzeichnung im Grundbuch nicht eine besondere recht­liche Existenz, so dass man unter Schadenersatzfolge gegenüber dem Eigentümer sich darauf verlassen könnte. Hier überall dient die Aufnahme und Aufzeichnung nur zur Orientierung auf Grund des wirklichen Bestandes der Liegenschaft selbst. Nur soweit das dingliche Recht in Frage kommt, liegt die Folge allerdings anders, wie betreffend die Grenzen, die aufgezeichneten Wegrechte, die Dienstbarkeitsvorrichtungen u. dgl., und zwar müssen nach richtiger Auffassung auch die dinglichen Rechte zugunsten des Grund­stückes, die Grundgerechtigkeiten und Dienstbarkeitsrechte des herrschenden Grundstückes hierher und nicht zu der blossen Beschreibung des Grundstückes gerechnet werden. Sie gehören zum Bestand an dinglichen Rechten und nicht zu den Bestand­teilen des Grundstückes, sind daher auch in Art. 988, Abs. 4, und 1007 (1) unter den Eintragungen und nicht bei der Aufnahme ange­führt. In diesen Fällen handelt es sich dann eben um das Recht, das auf faktischer Grundlage eingetragen ist, und daraus ergibt sich folgerichtig, dass das Recht gerade insoweit grundbuchlich festgestellt ist, als die Aufzeichnung über die Grundlage Aufschluss gibt. Rechnen wir z. B. mit dem Falle, wo zwischen zwei Grund­stücken die Grenzlinie auf den Plänen eingezeichnet ist. Da wird ein jeder eingetragene Eigentümer bis zu dieser Grenze das Eigen­tum beanspruchen können mit allen Grundbuchfolgen, und wenn eine Wasserdurchleitung oder eine andere körperliche Dienstbarkeitsvorrichtung eingezeichnet ist, ergibt sich wiederum aus dem Eintrag auch ohne weiteres der Inhalt und der Umfang des ein­getragenen Rechtes. Diese Fälle sind denn auch an sich klar genug von jenen andern zu unterscheiden, bei denen es sich nicht um eine Abgrenzung der eingetragenen Rechte, sondern um den körperlichen Bestand der Sache an sich handelt. Ob das Grund­stück, auf das ein neuer Eigentümer eingetragen wird, 1000 oder 1090 Quadratmeter messe, oder ob ein aufgezeichneter Schopf auf demselben als Hochbaute sich wirklich befinde oder nicht, das hat mit der Wirkung des Grundbuches nichts zu schaffen. Es mag zu Auseinandersetzungen zwischen dem Verkäufer und Käufer oder zu einer Verantwortlichmachung des Grundbuchverwalters, der einen unrichtigen Bescheid aus dem Grundbuch erteilt oder ver­anlasst hat, führen. Grundbuchlich sind alle diese Momente an sich ohne Bedeutung und die Aufnahmen ohne Rechtskraft. Weil dieser Unterschied besteht, hat eben der Entwurf darauf Bedacht genommen, überall hier von Aufnahme in das Grundbuch zu
(1) Vgl. ZGB 946 und 968.



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sprechen, während die rechtlich relevanten Verhältnisse "einge-­ tragen" werden. Auch äusserlich wird man bei der Anlage des Grundbuches darauf Bedacht nehmen, diesen Unterschied in die Augen springen zu lassen, etwa in der Weise, dass die ganze äusserliche Aufnahme an den Kopf des grundbuchlichen Foliums gesetzt wird, während die Einträge nach ihrer rechtlichen Natur in verschiedenen Kolumnen des Doppelblattes untergebracht werden müssen.
3. Die Einträge machen das eigentliche, rechtliche Element des Grundbuches aus, durch sie wird die zuverlässige Publizität der dinglichen Rechte hergestellt. Dass die Eintragung für das Eigentum und das Pfandrecht gefordert werden solle, ist nicht bestritten. Doch müssen wir betreffend das Eigentum noch auf eine Eigentümlichkeit hinweisen. Gilt die Eintragung auch allgemein als notwendig für die Erwerbung von Grundeigentum auf Grund von Rechtsgeschäften, so verlangt man doch vielfach keinen Eintrag beim Erwerb aus Gesetzesvorschrift, wie insbesondere aus Erbrecht. Wir haben diese Divergenz schon beim Erbrecht und unter dem Eigentumserwerb besprochen und die Gründe angeführt, aus denen es sich empfiehlt, auch bei diesen Erwerbsarten die Eintragung vorzuschreiben. Allein der Eintrag hat dann doch, auch nach dem Entwurf, in diesen Fällen eine etwas andere Bedeutung, als bei den erstern. Die Gesetzesvorschrift verschafft hier dem Erwerber schon vor der Eintragung das Eigentum, sein Eigentum vermag sich nur in allen den Richtungen noch nicht zu äussern, zu deren Betätigung der Eigentümer des Grundbuches benötigt, sodass für ihn zunächst die Möglichkeit ausgeschlossen ist, über das Grundstück grundbuchlich zu verfügen. Dass dann aber doch die Gesetzesvorschrift auch nicht, wie das Rechtsgeschäft, nur einen Titel auf Eintragung bedeutet und nicht bloss einen Anspruch gegen den eingetragenen Eigentümer, sondern ein Recht auf Eintragung ohne Wissen und Willen des letzteren verschafft, haben wir bereits zu Art. 667(1) näher ausgeführt. Darin liegt deutlich eine Äusserung des eben doch bereits vor dem Eintrag vorhandenen Eigentums. Denn es ist ein Prinzip des Grundbuch - rechtes, dass nur der Eigentümer verfügen könne. Regelmässig ist dies der Eingetragene, ein anderer wird gegenüber dem Ein­trag als Eigentümer gar nicht anerkannt. Allein eben weil beim gesetzlichen Erwerb das Verhältnis ein anderes ist, weil hier der Erwerber doch bereits nach dem Willen des Gesetzgebers wirklich Eigentümer ist, kann er wenigstens das eine verfügen, dass er
(') ZGB 665.



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eingetragen werde und dass mit dieser Eintragung die Formalität hergestellt werde, kraft welcher er die volle Möglichkeit zur grundbuchlichen Verfügung über das Grundstück erhält.
Was sodann die Eintragung der Dienstbarkeiten anbelangt, so haben wir bereits im Dienstbarkeitsrecht kurz begründet, wieso der Entwurf dazu gekommen ist, im Gegensatz zu der Mehrzahl der kantonalen Rechte die Eintragung für alle Arten von Dienst­barkeiten vorzuschreiben. Hier aber ist nochmals auf den Zusam­menhang hinzuweisen, der im System des Grundbuches zwischen allen den dinglichen Rechten an einem Grundstück gefunden werden muss. Gewiss bietet es schon für die Dienstbarkeit an sich einen grossen Vorteil, wenn sie der Eintragung unterstellt wird. Die Mühe, die eine vollständige Berichtigung der dinglichen Belastungen, wie sie mit der Einführung des Grundbuches ver­bunden zu werden pflegt, verursacht, wird durch den Gewinn an Sicherheit und Zuverlässigkeit im Bestand dieser dinglichen Rechte mehr als ausgeglichen, und man versteht unter diesem Gesichts­punkte sehr wohl, wie in neuerer Zeit auch ganz ländliche Rechtsgebiete dazu gelangen konnten, die Publizität für alle Arten von Dienstbarkeiten bei sich einzuführen. Allein dies ist nicht die Erwägung, die wir an dieser Stelle hervorheben wollen. Ebenso dringlich, wenn nicht noch eindrucksvoller, spricht nämlich für die Ausdehnung des Grundbuches auf alle Dienstbarkeiten der Gesamtzweck, für den das Grundbuch geschaffen ist. Die Grund­buchrechte haben dies regelmässig auch bei uns anerkannt, und wenn auch Solothurn in bezug auf die Grunddienstbarkeiten eine Ausnahme gemacht hat (vgl. Schweiz. PR III, S. 348, seit 1891 CG § 492), so erklärt sich dies aus jener Überlegung, auf die wir bei den Dienstbarkeiten hingewiesen haben, dass man sich vor der Durchführung des Grundsatzes in diesem ältesten der schweize­rischen Grundbücher noch gescheut hat, während allerdings ja zur gleichen Zeit Bern bereits die Fertigung für alle Arten von Dienstbarkeiten zur Anwendung gebracht hat. Das Grundbuch wird, wenn nicht alle dinglichen Rechte aus demselben wenigstens in dem Sinne ersichtlich sind, dass was nicht eingetragen ist, auch nicht dinglich zu Recht bestellt, in seiner wesentlichsten Bedeutung beeinträchtigt, indem es für den Eigentumserwerb und die Belastung mit negotiabeln Pfandrechten den Interessenten keine absolut zuverlässige Basis mehr darbietet. Nicht nur die Dienstbarkeiten bleiben also an sich auf einer weniger sicheren Rechtsgrundlage bestehen, sondern der gesamte Verkehr mit den Grundstücken verharrt in einem wichtigen Punkte bei den alten unabgeklärten Verhältnissen, so lange man nicht das Grundbuch



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auf alle dinglichen Rechte anwendet. Um der Vorteile des Grund­buches selbst willen durfte der Entwurf, wenn er es nicht wegen der Dienstbarkeiten selber getan hätte, für die Dienstbarkeiten keine Ausnahme vom Grundbuchzwange zulassen.
Da in dem Grundbuch das Mittel liegt, eine Wirkung herbei­zuführen, die jedermann anerkennen muss, und da zugleich mit dem Grundbuch die Verfügungsmöglichkeit begründet wird, liegt es nahe, dem Grundbuch eine Wirkung zu verschaffen, die über den Kreis der dinglichen Rechte hinausgeht. Fast alle, ja in gewissem Masse notwendigerweise alle Grundbuchrechte anerkennen dies auf irgend eine Art und Weise. Auch der Entwurf musste sich hierzu bekennen. Die Richtungen aber, nach denen solche Ausdehnung des Grundbuchinhaltes gegeben sein kann, ergeben sich aus folgenden Erwägungen :
a) Das Rechtsgeschäft, auf Grund dessen ein dingliches Recht eingetragen werden soll, kann irgendwelche Klauseln, Ein­schränkungen oder Modifikationen in bezug auf die Begrün­dung oder den Bestand des dinglichen Rechtes enthalten, die ihrerseits sich durchaus nicht als dingliche Rechte darstellen und jedenfalls als solche nicht in die Kolumnen des Grundbuches eingetragen werden können. Bei solcher Sachlage gibt es nach absolutem Grundbuchrecht nur die Alternative: Entweder man trägt das dingliche Recht ohne jene Klauseln ein, unter Begrün­dung eines persönlichen Anspruches gegen den Mitkontrahenten auf deren Beobachtung. Das dingliche Recht wird für den Berech­tigten oder Verpflichteten nur persönlich gegenüber dem andern verklausuliert oder modifiziert, und es besteht mithin nicht nur die Gefahr, dass diese Klauseln nicht erfüllt, sondern auch dass sie durch Übertragung des dinglichen Rechtes auf einen Dritten, den die aus denselben sich ergebende persönliche Gebundenheit nichts an­geht, illusorisch gemacht werden. Oder aber es können die Par­teien zuwarten, bis die fraglichen Bedingungen oder Vorbehalte in betreff ihres persönlich verpflichtenden Inhaltes in gewisser Hinsicht verwirklicht oder sonstwie weggefallen sind, und also die Eintragung des dinglichen Rechtes bis zu diesem Zeitpunkte aufschieben, mit der Folge, dass inzwischen der bisher nach Grundbuch Berechtigte weiterhin berechtigt bleibt. Allerdings steht er unter der persönlichen Verpflichtung, die grundbuchliche Ein­tragung vorzunehmen, sobald der Inhalt der Klauseln erfüllt ist, in der Zwischenzeit aber bleibt es ihm möglich, andere grund­buchliche Verfügungen zu treffen, die dem zeitlich vorausgehenden Anspruch auf Eintragung, dem die Eintragung immer noch nicht



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gefolgt ist, natürlich vorgehen. Mag die eine oder die andere dieser Alternativen gewählt werden — und die Umstände werden bald dieses und bald jenes als geboten oder gar als einzig möglich erscheinen lassen — so ergibt sich stets ein nicht recht befrie­digendes Resultat. Bei der ersteren Möglichkeit muss der bisherige Eingetragene dem Erwerber Vertrauen schenken, dass er die per­sönlichen Verpflichtungen regelrecht erfüllen werde, bei dar letzteren umgekehrt ist der Erwerber in der Lage, dem immer noch Ein­getragenen ein Vertrauen schenken zu müssen, das oft recht unbe­quem sein kann. Aus diesen Gründen ist das Bedürfnis dafür entstanden, dass solche Klauseln, die persönliche Verpflichtungen enthalten, im Grundbuch sollen vorgemerkt werden können, mit der Folge, dass sie alsdann jedermann gegenüber Wirkung haben. Jeder dinglich aus dem Grundbuch Berechtigte soll durch sie per­sönlich nach den Umständen gebunden sein, als hätte er bei Begründung oder Übertragung seines dinglichen Rechtes diese persönliche Verpflichtung übernommen. Man denke an den Vor­behalt, dass der Eigentümer eines Restaurants verpflichtet sein soll, das Bier für seine Wirtschaft ausschliesslich von einer gewissen Brauerei, vermutlich der bisherigen Eigentümerin oder dem Geld­darleiher des Käufers, zu beziehen, oder an die Verpflichtung, eine Wohnung in dem gekauften Hause einem gewissen Mieter zu über­lassen, oder an die Bedingung, dass der Liegenschaftskauf rück­gängig werden soll, wenn der Käufer das in Aussicht stehende Wirtschaftspatent nicht erhält, oder dass er auf den Zeitpunkt vollzogen werden soll, wo der Verkäufer auswandert. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, mit den grundbuchlich einzutra­genden Verhältnissen Nebenabreden zu verbinden, die zwar nicht dingliches Recht an dem Grundstück, aber doch für die eine oder die andere Partei von sehr grosser Bedeutung sind, so dass die Verpflichtung oder Berechtigung ihren wahren Wert erst durch sie erhält und in der Tat eine bloss unter den Kontrahenten begründete persönliche Verpflichtung nicht dasjenige leistet, was die Parteien eigentlich zu erreichen wünschen.
Aus solchen Überlegungen haben moderne Grundbuchrechte häufig die Vormerkung persönlicher Rechte oder Pflichten unbe­schränkt und mit der Folge zugelassen, dass sie durch diese Vor­merkung jedermann gegenüber wirksam gemacht werden. Und man vermöchte denn auch unbedenklich dieser Ordnung zu folgen, wenn nicht ein schwerer Übelstand ihr entgegenstünde, und dieser liegt darin, dass durch die unbeschränkte Zulassung solcher Vor­merkungen das Grundbuch über alles Mass belastet wird. Man kann sich bei diesem System auf keinen Eintrag mehr ohne wei-



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teres verlassen, sondern muss die ganzen Rechtsakte, die in den Vormerkungen angezogen sind, nachlesen, um zu wissen, was für persönliche Verpflichtungen man zugleich mit dem dinglichen Recht zu übernehmen hat. Und überdies erschwert sich diese Folge auch noch dadurch, dass diese persönlichen Verpflichtungen nicht in die Gestalt einer ganz bestimmt lautenden Verpflichtung mit kurz und deutlich umschriebenem Inhalt gekleidet zu sein brauchen, sondern dass sie sich in Details und in Unbestimmheiten verlieren können, die auf den ersten Blick oft gar nicht die ganze Tragweite der Verpflichtung erkennen lassen. Nicht, wie bei den dinglichen Rechten, hat man es mit bestimmten Kategorien zu tun, die für jedermann leicht erkennbar und gesetzlich umschrieben sind, wie Eigentum, Pfandrecht, Dienstbarkeit, sondern der ganz und gar freie und unbestimmbare Inhalt der persönlichen Abrede des ein­zelnen Falles kommt zur Geltung und daraus entsteht für jeder­mann, der mit dem Grundbuch verkehrt, eine Gefahr, die nur dadurch einigermassen gehoben oder vermindert werden kann, dass man die Grundbuchverwaltung und den Grundbuchverkehr ausschliesslich Personen anvertraut, die des Rechts vollkommen kundig sind. Da nun aber bei unseren Verhältnissen gerade diese Voraussetzungen nicht zutreffen und namentlich zu demjenigen im Widerspruch stehen, was vielfach in den Kantonen bishin für die Führung der öffentlichen Register als genügend erachtet worden ist, so müsste bei uns mit der ungemessenen Zulassung der Vor­merkung persönlicher Verpflichtungen das Grundbuch gerade an der Funktion empfindliche Einbusse erfahren, um deren willen es geschaffen worden ist, nämlich an der Herstellung einer übersicht­lichen und zuverlässigen Publizität der dinglichen Rechte an Grundstücken.
Aus solchen Erwägungen ist der Entwurf dazu gekommen, ein anderes System zu wählen. Allerdings sollen solche persönliche Verhältnisse nicht ganz von der Vormerkung im Grundbuch aus­geschlossen sein. Allein ihre Zulassung wird nur in den Fällen gestattet, wo das Gesetz selber die Vormerkung vorsieht, und das sind Fälle, in denen das Gesetz dann auch zugleich dazu Sorge trägt, dass die persönliche Berechtigung und Verpflichtung jene Bestimmtheit des Inhaltes erhält, die für die Konkurrenz mit den dinglichen Rechten absolut wünschenswert ist. Vorgesehen ist im Entwurfe diese Möglichkeit : Für die Miete und die Pacht (bei der Revision des OR anzugeben, vgl. OR Art. 281)(1)und für das Vorkaufsrecht und das Rückkaufsrecht (Art. 681 und

(1) Vgl. nunmehr OR 260 u. 282.



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683). (1) Die Anwartschaft bei Nacherbeneinsetzung, sowie die Eintragung bei den Heimstätten reiht der Entwurf unter die zweite Kategorie der Vormerkungen ein.
Folge von dieser Einschränkung ist es nun allerdings, dass gar viele persönliche Verpflichtungen, von denen der Berechtigte sehr dringend wünschen möchte, dass sie dinglich wirksam werden sollen, diese Eigenschaft nicht erhalten können. Allein dieser Nachteil wiegt weniger schwer, als der Schaden, den das gegen­teilige System der ganzen Grundbucheinrichtung zufügen müsste. Und überdies darf angeführt werden, dass die Beteiligten auf einem Umwege und ohne Schaden für das Grundbuch doch in den meisten Fällen zu ihrem Ziele kommen können : Sie brauchen nur für die Einhaltung der Verpflichtung und das Versprechen, gegebenenfalles dieselbe auch auf einen neuen Erwerber des Grund­stückes zu übertragen, eine Vertragsstrafe anzusetzen und für diese auf das Grundstück eine Pfandverschreibung eintragen zu lassen.
b) Da der eingetragene Eigentümer zur Verfügung über sein Grundstück notwendig des Grundbuches bedarf, ergibt sich eine Sicherung Dritter gegen jede ihnen nachteilige Verfügung am ein­fachsten und sichersten daraus, dass sie eine Verfügungsbeschrän­kung im Grundbuch vormerken lassen. Ein Bedürfnis hierfür ist allgemein anerkannt und im Grundbuchrecht in irgendeiner Weise überall berücksichtigt. Es besteht namentlich für die Fälle, wo ein Gläubiger berechtigt ist, zur Sicherung vollziehbarer Ansprüche Arrest zu nehmen, was alsdann gegenüber einem Grundstück in Gestalt der Eintragung einer Vormerkung geschieht, durch die dem eingetragenen Grundeigentümer verwehrt wird, zum Schaden des Berechtigten über die Liegenschaft irgendwie grundbuchlich zu verfügen.
Dazu kommen die Rechtsverhältnisse, denen nach dem Gesetz eine dingliche Wirkung durch das Grundbuch beigelegt werden will, ohne dass sie doch als eine Kategorie der beschränkten dinglichen Rechte erscheinen, wie dies mit der Nacherbeneinsetzung (Art. 510, Abs. 3)(2) und den Heimstätten (Art. 380) (3) der Fall ist, insofern ihnen nach dem Entwurfe von vornherein eine mehr als persönliche Wirkung zugestanden wird.
Bei diesen Vormerkungen der zweiten Art ist dann aber zu beachten, dass ihre Eintragung nicht ohne weiteres dem An­sprecher gestattet werden kann. Er muss sich hierzu auf Grund der gehörigen Ausweise eine gerichtliche Erlaubnis erwirken, wo-
(1) ZGB 681 u. 683, wo noch das Kaufsrecht angefügt ist. (2) Vgl. ZGB 490. Abs. 2. (3) ZGB 353.



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bei der Vollziehungsbeamte oder der Richter genau zu bestimmen hat, in welchem Umfange, zeitlich und nach dem Werte, diese Beschränkung des Eigentümers Platz greifen soll. Bei den genannten Rechtsverhältnissen mit dinglicher Wirkung genügt allerdings der Ausweis über ihr Bestehen zur Begründung der Vormerkung.
c) Endlich ergibt sich eine dritte Art der Vormerkung aus der Möglichkeit, dass ein Ansprecher ein dingliches Recht geltend macht, das nicht eingetragen ist oder mit den vorhandenen Ein­trägen in Widerspruch steht, und dessen Eintragung der ein­getragene Eigentümer dem Ansprecher verweigert. Muss dieser den Prozessweg betreten, so läuft er Gefahr, dass während des schwebenden Rechtsstreites der Eigentümer als immer noch Ein­getragener seine Befugnis missbrauche, um ihn durch Begründung anderer dinglicher Rechte zu schädigen, die zeitlich und damit im Range dem Anspruch des Klägers, auch im Falle des Ge­winnes des Prozesses, vorgehen würden. Dies muss auf irgend­eine Weise vermieden werden können, und es geschieht am ein­fachsten dadurch, dass man den Ansprecher für befugt erklärt, eine Vormerkung zu erwirken, mit deren Hilfe er für den Fall seines Sieges im Rechtsstreit seinem dinglichen Anspruch das frühere Datum und damit den vorgehenden dinglichen Rang sichert. Verwandt hiermit ist der zweite Fall dieser Vormerkungsart, wo ein Erwerber sich aus irgendwelchen Gründen über sein dingliches Recht formell nicht genügend ausweisen kann, während dieses materiell ganz feststeht. Es fehlt ihm z. B., um sich als Erbe das Eigentum übertragen zu lassen, noch die Legalisation einer Unterschrift, während allgemein bekannt und anerkannt ist, dass er der Erbe sei. Muss er nun zuwarten, bis diese Unterschrift, vielleicht aus überseeischen Kolonien, beigebracht ist, so würde er Gefahr laufen, in der Zwischenzeit durch eine Verfügung des Ein­getragenen geschädigt zu werden. Davor schützt ihn eine Vor­merkung, die das Datum seines dinglichen Rechtes für den Fall zum voraus fixiert, dass binnen einer bestimmten Frist die noch fehlende Formalität nachgeholt werde.
Der Entwurf zieht diese verschiedenen Rechtsmittel in den Art. 1002, 1003 und 1004 (1) in ein Institut, Vormerkung genannt, zusammen, weil es sich empfiehlt, diese Vorbehalte alle in die gleiche Rubrik zusammen zu schreiben, trotz ihres innerlich ver­schiedenen Charakters. Man erhält dadurch einen bestimmten Gegensatz zu den Einträgen, die immer nur das bestimmt be-
(1) ZGB 959, 960, 961.



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gründete und im Gesetz vorgesehene dingliche Recht betreuen können.
Die Eintragung setzt immer eine Erklärung des Eigentümers, d. h. mit Ausnahme der Fälle des gesetzlichen Eigentumserwerbes, des eingetragenen Eigentümers voraus. Diese muss der Wichtig­keit der Sache entsprechend eine bestimmte Gestalt erhalten, für die füglich Schriftlichkeit verlangt werden darf. Allein es frägt sich, ob man es in der Grundbuchordnung hierbei bewenden lassen wolle. Bei Bejahung der Frage würde die Eintragung auf eine abstrakte Voraussetzung begründet, sie würde sich vollziehen, ohne dass der Rechtsgrund überhaupt in Frage käme, aus dem die grundbuchliche Verfügung geschieht. Sicherlich würde eine solche Ordnung sehr vieles für sich haben mit Hinsicht auf die Sicherung des Eintrages gegenüber dem Veräusserer und zugunsten des Er­werbers. Allein für die Zwecke der Publizität ist diese Ordnung doch weder notwendig, noch auch nur erstrebenswert. Vielmehr empfiehlt es sich, neben der schriftlichen Verfügung des grund­buchlich Berechtigten zur Eintragung auch noch als Ausweise die Vorlegung des Geschäftes zu verlangen, oder also einen Ausweis über den formrichtig hergestellten Rechtsgrund, aus dem der Erwerber gegenüber dem Veräusserer die Eintragung verlangt. Dem grund­buchlichen Geschäft wird dadurch der abstrakte Charakter ge­nommen, soweit die Parteien selber einander gegenüberstehen. Dritte aber sind nichtsdestoweniger genügend in ihrem Erwerbe geschützt, weil sie sich in gutem Glauben auf den Eintrag ver­lassen dürfen. Es scheint uns, die Anerkennung des dinglichen Vertrages im Grundbuchrecht sei dem Umstande zu verdanken, dass man das Bedürfnis empfunden hat, für die Wirkung des Eintrages, die sich von der Causa der Eintragung gegenüber einem gutgläubigen Dritten loslöst, eine Erklärung zu haben. Diese Erklärung ist aber doch wohl Sache der Doktrin und nicht der Gesetzgebung. Uns genügt die Anerkennung der Publizitätswirkung, von der wir unter Ziffer 5 noch näher sprechen werden. Im übrigen mag das Anfordernis des Ausweises über den Rechts­grund als eine Konkretisierung der grundbuchlichen Verfügung oder als eine blosse Formalität, die neben der Anerkennung der abstrakten Verfügung hergehen würde, aufgefasst werden, das praktische Resultat ist für die beiden Hauptfolgen der Eintragung, die das Gesetz zu fixieren hat, d. h. einerseits für den Schutz des gutgläubigen dritten Erwerbers und anderseits für die Möglichkeit der Anfechtung gegenüber dem unmittelbaren Erwerber aus unver­bindlichem oder gar nicht vorhandenem Rechtsgrunde, bei der einen oder der anderen doktrinellen Auffassung das gleiche.



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4. Das Grundbuch stellt sich als Publizitätsorgan dar und ent­hält, um seinem Zwecke dienen zu können, in Realordnung eine übersichtliche Aufzeichnung aller dinglichen Rechte an jedem Grundstück. Diese Ordnung kann verschieden gedacht werden und ist auch schon mit verschiedenen Mitteln versucht worden. Zur Würdigung dieser Möglichkeiten muss man zweierlei unter­scheiden. Bei der Eintragung der dinglichen Rechte handelt es sich nämlich einerseits um eine Beschreibung des dinglichen Rechtes an sich, und anderseits um eine übersichtliche Darstellung dieser Rechte in ihrer Gesamtheit. Beide Momente stehen unter sich in einem gewissen, nicht zu vermeidenden Gegensatz. Gibt man der Aufzeichnung für sich eine zu grosse Ausführlichkeit, so gelingt es nicht, alle die Rechte zu einer leichten Übersichtlichkeit zu vereinigen, und stellt man mit summarischer Angabe aller der Rechte die Übersichtlichkeit her, so ermangelt die Aufzeichnung der wünschenswerten Vollständigkeit. Aus diesem Dilemma ver­suchen sich die Rechte, jedes auf seine Art, herauszuarbeiten. Übergehen wir die Versuche, die einfach auf liegenschaftlich geordneten Blättern die dinglichen Rechte nach den vollständigen Errichtungsakten zusammenschreiben liessen und derart ein Pro­tokoll der dinglichen Rechte in Realordnung, aber ohne jede Sich­tung hergestellt haben, so sind es zwei Anordnungen, die namentlich beachtet zu werden verdienen.
Der eine Weg besteht darin, dass chronologische Register angelegt werden, in die alle dinglichen Rechte derselben Art zu­sammengeschrieben werden. Es wird ein Heft für die Handänderungen, ein zweites für die Verpfändungen, ein drittes für die Dienstbarkeiten geführt, zu diesen aber kommt ein Hauptbuch, in das tabellarisch alle dinglichen Rechte je einer Liegenschaft mit einem ganz kurzen Vermerk eingetragen werden, unter Verweisung auf die verschiedenen Register für alles Nähere. Es wird beispiels­weise unter der Rubrik der Handänderungen im Hauptbuch einfach notiert: Übertragung vom 3. Februar 1902, siehe Handänderungsregister Fol. 93, in der Rubrik der Pfandrechte: Grundpfandbestellung vom 14. März 1902, siehe Register der Pfandbestellungen, Fol. 32 usw. Das Hauptbuch enthält also nichts als die Verweisung, und für alles weitere ist das bezügliche Register nachzuschlagen. Dabei hat es aber immer die Meinung, dass diese Eintragung im Hauptbuch mit der bezüglichen Verweisung die entscheidende Form ausmache. Mag eine Berechtigung auch in einem der Spezialregister eingetragen sein, solange sie nicht im Hauptbuch steht, hat sie keine dingliche Kraft,
Das zweite System besteht darin, dass zwar auch die den Ein-



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trag veranlassenden Akte gesammelt und entweder in ein Register oder in mehrere eingetragen, oder auch in Gestalt der Originalien der angemeldeten Rechtsakte selber entgegengenommen und auf­bewahrt werden, dass aber das eigentliche Grundbuch in den einzelnen Rubriken die das dingliche Recht betreffenden Bestim­mungen des Aktes selber aufnimmt, zwar nicht absolut vollständig, aber doch deutlich und ausführlich genug, dass daraus der Inhalt des Rechtes selbst ins einzelne ersichtlich ist. Wird also ein Grundpfandrecht angemeldet, so erfährt der ganze Verpfändungs­akt seine Aufnahme in das Vertragsprotokoll oder es wird der eingereichte Akt selber aufbewahrt. Die Eintragung in das Haupt­buch aber gibt alles an, was das Pfandrecht und die für dieses relevante Forderung beschlägt, Pfandsumme, Pfandrang, Gläubiger, Zinsfuss, Datum und noch weitere Momente, während eine Ver­weisung auf das chronologisch geführte Buch auch hier dem Nach­suchenden das Mittel an die Hand gibt, den weiter etwa wünschens­werten Aufschlags sich dort zu suchen.
Wägen wir ab, welches dieser beiden Systeme den Vorzug verdient, so ist zunächst zu sagen, dass mit dem erstern eine auf lange Zeit sich hinziehende Fortführung des gleichen Protokolles möglich gemacht wird. Die Einträge sind so knapp, als es nur angeht, sie nehmen ein Minimum von Raum ein, sie erfordern ebenso ein Minimum von Kenntnis von seiten des Grundbuchbeamten. Denn seine Arbeit besteht einzig in der richtigen und zuverlässigen Eintragung der Verweisungen, während alles übrige nur in einer Abschrift des von anderer Hand präparierten Aktes besteht, nach allen diesen Richtungen Vorzüge, die nicht zu unterschätzen sind. Allein dem steht nun das andere System mit dem Vorteil gegen­über, dass, sobald man mit der Umschreibung in den Kolumnen des Grundbuches nicht zu weit geht, hier erst die Übersichtlich­keit der dinglichen Rechte hergestellt wird. Das erstere System erfordert ein Nachschlagen nach allen Seiten, sobald man etwas mehr als die Existenz eines gewissen Rechtes erfahren möchte. Das letztere erteilt den gewünschten Aufschluss in den meisten Fällen ohne weiteres und auf den ersten Blick. Allerdings erhält man nicht den ganzen Akt aus dem Hauptbuch zu Gesicht, aber doch genug, um sich ein Urteil über die dingliche Belastung der Liegen­schaft bilden zu können. In den meisten Fällen wird diese kurze, prägnante Verweisung genügen, um überhaupt betreffend den gesuchten dinglichen Rechtsvorgang hinreichend unterrichtet zu sein. Man denke an die Eigentumsübertragungen, die doch in der Tat regelmässig nur unter den Parteien selbst mit allen ihren Details von Interesse sind, während für den Dritten mit der Erwerbs-



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tatsache alles nötige der Publizität überliefert ist. Wo aber, wie vielfach bei den Dienstbarkeiten, aus der kurzen Angabe im Grund­buch nicht alles Wünschenswerte ersehen werden kann, da ist es doch nur eine Belästigung, die beim anderen System ohnedies in viel höherem Masse vorhanden wäre, wenn man zur näheren Orientierung auf das chronologische Register verwiesen wird.
Ein Nachteil dieses zweiten Systems ist es allerdings, dass der Grundbuchverwalter aus dem vorgelegten Akt einen Auszug machen muss, und dass, wenn hier ein Irrtum begegnet, es dann eben doch dieser Auszug ist, der das dingliche Recht schafft. Allein dem gegenüber darf man einwenden, dass es am Ende doch nur einige wenige Formen des Sachenrechtes, die im Grundbuch regelmässig wiederkehren, sind, um die es sich hierbei handelt, und für diese kann sich der Beamte leicht jene Zuverlässigkeit aneignen, die seine amtliche Tätigkeit kennzeichnen soll. In den wenigen Typen : Eigentumsübertragung, Dienstbarkeitsbestellung oder Grundlast und Grundpfandrecht, bewegt sich mit den be­scheidenen Ausnahmen betreffend die Vormerkungen der ganze grundbuchliche Verkehr, und es ist ja schon oben von uns hervor­gehoben worden, dass wichtige Erwägungen es dringend befür­worten, diese Einfachheit soviel als nur möglich aufrecht zu er­halten. Die Erfahrung zeigt uns, dass die Grundbuchbeamten un­schwer sich in diese Arbeit hineinleben, und gewonnen ist damit eine leichte Handhabung und eine Übersichtlichkeit des Grund­buches, die mit dem ersten Systeme niemals erreicht werden kann.
Von unsern kantonalen Grundbuchrechten hat dasjenige der Waadt im wesentlichen das erste System aufgenommen. Das zweite findet sich in Solothurn und in Basel-Stadt. Eine vollständige Eintragung der Akte in das Hauptbuch selber hat keine kantonale Grundbuchordnung mit der Realordnung verbunden. Der Entwurf aber konnte nicht irre gehen, wenn er sich den zweitgenannten Vorbildern anschloss, mithin das Grundbuch nach dem letztbe­schriebenen Systeme zum Vorschlag gebracht hat.
Wir erhalten damit für das Grundbuch eine luzide Darstellung der dinglichen Rechte. Die öffentlichen Urkunden, mit denen die Rechtsgeschäfte zur Eintragung der dinglichen Rechte vorzulegen sind, werden als Belege gesammelt und aufbewahrt, die Einträge aber erfahren in Auszügen nach den für das dingliche Recht wichtigsten Merkmalen im Hauptbuch ihre Herstellung. Alles zusammen ist eigentlich in seiner Vereinigung das Grundbuch. Die Wirkungen der Publizität aber verbinden sich mit den Ein­trägen im Hauptbuch.



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5. Die Rechtskraft der Grundbucheinträge beruht unter allen Umständen auf der Funktion, die dem Grundbuch in der modernen Gesetzgebung zugewiesen ist : Herstellung einer zuverlässigen Publizität der dinglichen Rechte an Grundstücken. Es ergibt sich daraus nach der negativen Seite als unentbehrlich der Satz, dass sich ohne Eintragung überhaupt keine dingliche Wirkung an allen in das Grundbuch aufgenommenen Grundstücken erzielen lässt. Was nicht eingetragen ist, das besteht auch nicht dinglich zu Recht. Auf die Kenntnis oder Unkenntnis von dem Vorhandensein eines auf ein dingliches Recht abzielenden Rechtsaktes kommt es hier durchaus nicht an, die Kenntnis des materiellen Verhältnisses kann die Form, deren es zur Begründung des dinglichen Rechtes in der Eintragung nun einmal bedarf, nicht ersetzen. Auch wer weiss, dass ein Niessbrauch zwar letztwillig vermacht, aber noch nicht eingetragen ist, handelt nicht ohne weiteres in bösem Glauben, wenn er das Grundstück als niessbrauchsfrei erwirbt, denn jeder­mann kann davon ausgehen, dass ohne Eintragung ein dingliches Recht überhaupt nicht zur Existenz gekommen ist. Davon kennt das Sachenrecht nur die Ausnahmen des gesetzlichen oder richter­lichen Erwerbes, von dessen Verhältnis zum Grundbuch wir bereits oben gesprochen haben.
Nicht so einfach ist die Funktion des Grundbuches nach der positiven Seite, d. h. mit Bezug auf die Frage, ob, was eingetragen ist, dann auch, solange es eingetragen ist, ohne jede Rücksicht auf den materiellen Rechtsbestand zu Recht bestehe. Zwei Auf­fassungen sind hier möglich.
Nach der einen ist die Überlegung entscheidend, dass, wie ohne Eintragung kein dingliches Recht zur Entstehung gelange, so auch jede Eintragung durchaus das dingliche Recht zur Ent­stehung bringen müsse. Denn der Eintrag sei die Form des ding­lichen Rechtes, in ihr liege eine formale Existenz des Rechtes selber, die folgerichtig positiv eine Rechtskraft ausüben müsse, die von jeder Rücksicht auf das materielle Recht losgelöst sei. Daraus wird dann die weitere Folge abgeleitet, dass jedermann ohne weiteres die Richtigkeit des Grundbuches für sich in Anspruch nehmen dürfe. So lange jemand als Eigentümer eingetragen sei, dürfe er von jedermann, auch wider alles bessere Wissen, grund­buchlich als Eigentümer betrachtet werden. Vielleicht allerdings ergebe sich auf Grund des persönlichen Verhältnisses eine Klage aus Arglist, die auf Schadenersatz oder auf Gutmachung des Schadens auf dem Wege der Wiederherstellung eines zu Unrecht veränderten Grundbucheintrages gehen könne. Allein an sich sei durch die Eintragung das dingliche Recht durchaus hergestellt,



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und jede Berichtigung wegen Fehlens der materiellen Grundlage sei nur als persönliche Klage aus dem arglistigen Verhalten der Gegenpartei zuzulassen. Diese Auffassung hat unbestreitbar den Vorzug, dass sie eine an sich sehr klare Rechtslage herzustellen vermag. Allein eine innere Begründung aus dem Zwecke des Grundbuches kann sie nicht beanspruchen. Die Publizität verlangt einzig, dass das dingliche Recht in zuverlässiger Weise aus dem Grundbuche ersichtlich sein soll, dass also derjenige, der sich aus dem Grundbuche orientiert, daraus nicht zu Schaden kommen dürfe. Wenn er aber davon Kenntnis besitzt, dass das in dem Eintrag figurierende Recht gar nicht besteht, so hat er sich nicht auf das Grundbuch und dessen Publizität verlassen. Er hat vielmehr eine rein formelle Herstellung des dinglichen Rechtes angerufen, die über die Publizität des Grundbuches hinaus reicht, eine Rechtskraft, die sich nicht als eine Folge aus dessen Grund­gedanken darstellt und mithin nicht als in seiner Natur liegend anerkannt werden kann.
Anders die zweite Auffassung. Sie verleiht dem Eintrag nur so viel Rechtskraft, als dies um der Publizität willen geboten ist, und gelangt damit zu folgenden Unterscheidungen :
1. Wenn ein grundbuchlich Berechtigter über ein Grundstück dinglich verfügt mit einem Akte, der unverbindlich ist, oder materiell überhaupt nicht zu Recht besteht, so erhält der Gegner aus dem damit erwirkten Eintrag durchaus kein anderes Resultat, als bei irgend einem andern Rechtsverhältnis. Er hat sich nicht auf die Publizität des Grundbuches gestützt, sondern es war ein dem Grundbuch ferne liegender Umstand, der die Rechtshandlung unwirksam gemacht oder die Mangelhaftigkeit der Wirkung des Rechtsverhältnisses verschuldet hat. Dafür gibt es in keiner Publizität des Grundbuches eine Heilung, die Publizität war hier gar nicht in der Lage, der Gegenpartei grundbuchlich etwas zu geben oder zu nehmen. Was auf ihrer Grundlage geschehen ist. das ist im Grundbuch von Anfang an in Ordnung gewesen, und nur der besondere Akt, den der Grundbucheintrag allerdings zur Voraussetzung hat, war untüchtig, eine Rechtswirkung auszuüben. Hat also der im Grundbuch eingetragene Eigentümer eine Dienst­barkeit für seinen Vertragsgegner auf Grund eines Rechtsgeschäftes eintragen lassen, das für ihn wegen eines wesentlichen Irrtums unverbindlich ist, so kann der Gegner sich auch im besten Glauben nicht auf den ihm zu Teil gewordenen Eintrag berufen. Denn nicht das Grundbuch hat ihn im Stiche gelassen, sondern das Rechtsgeschäft, das er mit dem grundbuchlichen Eigentümer abgeschlossen hat. Ebenso wenn jemand ein Grundstück zu Eigen-
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tum übertragen erhalten hat, auf Grund einer Vollmacht des eingetragenen Eigentümers, die sich nachträglich als gefälscht erweist. Die Publizität des Grundbuches ist hier überall gar nicht in Frage. Der Geschädigte kann geltend machen, dass die erwirkte Eintragung gar nicht zu Recht bestehe, er vermag aus diesem Grunde den geschehenen Eintrag anzufechten, und auf die Klage gegen den zu Unrecht Eingetragenen erfolgt die Abänderung des Eintrages, mit den Begleitfolgen (wie Schaden­ersatz usw.), die für den Geschädigten nach gewöhnlichen Rechts­regeln gegeben sind.
2.    Liegt der Fall nun aber so, dass eine vorhandene Ein­tragung zwar ungerechtfertigt ist, während eben doch auf ihrer Grundlage der zu Unrecht Eingetragene grundbuchlich zugunsten eines Andern verfügen kann, so wird das Grundbuch zwar an sich als Publizitätsorgan dienen können. Allein wenn dieser Andere über die wahre Sachlage betreffend den ungerechtfertigten Eintrag unterrichtet ist, oder doch bei schuldiger Aufmerksamkeit hätte unterrichtet sein müssen, so fehlt jede Veranlassung, die Publizi­tätswirkung des Grundbuches als entscheidend zu betrachten. Vielmehr muss in diesem Falle derjenige, der aus jenem ungerecht­fertigten Eintrag in seinem dinglichen Recht beeinträchtigt worden ist, seine Rechte, wie wir unter Ziff. 1 ausgeführt haben, gegen den unmittelbaren Erwerber geltend machen und dessen einge­tragenes Recht zur Löschung zu bringen suchen. Ferner wird er auch das Recht angreifen können, das der ungerechtfertigt Ein­getragene auf Grund dieses Eintrages etwa begründet hat, denn auch der Dritte kann sich nicht auf die Publizitätswirkung des Grundbuches berufen, sobald er die wahre Sachlage gekannt hat oder hätte kennen sollen. Man vergegenwärtige sich den schon erwähnten Fall, wo jemand durch Fälschung einer Unterschrift es dazu gebracht hat, dass ohne die Einwilligung des eingetragenen Eigentümers das Eigentum an einem Grundstück auf ihn selbst oder einen andern übertragen wird, und wo, bevor dies entdeckt wird, der so Eingetragene dieses Grundstück an einen Dritten verpfändet, der von dem erfolgten Betrüge Kenntnis hat. Ficht nun der Betrogene die Eigentumsübertragung siegreich an, so muss auch das Grundpfand dahin fallen, denn auf Grund der Publizität des Grundbuches hat es keinen Anspruch auf Aner­kennung, und materiell ist es nicht gerechtfertigt.
3.    Ganz anders nun aber liegt die Sache, wenn in diesem letztgenannten Falle der Grundpfandgläubiger von dem statt­gehabten Betrug weder Kenntnis hatte noch haben musste. Dann hat er sich bei der Errichtung der dinglichen Last auf das Grund-



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buch verlassen. Er vertraute auf dessen Publizität, und Folge davon muss es sein, dass er trotz der unrichtigen Grundlage, auf die sein Recht gegründet ist, in seinem Rechte geschützt wird.
Damit gelangen wir zu einer deutlichen Abgrenzung der Publizitätswirkung : Sie erfolgt da, wo jemand sich in guten Treuen auf das Grundbuch verlassen hat. Und sie besteht darin, dass der Erwerb eines solchen auf Grund einer Eintragung anerkannt wird, auch wenn die Verfügung zu seinen Gunsten auf einer Grundlage erfolgt ist, die nur scheinbar zu Recht bestand, in Wirklichkeit aber der Anfechtung unterlag, an der Möglichkeit der Anfechtung krankte, die aber zur Zeit des Erwerbes durch den Dritten dem Erwerber noch nicht bekannt war.
Der Entwurf hat kein Bedenken getragen, in Übereinstimmung mit den schweizerischen Grundbuchrechten und mit dem vorherr­schenden Grundbuchrechte überhaupt, nur in diesem Umfange eine positive Rechtskraft dem Grundbuche zuzuerkennen. Alles andere schiesst entweder über die im Verkehr vorhandenen Bedürfnisse aus rein doktrinellen Gründen hinaus, oder es geht nicht weit genug, indem es gar keine Möglichkeit zulässt, die Mängel der materiell-rechtlichen Unterlage aus Gründen des gutgläubigen Verkehrs zur Heilung zu bringen. Die gerechtfertigte Grund­buchwirkung liegt nach der einen wie der anderen Seite in der Anerkennung und nur in der Anerkennung der formalen Wirkung des Grundbuches als Publizitätsorgan.


II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.

    A. Die Einrichtung des Grundbuches, Art. 984 bis 1000. (1) I. Der Bestand des Grundbuches, 1. Die Grundlage, Art. 984. (2) Das Grund­buch muss notwendig aus verschiedenen Büchern und Registern bestehen. Sie alle zusammen bilden das Grundbuch. Was dabei im Gesetz zu entscheiden ist, liegt nicht in der vollständigen Aufzählung dieser Bücher, — man kann die Feststellung von einigen derselben (mit Art. 985, Schluss, und Art. 992)(3) der Verordnung überlassen, — sondern in der Feststellung derjenigen Bücher, die für das Grundbuchinstitut nach seiner Publizitäts­wirkung Rechtskraft haben sollen.
Man wird nun darüber nicht im Zweifel sein, dass notwendig

(1) ZGB 942 bis 957. (2) ZGB 942. (3) Vgl. ZGB 943, Abs. 2, 949.



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ein Buch geschaffen werden muss, das die Einträge vollständig aufnimmt und derart alsdann der Publizitätswirkung zur Grund­lage dienen kann. Ebensowenig wird man sich aber auch der Einsicht verschliessen, dass daneben für die nähere Unterrichtung über den Inhalt der dinglichen Verhältnisse weitere Bücher als Bestandteile des Grundbuches geführt werden müssen. Bei dem von Waadt angenommenen System dienen hierzu die Register der einzelnen Kategorien der dinglichen Rechte, und zwar so wesent­lich, dass ohne sie aus dem Hauptbuch selbst fast nichts über den Inhalt der Rechte ersichtlich wäre, in Basel-Stadt wenigstens in der Weise, dass das Hauptbuch, Lager- und Flurbuch, nur das Wesentliche aufnimmt, alle Einzelheiten der grundlegenden Titel dagegen im Grundprotokoll eingetragen werden. Der Entwurf schreibt vor, dass die Belege zu sammeln seien und, gleich dem Basler Grundprotokoll, dem Hauptbuch zur Ergänzung dienen sollen, wozu noch die Katasterpläne kommen, die über die äussere Gestalt der in das Grundbuch aufgenommenen Grundstücke Aufschluss zu erteilen haben. Auch in den Plänen liegt insofern eine Ergänzung des Hauptbuches selbst, als die nähere Feststellung des Grundstückes durch die Einsicht in diese Pläne gewonnen wird. Direkte Rechtskraft haben neben dem Hauptbuch die Belege und die Pläne insofern, als jenes auf diese verweist, um damit selbst zu bekunden, dass es dieser Ergänzung bedürfe. Das Verhältnis der Bücher untereinander ist dann aber doch so auf­zufassen, dass, wo das Hauptbuch Aufschluss erteilt, sei es positiv oder negativ, den allfällig abweichenden Angaben in den andern Registern gar keine grundbuchliche Bedeutung zukommt. Wo es dagegen auf sie verweist, da darf man erwarten, dass jedermann, der sich im Grundbuche umsieht, inbetreff der dinglichen Wirkungen auch von jenen Aufzeichnungen Kenntnis nehme, und insofern sind dann eben auch die Belege und die Pläne Teile des Grundbuches. Man denke an die nähere Angabe der Grenze eines Grundstücks oder des Bestandes einer Dienstbarkeit im Plane, es besteht z. B. eine Dienstbarkeit der Wasserdurchleitung gemäss der Einzeichnung im Katasterplan, worauf der grundbuchliche Eintrag direkt verweist, oder die nähere Umschreibung eines Wohnrechtes findet sich in dem Beleg, das der Eintragung zugrunde gelegen hat, sodass dort nachzulesen ist, in welchem Umfang die wohnungsberechtigte Person berechtigt sei, Familienglieder, Verwandte oder Dienstboten in die Wohnung aufzunehmen. Überall, wo solches vorliegt, kann man nicht im Zweifel sein, dass die betreffenden Bücher oder Pläne zum Grundbuche gehören, wie denn auch in einer früheren Redaktion der betreffende Artikel geradezu als



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Grundbuch die Vereinigung des Hauptbuches mit Plänen und Belegen bezeichnet hat. Anders verhält es sich dagegen mit den sonst erforderlichen oder wünschenswerten Hilfsregistern, wie Register der Liegenschaften, der Eigentümer, der Parzellierungen u. dgl. Diese bilden überall keinen Bestandteil des Grundbuches. Es wäre wohl angezeigt, diese Verschiedenheit in der Bedeutung der Bücher in Abs. 2 deutlicher zum Ausdrucke zu bringen. (1)
2. Die Aufnahme in das Grundbuch, Art. 985 und 986. (2) Alles was Gegenstand des Grundeigentums sein kann, gehört an sich in das Grundbuch. Wir haben schon früher auf den daraus sich ergebenden Zusammenhang des Art. 985 mit Art. 658 (3) hin­gewiesen. Der Hauptsache nach werden darnach nur Parzellen der Bodenfläche in ihrer Abgrenzung und Individualisierung Auf­nahme finden. Solidereigentum an Gebäuden ohne Grund und Boden, wie das Stockwerkeigentum, steht damit in Widerspruch und ist demgemäss nach Grundbuchrecht nicht mehr möglich. Dagegen ist es statthaft, gewisse Rechte als Grundstücke in das Grundbuch aufzunehmen, wie die Baurechte, Wasserrechte, Bergrechte. Soweit die Belastung einer in das Grundbuch aufgenommenen Bodenfläche die Grundlage eines solchen Rechtes bildet, kommt dieses alsdann in zwei verschiedenen Gestalten im Grundbuche vor: Einerseits unter den Einträgen als dingliches Recht an einem aufgenommenen Grundstücke und anderseits als Grundstück selbst. Schwierig­keiten können daraus durchaus nicht entstehen, denn die zwei Auf­zeichnungen stehen miteinander in gar keinem anderen Zusammen­hang, als dass die erstere die Grundlage der letzteren bildet. Der Entwurf verweist für die Feststellung der Art der Aufnahme auf eine Verordnung, die für die einzelnen Arten dieser Rechte ver­mutlich verschiedene Vorschriften wird erlassen müssen (vgl. Schluss von Art, 985). (4)
Den Zwecken des Grundbuches entsprechend werden nur Grundstücke aufgenommen, die im Verkehr und in Privateigentum stehen. Demnach werden nicht aufgenommen alle herrenlosen Gebiete, solange sie herrenlos sind. Erhalten sie einen Eigentümer, so sind sie aufzunehmen. Wird umgekehrt ein aufgenommenes Grundstück dauernd herrenlos, so ist es vom Grundbuch auszuschliessen. Man denke an das Vorrücken von Gletschern, die Veränderungen an einem Flusslauf. Zweifelhaft kann die Aufnahme
(1) Das Gesetz hat in Abs. 2 von Art. 942 neben dem Hauptbuch auf­geführt: die das Hauptbuch ergänzenden Pläne, Liegenschaftsverzeichnisse, Belege, Liegenschaftsbeschreibungen und das Tagebuch. (2) ZGB 943 u. 944. (3) ZGB 943 u. 655. (4) ZGB 943, Abs. 2. und GVO 7 ff.



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bei den einem öffentlichen Gebrauch dienenden Grundstücken sein. Es scheint uns den grundbuchlichen Zwecken zu entsprechen, wenn solche Liegenschaften nicht aufgenommen werden, wie insbesondere Strassen, öffentliche Plätze, dann aber auch öffentliche Gebäude, Hallen, Brücken, Denkmäler u. dgl. Der Entwurf hatte bis zu seiner letzten Beratung diesfalls eine Bestimmung enthalten, wonach solche dem öffentlichen Gebrauche dienende Sachen, die des Privat­eigentumes sehr wohl fähig sind, aber nicht im Verkehre stehen, als das Eigentum des Gemeinwesens (Gemeinde, Kanton, Bund) zu betrachten seien, dem sie zugehören, woneben sie aber dann doch wie die herrenlosen öffentlichen Sachen behandelt werden sollten. Der vorliegende Entwurf enthält diese Vorschrift nicht mehr. Dafür tritt eine andere Seite des Verhältnisses deutlicher hervor : Solche des Eigentums durchaus fähige Grundstücke können fakultativ eingetragen werden, wenn es so gewünscht wird, damit an ihnen ein bestimmtes dingliches Recht eingetragen werden kann. Wir haben darüber schon bei Art. 921 ausführlicher gesprochen (vgl. auch Art. 986, Abs. 3).(1) Dabei können aber alsdann nicht nur beschränkte dingliche Rechte an ihnen zur Eintragung gelangen, sondern auch das Eigentum. Vor der Aufnahme eines solchen Grundstückes lässt sich kein grundbuchliches Eigentum an ihm herstellen. Erheben aber z. B. eine Gemeinde und ein Kanton Eigentumsanspruch an einem öffentlichen Platz, der bishin nicht aufgenommen war, so kann das Verhältnis geklärt werden, indem die Aufnahme in das Grundbuch und die Eintragung des Eigen­tümers angeordnet wird. Der Vorbehalt betreffend die Eisenbahnen steht in Zusammenhang mit dem, was wir betreffend das Pfand­recht an Eisenbahnen oben angeführt haben.
3, 4 und 5. Die Bücher, die Grundbuchpläne und der Wasserrechts­kataster, Art. 987 bis 994. (2) Wir haben die verschiedenartige Bedeutung der einzelnen Bücher bereits hervorgehoben. Hier ist nur noch auf folgende Punkte hinzuweisen:
Das Grundbuchblatt enthält alle die Elemente, auf die es zur äusserlichen Umschreibung der Liegenschaft und zur Aufzeichnung der dinglichen Rechte ankommt. Welche Kolumnen dabei auf dem Grundbuchblatt gebildet werden sollen, haben wir bereits oben dargelegt.
Der Aufnahme der Zugehör kommt, wie wir früher ausgeführt haben, eine grundbuchliche Wirkung nicht zu. Allein faktisch ist
(1) Eine dem zit. Art. 921 entsprechende Bestimmung fehlt im Gesetz, vgl. oben S. 352, Anm. 1, und S, 353. Siehe aber ZGB 944, Abs. 1, und 664. (2) Vgl. ZGB 945 bis 950.



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es doch von Bedeutung, ob etwas als Zugehör erwähnt ist oder nicht. Aus diesem Grunde wird es sich empfehlen, eine Streichung der einmal erwähnten Zugehör nur mit Einwilligung aller grund­buchlich Berechtigten zu gestatten. Aufhebung der Zugehöreigen­schaft durch die Verfügung des Eigentümers kann ja allerdings ganz und gar ausserhalb des Grundbuches stattfinden. Allein um diese Fälle handelt es sich hier nicht, vielmehr muss man an jene Möglichkeiten denken, wo durch die Streichung einer bishin erwähnten Zugehör der Eigentümer die Lage eines Ansprechers, wie z. B. eines Grundpfandgläubigers, verschlechtern könnte. Denn die Aufnahme in das Grundbuch begründet eben doch eine Sach­lage, deren Unrichtigkeit erst dargetan werden muss, wenn sie nicht als richtige Umschreibung des faktischen Bestandes der Liegenschaft gelten soll.(1)
Was die Kollektivblätter anbelangt, so finden wir in vielen Grundbuchrechten, sei es auf Grund gesetzlicher Vorschriften, sei es auch nur bei der Führung des Grundbuches, in der Praxis beobachtet, die Einrichtung, dass mehrere kleinere Parzellen auf ein einziges Folium geschrieben werden, damit der Grundbesitz eines und desselben Eigentümers grundbuchlich für den Rechtsverkehr ein­facher und handlicher gestaltet werde. Man kann eine solche Vorkehr zu Zwecken der Verpfändung fast nicht entbehren. Auch verdient sie um der Vereinfachung der Grundbuchanlage willen alle Beachtung. Die Herstellung solcher Kollektivfolien muss auf Begehren des Eigentümers erfolgen, sie kann unter seiner Zustim­mung auch vom Amte selber angeordnet werden. Eine erst vor­geschlagene Einwilligung der Aufsichtsbehörde wurde als entbehr­lich erachtet, weil bei der ganzen Anlage diese ihren Einfluss ohnedies genügend wird geltend machen können. Fraglich kann es sein, wie alsdann die Eintragungen auf diesem Folium gemeint seien. Offenbar muss man davon ausgehen, dass die so vereinigten Parzellen grundbuchlich zum mindesten insofern eine Einheit bilden, dass gemeinsame, für alle Parzellen wirksame Eintragungen gemacht werden können. Ja man darf noch einen Schritt weiter gehen. Man wird für die Regel annehmen dürfen, dass die Ein­tragungen auf diesem Grundbuchblatt alle Grundstücke desselben betreffen. Sollen daneben aber auch noch Eintragungen für die einzelnen Stücke des Foliums zugelassen werden? Es wird jeden­falls nicht verhindert werden können, dass von früher her für das einzelne Stück bestehende Einträge, wie namentlich Dienstbar­keiten, auch noch auf dem Kollektivblatt weiter geführt werden.
(1) Vgl. ZGB 946, Abs. 2.



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Und gibt man dies zu, so kann es kaum erheblichen Bedenken begegnen, wenn diese Eintragungen auf dem Folium auch künftig für die einzelnen Stücke zugelassen werden. Gerade für die Dienstbarkeiten wird sich dieses Verfahren wohl als unvermeidlich er­weisen. Bei Verpfändungen liegt die Sache allerdings etwas anders, obgleich auch da eine solche Komplizierung wohl praktischen, aber keinen prinzipiellen Bedenken begegnen kann. Der Entwurf hatte es erst ausdrücklich ausgesprochen, dass die Einträge dort für das ganze Folium gelten sollen, wo es nicht anders bestimmt sei. Man hat alsdann gefunden, dass sich diese Ausnahme von selber verstehe, und legt dem Abs. 2 des Art. 989 dispositive Bedeutung bei.(1) Es soll also eine Eintragung für die einzelnen Parzellen stillschweigend zugestanden sein, nur ist dabei nicht ausser acht zu lassen, dass es der Zustimmung aller an dem Ein­trag interessierten Berechtigten bedarf, damit dingliche Rechte an der einen Parzelle in Konkurrenz treten können mit solchen, die an dem ganzen Komplex bestehen. Tragen die Gläubiger keine Bedenken, solches zu gestatten, so kann auch das Gesetz der privaten Abrede freies Feld gewähren.
Über die Hilfsregister ist nur zu bemerken, dass deren ganze Ausgestaltung durch das Verordnungsrecht zu erfolgen haben wird. Das Gesetz darf nicht mit Einzelheiten belastet werden, die einer raschen Wandlung unterworfen zu sein pflegen. Als weitere in Art. 990 nicht genannte Hilfsregister wären etwa die Grundeigen­tümerverzeichnisse, wie Baselstadt sie führt, zu nennen.(2) Auf andere haben wir oben hingewiesen.
Die besondere Fürsorge für die Belege rechtfertigt sich aus der Funktion dieser Sammlung: Sie ersetzt unter dem oben ent­wickelten Gesichtspunkte die Führung eines vollständigen Kontraktenprotokolles. (3)
Die kantonalen Ordnungen, auf die in Art. 992, Abs. 2. hin­gewiesen ist, werden namentlich Vorschriften über die Baulinien in Städten (man denke an die sogenannte Zonenexpropriation von
(1) ZGB 947, Abs. 2, bestimmt, die Eintragungen gelten, mit Ausnahme der Dienstbarkeiten, für alle Grundstücke. Abs. 3 fügt an, dass der Eigen­tümer jederzeit die Ausscheidung einzelner Grundstücke aus dem Kollektiv­blatt verlangen könne, unter Vorbehalt der daran bestehenden Rechte. (2) ZGB 948, Abs. 1, nennt nur das Tagebuch. GVO 108 führt als Hilfsregister an: Eigentümerverzeichnis, Gläubigerregister, Pfändungsregister, Berichtigungsbuch, Register für die Korrespondenz. Die Einführung eines Personenregisters ist den Kantonen anheimgestellt. (3) Vgl. ZGB 948, Abs. 2, wo eine zweckmässige Ordnung der Belege verlangt wird, und Abs. 3, der an Stelle der Belege die Einführung eines Urkundenprotokolls gestattet.



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Baselstadt), über die Alprechte (wir erinnern an die bernischen Alpseybücher) u. dgl. beschlagen.(1)
Betreffend die Anlegung der Pläne und die Ausnahmen, die in bezug auf die Durchführung der katastralen Vermessung gemacht werden können, ist oben bereits das Nötige angefügt worden. Teils die Verordnungen, teils die Übergangsbestimmungen werden darüber alles weitere festsetzen. Hiernach wird der Bundesrat einmal in den Kantonen, die bereits Vermessungen besitzen, sich auf diese auch bei der Anlage des Grundbuches beziehen dürfen. Sodann wird es einer Vereinbarung mit den Kantonen bedürfen, um festzulegen, in welcher Reihenfolge und mit welchen Aus­nahmen die Vermessung durchzuführen sei. Endlich wird bestimmt werden müssen, wer die Kosten der Vermessung zu tragen habe.
Dass der Bund wegen der Interessen, die für die allgemeine Rechtsordnung damit verbunden sind, in erheblichem Umfang finanziell mitzuwirken haben wird, steht ausser Zweifel. Dagegen wird auch diese Festsetzung, namentlich mit Bezug auf die Ver­schiedenheit der Kantone nach ihrem Gebietscharakter und dem Vorhandensein von Vorarbeiten, besser späteren Beschlussfassungen überlassen. Der Entwurf hatte in seiner ersten Redaktion eine Tragung der Kosten durch den Bund zu zwei Drittel und durch die Kantone zu einem Drittel vorgeschlagen, mit der .Möglichkeit für die letzteren, einen Teil dieses Drittels auf die Gemeinden und die Grundeigentümer abzuwälzen, was durch das kantonale Recht zu ordnen wäre.(2)
Einer Anregung, für das Grundbuch, wie beim Zivilstands­register, doppelte Führung vorzuschreiben, hat der Entwurf zunächst keine Folge gegeben. Die Massregel wurde im Verhältnis zu ihrem Nutzen als zu kostspielig erachtet, kann aber der weiteren Ausführung der grundbuchlichen Einrichtungen überlassen werden. Auch steht nichts im Wege, dass die Kantone hierüber, wie über die Neuanlage von Grundbüchern im Falle der Zerstörung der alten, besondere Ordnungen erlassen.
In bezug auf den Wasserrechtskataster und die übrigen Vor­kehrungen, die für die Ein- und Durchführung des Grundbuches in Aussicht zu nehmen sein werden, ist auf die Ausführungen über den Schlusstitel, S. 257—259 des Entwurfes, zu verweisen.(3)
II. Die Führung des Grundbuches. Art. 995 bis 1000. (4) Dass die Anlage des Grundbuches streng territorial zu erfolgen hat, ist
(1) Vgl. ZGB 949, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 950, Schl.t 39, Bundesbeschluss vom 13. April 1910, und VO betreffend die Grundbuchvermessung. vom 15. De­zember 1910. (3) Vgl. Schl.t. 39 ff. und betreffend den Wasserrechtskataster oben S. 352, Anm. 1. (4) Das Gesetz unterscheidet: Grundbuchführung, 951



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nicht zweifelhaft. Die passenden Kreise zu bilden, kann hier ebensowenig wie bei der Zivilstandsführung und beim Handels­register Sache des Bundes sein, und es ist auch die nähere Ein­richtung des Amtes, die Ernennung der Beamten und deren Besoldung den Kantonen zu überlassen und die Aufsicht ihnen zu übertragen. Allein gewisse Grundsätze müssen doch für diese kantonale Verwaltung durch das Bundesrecht einheitlich festgestellt werden, und dahin rechnet der Entwurf folgende Momente:
Wenn ein Grundstück in mehreren Kantonen oder auch nur in mehreren Grundbuchkreisen liegt, so muss in übereinstimmender Weise bestimmt werden, nach welcher Regel die Aufnahme in das Grundbuch vorzunehmen sei. Das geltende Recht befolgt hier verschiedene Grundsätze. Bald wird die grössere Bodenfläche, bald der grössere Wertteil, bald der Teil, wo gegebenen Falles sich das Wohnhaus befindet, für entscheidend erachtet (vgl. Schweiz. PR III, S. 48 u. a.), und man könnte auch daran denken, einfach die Erklärung des Grundeigentümers selber entscheiden zu lassen. Bei den Expertenberatungen wurde schliesslich die grössere Wertquote für massgebend erachtet, in der Meinung, dass damit sowohl die grössere Bodenfläche, als die Gebäulichkeiten in zweck­mässiger Weise berücksichtigt seien. (l) Wichtig ist bei der Anord­nung, werde sie so oder anders getroffen, genau zu bestimmen, dass die übrigen Kreise das Grundstück ebenfalls aufnehmen müssen unter Bezeichnung des Kreises, in dem die Eintragungen angemeldet werden, und dass die hier gemachten Eintragungen den anderen Kreisen von Amtes wegen mitgeteilt werden sollen. Sind mehrere Grundstücke, die in verschiedenen Kreisen liegen, zu einem Gesamtgrundpfand zu vereinigen, so wird die Eintragung für das ganze Verhältnis in jedem der Grundbücher in dem Sinne gemacht werden müssen, dass in jedem auf die in den andern erfolgten Eintragungen verwiesen wird. Die Vorschriften hierüber brauchen nicht in das Gesetz aufgenommen zu werden. Es genügt, wenn die Verordnungen diesfalls das Nötige feststellen.(2)
Die Führung des Grundbuches, die ganze amtliche Tätigkeit des Verwalters, ist kantonale Sache, auch die Gebühren werden von den Kantonen einkassiert und bilden ihre Einnahme. Dagegen wird es sich empfehlen, die Verordnungen der Kantone über diese Amtstätigkeit im allgemeinen der Genehmigung durch den Bundes­rat zu unterstellen und die Verordnung betreffend die Höhe der
bis 954, und Grundbuchbeamte, 955 bis 957. (1) ZGB 952, Abs. 2, bezeichnet den Kreis, in dem der grössere Teil des Grundstücks liegt, als den mass­gebenden. (2) Vgl ZGB 952 und GVO 42 f.



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Gebühren geradezu durch den Bundesrat aufstellen zu lassen.(1) Namentlich aber bedarf es für die Verantwortlichkeit einer einheit­lichen bundesrechtlichen Vorschrift. Die Verantwortlichkeit für die Fertigungs- und Grundbuchbeamten wird schon jetzt in den Kantonen sozusagen allgemein anerkannt (vgl. Schweiz PR III. S. 52 ff). Für die Gestaltung dieser Verantwortlichkeit aber konnten dem Entwurfe die Bestimmungen, die bei der Vormund­schaft (Art. 456) (2) aufgestellt sind, sowie der Art. 6 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes als Vorbild dienen. Immerhin wird die Haftung des Staates beim Grundbuch in Anbetracht der grossen Interessen, die sich mit diesem verknüpfen, und nament­lich auch des Zwanges, den der Staat mit der Aufstellung der Grundbuchvorschriften ausübt, als eine primäre aufgestellt werden müssen, in dem Sinne also, dass sich die Geschädigten ohne weitere Umschweife direkt an den kantonalen Fiskus halten können. Wird dieser zu einer Ersatzleistung angehalten, so soll er Regress gegen die fehlbaren Beamten haben. Als regresspflichtig können aber auch, insoweit Bürgen von den Beamten gestellt werden, diese erscheinen, ferner ist es natürlich den Kantonen zu über­lassen, die Gemeinden oder Kreise, in denen vielleicht die Wahl der Grundbuchbeamten nach kantonaler Organisation stattfindet, zur Tragung dieser Last heranzuziehen. Für das einheitliche Recht ist nur von Bedeutung die direkte Belangbarkeit des Staates und der Regress auf die Beamten, wobei als Beklagte aus dieser Regress­forderung die Beamten und Angestellten erscheinen, die den Schaden verursacht d. h. verschuldet haben. Die Verantwortlichkeitsklage selbst ist gegen den Fiskus für alle die Fälle gegeben, wo durch die Beamten der Grundbuchverwaltung oder die Angestellten oder auch durch die Organe der unmittelbaren Aufsicht ein Schaden verursacht worden ist. Die Einschreibung lehnt sich in dieser Beziehung an die Ausdrucksweise des Art. 40 (3) betreffend die Zivil­standsbeamten an, wobei zu beachten ist, dass die Verursachung und nicht, wie beim Regress, das Verschulden als Voraussetzung der Verantwortlichkeit genannt wird, was mit Art. 62 und 115 des 0R(4) im wesentlichen übereinstimmt. Demgemäss wird der Kanton also z. B. die Haftbarkeit auch dann zu tragen haben, wenn er im einzelnen Falle auf den Beamten, der den Schaden verursacht hat, wegen dessen Unzurechnungsfähigkeit den Regress nicht nehmen kann.
(1) ZGB 954, mit einem Vorbehalt in Abs. 2 betr. Bodenverbesserungen und Bodenaustausch, überlässt die Festsetzung der Gebühren den Kantonen. (2) Vgl. ZGB 427 ff. (3) ZGB 42. (4) Nunmehr OR 55 u. 101.



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Für die Beamten, wie für den Fiskus stellt es sich als eine Erleichterung in der Tragung dieser Verantwortlichkeit dar, wenn nach dem Vorbild der englisch-kolonialen Gesetzgebung durch das Mittel der Bildung eines Deckungsfonds dafür gesorgt wird, dass der Regress gegen die Fehlbaren Sicherstellung erfährt. Die Ordnung dieser Kasse darf wiederum den Kantonen überlassen werden, die namentlich zu bestimmen haben werden, in welchen Fällen der Regress auf diese Fonds oder die Beamten selbst gegeben oder verschlossen sein soll. Man denke z. B. an die Ausschliessung der Inanspruchnahme der Beamten für die Fälle des leichten Verschuldens, gegen dessen Folgen ja gerade durch die aus den grundbuchlichen Gebühren zu bildende Kasse die Beamten geschützt werden sollen. Umgekehrt würde bei Arglist die Kasse etwa nur für die Solvenz des Fehlbaren, oder nur bis zu einer gewissen Höhe auf dem Regresswege zu haften haben, und andere nähere Umschreibungen lassen sich mehr denken.
Was die Aufsicht der Kantone anbelangt, so muss sich der Bund eine Oberaufsicht wahren, die ähnlich derjenigen im Zivil­standswesen zu denken ist. Die Regelung dieser Oberaufsicht und namentlich die Ordnung des Beschwerdeganges kann, soweit eine Weiterziehung an die Bundesbehörden in Frage kommt, einer besonderen bundesrechtlichen Verordnung überlassen werden. Zur Handhabung der Aufsicht gehört dann auch die Befugnis, Diszi­plinarstrafen zu verhängen. Der Entwurf hat sich in dieser Hin­sicht der Ordnung angeschlossen, die bereits im Zivilstandsrecht und betreffend die Betreibungs- und Konkursbeamten angenommen worden ist (vgl. Art. 1000 mit Art. 41 und 42 des Entwurfes(1) und Art. 14 des SchbKG). Namentlich wird sich nach gleichen Gesichtspunkten entscheiden, ob dem Bunde eine Kompetenz zur Verhängung solcher Disziplinarstrafen zugestanden werden solle. Der Entwurf hat diese Frage in Abs. 1 des Art. 1000 negativ beantwortet.
B. Die Eintragung. I. Die Grundbucheinträge. Art. 1001 bis 1004. (2)
Wir haben schon oben die Fälle genannt, in denen die Eintragung zur Begründung des dinglichen Rechts soll erfolgen müssen, sowie diejenigen, für die im Gegensatz hierzu nur eine Vormerkung vorgesehen ist. Das Grundbuchblatt wird für die dinglichen Rechte drei Hauptkolumnen enthalten: Das Eigentum, die Dienst-
(1) Vgl. ZGB 957. Für die Zivilstandsbeamten hat ZGB 44 die nähere Festsetzung der Ordnungsstrafen der VO zugewiesen, vgl. §§ 97 n. 98. (2) ZGB 958 bis 961. In Art. 962 ist angefügt, dass die Kantone die Anmerkung der öffentlichrechtlichen Beschränkungen vorschreiben können.



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barkeiten und Grundlasten, und die Pfandrechte. Alles andere, was sonst noch zur Eintragung gelangt, ist Vormerkung. Die blossen Beschreibungen des Grundstücks und die Anmerkungen, für die gleichfalls eine Kolumne wird frei gehalten werden müssen, sind keine Grundbucheinträge.
Zu den drei Klassen von Vormerkungen, die im Entwurfe unterschieden werden, muss in Ergänzung dessen, was bereits oben darüber gesagt worden ist, noch folgendes angefügt werden :
Die Vormerkung der persönlichen Rechte kann nach Art. 1002 (1) nur erfolgen, wenn sie durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen wird. So ist dies der Fall betreffend Vorkauf und Rückkauf in Art. 681 und 683,(2) während betreffend Miete und Pacht Art. 281, Abs. 3, des OR in Betracht fällt.(3) Ferner gehört hierher das Nachrücken von Grundpfandgläubigern gemäss Art. 805, Abs. 3.(4) Nach den Vorschriften des OR wird der Mieter oder Pächter die Eintragung nur verlangen können, wenn der Vertrag ihm hierzu das Recht gibt. Will man diese Bestimmung entsprechend der Fassung redigieren, wie sie in den zit. Artikeln für den Vor- und Rückkauf vorgesehen ist, so ist bei der Revision des OR hierauf Bedacht zu nehmen.(5)
Die Vormerkungen von Verfügungsbeschränkungen (Art. 1003)(6) haben einen doppelten Charakter. Einerseits sind es behördliche Verfügungen, die vom Gericht oder von einem andern in dieser Beziehung kompetenten Amte ausgehen und zwar zur Sicherung streitiger oder vollziehbarer Ansprüche, mithin Arrestnahme oder Sicherung der Vollziehung von exekutionsfähigen gerichtlichen oder anderen Erlassen, soweit ein Vollziehungsrecht gegeben ist. Hierüber entscheidet das kantonale Recht, dem es also auch zusteht, zu bestimmen, in welchen Fällen eine solche Sicherung soll stattfinden dürfen. Anderseits aber handelt, es sich um Beschrän­kungen, die durch eine Verfügung des Eigentümers selbst ange­ordnet sind, und die zu ihrer dinglichen Wirkung der Eintragung als Vormerkung bedürfen, was aber dann wiederum nur für die Fälle zugelassen werden darf, für die das Gesetz eine solche Beschränkung überhaupt kennt. Dies ist der Fall betreffend die Heimstätten (Art. 380)(7) und betreffend die Anwartschaften eines Nacherben (Art. 510).(8) Bei diesen Vorschriften handelt es sich nicht um persönliche Ansprüche, sondern um solche, die das Gesetz

(1) ZGB 959. (2) ZGB 681 u. 683, unter Zufügung des Kaufsrechtes. (3) Nunmehr OR 260 u. 282. (4) ZGB 814, Abs. 3. (s) Vgl. nun OR 260 u. 282. (6) Vgl. ZGB 960, wo in Zif. 2 auch die Pfändung, das Konkurserkennt­nis und die Nachlassstundung angeführt sind. (7) Vgl. ZGB 353. (8) Vgl. ZGB 490, Abs. 2.



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bereits mit dinglicher Wirkung ausrüstet. Allein es ist doch nicht Eigentum und nicht ein bestimmtes beschränktes dingliches Recht begründet, sondern eine Verfügungsbeschränkung eigener Art, die weder beim Eigentum noch bei den Dienstbarkeiten eingetragen werden kann, sondern unter die Vormerkungen gehört, bei diesen aber nicht in Art. 1002, sondern als dingliches Verhältnis in Art. 1003 aufgeführt werden muss. Die Vormerkung wird in ersterem Falle (Art. 380) durch den Eigentümer und im letzteren (Art. 510) durch den Nacherben erwirkt werden können.(1)
Verfügungsbeschränkungen, die von Gesetzes wegen wirken, wie das Zugrecht unter Miteigentümern (Art. 682),(2) bedürfen zu ihrer dinglichen Wirkung keiner Eintragung oder Vormerkung im Grundbuch. Sie bestehen, wie die Eigentumsbeschränkungen aus Nachbarrecht, sobald sie allgemein vorgeschrieben sind, eben von Gesetzes wegen und sind als allgemein bekannt vorauszusetzen. Dagegen wird man betreffend das Vollziehungsverfahren immerhin vorzusehen haben, dass der Pfändung eines Grundstückes auch tatsächlich die Wirkung einer Verfügungsbeschränkung zukommt. Dies aber kann dadurch geschehen, dass nach amtlicher Vorschrift von der Pfändung beim Grundbuchamte Anzeige gemacht werden muss, worauf der Grundbuchbeamte die Vormerkung einzutragen hätte. Vgl. Art. 101 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes, zu dem in den Einführungsbestimmungen ein bezüglicher Zusatz gemacht werden dürfte.(3)
Die dritte Klasse der Vormerkungen umfasst ebenfalls zwei Kategorien: Einerseits solche, die sich auf Ansprüche beziehen, die erst noch im Rechtsstreit sich die Anerkennung erringen müssen, — der Ansprecher will sich mit der Vormerkung das Datum seines Rechtes sichern für den Fall, dass er überhaupt mit seiner Klage durchdringt, — anderseits aber solche betreffend dingliche Rechte, die Mangels der gesetzlich vorgeschriebenen formalen Vorausset­zungen noch nicht zur richtigen Eintragung gelangen können, während es doch materiell durchaus feststeht, dass das dingliche Recht vor­handen oder sicher zu begründen ist. Wir erinnern an den ange­führten Fall, wo ein eingesetzter Erbe die Eintragung verlangt, der unbestrittener Erbe ist, aber zu seinem Ausweis noch der Legalisation einer Unterschrift seitens einer auswärtigen Behörde bedarf. Wichtig ist bei diesen Vormerkungen, dass sie stets nur auf Bewilligung des Eigentümers und der andern Beteiligten selbst oder dann, wenn diese nicht beizubringen ist, des Richters
(1) Vgl. die Zitate der vorigen Anmerkungen. (2) ZGB 682. (3) Vgl. Schl.t. 58 (60).



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erfolgen sollen, und ferner, dass sie sachlich und zeitlich eine genaue Umschreibung zu erfahren haben, die in Fällen der erstern Art etwa dadurch erfolgen wird, dass der Richter dem Ansuchenden eine Frist bestimmt, innerhalb derer er seinen Anspruch gericht­lich geltend zu machen habe. Dass die richterliche Bewilligung für solche Vormerkungen so schnell als möglich erteilt werden soll, liegt in dem Zweck des ganzen Rechtsmittels begründet. Es rechtfertigt sich also hier, wie wir es für die grundbuchlichen Anordnungen auch im Pfandrecht angetroffen haben (vgl. Art. 802, Abs. 3),(1) das schnelle Verfahren, dessen Bedeutung sich bei den Einführungsbestimmungen auf S. 253 des Entwurfes unter Ziff. VI angegeben findet.(2)
II. Voraussetzung der Eintragung, Art. 1005 bis 1009. (3) Wir haben schon oben wiederholt darauf hingewiesen, dass ohne die Verfügung des eingetragenen Eigentümers regelmässig eine grundbuchliche Eintragung nicht erfolgen kann. Diese Verfügung ist also haupt­sächliche Voraussetzung jeder Eintragung, und zwar soll sie der Wichtigkeit der Sache entsprechend schriftlich erfolgen. Begibt sich der Eingetragene selbst auf das Grundbuchamt, so kann natürlich dort die schriftliche Form hergestellt werden, indem der Betreffende ein Formular, das hierfür bereit zu halten wäre, unterzeichnet. Von dieser Voraussetzung sind aus den früher entwickelten Gründen nur die Eintragungen befreit, denen ein Erwerb des Eigentums oder eines beschränkten dinglichen Rechts von Gesetzes wegen oder, wie z. B. beim Eigentumsstreit, ein Gerichtsurteil oder ein gleichwertiger Akt zugrunde liegt (vgl. Art. 1005, Abs. 2).(4)
Ist eine Eintragung einmal erfolgt, so kann man sich bei deren Löschung oder Abänderung nicht mit der gleichen Voraussetzung zufrieden geben. Nicht nur der Eigentümer ist hier der Interes­sierte, sondern alle diejenigen, die bereits eingetragen sind und aus oder gegenüber einem Eintrag, der gelöscht oder abgeändert werden soll, als grundbuchlich berechtigt erscheinen, sei es negativ oder positiv. Diese haben daher hier in gleicher Stellung mitzu­wirken, wie der Eigentümer beim ersten Eintrag, nur sind sie doch nicht die Verfügenden. Die Verfügung hat auch hier der

(1) Das Gesetz, Art. 811, hat diesen Zusatz nicht aufgenommen. (2) In den Schl.t. ist eine solche Bestimmung nicht aufgenommen worden. (3) Vgl. ZGB 963 bis 966. Zit. Art. 1007 ist, in andern Zusammenhang gestellt, in ZGB 958 wiedergegeben. (4) ZGB 963, Abs. 2. In Abs. 3 ist angefügt, dass die mit der öffentlichen Beurkundung beauftragten Beamten durch die Kan­tone angewiesen werden können, die von ihnen beurkundeten Geschäfte zur Eintragung anzumelden.



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Eigentümer, und die Beteiligten, die Interessierten, werden in der Weise herangezogen, dass sie zu der grundbuchlichen Ver­fügung ihre Zustimmung geben sollen. Man hat dabei an die Dienstbarkeitsberechtigten und an die Pfandgläubiger zu denken, deren Zustimmung also neben der Verfügung des Eigentümers die formale Voraussetzung einer jeden Löschung oder Abänderung des Eintrages bildet, aus dem sie berechtigt sind. Eine Er­leichterung mag dabei gewährt werden, und zwar kann sie, da es sich hier um Akte handelt, die dem Grundbuchamte mit Hin­sicht auf das bereits Eingetragene vorgelegt werden, sehr wohl darin bestehen, dass die Betreffenden nur im Tagebuch ihre Unter­schrift zu dem bezüglichen Akt einzuschreiben brauchen. Erfolgt die Löschung oder Abänderung von Gesetzes wegen, so fällt die Notwendigkeit irgend einer Einwilligung selbstverständlich auch hier weg.(1)
Als weitere Voraussetzung der Eintragung verlangt der Ent­wurf für alle Fälle den Ausweis über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund der Eintragung. Damit kommt der Grundbuch­beamte in die Lage, eine Kognition auszuüben, die ihm nicht alle modernen Grundbuchrechte zuweisen, die aber speziell für unsere Verhältnisse und gemäss unseren Überlieferungen als gerechtfertigt und wünschenswert erscheint. Der Grundbuchverwalter wird dar­nach nämlich zunächst sich von dem Verfügungsrecht des Petenten überzeugen müssen, also die Identität des Gesuchstellers mit dem eingetragenen Eigentümer oder die Gültigkeit der Vollmacht zu prüfen haben. Ferner wird er sich den Rechtsgrund vorlegen lassen und untersuchen müssen, ob die hierfür vorgeschriebene Form erfüllt sei, und kommt es hierbei zu einer vorläufigen Ein­tragung (Art. 1004),(2) so kann der Grundbuchverwalter diese doch nicht von sich aus bewilligen, sondern sie nur entweder mit Ein­willigung aller Beteiligten oder auf gerichtliche Erlaubnis hin vor­nehmen.
III. und IV. Art der Eintragung und Anzeigepflicht, Art. 1010 und 1011. (3) Die für den Eintrag aufzustellenden Vorschriften müssen dem Publizitätszwecke des Grundbuches entsprechen. Strenge chronologische Eintragung in die betreffenden Rubriken ist hier­nach unbedingt geboten, und zwar als gesetzliche Anordnung. Im übrigen können die näheren Anweisungen sehr wohl auf den Ver­ordnungsweg gewiesen werden. Für das Gesetz vindiziert der Entwurf nur noch folgende Momente: Eintragung der Dienstbar-
(1) Vgl. ZGB 964. (2) ZGB 961. (3) Vgl. ZGB 967 u. 969.



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keiten sowohl beim dienenden, als beim herrschenden Grundstück, was jedoch nicht hier bei den blossen Formbestimmungen, sondern als zur Begründung des dinglichen Rechtes gehörig in Art. 1007 festgestellt wird.(1) Ferner Berechtigung jedes Beteiligten, einen Auszug zu verlangen, auf wessen Kosten, hängt von den betreffen­den Rechtsverhältnissen ab. Weiter Anzeigepflicht betreffend alle Eintragungen, die ohne Vorwissen der Beteiligten erfolgen, und zwar namentlich zu dem Zwecke, damit die Frist in ihrem Be­ginne festgestellt werde, die zur Anfechtung der durch den Grund­buchverwalter zu treffenden Anordnungen aufgestellt ist, wie wir namentlich im Grundpfandrechte mehrfach solche Fälle angetroffen haben. (Vgl. Art. 802, 820, 828, 834.)(2)
C.   Öffentlichkeit des Grundbuches, Art. 1012.(3) Sie liegt im ganzen Zwecke des Institutes, kann aber im Gegensatz zum Handels­register füglich auf die Fälle eingeschränkt werden, wo ein In­teresse glaubhaft gemacht wird. Der Zusatz betreffend Ausschluss der Einwendung, das Grundbuch nicht gekannt zu haben, stellt ein Prinzip fest, das zwar an sich nach dem Publizitätszweck der ganzen Einrichtung als selbstverständlich erscheint, wegen seiner Wichtigkeit aber doch der ausdrücklichen Feststellung wert ist.
D.   Die Wirkungen des Grundbuches, Art. 1013 bis 1016. (4) Die zwei Seiten, die hier zu unterscheiden sind, haben wir oben genügend beleuchtet. Die negative Rechtskraft des gesamten Grundbuches findet in Art. 1013(5) Anerkennung, wobei nur darauf hinzuweisen ist, dass die nähere Kenntnis über den Inhalt eines richtig ein­getragenen Rechtes, soweit dies neben und ohne Widerspruch mit dem Grundbuche als möglich erscheint, auch aus anderen Beweis­mitteln, namentlich aus den Belegen gewonnen werden kann. Ferner ist daran zu erinnern, dass die negative Wirkung des Grundbuches natürlich nur für die Grundstücke gilt, die in das Grundbuch auf­genommen sind. Die Übergangsbestimmungen haben darüber das Nähere zu sagen. Vgl. die in Aussicht zu nehmende Ordnung angemerkt auf S. 257 bis 259 des Entwurfes.(6)
Die positive Rechtskraft liegt in der Wirkung des Grund­buches, und zwar wieder in seiner Gesamtheit, als Publizitätsorgan.
Die dingliche Wirkung der eingetragenen Rechte unter sich bestimmt sich nach dem Datum ihrer Eintragung. Allein diese Ein-
(1) Das Gesetz hat die Bestimmung unter die Art der Eintragung gestellt, Art. 968. (2) ZGB 969. Siehe ZGB 811, 834, 845, 852, wo aber das Verfahren z. T. anders geordnet ist. Vgl. GVO 88 f. (3) ZGB 970. (4) ZGB 971 bis 974. (5) ZGB 971. (6) Vgl. Schl.t. 38 bis 48.
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tragung ist etwas Äusserliches und steht nicht in der Gewalt der Parteien, indem sie von der Tätigkeit der Beamten abhängt. Daraus ist abzuleiten, dass doch wohl bezüglich dieser Wirkung nicht einfach auf das Hauptbuch abgestellt werden darf, sondern dem Verfügenden eine Sicherheit dafür geschaffen werden muss, dass er sein Recht nach dem Datum, unter dem er es beim Grund­buch angemeldet hat, auch wirklich mit dinglicher Wirkung erhalte. Die geltenden Rechte geben in der Regel ein solches Mittel (vgl. Schweiz. PR III, S. 81 und 89), und der Entwurf hat sich ihnen mit Abs. 1 des Art. 1014 (1) angeschlossen, indem er den Rang des eingetragenen Rechtes nach dem Datum der An­meldung, resp. der Eintragung im Tagebuch bestimmt. Dadurch wird allerdings das Hauptbuch um ein kleines Stück seiner Zu­verlässigkeit beraubt, indem es vorkommen kann, dass Rechte bereits im Tagebuch, aber noch nicht im Hauptbuch eingetragen sind, und wer die hieraus resultierende Gefahr vermeiden will, wird eben auch noch die jüngsten Anmeldungen im Tagebuch nachschlagen müssen. Wir denken aber auch, dass auf dem Wege der Verordnung diese Gefahr auf ein Minimum reduziert werden kann. Man braucht z. B. nur vorzuschreiben, dass jede Eintragung sofort oder gleichzeitig mit der Eintragung im Tagebuch mit einer Anmerkung ganz summarisch, d. h. nur mit einem Hinweis darauf, dass eine solche vorliege, auch im Hauptbuch angemerkt werden müsse. Stets wird es dann doch nur einen oder zwei Tage dauern, bis der wirkliche Eintrag vorhanden ist, und neue Rechte werden ja ohnedies auch wieder zuerst im Tagebuch eingetragen werden müssen, so dass sie niemals den Vorrang vor früher eingetragenen erhalten können.
Der Rang der eingetragenen Rechte untereinander bestimmt sich nach den genannten Voraussetzungen. Rechte gleichen Datums in der gleichen Rubrik datieren nach ihrer Reihenfolge, stehen sie aber in verschiedenen Rubriken, so müssen sie als von gleichem Range gelten.(2) Veränderungen im Range erfolgen mit Änderungen in den Einträgen. Rangesabtretungen werden auf diese Weise dinglich wirksam gemacht. Ansprüche auf Nachrücken bei der Löschung älterer Einträge können durch Vormerkung dingliche Wirkung erhalten, da das Gesetz dies ausdrücklich in Art. 805, Abs. 3, in Aussicht nimmt (vgl. Art. 1002).(3)
Die positive Wirkung der Publizität im Verhältnis zu Dritten.
(1) Vgl. ZGB 972, wo die äussere Anordnung der Vorschrift anders gefasst ist. (2) Diese Bestimmung, zit. Art. 1014, Abs. 2, ist in das Gesetz nicht aufgenommen worden. Vgl. GVO 27. (3) Vgl. ZGB 959 u. 814, Abs. 3.



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nicht Eingetragenen, in der oben entwickelten Bedeutung, hat in Art. 1015(1) Anerkennung gefunden, den wir noch etwas näher betrachten müssen.
Der gesamte Inhalt des Buches, soweit durch ihn die dinglichen Rechte am Grundstück dargestellt werden wollen, kommt hier in Frage: So wie das Grundbuch es ausweist, sollen diese Verhält­nisse als dingliche, auch wenn ihnen die materielle Grundlage nicht entspricht, Geltung haben gegenüber jedermann, der sich in gutem Glauben hierauf verlässt. Das bedarf nach zwei Seiten einer aufklärenden Bemerkung. Erstens geht aus dieser Regel hervor, dass unter dem Eintrag nicht nur der positive Eintrag eines dinglichen Rechtes, sondern überhaupt alles zu verstehen ist, was über den dinglichen Rechtsbestand am Grundstück positiv aus dem Grundbuch ersichtlich ist. Was nicht eingetragen ist, besteht nicht als dingliches Recht, was gelöscht worden ist, gilt in bezug auf diese Wirkung als nicht mehr eingetragen, was ver­ändert worden ist, hat die Eintragung nach der veränderten Fassung erhalten und in dieser Gestalt Kraft bekommen. Also umfasst der Ausdruck Eintrag hier deutlich jede grundbuchliche Verfügung (vgl. Art. 1008),(2) sowohl die erstmalige Eintragung, als die Abänderung und die Löschung eines bereits vorhandenen Eintrages. Zweitens ist nur der als in gutem Glauben befindlich in seinem Erwerb zu schützen, der nicht weiss, dass das Grundbuch in einem gegebenen Falle zu dem materiellen Recht im Wider­spruch steht, sondern auch derjenige, der dies wissen muss, d. h. der bei schuldiger Aufmerksamkeit davon Kenntnis hätte. Der Kläger, der den bösen Glauben gegebenen Falles nachzuweisen hat, beweist dessen Vorhandensein genügend, wenn er dartut, dass der Beklagte nach den Umständen bei pflichtschuldiger Aufmerk­samkeit die richtige Kenntnis haben musste. Der gute Glaube ist also hier so zu verstehen, wie anderwärts in dem Entwurfe und wie auch im Obligationenrecht, ohne dass das Gesetz darüber sich ausführlicher zu ergehen braucht.(3)
Bei bösem Glauben des Dritten, der einen Eintrag erwirkt hat, kommt Art. 1016(4) zur Anwendung, wobei als ungerechtfer­tigter Eintrag derjenige bezeichnet ist, der ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft erfolgt ist. „Ohne Rechtsgrund" muss dabei nicht nur den Fall, wo überhaupt kein Rechts­grund vorgelegen hat, sondern auch den, wo der angegebene Rechtsgrund nichtig ist, umfassen. Daneben ist es aber auf  Grund des Vorkommens einseitig unverbindlicher Rechtsgeschäfte im OR
(1) ZGB 973. (2) ZGB 965. (3) Vgl. ZGB 3. (4) ZGB 974.



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notwendig, diese Möglichkeit noch besonders zu erwähnen, wenn­gleich man sie ohnedies mit angemessener Interpretation unter die Fälle des fehlenden Rechtsgrundes subsumieren könnte. Liegt ein solcher ungerechtfertigter Eintrag vor, so kann man sich die Ab­hilfe auf zwei verschiedene Arten denken: Entweder man weist den in seinen Rechten Verletzten an denjenigen, dem gegenüber dieser Mangel direkt vorliegt, und zwingt diesen, dafür zu sorgen, dass der Eintrag des Dritten gelöscht werde. Oder man gibt dem Verletzten gegen diesen ein direktes Klagerecht. Der Entwurf hat sich für den letzteren Weg entschieden, indem damit die dingliche Position des Verletzten viel richtiger zum Ausdrucke gebracht wird, als bei ersterer Ordnung. Gegen den bösgläubigen Dritten geht also der Anfechtende als dinglich Berechtigter je nach der Lage des Falles, sei es negatorisch oder confessorisch, vor und bedarf der Intervention seines unmittelbaren Vertragsgegners durch­aus nicht, um zu seinem Ziele zu gelangen.
Hier überall ist aber stets nur von der Stellung zu dem gut­gläubigen oder bösgläubigen Dritten die Rede. Handelt es sich um die unmittelbar einander gegenüberstehenden Parteien, so kann es sich nicht um die Rechtskraft des Grundbuches an sich handeln, sondern es liegt eine Behauptung der Unrichtigkeit des Grund­buches vor, die durch Aufhebung oder Abänderung des Eintrages, der nicht zu Recht besteht, zu ihrem Rechte gelangt.
E. Aufhebung und Abänderung der Grundbucheinträge, Art. 1017 bis 1019.(1) Drei Fälle müssen hier unterschieden werden:
1. Ist ein Eintrag nach der beschriebenen Weise ungerecht­fertigt, so kann jedermann, der dadurch in seinen Rechten ver­letzt wird, die Richtigstellung des Grundbuches verlangen. Es betrifft dies den Fall, wo jemand direkt einem Gegner, der ein­getragen worden ist, gegenüber steht, das Verhältnis also, auf das wir soeben hingewiesen haben, wo zum Beispiel der Betrogene demjenigen gegenüber, der auf Grund des Betruges die Eintragung ungerechtfertigterweise erlangt hat, sein Recht geltend macht und die Abänderung oder Löschung des Eintrages anbegehrt, der ihn schädigt. Auf den bösen oder guten Glauben des Beklagten kommt es dabei nicht an. Auch der in wesentlichem Irrtum befindliche kann dieses Mittel gegen den Gegner, den gar kein Verschulden trifft, unzweifelhaft zur Anwendung bringen. Denn auch dieser vermag sich, weil er nicht Dritter ist, nicht auf seinen guten Glauben, d. h. nicht auf die Publizitätswirkung des Grundbuches
(1) ZGB 975 bis 977.



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zu berufen. Natürlich bleiben hiervon sowohl die Bestimmungen zum Schutze der wirklichen gutgläubigen Dritten als auch die Schadenersatzansprüche unberührt.
2.     Der Eintrag kann jede rechtliche Bedeutung verloren haben. So wenn das Recht, dem er entspricht, materiell unterge­gangen ist und auch dem Eintrag an sich nicht, wie bei den Eigentümerdienstbarkeiten und den Grundpfandtiteln, eine selbständige, formale Bedeutung zukommt. Es hat keinen Sinn, in solchen Fällen das Grundbuch weiter mit dem Eintrag zu beschweren, er soll aus dem Buche entfernt werden können. Hierzu aber bieten sich zwei Wege. Entweder verlangt der Belastete selber die Löschung, wobei er die genannte Voraussetzung beweisen muss. Oder aber es soll von Amtes wegen zu einer solchen „Bereinigung" des Grundbuches geschritten werden, und zu diesem Zwecke gibt der Entwurf dem Grundbuchverwalter das Recht, die Löschung von sich aus vorzunehmen. Dabei muss er aber, wie in verwandten Fällen (siehe Art. 737 und im Grundpfandrecht Art. 802 und Art. 820), den Beteiligten Anzeige machen, und diese können die Löschung eventuell wegen mangelnder Voraussetzung beim Richter anfechten (vgl. Art. 1011).(1).
3.   Es kann auch eine einfache, nicht gewollte Unrichtigkeit in der Eintragung vorliegen. Dabei sind aber zwei Fälle zu unter­scheiden. Hat diese Unrichtigkeit auf den Inhalt des dinglichen Rechtes Einfluss, wenn z. B. die Pfandsumme oder der Zinsfuss falsch eingetragen worden sind, so muss der Grundbuchverwalter oder einer der Beteiligten dem Richter hiervon Anzeige machen, und die Berichtigung wird nach Untersuchung der Sache von diesem angeordnet. Liegt dagegen ein blosser Schreibfehler, d. h. eben nur ein solcher und keine für den Inhalt des Rechtes relevante Unrichtigkeit vor, — es ist z. B. der Vorname einer der Parteien nicht richtig angegeben, ohne dass doch über die Identität des Be­treffenden irgend ein Zweifel bestehen kann, — so genügt es, wenn der Grundbuchverwalter die Aufsichtsbehörde darum ersucht, ihm die Berichtigung zu erlauben. Die Einwilligung des Betreffenden oder irgend welcher Beteiligten ist hier nicht nötig, obgleich auch hier eine Anzeige an diese sich empfehlen wird, damit eventuell einer Benachteiligung in versteckter Form durch gerichtliche An­fechtung begegnet werden kann.
Von sich aus und eigenmächtig soll also der Grundbuchver­walter Berichtigungen nicht vornehmen können. Inwieweit aber
(1) Vgl. ZGB 976, Abs. 3. Die Stellung des Grundbuchverwalters ist im Gesetz hier, wie bei Art. 743, Abs. 3, 744, Abs. 3, 811 u. 834, anders geordnet.



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vor oder nach der Unterzeichnung der formalen Akte im Grund­buch Rasuren angebracht werden dürfen, oder das Einschieben von Zusätzen zwischen die Zeilen gestattet werden könne, ist nicht im Gesetze zu ordnen, sondern durch die über die Führung des Grundbuches aufzustellenden Verordnungen näher zu regeln.(1)
Die Klage auf Löschung oder Abänderung eines Eintrages ist, wie wir schon früher sagten, keiner Verjährung unterworfen. Die notwendige Hilfe bringt hier Art. 664 (724). (2)

(1) Vgl. GVO 98 ff. (2) Vgl. ZGB 661 (731).




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